BDSL-Klassifikation: 18.00.00 20. Jahrhundert (1945-1989) > 18.14.00 Zu einzelnen Autoren
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Nach der Wende ins 21. Jahrhundert gilt deutsche Geschichte für deutsche Schriftsteller nach wie vor als ein privilegiertes Experimentierfeld für Erkundungen, Infragestellungen, Neubesinnungen. Wie bei Günter Grass' Novelle 'Im Krebsgang' (2002) oder bei Christoph Heins Roman 'Landnahme' (2004) wird die deutende Sinngebung des Vergangenen als ein Beitrag zum kollektiven Gedächtnis der Nation konzipiert. Immer wieder stößt man bei näherer Betrachtung auch der literarischen Produktion aus den 1990er Jahren auf Texte, die erkennen lassen, in welchem Maße Erinnerung an deutsche Vergangenheit immer noch als eine unerlässliche Voraussetzung für das Verständnis der Gegenwart angesehen wird. Auch die Debatte um den Luftkrieg, die von W. G. Sebald ausgelöst wurde, gehört in diesen Kontext als ein Versuch, ein schmerzhaftes Kapitel der Kriegsgeschichte ohne Ressentiments und mit der nötigen Einfühlung in das Leid der eigenen Nation nachzuholen. Wissenschaftliche Forschung hat diese neue Aufarbeitungswelle pünktlich registriert und analysiert, essayistisch-kritisches, engagiertes Denken hat, unter sehr verschiedenem Vorzeichen, ihre Legitimität in Bezug auf die Notwendigkeit, ein nationales Gedächtnis zu bilden und zu pflegen, bestätigt. Wie kann nun aber im Medium der Fiktionsliteratur - so lautet die Ausgangsfrage dieses Beitrags - ein in sich gekehrtes, notwendigerweise einsames Erinnern den Weg zum kollektiven Gedächtnis suchen und finden, um repräsentativ zu sein, ohne sich auf den an sich zwar verständlichen, doch beschränkten Anspruch des Dabeigewesenseins oder des Dazugehörenwollens reduzieren zu lassen?
In der Essayistik und Publizistik wie in den Briefen Heinrich Bölls ist der Dichter Heinrich von Kleist vielfach gegenwärtig. Das erklärt sich wohl nicht zuletzt daraus, dass Kleist zu den Lieblingsautoren vor allem des jungen Schriftstellers gehörte. Auch im dichterischen Werk Bölls fehlt Kleist bekanntermaßen nicht. An einer zentralen Stelle im Roman 'Ansichten eines Clowns' aus dem Jahr 1963 nennt ihn die Hauptgestalt Hans Schnier beim Namen und spielt auf dessen Text 'Über das Marionettentheater' an und somit auch auf das Problem der Mechanik, das dann eine lebhafte wissenschaftliche Diskussion ausgelöst hat. Im schriftstellerischen Werk wie in den Briefen Bölls sucht man indessen vergebens nach dem Namen Henri Bergson. Auch im Schrifttum zu Böll kommt der Name meines Wissens nur zweimal vor, wie noch zu zeigen ist. Das verwundert, denn Bergson hat einen starken Einfluss auf 'le renouveau catholique' ausgeübt, jene religiöse, künstlerische und auch sozial gefärbte Strömung des späteren 19. und frühen 20. Jahrhunderts, zu deren Vertretern nicht zuletzt auch die Romanschriftsteller Leon Bloy und Georges Bernanos zählen, deren Namen in den Schriften und Briefen Bölls häufig vorkommen und die die Weltsicht und den literarischen Stil des angehenden Autors bekanntlich beeinflusst haben. Auch bei Bergson nehmen Mechanik und Puppe, wie man weiß, eine bedeutende Stelle ein. Es wird sich zeigen, dass ein zentraler Zug in Bölls Denken über Mensch und Gesellschaft eine deutliche Parallele in dem Bergsons findet, und diese ideelle Gemeinsamkeit prägt trotz punktueller Unterschiede teils ganz grundsätzlicher und eingehender zu untersuchender Art sowohl die ästhetische Theorie des Franzosen wie auch Thematik und Motivik des Deutschen stark mit. Darüber hinaus wird sich erweisen, dass Böll in diesem Zusammenhang dem französischen Philosophen näher steht als dem deutschen Dichter.
Die parteiamtliche Kulturpolitik der Deutschen Demokratischen Republik hat der Literatur mit Beginn der Eigenstaatlichkeit der DDR das Ziel gesetzt, eine eigene "sozialistische Nationalliteratur" zu schaffen, die dem neu gegründeten Staat durch Bereitstellung kollektiv verbindlicher Narrative gesellschaftlichen Rückhalt verleihen soll. In der Tat hat die DDR nicht nur ein literarisches Feld mit groben Unterschieden zur Bundesrepublik hervorgebracht, sondern auch eine Literatur, die insbesondere im Bereich der Epik seit den sechziger Jahren als solche "klar konturiert" ist. Diese Literatur - ich beschränke mich im folgenden gattungsmäßig auf die Erzählliteratur und literaturgeschichtlich auf die sechziger Jahre, in denen der Literaturbetrieb der DDR relativ störungsfrei abgeschottet und durchreguliert war - ist zwar nicht notwendigerweise programmatisch "sozialistisch" und muß auch nicht als Beitrag zu einer separaten Nationalliteratur intendiert sein, aber sie ist über gemeinsame Rahmenbedingungen, die artikulierbaren und tatsächlich artikulierten Fragestellungen und ästhetischen Vorentscheidungen sowie durch intertextuelle Verknüpfungen in hohem Maße verbunden. Im Kontext der DDR-Kulturgeschichte ist dieser Befund nicht überraschend. So wie sich spätestens seit dem Mauerbau eine eigene Konsumkultur entwickelt, so bildet sich eine eigene literarische Kultur, deren Werke durch die regionalen Sonderbedingungen geprägt sind - und zwar sowohl dort, wo sie sich staatlichen Direktiven vorsichtig zu entziehen versuchen, als auch dort, wo sie ihren Beitrag zur 'Planerfüllung' weitgehend leisten.
Eine besondere Erfahrung ist es für mich gewesen, die elsässischen Dichter Claude Vigée und Adrien Finck kennenzulernen sowie einen Einblick in ihre enge Zusammenarbeit zu gewinnen. Im Folgenden möchte ich den Voraussetzungen und der Einzigartigartigkeit dieser Dichterfreundschaft auf die Spur kommen. Als Achse ihrer Gemeinsamkeit verstehe ich - vorgreifend gesagt - eine Poetik, der es wesentlich um die Initiierung von Aufbrüchen geht.
Jahr 2004 hat der katholische Theologie- und Politikwissenschaftler Hans Maier darauf hingewiesen, dass der Begriff des Märtyrers bemerkenswert "säkularisierungsresistent" sei. Nach Maier ist der Begriff des Märtyrers weiterhin religiösen Kontexten vorbehalten. Seine Meinung mag angesichts der Renaissance des Märtyrerbegriffs seit den Anschlägen vom 11. September 2001 vordergründig einleuchten. Im Folgenden soll dagegen gezeigt werden, warum Maiers These von der 'Säkularisierungsresistenz' des Märtyrers fragwürdig ist. Ich werde dabei weniger das an sich zu problematisierende Konzept der Säkularisierung diskutieren, sondern zu zeigen versuchen, dass Maiers These begriffsgeschichtlich ihre Tücken hat – zumindest wenn man bereit ist, zu akzeptieren, dass die Begriffsgeschichte von 'Märtyrer' nicht auf ihre antiken Ursprünge zu reduzieren ist. Vielleicht ließen sich Maiers Überlegungen zur 'Säkularisierungsresistenz' des Märtyrers im Hinblick auf die Ausdrucksseite des Begriffs bestätigen. Auch daran zweifle ich, kann und will dem hier aber nicht nachgehen. Stattdessen möchte ich exemplarisch zeigen, inwieweit Bertolt Brecht schon im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in seinem Lehrstück 'Die Maßnahme' die Märtyrerfiguration säkularisiert hat - eine Technik, die gleichzeitig Modi der Sakralisierung kennt, deswegen auch als Dialektik begriffen werden kann und in der deutschen Dramengeschichte ihrerseits nicht neu ist. Brechts Säkularisierung berührt allerdings ausschließlich die Inhaltsseite des Begriffs 'Märtyrer', den Ausdruck selbst verwendet er nicht. Maier hat außerdem eine deutliche Politisierung des Märtyrerbegriffs in den letzten Jahren diagnostiziert. Auch dem möchte ich widersprechen. Schon Brechts Drama steht entschieden im Zeichen der Politisierung des Märtyrers. Dass zudem auch die personalisierte Politisierung des Märtyrertums keine neue Idee ist, werde ich im zweiten Teil mittels einer Untersuchung von Heiner Müllers 'Mauser' und seiner Büchner-Preisrede darlegen. Müller hat das messianische Potential der 'Maßnahme' mit 'Mauser' einerseits kritisiert. Das hat bei ihm andererseits aber nicht zu einem völligen Verzicht auf Märtyrerfigurationen geführt. Mitte der 1970er Jahre hat er zu einer Rekontextualisierung der Märtyrerfiguration angesetzt, indem er sie – im Unterschied zu Brecht - personalisierte und dadurch eine Art revolutionäre Hagiographie etablierte. Auch die Politisierung geht dementsprechend nicht auf die selbsternannten islamistischen Märtyrer zurück, sondern ist eine ältere Idee. Wie alt sie ist, kann im Rahmen dieser Studie nicht erörtert werden. Wahrscheinlich existierte sie schon in der christlichen Antike.
Setkání se smrtí je jedním z témat, která jsou těsně spjata s literární tvorbou od jejich počátků. V sedmdesátých letech 20. století sděluje řada švýcarských spisovatelů otevřeně své privátní zážitky v autobiografických dílech, ve kterých nemá zůstat nic zatajeno, tedy ani hrůza nemoci a smrti.
Na konci osmdesátých a na počátku devadesátých let se hlásí o slovo mladá, zcela jinak orientovaná generace autorů. Pro jejich literaturu není typickým znakem jen odraz vnitřního světa, nýbrž i pokus spojit osobní život s veřejným zájmem. Jedním z představitelů této generace je Thomas Hürlimann. Švýcarská společnost a podmínky demokracie mu poskytují témata, která zpracovává ve stále nových variacích. V románu "Der grosse Kater" se prolínají dvě roviny. Veřejná, ve které jsou odhaleny praktiky politických šíbrů, a soukromá, která líčí bezmocnost rodiny, jež je nucena bezmocně přihlížet umírání dítěte. Obě roviny se setkávají ve styčném bodě, kterým je smrt. Smrt ovlivňuje rozhodující měrou životní osudy protagonistů a určuje jejich budoucí směřování.
Im Jahr 1980 begann der Schriftsteller Walter Kempowski, private Dokumente aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu sammeln, hauptsächlich Tagebücher, Briefe und Fotos. […] [E]r wollte das Archiv nicht nur der Forschung zur Verfügung stellen, sondern es auch selbst zur Herstellung literarisch-künstlerischer Werke nutzen. Zunächst dachte Kempowski an einen Fotokalender, gab diese Idee aber bald wieder auf. Erst 1987, als seine Assistentin Simone Neteler schon dabei war, die handschriftlichen Texte zu transkribieren, begann der Schrifsteller das Projekt eines „kollektiven Tagebuchs“ zu entwickeln. In dem Tagebuch sollte der gesamte Zweite Weltkrieg aus der Sicht unbekannter Menschen aus seinem Archiv vorgestellt werden; bald jedoch wurde ihm klar, dass ein solches „kollektives Tagebuch“ gewöhnlicher Menschen und dieses Ausmaßes nicht zu realisieren wäre. Einerseits wäre es eine immense Arbeit gewesen, andererseits wollte er nicht auf die Stimmen von Prominenten verzichten, um den Krieg in allen seinen Aspekten zu schildern. Deswegen wurden nur einige wichtige Perioden des Krieges ausgewählt und zusätzlich Texte von bekannten Intellektuellen, Künstlern und Politikern aufgenommen. […]
Das folgende Interview wurde im April 2010 mit seiner ehemaligen Assistentin Simone Neteler geführt. Hier berichtet sie über die Arbeit mit Kempowski, den Umgang mit den Dokumenten und die Entstehung des Echolot.
Der Roman Morenga, der erstmals 1978 beim Verlag Autoren-Edition veröffentlicht wurde, zählt zu den deutschsprachigen Romanen, die Göttsche als „neue Historische Afrika-Roman[e]“ bezeichnet. Laut Göttsche werfen die AutorInnen solcher Romane einen unvoreingenommenen Blick auf Afrika, anerkennen die kulturellen Realitäten Afrikas und stellen sie im Vergleich zu denen ihrer Gesellschaft als gleichwertig dar. […] Bei den literaturwissenschaftlichen Studien zum postkolonialen Diskurs unterscheidet Lützeler zwei dominante Aspekte: Einen deskriptiven und einen programmatischen Aspekt. Für ihn hebt der deskriptive Aspekt die ungleichberechtigte Beziehung zwischen den ehemaligen kolonisierenden und kolonisierten Ländern hervor. Durch den programmatischen Aspekt aber setzt man sich zum Ziel, dieses Machtherrschaftsverhältnis zu überwinden, damit eine gleichberechtigte Beziehung zwischen „Erster und Dritter Welt bzw. Nord und Süd“ möglich wird. Die Überwindung der Machtherrschaftsverhältnisse in den Beziehungen zwischen Afrika und Europa, hier im kulturellen Bereich, ist meines Erachtens eine notwendige Voraussetzung für die gegenseitige Bereicherung. Für Hofmann soll der postkoloniale Umgang der Europäer mit den außereuropäischen Kulturen nicht mehr der einer kulturellen Bevormundung sein, sondern einen Dialog zulassen, in den beide Seiten ihr jeweils Bestes einbringen5. Wie wird der postkoloniale Umgang der Europäer mit der afrikanischen Kultur im Roman Morenga inszeniert? Dies ist die Ausgangsfrage, die ich in Mittelpunkt dieses Aufsatzes stelle.