BDSL-Klassifikation: 19.00.00 1990 bis zur Gegenwart > 19.04.00 Studien
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Die monographische Publikation Ingrid Puchalovás und Michaela Kováčovás entstand im Rahmen des Projekts "Vergessene Texte, vergessenen Literatur. Deutschschreibende Autorinnen aus dem Gebiet der heutigen Slowakei", das am Lehrstuhl für Germanistik der Pavol-Jozef-Šafárik-Universität zwischen 2012 und 2014 umgesetzt wurde.
Rezension zu Tommek, Heribert (2015): Der lange Weg in die Gegenwartsliteratur. Studien zur Geschichte des literarischen Feldes in Deutschland von 1960 bis 2000. Berlin, München, Boston: Walter de Gruyter, 620 S., ISBN 978–3–11–035270–2
1989 steht für das Ende der Nachkriegsliteratur. Aber wo ist der literaturgeschichtliche Ort der Gegenwartsliteratur? Im Unterschied zu ereignisgeschichtlich ausgerichteten Versuchen, die Gegenwartsliteratur zu bestimmen, zielt die vorliegende Studie auf eine Strukturgeschichte, die sich auf Pierre Bourdieus Konzept des literarischen Feldes stützt. Dadurch wird der Blick frei für die lange Genese der Gegenwartsliteratur seit den 1960er Jahren.
Zu gegenseitigen Begegnungen der Tschechen mit den Deutschen samt deren Kultur und Denkweise kommt es auf dem tschechischen geografischen Gebiet seit jeher. Das ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass Deutschland Tschechiens größtes Nachbarland ist, sondern auch darauf, dass die deutsche Bevölkerung in Böhmen, Mähren und Schlesien stark vertreten war. Die gegenseitigen Beziehungen beider Nationen wurden dadurch stark geprägt. Sie kennzeichneten sich durch gewisse, oft auch dramatische Schwankungen. Es ist stets an die Licht- und Schattenseiten in den Beziehungen beider Völker zu erinnern, um die gegenseitigen Beziehungen nicht auf Emotionen und kurzfristigen Einflüssen, sondern auf gegenseitiges Verständnis und Respekt zu bauen. Dazu könnte auch das vom Brünner Germanisten Aleš Urválek verfasste Buch "Vyměřování Německa. Promluvy o podstatě němectví" [Die Vermessung Deutschlands. Reden über das Deutschsein] beitragen, das sich damit beschäftigt, wie ein Teil der deutschen Nachkriegsintelligenz über das Deutschsein etwa in den Jahren 1960‑2010 reflektierte. Das Buch basiert nicht nur auf literarischen, sondern auch auf politischen und geschichtswissenschaftlichen Texten.
Entstanden aus einem studentischen Projekt - Goethe-Universität Frankfurt am Main 2021/2022: Was Literatur im Einzelnen als transnationale charakterisiert, soll in diesem Heft anhand unterschiedlicher Zugänge untersucht werden. In einer kurzen begriffsklärenden Untersuchung beleuchtet Elisabeth Helle, in welches Verhältnis kulturelle und nationale Aspekte unter Verwendung der verschiedenen Präfixe multi-, inter- und trans- zueinander treten und bei welcher Begrifflichkeit Differenzen und Ähnlichkeiten am deutlichsten berücksichtigt werden. Iris Schultheis verhandelt am Beispiel der Frauenfiguren in Abbas Khiders Roman Der falsche Inder weibliche Stereotype und deren kulturelle Kodifizierung. Im Gespräch mit Shirin Helling und Elisabeth Helle erläutern Prof.‘in Susanne Komfort-Hein (Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik, Goethe-Universität Frankfurt) und Prof. Frank Schulze-Engler (Institut für Anglisitik, Goethe-Universität Frankfurt), wie das Konzept des Transnationalismus produktiv für die Literaturwissenschaften genutzt werden kann. Zuletzt setzt sich Larissa Smurago mit grundlegenden Motiven des Transnationalen in der jüdischen Kultur auseinander.
Ursula Renner rezensiert Waltraud Wiethölters Tübinger Habilitationsschrift "Hofmannsthal oder Die Geometrie des Subjekts", in der ein Zugang zu Hofmannsthals Erzählprosa erprobt wird, der über die Grenzen der abgeschlossenen Texte hinausgreift und sie als ein chronologisch sich entwickelndes Textkontinuum versteht. Neben den Erzählungen werden die essayistische Prosa und die Notizen aus dem Nachlaß einbezogen, welche in ihrem Umfang - und auch ihrer Bedeutung - erst nach und nach durch die Bände der kritischen Ausgabe ans Licht kommen. Die Verfasserin macht einen Zusammenhang sichtbar, der von dem frühen autobiographischen Fragment "Age of Innocence" und dem "Märchen der 672. Nacht" und den vieldiskutierten "Brief" des Lord Chandos, das Kunstmärchen "Frau ohne Schatten" bis hin zum "Andreas"-Fragment reicht, an dem Hofmannsthal seit 1907 bis zu seinen letzten Lebensjahren "laborierte". Die Anlayse dieses Romanentwurfs beansprucht den größten Raum - mehr als 100 Seiten - in Wiethölters Untersuchung.
Rezension zu Urválek, Aleš (2015): Vyměřování Německa [Die Vermessung Deutschlands]. Brno: Host, 416 S., ISBN 978-80-7491-524-6
In der tschechischen germanistischen und politisch-kulturgeschichtlichen Literatur gibt es kaum einen Titel, der sich sowohl durch die Ambitionen, als auch durch die angestrebte Komplexität der Blickwinkel so ausführlich dem Diskurs der deutschen Nachkriegsentwicklung widmet wie die Publikation Vyměřování Německa (dt. Die Vermessung Deutschlands) des Brünner Germanisten Aleš Urválek. Der Titel verweist auf den Bestseller-Roman von Daniel Kehlmann über den Mathematiker und Geodäten Carl Friedrich Gauss und den Naturforscher Alexander von Humboldt und versucht in unerwarteter Komplexität den Diskurs des Deutschseins zu untersuchen, der für die intellektuellen Debatten über die Entwicklung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg prägend gewesen ist. Urválek grenzt die Zeitspanne seiner Analyse auf der einen Seite mit den Sechzigerjahren, auf der anderen Seite mit der Gegenwart ab, trotzdem erinnert er an Ereignisse der früheren Epochen viel mehr als an die Diskussionen der jüngsten Zeit.
Wenn hier verhandelt wird, wie Florian Henckel von Donnersmarck im Drehbuch zu "Das Leben der Anderen" (2006) an den Plot eines britisch-französischen Filmklassikers anknüpft und an einen Roman aus der späten DDR, so hat das teils mit der herausgehobenen Stellung seines Erfolgswerks und seinen Selbstkommentaren zu tun, teils mit Überlegungen zur Intertextualitätsforschung. Beginnen wir mit den ersten beiden Aspekten und klären dann bei der Drehbuchanalyse die theoretischen Positionen. Vorausgeschickt sei nur, dass mit einem erweiterten Zitatbegriff gearbeitet wird, wie in der neueren Kulturwissenschaft üblich, und entsprechend einer Entwicklung im Kunstsystem seit den 1980er Jahren. Dort versteht man unter Zitieren längst nicht mehr nur die wörtliche Übernahme einer Textstelle, sondern jede beabsichtigte Bezugnahme eines Kunstwerks auf ein anderes, sei es aus der eigenen Sparte oder aus benachbarten: Akte künstlerischer Selbstreferenz. Mit der Erweiterung des Zitat- geht die des Textbegriffs einher, der hier Zeichensysteme in den Grenzen eines Einzelwerks meint, damit auch Bedeutungsträger eines Films. Als literaturwissenschaftlicher Beitrag zu verstehen ist das Folgende zum einen wegen der faktischen Aufwertung des Drehbuchs durch das konsekrationsfähige Verlagshaus Suhrkamp, zum anderen, wichtiger, weil wir den Film fast ausschließlich auf der Plot-, nicht auf der Bildebene betrachten.
Zu meinen Schwerpunkten als Professor für Neuere deutsche Literatur gehört neben der Medien- und Kulturwissenschaft insbesondere mit ihren Theoriebildungen auch die Gegenwartsliteratur. Das hört sich gut an, und es mag wohl sein, dass dieser Schwerpunkt dazu geführt hat, dass ich heute hier in dieser Runde sein darf. Tatsächlich aber verbirgt sich hinter einem solchen Schwerpunkt Gegenwartsliteratur eine immense wissenschaftliche Provokation, die viel mit dem Profil meines Faches, der Literaturwissenschaft und ihrer literaturtheoretischen Grundlegung, zu tun hat, vor allem aber mit der Literaturgeschichte. Gleichzeitig ist diese Provokation auch eng mit meiner eigenen intellektuellen und akademischen Biographie verknüpft. Beide Stränge, der wissenschaftliche und theoretische sowie der biographische, treffen sich in meiner persönlichen Auseinandersetzung mit Gegenwartsliteratur, und davon will ich Ihnen heute kurz erzählen.