BDSL-Klassifikation: 06.00.00 Mittelalter > 06.08.00 Stoffe. Motive. Themen
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Poetologisch sind beide Werke [„Ackermann“ und „Ring“] ganz der Tradition verpflichtet, die erschließbare Konzeption geht jedoch deutlich darüber hinaus. Der „Ackermann“ behält dabei die Position im literarischen Prozeß, die man ihm generell zuerkennt, der „Ring“ hingegen erweist sich so nicht nur als letzter bedeutender mittelalterlicher Roman, als der er von Walter Haug apostrophiert worden ist, (...) sondern ebenso als ersten neuzeitlicher: „modern“ in der Konstitution eines subjektbezogenen Sinnzentrums, der Tradition verpflichtet aber in der Rückbindung der Autonomie an ein „transzendentales Obdach“, an ihr Gewolltsein durch Gott.
Ein ‚intertristanisches’ Spiel, angedeutete Dialoge zwischen literarischen Figuren – solche Bezüge sind nicht erst in der jüngeren Literatur zu entdecken. Die Deutlichkeit der intertextuellen Markierungen kann zu allen Zeiten sehr unterschiedlich sein – in unserem Beispiel kann sie von der lediglich im Titel genannten Tristan-Figur, die im Bezug auf den Mythos schwebend bleibt, bei Platen, bis zur explikativen Benennung bei Thomas Mann (und zu in anderer Weise schwebenden Bezügen) gehen.
Der Typus (...) [des] Liebesromans bildet das Gerüst von „Mai und Beaflor“, einem anonym überlieferten höfischen Roman des 13. Jahrhunderts, dessen genaue Datierung unsicher ist. (...) Die Vorlage ist unbekannt, sie dürfte französisch sein. (...) Eine Prosachronik als Quelle ist eher unwahrscheinlich und soll wohl die Authentizität der Geschehnisse verbürgen; Prosaromane vergleichbaren Inhalts sind nicht überliefert. Der Liebesroman erhebt – im Unterschied zum Artusroman – generell einen Faktizitätsanspruch: Flore und Blanscheflur sind in die Karls-Genealogie eingebunden, der „Partonopeus“ auf das Haus Blois bezogen, auch der „Willehalm von Orlens“ gibt sich als Historia.
„Ich bin der Welt noch den Tannhäuser schuldig“, bemerkte Richard Wagner gegen Ende seines Lebens. (...) [An keinem seiner früheren Werke] hat er soviel retuschiert und geändert (...) Es blieben Undeutlichkeiten, Unklarheiten, ja scheinbare Brüche. Sie betreffen v.a. Elisabeth und ihre Entwicklung, Tannhäusers Schuld und Buße sowie den Schluß mit ihrem und Tannhäusers Tod. (...) Aber nicht allein die Position Elisabeths (...) wurde mißverstanden, die Unklarheit ging vielmehr tiefer, betraf die Rolle der gesamten Wartburg-Gesellschaft wie die der Kunst und des Künstlers. (...) Es waren die MEISTERSINGER in ihrem ersten Entwurf, der also als Ergänzung und als Korrektur des TANNHÄUSERS zu lesen ist, was [Volker Mertens in diesem Aufsatz unternimmt].
Der Titel „Jemandssprache“ bezieht sich kontrafaktisch auf Paul Celans Gedichtband „Die Niemandsrose“. (...) [In dem ersten Teil seine Aufsatzes bezieht sich Volker Mertens] auf die aktuelle Situation im Fach, in einem zweiten (...) [votiert er] für eine spezifische Gegenstandsbestimmung und einen bestimmten Umgang mit den methodischen Paradigmen, in einem dritten für eine Überwindung der Schwelle zwischen Älterer und Neuerer Literatur, (...), in einem vierten (...) [gibt er] eine vergleichende Interpretation je eines Gedichts von Heinrich von Morungen und von Paul Celan als Beispiel für eine Überschreitung der im Fach institutionalisierten Epochengrenze.
Die Literatur des Mittelalters produziert unterschiedliche Konzeptionen von ‚Weiblichkeit’ und weiblichen Körpern. Mich interessieren an dieser Stelle weniger die kanonischen Entwürfe des schönen (…) Frauenkörpers durch männliche Autoren als vielmehr der angestrengte Versuch einer normativen Konditionierung, die sich im wesentlichen der Strategien raumzeitlicher und mentaler De-Mobilisierung sowie physischer und intellektueller Reduktionierung bedient. (…) Es geht (…) um eine Kenntlichmachung des Sonderfalls ‚weiblicher Körper’ über das Medium der Literatur, deren Ziel – nur scheinbar paradoxerweise – sein Unsichtbarmachen zu sein scheint.
In der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit entfällt – für fast alle Bereiche der weltlichen Literatur und so auch für die moralisch-didaktischen Werken – die Möglichkeit eines Vergleichs von Texten männlicher und weiblicher Autoren, wie sie für den französischen Sprachraum der gleichen Zeit etwa durch die Ausnahmeerscheinung einer Autorin wie Christine de Pizan möglich ist. Ihre Werke lassen deutlich werden, daß es für Frauen, die eine entsprechende Bildung und Selbstständigkeit aufzuweisen hatten, durchaus möglich war, andere Idealbilder weiblichen Verhaltens und weiblicher Lebensformen zu entwerfen, selbst unter der Voraussetzung einer grundsätzlich Gültigkeit und Akzeptanz christlicher Wertvorstellungen.
(...) [Volker Mertens Ziel ist es], an einem relativ eng begrenzten Gegenstand das Ineinanderspielen und die Bedingungen der beiden Konzepte, des gradualistischen und des polaren, zu erhellen. Gegenstand sind die Texte zweier männlicher Mystiker [Berhard und Seuse], die die Vereinigung mit Gott mit der Bildlichkeit der Geschlechterliebe darstellen. Die Mystik kann als eine psychologische Theologie verstanden werden, insofern sie geistliche Prozesse als innerseelische und nicht kultisch vermittelte versteht. Daher ist von der Untersuchung der Texte nicht nur Aufschluss über ein geistliches, sondern auch ein psychisches Genderkonzept zu erhoffen.
Wagners „Ring“ teilt mit dem „Nibelungenlied“ anscheinend eine nahezu unendliche Interpretierbarkeit. Durch seine brüchige literarische Gestalt ist das „Nibelungenlied“ für immer neue aktualisierende Sinngebungen offen, wie sich in seiner Funktionalisierung in unterschiedlichsten Zusammenhängen der kulturellen und politischen Geschichte zeigt. Wagners „Ring“ hingegen erreicht diese Offenheit bewußt durch sein kalkulierte mythische Uneindeutigkeit. Bei aller Verwurzelung im ‚Mythos des 19. Jahrhunderts’ sind doch dessen Vorgaben absichtlich nicht so stringent umgesetzt, daß nicht andere, immer neue Auslegungen möglich wären.
Hartmann von Aue’s borrowing of the world âventiure from French in his ‘Erec’ means that the term was developed further in the field of poetology – it did not only mean an ‘event which was told’, but it also came to mean ‘the act of telling as a (medial) event’, as a successful (or unsuccessful) creation of sense. In the ‘Nibelungenlied ‘,’âventuire’ has the connotation of contingency as establishing order by means of the plot failures. This deficit is compensated by the fascination of the singer’s performance. This is where Wolfram starts.
The bringing together of the two realms, that of Tristan and Isolde and that of Arthur, thus has a mutually corrosive effect. However, in the further course of the action Tristan and Isolde’s love regains some of its absoluteness: for instance Heinrich refrains from taking over the quarrel of lovers from Eilhart. He plays a double game, on the one hand reducing the absoluteness and self-sufficiency of love, on the other hand building it up again and thus preventing the establishment of a firm doctrine in the course of the narrative (…), as neither the Arthurian court nor the love of Tristan and Isolde provides an absolute norm. Heinrich wrote his romance for the Bohemian noble Raimund von Lichtenburg, and the account of the foundation of the Round Table and the self-directed activities of the knights have belonged (…). The initial Arthurian ideal has become a confirmatory ritual for an exclusive body of noblemen – that matches the spirit of the knightly societies.
‘Religious identity’ will be regarded as the homogeneous whole of religious attitudes and religions and ethical actions which are rooted in the mentality of a person/a community: (1) this identity may exist in different stages of awareness; (2) the tension between the mentality of a person and of a community may be strong or nearly non-existent; and (3) religious attitudes and ethical actions may be closely tied or only loosely connected. (...) The awareness of religious identity is marked in the ‘Rolandslied’ by affirmation, in the ‘Willehalm’ by problematisation. (...).
A tension between subjective and collective mentality is non-existent in the ‘Rolandslied’, whereas in the ‘Willehalm’ it is relatively strong without breaking up the integration of the subject into the nobility. (...) Religious attitudes and political actions (...) strongly diverge in both works on an objective level; however, this is not the case for the ‘Rolandslied’ on a subjective level. The ‘Willehalm’ testifies to a process of a subjectivisation and individualisation which can be termed typical for the twelfth century and which is to be found in various cultural areas.
[In seiner Studie will Volker Mertens] vor allem die konnotativen Bedeutungen darstellen, die für die ‚Jagd’ zu erschließen sind: es sollen als solche die gesellschaftlichen Traditionen der realen und der allegorischen Jagd in der Literatur gelten, die anthropologischen Deutungspotentiale der dargestellten Vorgänge und die mythische Dimension des literarischen Jagdmotivs.
Die mittelalterlichen Texte nicht als autonome Kunstwerke zu betrachten, sie nicht als situativen und zeitgebunden Verwendungszusammenhängen enthoben anzusehen, hat sich auch in der Germanistik seit einiger Zeit durchgesetzt. (...) Deutliches Indiz für dieses Verständnis des ‚Falkenlieds’ als Projektion eines feudalen Gesellschaftentwurfs ist die Falkenthematik selbst, die eines Allegorie für des Funktionieren von Herrschaft bereitstellt – wie es in ‚De arte venandi cum avibus’ Kaiser Friedrichs II. ausformuliert ist. Die Kunst mit Falken zu jagen, die Falken zur Jagd abzurichten, ist die Kunst des Herrschen in der richtigen Ausübung seiner Macht. Und genau darum geht es im ‚Falkenlied’.
[Volker Mertens] will den im Berliner Ms.germ.fol. 640 (Tristan-Hs. P, Eilhart-Hs. D) überlieferten Tristan-Roman als Ganzes interpretieren und [beschreibt] zu diesem Zweck zuerst die Textgestalt beider Komponenten. Die Komplexität von Gottfrieds Konzeption, ihre gewollte Ambivalenz ist im Berliner ‚Tristan’ zwar reduziert, aber nicht aufgegeben. Gottfried stellt die Uneindeutigkeit durch die Spannung von Erzählfabel und Kommentar einerseits und innerhalb der Kommentare durch sprachliche Momente her – dem gegenüber bedeutet die Eilhart-Fortsetzung allerdings eine Vereindeutigung, die nachträglich auch das Verständnis Gottfrieds überformt und die Ambivalenz reduziert. Der Verzicht auf jegliche Kommentierung bedeutet aber auch einen Appell an die Offenheit für Verstehensmöglichkeiten seitens des Lesers. Diese sind durch Ausdeutung der Fabel bereits sensibilisiert und präformiert und können dann bei der Lektüre des abschließenden Eilhart-Textes aktualisiert werden. Sein Schluß in seiner lapidaren Eindringlichkeit ist gar nicht so weit von Thomas’ überliefertem Ende – der ganze konsolatorische Apparat Ulrichs und Heinrichs bleibt ja weitgehend ausgespart. Der schaden für Gottfrieds ‚Tristan’ in der Berliner Fassung ist nicht so groß, wie es aufs erste scheint: seine kunstliche geschichte wirkt wie der Trank auch nach dem Tode des Autors weiter und gibt dem Eilhart-Schluß eine Minne-Konzeption vor, die Heil und Heil-Losigkeit der Geschlechterliebe umgreift.
‚Institutionalität’ als leitender Konzeptbegriff zielt in dem hier gemeinten Sinn nicht auf eine Analyse von ‚Institutionen’ als historische Entitäten im Sinne von einzelnen ‚Organisationen’, ‚Körperschaften’, ‚Anstalten’. Es geht vielmehr um etwas, das sich das ‚Institutionelle’ an gesellschaftliche Strukturen des Kommunizierens und Handelns analysieren läßt: Formen der Geltungssicherheit und Stabilisierung, die in sozialen Ordnungen auch gewissermaßen ‚unterhalb’ der Ebene von durchgebildeten Organisationen oder Institutionen (im traditionellen Wortsinne) wie Ehe, Kirche, Staat, Universität usw. begegnen. (...)
Wenn man (...) fragte, welche Mechanismen es sind, die im Gegenzug zu (...) institutionellen Ungesichertheiten das Gelingen literarischer Kommunikation und die Wiederholbarkeit ästhetischer Rede am Hof gleichwohl möglich oder wahrscheinlich gemacht haben mochte, dann könnten jene Momente der Texte in den Vordergrund treten, von denen die folgenden Untersuchungen gleichfalls handeln: (...) [D]as [also], was (...) [Strohschneider] einmal die ‚Formiertheit’ höfischer Texte zu nennen versuchte. Gemeint sind Textmerkmale wie Schemata oder Topiken, welche die Rede gegenüber der Kontigenzen des Okkasionellen stabilisieren, welche kommunikative Wiederholbarkeit und Wahrscheinlichkeit von Dichtung dort produzieren, wo entsprechende außertextliche Institutionen noch fehlen.
[Ulrich von Liechtensteins] Methode der Einbettung der Lieder in eine 'Autobiografie' zielt auf die Memoria seiner Person und isoliert sein Werk damit zwar nicht völlig vom Strom der Überlieferung, gibt ihm aber eine eigene Existenzform abseits der großen Liedersammlungen. [Johannes] Hadloub will im Rahmen der Züricher Konservierungsbestrebungen Lieder schaffen, die sich einerseits der Tradition höfischen Sanges vom Beginn an einfügen, andererseits aber der neuen Mediensituation gerecht werden. Bei Ulrich hat diese grundsätzlich noch keinen Einfluß auf die Lieder selbst, sondern nur auf die Art ihrer 'Bewahrung'. Bei Hadloub aber verändern sich die Lieder am deutlichsten in der Entwicklung zum neuen Genre der 'Romanzen' (...) bis hin zu Gottfried Keller und uns Wissenschaftlern eines Zeitalters, in dem ein neuer Medienwechsel erfolgt, der die Sinnlichkeit, die die gesungene Liebesdichtung auch als zu lesende Dichterliebe durch die individuelle Handschrift auf dem Pergament, und selbst in der Typografie des gedruckten Buches noch hatte, endgültig in die Imagination verlagern wird.
Die Literatur hat, wenn sie sich der Beschreibung von Hölle, Vorhölle und Fegefeuer begibt (...) eine Darstellungstradition aufgegeben, die über das Mittelalter bis in die Zeit der Alten Kirchen zurückreicht. (...) Da es (...) [Jens Haustein] im folgenden um das Fortleben des Evangelium Nicodemi’ im Mittelalter gehen wird, (...) [gibt er] zunächst einen kurzen Überblick über Entstehung und Inhalt dieses spätantiken Textes (...). Im Rahmen eines (...) von typologischem Denken bestimmten Erzählzusammenhangs kommt (...) dem Bericht von der Höllenfahrt Christi aus dem ‚Evangelium Nicodemi’ eine zentrale Position zu, da in ihm ja das typologische Konzept in der Begegnung von Patriarchen und Propheten mit dem von ihnen gesehen oder vorausgesagten und nun auferstandenen Gott gewissermaßen Gestalt gewonnen hat. (...) Kaum ein Autor, der vergleichbar ausführlich die Höllenfahrt schildert, hat sich die Dramatik und das Pathos der Szene entgehen lassen: die Vorahnung des Teufels, seine Verzweiflung, das machtvoll-laute Zerstören der Höllentore, die endgültige Gefangennahme des Teufels, den freudigen Jubel der Erlösten. Der Autor der ‚Erlösung’ hat von all dem fast nichts aufgenommen.
The article argues that within the genre of the Arthurian romance the tales about King Arthur’s vow to fast, show a possibility to conceptualize the status of ‘text’, a possibility which has historically become unfamiliar. Under these circumstances the act of telling and the content of what is told differ, if at all, slightly and this seems to be an explanation for the fact that the medieval language provided only one word for the tale and its plot: âventiure.