BDSL-Klassifikation: 04.00.00 Allgemeine Literaturgeschichte > 04.02.00 Studien
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Federn lesen : eine Literaturgeschichte des Gänsekiels von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert
(2021)
Vom Mittelalter bis zur Einführung der Stahlfeder im 19. Jahrhundert war die Gänsefeder das meistgebrauchte Schreibwerkzeug in Europa. Doch um als Schreibfeder genutzt werden zu können, musste der Gänsekiel mit großem Können zugespitzt und bearbeitet werden. Das Wissen um die Techniken der Fertigung und des Gebrauchs sind größtenteils verschollen.
Martina Wernli hat intensiv geforscht und versammelt nun Quellen aus unterschiedlichen Sprachen. Sie zeigt, wie die Gänsefeder die europäische Schriftkultur über Jahrhunderte geprägt hat und wie dem Schreibwerkzeug von Anfang an zudem eine übertragene Bedeutung zukam, denn die Feder steht auch für Schreibprozesse und literarisches Schreiben selbst. Die komparatistisch ausgerichtete Analyse verdeutlicht, wie sich in der Feder bildliches Sprechen und materielle Grundlage gegenseitig bedingen. Eine spannende Ding-, Medien-, Technik-, Kultur- und Literaturgeschichte.
Seit Kants Metaphysikkritik, Engels dogmatischer Gegenüberstellung von Dialektik und Metaphysik und Carnaps radikaler Programmatik, Metaphysik "durch logische Analyse der Sprache" zu überwinden, hat der Begriff einen pejorativen Beigeschmack angenommen. Andererseits haben sich unterschiedliche Ansätze zu einer anti- oder nachmetaphysischen Metaphysik entwickelt. Nicht nur im konzeptuellen Rahmen der Kritischen Theorie ist gefragt worden, ob "im Augenblick ihres Sturzes" nicht Solidarität "mit Metaphysik" an der Zeit wäre. Sogar auf dem Terrain der analytischen Philosophie regt sich wieder Interesse an ontologischen Problemen, dem Kernbereich der Metaphysik. Ganz unverächtlich ist heute wieder von einem metaphysischen Bedürfnis, von metaphysischer Unruhe und metaphysischen Gefühlen die Rede; und auch das philosophische Feuilleton nimmt sich metaphysischer Sinnansprüche an. So veranstaltete das "Journal für Philosophie" der "Blaue Reiter" 2009 ein Themenheft "Metaphysik. Wirklichkeiten hinter der Wirklichkeit": Die Beiträge behandelten Gegenstände wie "Marke und Metaphysik. Die Scheinwirklichkeit der Warenwelt", "Die Metaphysik des Geldes", "Viel Lärm um nichts. Im Dschungel der Erklärungsversuche des Unerklärlichen", "Virtuelle Wirklichkeiten. Cyberphilosophie und andere Gespenstergeschichten" oder "Die Metaphysik des Schwebens. Philosophie, Ontologie, Metaphysik. Die Geschichte einer Verirrung". Ist die Metaphysik also wieder im Rennen? Angesichts dieser ein wenig verworrenen Problem- und Diskussionslage, in der es um Sinnansprüche und Orientierungen der Einzelnen geht, meldet sich auch das Bedürfnis nach kritischer Vergewisserung. Hierzu soll der folgende Aufsatz einen Beitrag leisten, der das Verhältnis der Kritischen Theorie zur Metaphysik, verstanden als prinzipiengeleiteter philosophischer Wissensform mit theologischen Residuen, beleuchtet.
Glaubt man den Diskursen um das breit gefächerte Gebiet der Manipulation, wie sie in der Literatur selbst seit den letzten Jahrhunderten geführt werden, stellt sich rasch heraus, dass die gezielte und verdeckte Einflussnahme, als welche Manipulation subsumiert werden kann, letzten Endes niemals und unter keinen Umständen funktioniert. Gleichgültig, wie perfide, brachial, sinn- und phantasievoll oder auch nur gut gemeint die dargestellten Versuche der Beeinflussung auch sein mögen, stets scheitern sie; oder besser gesagt: Bis zur Jetztzeit scheiterten sie im Grunde regelmäßig, da auch die Vorstellungen über Wohl und Wehe der Manipulation kulturell geprägt und somit Änderungen unterworfen sind. So haben sich in den letzten Jahren auf unmerkliche und an dieser Stelle näher zu beschreibende Weise die Narrative der Manipulation verändert – und damit einen Anschluss an längst überwunden geglaubte Vorstellungen ermöglicht, wie sie bis zu Beginn des Aufklärungszeitalters das optimistisch und zugleich mechanistisch geprägte Menschenbild beherrschten. Es gilt an dieser Stelle demnach, die dreifache Transformation der Manipulation im Verlauf der Kulturgeschichte näher zu beschreiben; ich beginne mit dem Scheitern in der Zeit der Mittelachse, also von der Phase der Aufklärung bis zur unmittelbaren Gegenwart.
The article investigates a particular mode of semanticization of space in storytelling: it explores cases of narrative de-semanticization of space, especially of interior space. The focus of this endeavor is on the relation of the narrative creation of space and narratological self-reflection. In a reading of Descartes' "Discours de la méthode", the article exposes how the philosophical construction of the spaceless "je pense, donc je suis" diminishes the production of spatial meaningfulness provided by the narrative from which it emerges, thus exhibiting the disparity of Descartes' philosophical and narrative concepts of space. - Unlike Descartes' "Discours", Richard Ford's story "I'm Here" (from the volume "Let Me Be Frank With You") performs spatial desemanticization by staging physical destruction of interior space. The article examines how the narrative, by introducing the disintegration of a home, constructs its own starting point and thus exposes its self-generation originating in an imaginary lack of spatial significance.
In den hier skizzierten Kontext kollektiver Selbstverständigung zeitgenössischer Kulturdiagnostiker fügt sich auch das Mem-Konzept ein, dessen Urheber jedoch nicht im Entferntesten daran dachte, einen Beitrag zur Lösung kulturanthropologischer Grundprobleme zu leisten. Der englische Evolutionsbiologe Richard Dawkins, der den Neologismus "Mem" eingeführt hat, ist in einem ganz anderen Kontext beheimatet und verfolgt ganz andere Intentionen. Es war vor allem der Gedanke der Replikation, der Dawkins so fasziniert hat, dass er die Frage stellte, ob nicht auch die kulturelle Evolution als ein autoreproduktiver Replikationsprozess begriffen werden könnte. Aber wer oder was sollte sich replizieren? Ließ sich eine Struktureinheit mit einem variablen Komplexitätsgrad annehmen, die analog zum Gen als ein Replikator fungieren könnte? Die Antwort auf diese Frage war die Mem-Hypothese. Gene stellen als biologische Erbeinheiten eine Art von Grundbausteinen der belebten Materie dar. Daran anknüpfend führte Dawkins als Analogon zum Gen die Größe ein, die er Mem nannte. Er definierte Mem als die Einheit kultureller Vererbung, die sich dadurch auszeichnet, dass sie Kopien von sich herstellen kann. Aufgrund eines solchen Wirkungsvermögens können Meme als Quasiakteure der Replikation betrachtet werden, sie seien die Replikatoren, die die kulturelle Evolution in Gang hielten.
Bei aller Diversität und Variabilität der Körperbilder und Körperregimes, über die die Genese kollektiver Identität erfolgt, ist eine ihnen allen gemeinsame Dimension kaum zu übersehen: als sichtbare‚ Verkörperung des Imaginären der Nation werden ausschließlich weibliche Körperbilder eingesetzt. Plastisch lässt sich diese eigentümliche Politisierung des weiblichen Körpers an künstlerischen Darstellungen der Nation wie etwa an der französischen Marianne als Sinnbild Frankreichs, an der US-amerikanischen Freiheitsstatue oder aber an der bayerischen Bavaria nachvollziehen. Wie lässt sich diese spezifische (ethno-)nationalistische Funktionalisierung des weiblichen Körpers erklären? In welchem Verhältnis steht sie zum jeweiligen historischen Geschlechterdiskurs? Welchen psychosozialen Bedürfnissen kommt sie entgegen? Welche konkreten Folgen zieht sie für die Repräsentantinnen des "anderen Geschlechts" (S. de Beauvoir) nach sich? - diesen Fragen geht der erste Teil des vorliegenden Beitrags nach, während der zweite die "aufgerichteten" weiblichen Siegesallegorien im Nationalsozialismus genauer unter die Lupe nimmt.
Die Beziehung von res und verba ist ihrem Grunde nach eine sprachphilosophische. Sie handelt von jenen Dingen, die überhaupt der Sprache zugänglich sind, bzw. von jenen Gegenständen, welche durch ihre Artikulation erst zu Dingen der Sprache werden. Der Fokus der Überlegungen konzentriert sich auf die Organisation des Verhältnisses von res und verba, für das über Jahrtausende hinweg in erster Linie die Rhetorik zuständig gewesen ist. Diesem liegen allerdings tatsächlich zwei sprachphilosophische Annahmen zugrunde, die von gegensätzlichen Voraussetzungen ausgehen.
Dinge, die warten
(2018)
Das Wort 'warten' gehört zu den Verben, die wir ohne Probleme allem anhängen können. Die Menschen können nicht nur den Menschen, sondern auch den Dingen jederzeit ein Warten unterschieben und allem, was dazwischen ist, sowieso. Die Raubtiere warten darauf, gefüttert zu werden; die berühmte Zecke wartet, bis etwas vorbeikommt; die Pflanzen warten auf den Regen. Vor dem Gewitter scheint die Natur auf etwas zu warten. All das sagt sich so: Diese Worte warten darauf, ausgesprochen zu werden. Hier geht es nicht bloß um die Banalität, dass wir den Dingen mit unseren Worten unablässig Tätigkeiten anhängen, die ihnen im wörtlichen Sinne nicht zukommen. Der Versuch, eine Grenze zu ziehen zwischen einer eigentlichen und einer uneigentlichen - also metaphorischen - Verwendung des Wortes warten, würde das Problem lediglich zudecken.
Lexika wie Zedlers Universal-Lexicon gehen von einer scharfen Trennung zwischen Objekt und Subjekt aus, Schreibwerkzeuge werden darin immer auf die Objektseite geschlagen. Sprechende und damit subjektivierte Federn gibt es hingegen schon, seit Federn in Gebrauch sind. Sie tun dies vor allem in literarischen Texten, wo sie als dingliche Objekte Subjektstatus einnehmen und dadurch die Dichotomie von Subjekt und Objekt unterlaufen. Wenn die Feder zum sprechenden Subjekt wird, werden die von ihr beschriebenen Menschen zum Objekt, wobei sich die Feder dann für Benachteiligte und Unterdrückte einsetzt und dadurch diese wiederum zu Subjekten erhebt. Innerhalb der It-Narratives nehmen erzählende Federn eine Sonderstellung ein, weil sie erstens die materielle Vorbedingung des Schreibens sind, weil sie zweitens den Schwellenraum von Mündlichkeit und Schriftlichkeit besetzen, indem sie paradoxerweise das, was sie sprechen, auch gleichzeitig ins Schriftliche transponieren und dort festschreiben, sowie weil sie drittens poetologisch das hinterfragen, was geschrieben wird und werden soll
Stumme Diener, menschliche wie nichtmenschliche, sind entgegen ihrer Bezeichnung "things that talk", Stumme Diener können gar nicht anders, als doch zu reden. Ihre abgewandten, verstellten Stimmen, ihr Flüstern und Murmeln bei halbgeöffnetem Mund gilt es zu vernehmen. Nicht nur der Subalterne spricht, auch die Dinge. Sie können gar nicht anders als im Modus des Stummgeschaltet-Seins dennoch mitzureden mit Hilfe der um sie herumgelagerten Geschichten. Stumme Diener sind Medien, die Sprechen machen.
Die Tagung rief dazu auf, die Verbindlichkeit von Versprechen als allgemeines Phänomen zu untersuchen, also zu ergründen, inwiefern man unabhängig von ihrer Ausgestaltung in konkreten Rechtsordnungen oder anderen Normensystemen von einer "vor-rechtlichen" Verbindlichkeit sprechen kann. Literarische Texte aller Zeiten bis hin zu den Mythen bezeugen die Bindung an das Wort als Urerfahrung, die von jeder gesellschaftlichen Konvention unabhängig erscheint. Ebenso kennen sie aber Verrat und offenen oder verdeckten Wortbruch, deren Folgen sie thematisieren. Strukturelle Verwandtschaften einerseits und gegenseitige Beeinflussung andererseits der literarischen und der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Versprechen sollten untersucht werden.
Im Zeitraum vom 7. bis zum 9. Dezember 2017 fand an der Universität Breslau (Wrocław) in Kooperation mit der Ruhr-Universität Bochum die Winterschool "Europa: Poetik und Politik" statt. Die gut zwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer – darunter Professor*innen, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen und Studierende beider Universitäten – diskutierten die neuere Geschichte von Europa-Diskursen von der Romantik bis in die Gegenwart. Ausgangspunkt der Tagung war die gegenwärtige Krise der Europäischen Union, die – so zeigte sich im Verlauf der Tagung – als Fortführung der leitmotivischen 'Schwellensituationen' zu verstehen ist, die als das Gemeinsame der diskutierten Texte und somit in gewisser Weise als konstitutiv für den Europa-Diskurs erkannt wurden.
Die Monographie 'Die Kaschauer Zeitung in Kontexten I' geht auf die Darlegung der Prägung, historischer Metamorphosen und des sprachlichen, kulturellen und literarischen Bildes dieses Periodikums ein. Die Abhandlungen berücksichtigen dabei kulturhistorische Kontexte und interdisziplinäre Zusammenhänge.
Wer durch eine Stadt wie Venedig geht, sieht, dass die Zeit überall ihre Spuren hinterlässt. Der britische Kunsthistoriker John Ruskin nennt diese Spuren in seinem 1851 bis 1853 publizierten Reisebericht 'The Stones of Venice' "time stains" und macht darin eindrücklich darauf aufmerksam, dass Spuren der Zeit ästhetisch betrachtet werden können, obwohl sie kein Produkt des Menschen, sondern zunächst einmal eines der Zeit sind. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, ob und inwiefern die Zeit als Gestalterin ästhetischer Objekte begriffen werden kann und wie sie dieses Potenzial in Konkurrenz zu kulturellen Gestaltungsabsichten erfüllt.
Zur Beantwortung dieser Frage lassen sich die im Kontext der Ruinenästhetik geführten Diskussionen und das seit einigen Jahren zu verzeichnende neue Interesse am Naturschönen folgendermaßen verbinden und zuspitzen: Die Zeit muss als gegenkulturelle Gestalterin der Lebenswelt genauer ins Visier und als ästhetisches Subjekt ernst genommen werden. Der Beitrag reiht sich damit in die seit einigen Jahren Konjunktur verzeichnende ästhetische Auseinandersetzung mit der Zeit ein. Dort ist bislang versäumt worden, dezidiert nach der ästhetischen Gestaltungskraft von Zeit zu fragen, während man die kulturelle Gestaltbarkeit von Zeit betont hat.
Immer häufiger finden verschiedenste Formen von Infografiken Einzug in Comics aller Couleur. Mit Rückgriff auf bildwissenschaftliche Grundbegriffe wird anhand zweier aktueller Beispiele nach einem Minimalkriterium dafür gefragt, was den Unterschied von einem Piktogramm zu einer Comic-Darstellung ausmachen könnte: Angenommen wird eine wechselseitige Bedingtheit von visueller Kontextbildung zur Individuation von Personen und Objekten. Es wird gezeigt, wie diese verschiedenen medialen Semantiken innerhalb des Comic-Vokabulars auf zwei unterschiedliche Weisen interagieren können.
Dieser Artikel thematisiert die Anfänge und Hintergründe der Beziehung zwischen europäischer Comic-Kultur und amerikanischer Comic-Geschichte. Die erfolgreiche Etablierung amerikanischer Comics in Europa Mitte der 1930er Jahre ist eng mit den internationalen Wirtschaftsbeziehungen verbunden; verständlich wird sie aber nur, wenn man sich vor Augen führt, welchen Einfluss Engagement und Vernetzung einzelner Persönlichkeiten hatte. Es war zum Beispiel das Verdienst von John A. Brogan, Foreign Sales Manager der 1929 gegründeten internationalen Vertriebsabteilung von King Features Syndicate, dem es gelang, den europäischen Zeitungen passende Comic-Strips zum Verkauf anzubieten. Aus seinen Bemühungen resultierte in Europa die Gründung von Agenturen, die hauptsächlich dem Vertrieb von Comics gewidmet waren. Auf diese Weise wurden die organisatorischen und personellen Voraussetzungen für den transatlantischen Kulturtransfer im Bereich der Comics geschaffen.
In Japan, most contemporary readers expect comics, or manga, to be entertaining fiction ('story manga'), magazine-based, and targeted at age- and gender-specific demographics. These narratives eventually reappear in bound book editions ('tankōbon'), after they have proven to be popular to an extent that would warrant print runs of more than 5,000 copies. Due to the central role of magazines as first site of publication since the 1960s, genre specificity has been essential – for editors, readers, and artists alike. While manga's traditional genres have been gender- and age-specific, thematic genres such as SF, horror and comedy, or recently also blog-like essay manga, come to the fore whenever the otherwise prevalent categories forfeit efficacy. But there is one genre which does not comply with these categories, i.e. gakushū manga, educational or instructional comics.
A comic can tell the story of almost anything: a single atom, the entire solar system, the past, future events, dreams and thoughts. All this, and more, can be depicted. When presenting facts, a certain artistic licence can be deployed if, for instance, the author wants to emphasise important details; likewise, aspects he or she deems irrelevant can be left out. Moreover, questions and issues can be laid out that are difficult or even impossible to portray photographically or cinematically. However, when the cartoon strip sets out its version of information, events, objects and people, it can also result in a distortion of reality. The graphic may not always make clear exactly how something looks or the precise way in which something happened. And even where documentary images exist, the comic strip representation of the non-fictional is always coloured by artistic interpretation.
There is no doubt that factual discourse exists in comics – the kind of communication that intends to be understood as a reference to a shared and actual reality. Factual comics are not, however, common. While the formal structure of comics clearly allows for factuality, the historical specificity of its aesthetics seems to introduce a non-binding but plausible 'drift' of the art form, ultimately pulling away from reality and towards fiction. This does not prevent factual comics, but it allows for subversive remnants in their aesthetic make-up. One of these is a 'parasitic imagination', which might be understood in the context of Michel Serres' concepts of the parasite. It opens up cartoonish depictions for tertiary significations beyond the drawing and its ultimate real reference. Rather than avoid this basic vehicle of comic book discourse, the 'challenge to factual comics' must be how to employ them in the service of the intended communication.
"Mit dem Gesicht nach Westen und dem Rücken zu den anderen", das umschreibt die für die jüngere Generation im östlichen Europa so typische West-Ausrichtung, die aber dem direkten Nachbarn auf der anderen Seite der Grenze kaum Interesse zollt. Diese Äußerung wurde zum Leitmotiv und Movens des Forschungs- und Ausstellungsprojekts comiXconnection strip – bandă desenată – strip – képregény – ϲрипп, das die extrem unterschiedlich entwickelten Comic-Szenen aufspürt und zueinander in Beziehung setzt. Ein Projekt, das sich im Laufe der Vorbereitung und Umsetzung mit immer neuen Grenzen konfrontiert sah.
Beyond Illustration
(2017)
Sophisticated science reported on in comics. The once unthinkable is here as comics are being leveraged and enthusiastically welcomed into forums that would have been off limits not long ago. It's an exciting time of change. But in this headlong dash forward, I want to offer a pause for consideration, and suggest that we ask, what are the things that comics do uniquely compared to other forms of representation? And from there, let us explore how we can best take advantage of comics' particular affordances to do with comics things only comics can do.
The present volume documents the twofold character of the conference 'Science meets Comics' with the first part focusing on comics as a format for communicating complex topics and the second part addressing food in the age of the Anthropocene as one such example for complex topics. The overall objective of the symposium was to deal with the results and suggestions of the presentations and discussions, to find possible pathways on how to feed the world in the future and to co-produce the final chapter of the scientific comic 'Eating Anthropocene' together with all artists participating in the project. In order to sum up the framing, contents and design process of the comic as well as to highlight its Anthropocene context we below provide a slightly abridged version of the preface of our comic book.
In October 2015, the Cluster of Excellence 'Image Knowledge Gestaltung. An Interdisciplinary Laboratory' at Humboldt Universität zu Berlin staged a symposium entitled Science meets Comics. Academics from various disciplines converged along with artists from all over the world in order to discuss the future of global nutrition – and the medium of the comic strip as a communication tool for the complex issues in this field. The open two-day symposium was followed by a closed, three-day workshop wherein the artists and cluster members took up the issues raised at the symposium and worked on possible directions for the future.
Einleitung
(2017)
Das religionswissenschaftliche und ethnologische Kompositum Kulturheros bezeichnet Gestalten, die zwischen Göttern und Menschen stehen und die "für die Menschen überlebenswichtige[s] Kulturwissen zum ersten Mal einführen". Die Taten eines Kulturheros - etwa die Übergabe des Feuers an die Menschen - können in die Tradition der jeweiligen Gesellschaft eingehen, "zu bestimmten Anlässen feierlich erinnert" und "die Stiftungslegende eines Kults bilden". Die Enzyklopädie des Märchens definiert den Kulturheros als "mythische Figur meist früherer Überlieferungen, die für die jeweilige Gesellschaft Entscheidendes und Lebenswichtiges leistet". Donald Ward, der Verfasser dieses Eintrags, spricht zwar davon, dass neben Heiligen auch "Begründer, Reformer, Erfinder und politische Führer manchmal als echte Kulturheroen" (etwa Luther oder Kolumbus) gesehen werden können, seine Argumentation bleibt aber weitgehend auf Gestalten aus der Mythologie beschränkt. In unserem Band geht es hingegen nicht um mythische Figuren wie etwa Prometheus, sondern um ein neuzeitliches Phänomen: Mit Kulturheroen meinen wir Schriftsteller, Dichter, Wissenschaftler, Künstler oder Intellektuelle, denen ebenso wie den Kulturheroen der Religionswissenschaft bzw. Ethnologie in der Regel posthum eine herausragende kulturstiftende Rolle in der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft zugeschrieben wird. Seit der Neuzeit werden Kulturheroen in dieser Weise medial konstruiert und durch Kultpraktiken geehrt, die früher eher militärischen oder politischen Helden vorbehalten waren.
'Arbeit und Müßiggang' in der Literatur? Die Berechtigung der Themenstellung scheint evident, denn schon ein flüchtiger Blick in die Initialtexte der abendländischen Tradition erweist, wie sehr das westliche Denken von seinen Anfängen her über den Binarismus von Arbeit und Müßiggang gesteuert worden ist. Dies gilt zunächst für die jüdisch-christliche Schöpfungsmythe, welche den nachparadiesischen Menschen nicht nur zur Arbeit verdammt ("Verflucht sey der Acker vmb · deinen willen/ mit kummer soltu dich drauff neeren dein Leben lang / Dorn vnd Disteln sol er dir tragen / vnd solt das Kraut auff dem felde essen. Jm schweis deines Angesichts solm dein Brot essen" [Gen 3,17-19]), sondern ihm zudem abverlangt, die Mühsal des Broterwerbs in dem Bewusstsein zu verrichten, dass sie eine Strafe für die Übertretung der göttlichen Ordnung darstellt. Denn das Vermögen zur Unterscheidung von 'Gut und Böse' ist es ja, das der Mensch durch die Übertretung des göttlichen Gebotes erwirbt ("Da sprach die Schlang zum Weibe / Jr werdet mit nicht des tods sterben / Sondern Gott weis / das / welchs tags jr da von esset / so werden ewre augen auff gethan / vnd werdet sein wie Gott / vnd wissen was gut vnd böse ist" [Gen 3,4f.]). Wer nachparadiesisch müßig geht, wird nicht nur darben, sondern verstößt gegen das über den Menschen verhängte Arbeitsgebot und missachtet damit, zum zweiten Mal, die Autorität des die Ordnung der Welt setzenden Schöpfergottes. Wer hingegen arbeitet, der akzeptiert die über das Menschengeschlecht verhängte Strafe und bejaht, den ursprünglichen Verstoß bereuend, die Schöpfungsordnung. So ist mit der Vetreibung des Menschen aus dem Paradies nicht nur die Mühsal der Arbeit gesetzt, sondern ebenso der Binarismus von Arbeit und Müßiggang als ein den abendländischen Diskurs prägendes Unterscheidungswissen von einem gottgefälligen und einem gotteslästerlichen Leben.
Energie und Katalyse sind Schlüsselbegriffe zum Werk von Wilhelm Ostwald. Seine Naturphilosophie nannte er selber "Energetik". Für seinen Katalysebegriff erhielt er den Chemie-Nobelpreis. Nach ersten Vorlesungen in Leipzig über Naturphilosophie erschien 1908 sein Werk 'Grundriss der Naturphilosophie', in dem er ein modernes Konzept der Naturphilosophie im Rahmen der Naturwissenschaft entwirft.Im Folgenden wird dieses Programm geprüft, und Ostwalds allgemeine Gesetze sowie Prinzipien werden mit heutigen Weiterentwicklungen konfrontiert. Dabei zeigt sich, dass seine naturphilosophischen Konzepte von großer Aktualität sind.
Mein Beitrag handelt von zwei Begriffen, die gleichermaßen gut eingeführt sind, aber üblicherweise nicht gemeinsam verhandelt werden: Sympathie und Synergie. Die Disziplinen und Kontexte, in denen sie heute auftreten, sind weit voneinander entfernt: Die Synergie hat ihre Domänen in Technik und Wirtschaftswissenschaft, der Sympathie sind vor allem Philosophie und Psychologie zugetan. Freilich sind diese Wörter so nahe miteinander verwandt, dass es verwunderlich oder gar bedauerlich ist, sie beziehungslos nebeneinander stehen zu sehen. Immerhin gibt es Diskussionen, in denen dieses Tandem zwar nicht namentlich auftritt, aber der Sache nach zum ema gemacht wird. Diese Diskussionen möchte ich aufgreifen und vorantreiben, denn das Tandem Synergie/Sympathie hat, wie ich meine, erhebliches sozialtheoretisches Potential.
The notion of the barbarian has been crucial in the development of the intellectual shifts spurred on by thinkers who shaped the culture of the Enlightenment. Asking what a barbarian might be had quite different meanings in the early 16th and in the late 18th century. An anthropological approach to the very different populations that had come to be known in Europe since the 16th century as well as the secularization of the historical vision contributed to the emergence of a more objectified connotation of barbarism. Among others, Montaigne, Montesquieu, Gibbon, Voltaire, d’Holbach commented extensively on barbarism as characterizing different stages in human civilization. Volney (Constantin-François de Chassebeuf, 1757-1820), who travelled to Egypt and Syria in the early 1780s, was familiar with the French works of the Enlightenment and applied their concepts of barbarism to the observation of the different Muslim populations he encountered. Later, after experiencing the turmoil of the French Revolution, he became interested in the United States. During his stay in America from 1795 to 1798, he investigated the American Indians who represented a different form of barbarism. Volney stands out as a thinker who knew the classics of the Enlightenment and who creatively compared theoretical speculations with his first-hand empirical observations.
"Aber ein Sturm weht vom Paradiese her", schreibt Walter Benjamin bekanntlich in seinen geschichtsphilosophischen Thesen, "während der Trümmerhaufen [...] zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm." Bei Zola heißt dieser Fortschritts-Sturm "Windstoß des Jahrhunderts, der den bröckligen Bau der alten Zeiten" davonbläst. Aus welchen Bestandteilen ist 'dieser' Windstoß, der vom "Paradies der Damen" her weht, zusammengesetzt? Anders gefragt: Wie konnte es Octave Mouret gelingen, innerhalb kürzester Zeit ein "millionenreicher Modehändler", zum "Bahnbrecher des neuen Handelswesens" zu werden? Genau davon handeln die 513 Seiten des Romans.
Schleppen und Schleifen
(2015)
Schleppen und Schleifen sind einander etymologisch verwandt. Seit dem 13. Jahrhundert soll die Ähnlichkeit von Schleppen und Schleifen bereits in der Deutschordensdichtung belegt sein; das Grimm'sche 'Wörterbuch' notiert, dass "die identität von schleppen und schleifen" um 1430 erkannt und erstmals in Wörterbüchern erfasst wurde. Nun sind Schleppen und Schleifen nicht nur Verben für den mehr oder weniger identischen Vorgang, etwas unter Mühe langsam, schwerfällig und mit großem Kraftaufwand am Boden entlang zu ziehen, sondern auch Pluralformen von Substantiven. Die Schleppe und die Schleife bezeichnen dabei geradezu das Gegenteil der verbalen Bedeutung: Anders als die Verben 'schleppen' und 'schleifen' sind sie nicht mit Mühe, Last und Erschöpfung konnotiert, sondern stehen vielmehr für Luxus und Verschwendung - für die unendliche Leichtigkeit des Seins.
Rezension zu "Klassiker neu übersetzen. Zum Phänomen der Neuübersetzungen deutscher und italienischer Klassiker / Ritradurre i classici. Sul fenomeno delle ritraduzioni di classici italiani e tedeschi". Hg. Barbara Kleiner, Michele Vangi und Ada Vigliani. Stuttgart: Franz Steiner, 2014 (Villa Vigoni im Gespräch; Band 8). 147 S.
Der 'brave Soldat' Schwejk - antiheroischer Protagonist in Jaroslavs Hašeks berühmtem Roman - beobachtet auf dem Weg zur Front einen vorbeifahrenden Militärzug mit offenen Waggons: Ein Korporal der Deutschmeister 'mit herausfordernd aufgezwirbeltem Schnurrbart' stützt sich wie in einem 'lebendem Bild' quer auf seine sitzende Mannschaft, schmettert voller Inbrunst das Prinz-Eugen-Lied, lehnt sich übermütig hinaus - und fliegt aus der offenen Waggontür, wobei er 'mit aller Kraft im Flug mit dem Bauch auf den Weichenhebel [schlug], auf dem er aufgespießt hängenblieb'. 'Mit Kennermiene' betrachtet Schwejk neugierig den Leichnam: "Der hats schon hinter sich […] hat sich akkurat aufgespießt […], hat die Därme in den Hosen." Das groteske Ende des Offiziers der Deutschmeister, jenes Ritterordens aus dem 12. Jahrhundert, symbolisiert den Untergang des aristokratischen Kriegerstandes - des Inbegriffs menschlicher Souveränität, die in Gestalt verführerischer Husaren noch Romane und Operetten des 19. Jahrhunderts bevölkerte - in den Höllenfeuern des Maschinenkrieges, zu dem Schwejk und seine Kameraden gerade unterwegs sind. Auch sein geliebter Herr, Oberleutnant Lukasch, ein notorischer Verführer, repräsentiert noch jene aristokratische Souveränität, Glanzstück des feudalen Ständestaates: Hoch zu Roß reitet er nicht nur dem Feind entgegen, sondern zugleich seinem Untergang, der sich in den Materialschlachten des großindustriellen Krieges vollzieht.
Was Schwejk fasziniert beobachtet, ist das finale Stadium des Zusammenbruchs der ständischen Ordnung, der patriarchalischen Autorität, der feudalen Tugenden, der symbolischen Repräsentation, der Hierarchie der Gemeinschaften im Versachlichungs- und Entzauberungsprozess der Moderne. Dabei bewegte Literatur und Philosophie des 19. Jahrhunderts vor allem eine Frage: Was geschieht eigentlich, wenn 'der Knecht' (aus Hegels Phänomenologie des Geistes) - das "durch die Arbeit" erwirkte Selbstbewusstsein mit seinem Primat von Selbsterhaltung und instrumenteller Rationalität - zum Herrn wird, mit den souveränen Eigenschaften des untergegangenen Herrn?
Bei der 1958 in Tokyo geborenen Hiromi Kawakami, deren Erzählwerke seit einigen Jahren in mehrere Sprachen übersetzt werden und ein internationales Publikum erreichen, lässt sich kein unmittelbarer Einfluss nicht-japanischer Literatur feststellen. Die Autorin gehört einer Generation an, die mit der fortschreitenden Globalisierung groß geworden ist und sich, vor allem mit Hilfe des Internets, an heterogenen Kulturgütern bedient. Andererseits fällt bei der Lektüre ihrer Werke auf, dass sowohl ihre Sprache als auch Themen und Motive spezifisch japanisch geprägt sind, ohne dass dies auf eine bewusste Entscheidung der Autorin zurückginge. Eine Besonderheit zeitgenössischer japanischer Literatur ist ihre Durchlässigkeit für Erzählweisen und Figuren der in diesem Land außerordentlich vielfältigen und beliebten Manga-Kultur. Die hier zunächst nur angedeuteten Merkmale von Kawakamis Erzählwerken und der Kontext, in dem sie erscheinen, legen es nahe, sie unter interkulturellen und intermedialen Gesichtspunkten zu betrachten. Es trifft sich, dass einer der herausragenden Manga-Autoren Japans 2008 in enger Kooperation mit Kawakami eine gezeichnete Version ihres sehr erfolgreichen Romans Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß (Originaltitel: Sensei no kaban) veröffentlichte. Für diese Ausgabe hat die Autorin zwei Kapitel hinzugefügt, in der ihre Neigung zu phantastischer Darstellung in Verbindung mit altjapanischen Überlieferungen besonders gut zum Ausdruck kommt. Kawakamis charakteristische Art, mit phantastischen Elementen umzugehen und gleichzeitig Szenen des japanischen Alltags in postindustrieller Zeit wiederzugeben, lässt sich aber noch besser an ihrem 2006 in Tokyo unter dem Titel Manazuru erschienenen dritten Roman studieren.
Das "Vatertag"-Kapitel in Günter Grass Roman "Der Butt" ist das Ergebnis jahrelanger Reflexion des Autors und zahlreicher Konzeptionsänderungen: Am Ende wurde daraus eine Tragödie in Novellengestalt, eine Tragödie sowohl stofflich als auch formal. Sie setzt einerseits die aristotelischen Poetik in Prosa um und realisiert einen Alptraum ins Tribadische transponierter Männlichkeitsrituale, an deren Ende ein Mord steht, der an Brutalität mit den gewalttätigsten attischen Mythenstoffen, vor allem mit Euripides' Bakchen, konkurrieren kann. Die Perversität der rauschhaften sexuellen Exzesse verschärft Grass, indem er sie auf Himmelfahrt, den als Vollendung der Erlösung strahlendsten Tag im christlichen Jahresfestkreis, verlegt und auf diese Weise einen schrillen Kontrast herstellt zwischen der Vergewaltigung und dem barbarischen Zerfleischen einer Frau durch eine dionysische Horde alkoholisierter Black Angels auf der einen Seite und der Auffahrt der vom Tode auferstandenen Lichtgottheit gen Himmel auf der anderen Seite, einer Vergeistigung der Kultur, die im Sinne der Bachofen'schen "Vaterreligion" alles Irdische, Stoffliche, Geschlechtliche unter sich lässt. Nachdem Grass Bachofens Konstruktion der Entwicklung des Patriarchats aus der Gynaikokratie im ersten Kapitel des Butt geradezu systematisch in Erzählung umgesetzt hat, kehrt er im achten zu Bachofens Kulturstufenfolge zurück, allerdings ohne dessen optimistischen Glauben an den Menschheitsfortschritt zu teilen – im Gegenteil.
Moses stirbt nicht nur an einer zentralen Stelle in der biblischen Geschichte - an der Schwelle zum Heiligen Land -, sein Tod strukturiert auch die biblische Überlieferung in besonderer Weise, indem er die ersten fünf Bücher der Bibel - in christlicher Terminologie: die mosaischen Bücher - von deren Rest unterscheidet und damit dem biblischen Korpus eine wichtige Struktur vorgibt. Eine genauere Lektüre dieser Szene kann dabei zeigen, dass Moses' Tod nicht nur auf exemplarische Weise jene Grenzziehung zwischen Leben und Tod konfiguriert, sondern auch die Frage aufwirft, wie die Grenze von Tod und Leben eigentlich erzählt werden kann. Denn diese Frage ist nicht erst in der Moderne mit dem Problem konfrontiert, dass man jene Grenze nicht einfach narrativ überschreiten kann und dass der Tod ein Aussetzen der Narration zu implizieren scheint. Auch innerhalb der religiösen Tradition kann - aus ganz anderen Gründen - der Tod nicht einfach als ein Ereignis innerhalb eines linearen Zusammenhangs erzählt werden, sondern es bedarf komplexer narrativer Verfahren, durch die dann auch die Übergangszone von Tod und Leben kulturell besonders aufgeladen wird. Um das zu zeigen, wird im Folgenden nach einem (1.) Rekurs auf Sigmund Freuds Frage nach dem Nachleben Moses’ und dem eigenartigen Ausfall von Moses’ Tod darin (2.) die Erzählung dieses Todes in Deuteronomium 34 und ihre Deutung in der Tradition, d.h. in den Midraschim und bei den Kirchenvätern diskutiert, (3.) die religionsgeschichtliche Frage nach der Kultur des Lebens und des Todes im biblischen Israel berührt und (4.) die narrative Funktion des Todes im Kontext des Deuteronomium und der Exoduserzählung sowie (5.) die damit verbundene mediale Reflexion über Schrift und Wort als Medium untersucht, bevor abschließend (6.) noch einmal kurz auf die Freud’sche Frage nach dem Nachleben eingegangen wird.
"Dieses Buch, geschätzte Leserin, geschätzter Leser", schreibt Adam Soboczynski in der Vorrede seines 2008 erschienenen Erzählbandes "Die schonende Abwehr verliebter Frauen", "enthält dreiunddreißig Geschichten, die darum kreisen, wie sich in einer Welt geschickt zu verhalten sei, in der Fallen lauern und in der Intrigen walten. Die Kunst der Verstellung, die eine jahrhundertelange Tradition hat, erlebt eine Wiederkehr." Im gleichen Jahr publiziert Ulrich Hemel einen Ratgeber für Manager, "Sich vor dem Siege über Vorgesetzte hüten", in dem er sich – genauso wie Soboczynski – auf Baltasar Graciáns "Oráculo manual" beruft. Diese Koinzidenz steht nicht alleine: Seit den 1990er Jahren gibt es eine intensive Rezeption von Graciáns "Handorakel" in populärer Literatur, etwa in der Form von sprachlich aktualisierenden Übersetzungen oder von Ratgebern für eine erfolgreiche Karriere in der Wirtschaft. Meist stellen diese Adaptionen (darunter fasse ich Übersetzungen, kommentierende Neu-Abdrucke und Texte, die sich eng auf das Oráculo manual beziehen) das Handorakel als Text vor, der dem heutigen Leser helfen könne, Erfolg zu haben, und der bisweilen erstaunlich explizit egoistische und erfolgsorientierte Ratschläge etwa zu verstelltem Verhalten gebe. So beschreibt etwa Christopher Maurer seine englische Übersetzung des "Oráculo manual", die für den Erfolg Graciáns in den 1990er Jahren entscheidend war, wie folgt: "The Art of Worldly Wisdom. A Pocket Oracle is a book of strategies for knowing, judging, and acting: for making one's way in the world and achieving distinction and perfection" und hebt die "apparent subordination of ethics to strategy" hervor, die Gracián so "disconcertingly 'modern'" mache.
Der Beitrag untersucht die verschiedenen Funktionen literarischer Mehrsprachigkeit in Francesco Colonnas "Hypnerotomachia Poliphili" (1499) und François Rabelais' "Pantagruel" (1532) und "Gargantua" (1535), die auf Colonna zurückgreifen. Er unterscheidet die Wirkungen der Sprachmischung (im Sinne einer Hybridisierung der Sprache, in der erzählt wird) von den Wirkungen, welche die Polyglossie (im Sinne der Pluralität der in einem Werk verwendeten Sprachen) hervorbringt. Daraus ergeben sich auf der Ebene der Narration wie auf der von Syntax und Lexikon unterschiedliche Ästhetiken, die, indem sie den Autor in der von ihm verwendeten artifiziellen Sprache zum Verschwinden bringen, im Diskurs des Textes die Stimme des Anderen hörbar machen.
Der Beitrag untersucht die historischen Hintergründe und die Funktion von Polyglossie in den skandinavischen Literaturen und analysiert eine Szene aus Johan Ludvig Heibergs Vaudeville "Recensenten og Dyret" (1826, Der Rezensent und das Tier). Die Figuren dieses Stückes beherrschen verschiedene Sprachen und führen müheloses Code-Switching vor, so dass sich Polyglossie im mehrstimmigen Gesang zur Harmonie fügt. Heibergs Unterhaltungstheater wird als Ausdruck einer Offenheit für interkulturellen Transfer und als Ablehnung einer bornierten Einstellung gegenüber nationaler Kultur interpretiert.
Bibel und Literatur um 1800
(2014)
Die Geschichte der Philologie war immer auch eine Geschichte des Lesens heiliger Texte. Dass auch die Moderne nicht notwendig mit dieser Herkunft bricht, zeigen die vielfältigen Beziehungen zwischen Literatur, Philologie und Bibelexegese in der epistemologischen Schlüsselepoche um 1800. Wenn Novalis 1798 an Friedrich Schlegel schreibt, eine "Theorie der Bibel" würde eigentlich einer "Theorie der Schriftstellerei oder der Wordbildnerei überhaupt" entsprechen, so ruft das nicht nur einen traditionellen Topos auf, sondern bezieht sich auch auf höchst aktuelle zeitgenössische Debatten. Denn die sich im Laufe des 18. Jahrhunderts ausbildende historische und philologische Kritik der Bibel erlaubt es nicht nur, das Buch der Bücher neu zu lesen, sondern verändert auch das Verständnis des Lesens und der Literatur überhaupt. Immer wenn um 1800 über Semiotik und Übersetzungstheorie, Rhetorik und Philologie, Poetik und Hermeneutik verhandelt wird, geschieht das auch mit Seitenblick auf die Bibel und ihre Lesbarkeit. Weidners Studie untersucht die literarischen und kritischen Diskurse um und über die Bibel, die für die Geschichte der Literaturwissenschaft von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist.
Architektur und Albtraum : Erkundungen zu Horrorhäusern, Geisterstädten und metaphysischen Türmen
(2014)
Auf seiner Flucht aus dem Schreckenshaus seiner Ahnen träumt Clifford Pincheon (aus Nathaniel Hawthornes Roman The House of the Seven Gables von 1851) in der Eisenbahn von einem modernen Nomadentum, das einen vom Schicksal befreien könne: Statt sich zum "Gefangenen von Mauern, Backstein" zu machen, wird der Mensch der Zukunft "nirgends - oder besser - überall […] wohnen". Die Vision, sich vom konkreten Ort, von Geschichte zu befreien und gleichsam in der Zeit sesshaft zu werden, verwirklichte sich nicht allein in den silbernen, stromlinienförmigen Home-Trailern und Mobile Homes. Sie verwirklichte sich auf höherer Stufenleiter in den glänzend geschlossenen Spiegelglas-Türmen, die in den Machtzentren des Kapitals heute zunehmend dominieren. Die dunkel oder metallisch spiegelnden Türme wirken wie in heiliges Öl getaucht, rituell gesalbt, dabei jedoch nicht erhaben, sondern verführerisch, bezaubernd: Die fugenlos glatte, glitzernde Hülle aus Spiegelglas und Metall macht die Bauwerke zu Fetischen, phallischen Signifikanten, zu unsterblichen Ikonen einer Macht, deren innerstes Prinzip eine Ökonomie der Zeit ist. Das Kapital träumt seit je davon, sich vom irdischen Raum der Menschen zu befreien: Mit den Türmen - einer artifiziellen Raum-Enklave - gewinnt der Traum strahlend Gestalt. Hierin verdichtet sich gesellschaftlich und technologisch höchste Mobilität, erstarrt in reiner Gegenwart, der Zeitform der global players. Diese arbeiten an einem Schicksal, das jede Bindung an konkreten, irdischen Raum, an Familien und Völker, an vergangene Geschichte verloren hat. Das ist zweifellos unheimlich, doch auf ganz andere Art als das klassische Horrorhaus.
1438'de Türklere esir düşen Georgius isimli bir din adamı, başından geçenleri 1481'de kaleme aldığı Tractatum de Moribus, Conditionibus et Nequitia Turcorum isimli çalışmasıyla dünyaya duyurdu. Eser yayınlandığı güne kadar Avrupalı entelektüeller tarafından çok da iyi bilinmeyen Türk kültürü ve dini hakkında kıymetli bilgiler içeriyordu. Yazar, dinle ilgili olarak verdiği bilgiler arasında İslam hakkında genel bilgilerin yanında dini zümreler üzerine de bilgiler vermiştir. Bunlar arasında heterodoks kesimle ilgili verdiği bilgiler oldukça ilgi çekicidir. Burada onların dini anlayışlarını açıklamış, törenlerinden bahsetmiş ve hatta benzerlerini Sünni kesimle karşılaştırarak değerlendirmiştir. Bundan başka heterodoks kesim için son derece önemli dini ve tarihi önemi haiz Seyid Gazi, Hacı Bektaş ve Âşık Paşa gibi bazı İslami din önderlerine değinmiştir. Avrupalı entelektüeller tarafından bilinmeyen bu hususların dile getirilmesinden ötürü eser kısa zamanda Türkler hakkındaki bilgilerin edinildiği ilk ve temel başvuru kitabı haline geldi. Özellikle Martin Luther ve diğer Protestan önderler Georgius'un Türklerle ilgili bilgilerinden etkilendikleri bilinmektedir. Eserin ilk Alman baskısının Martin Luther tarafından yapılması da esere verilen öneme işaret eden ayrı bir husustur. Bu çalışmamızda Tractatum’un Türk heterodoks luğu ile ilgili satırlarını değerlendirmelerini de içeren çevirilerini yaparak konuyla ilgili çalışan araştırmacıların istifadesine sunmaya çalışacağız.
Walthers Gedicht "Ir sult sprechen willekommen" und Karacaoğlans Gedicht "Ich zog hinunter, sah mir Frankistan an" werden in diesem Diskussionsbeitrag zum Vergleich herangezogen. Beide Dichter treten nach einer langen Reise vor die Gesellschaft auf und teilen ihre Erfahrungen anhand von Vergleich zwischen Vaterländischem und Ausländischem mit.
Es gehört zu den besonderen Merkmalen fantastischer Literatur und Kunst, fiktive Welten hervorzubringen, deren Entwurfscharakter Modellhaftigkeit und spielerische Experimentierfreudigkeit ebenso implizieren kann wie Perspektiven des Utopischen. Die Beiträge des Sammelbands gehen auf Vorträge der Jahrestagung der Gesellschaft für Fantastikforschung im September 2013 zurück, die unter dem Motto "Writing Worlds" stand. Sich Welten zu erschreiben, zu erzählen oder zu erträumen ist zweifellos ein zentraler Bestandteil und eine wichtige Motivation zur Kreativität, die sich insbesondere im Genre der fantastischen Literatur beobachten lässt. In der Gegenwart lässt sich die spatiale Ebene, die Welten und Räume konstruierende Dimension des Fantastischen, allerdings nicht weniger ausgeprägt in den neueren Medien des Rollenspiels und des Films entdecken. So eröffnen die Aufsätze des Themenhefts ein weites Spektrum, das von Modellierungen mittelalterlicher Sujets über expressionistische Städte-Visionen und Batmans Metamorphosen bis hin zu neueren U.S.-amerikanischen Fernsehserien um das Jahr 2000 reicht.
Die im Herbst 2010 aufgebrochene Kontroverse um die Möglichkeit einer erfolgreichen Integration von Migranten aus der islamischen Welt in die westliche Gesellschaftsordnung, die längst vergessene Vorurteile von neuem geweckt und damit dunkle Schatten auf die Zukunft des Zusammenlebens von Muslimen mit Nicht-Muslimen in Europa geworfen hat, lässt leicht vergessen, dass noch bis in neueste Zeit eine viel gelassenere Einstellung herrschte, in der inklusive Sammelbezeichnungen für die verschiedenen Religionskulturen wie 'die drei abrahamitischen Religionen' oder die 'drei Schriftreligionen' hoch in Kurs standen. Sie scheinen in weiten Kreisen inzwischen einer Dichotomie zwischen monolithischen Blöcken wie 'Europa', 'der Westen', und 'der Islam' Platz gemacht zu haben. Es lohnt sich umso mehr, diese älteren Konstruktionen von Gemeinsamkeiten von neuem zu prüfen.
Mit der Frage nach der Grundordnung gehen die Untersuchungen dieses Bandes hinter bzw. vor die juristische Semantik des Verfassungsbegriffs zurück. Denn dieser ist, wie andere moderne Fachtermini auch, das Ergebnis einer Verengung. Die 'Verfassung', zunächst ein 'Erfahrungsbegriff', "der den politischen Zustand eines Staates umfassend wiedergibt", habe sich zum Begriff für den "rechtlich geprägten Zustand eines Staates" verengt und falle "nach dem Übergang zum modernen Konstitutionalismus mit Gesetz in eins", währenddessen der Begriff des Gesetzes nun "die Einrichtung und Ausrichtung der staatlichen Herrschaft regelt" und "damit selbst vom deskriptiven zum präskriptiven Begriff" wird, so Dieter Grimm, der die genannte Verengung damit erklärt, dass der Begriff der 'Verfassung' seine "nichtjuristischen Bestandteile zunehmend" abgestoßen habe. Diese nichtjuristischen Bestandteile aber sind Grundlage und Voraussetzung des Grundgesetzes, das sich eine Gemeinschaft gibt, um sich als politisch-rechtliches Gebilde zu konstituieren. Sie betreffen das Selbstverständnis eines politischen Gemeinwesens, ob Land, Staat oder Föderation, das tiefer und weiter zurück reicht als das Gesetz.
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Damit rühren die nichtjuristischen Bestandteile des Verfassungskonzepts an Erfahrungen, Überzeugungen und Prinzipien, nach denen ein Gemeinwesen gebildet wird. Deren normative Kraft wird dadurch verfestigt, dass ihnen Verfassungsstatus verliehen wird – vorausgesetzt man könne einem Gemeinwesen einen einheitlichen Willen, einen volonté generale, unterstellen. Da das in der historischen Realität seltener der Fall ist, kommen in der Formulierung der grundlegenden Prinzipien einer Verfassung auf je unterschiedliche Weise religiöse, ethnische, geographische, sprachlich-kulturelle oder auch sittliche Aspekte zum Zuge, von denen dann zumeist einer als prioritär bewertet und deshalb allen anderen vorangestellt wird: als übergeordneter Gesichtspunkt. Wenn etwa die Bundesrepublik Deutschland im Grundgesetz als "freiheitlich demokratische Grundordnung" definiert ist, dann sind darin leitende Prinzipien formuliert, die sich in diesem Fall auf vorausgegangene historische Erfahrungen gründen, konkret auf die Lehren, die aus Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg gezogen wurden. Das gilt ähnlich für die Europäische Union, die ihr Selbstverständnis als "wirtschaftliche und politische Partnerschaft zwischen 27 europäischen Staaten" auf die Erfahrungen der Kriege des 20. Jahrhunderts zurückführt.