BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.10.00 Stilistik. Rhetorik
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Rhetorik bei Paul de Man
(2011)
Es ist unübersehbar, daß die Texte Paul de Mans in entscheidendem Maße von rhetorischer Terminologie geprägt sind. Unübersehbar ist es aber auch, daß diese Terminologie in erster Linie dem Teil der Rhetorik entstammt, der traditionell als elocutio bezeichnet worden ist: es sind die Tropen und rhetorischen Figuren, von denen aus de Man sein Verständnis der Rhetorik entwickelt. Eine solche reduzierende Rekonstruktion der Rhetorik scheint auf den ersten Blick weit von dem entfernt zu liegen, was man in seiner antiken Ausprägung traditionellerweise Rhetorik genannt hat. Die Übernahme dieser rhetorischen Termini vollzieht sich bei de Man im wesentlichen in seinen Lektüren Nietzsches, in dessen frühen Texten "Darstellung der antiken Rhetorik" (1874) und "Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne" (1872) er bereits jene dekonstruktive Bewegung auszumachen vermeint, von der auch seine eigenen Schriften geprägt sind.
Die Rhetorik, die im Türkischen als "Belagat/Belagat Sanatı" (Hitabet Sanatı) bezeichnet wird, ist ein mehr oder minder ausgebautes System gedanklicher und sprachlicher Formen, die dem Zweck der vom Redenden in der Situation beabsichtigten Wirkung dienen können (Lausberg 1990: 13). In vielen verschiedenen Bereichen wie Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Theologie und Werbung wird in großem Maße von der Rhetorik profitiert. Der Anwendungsbereich der Rhetorik ist jedoch nicht nur auf das Reden begrenzt; die Rhetorik liefert ein detailliertes Modell zur Herstellung von Texten und kann deshalb auch als Texttheorie verstanden werden (Braungart 1997: 290). In diesem Zusammenhang wird die Rhetorik als Instrument der Textbeschreibung und –analyse bezeichnet (Braungart 1997: 290). Laut Gero von Wilpert (2001: 687) übt die Rhetorik durch die künstlichen Schmuckformen einen starken Einfluss auf die schriftlichen Texte, insbesondere auf die Literatur, aus, da die Dichter oder Schriftsteller ihre Werke mit der ästhetischen Kraft der Sprache erstellen. In den Texten wird die Rhetorik durch die sprachlichen Formen und Figuren präsentiert, die im Deutschen als "Rhetorische Figuren" und im Türkischen "Edebi Sanatlar" bezeichnet werden.
Die folgende Untersuchung hat das Ziel, die deutschen rhetorischen Figuren mit den türkischen zu vergleichen und Ähnlichkeiten sowie Unterschiede zwischen den rhetorischen Figuren anhand von den Beispielsätzen in beiden Sprachen aufzudecken und zu analysieren.
Entre as diferentes funções que uma autobiografia pode assumir está a reivindicação de reconhecimento. Vários dos integrantes da esquerda militante alemã dos anos 1970, que romperam radicalmente com a sociedade, publicaram, nos últimos anos, textos autobiográficos. Na presente análise do livro de Inge Viett, a autora discute a questão da responsabilidade de seus atos violentos com o propósito de alcançar o reconhecimento de seus leitores.
"Was wäre ein Zeichen, das nicht zitiert werden könnte?", fragt Jacques Derrida in seinem 1972 erschienen Aufsatz 'Signature evenement contexte', um kurz darauf festzustellen: "Jedes Zeichen, sprachlich oder nicht, gesprochen oder geschrieben (im geläufigen Sinn dieser Opposition), als kleine oder große Einheit, kann zitiert – in Anführungszeichen gesetzt – werden; von dort aus kann es mit jedem gegebenen Kontext brechen und auf absolut nicht sättigbare Weise unendlich viele neue Kontexte zeugen." Zitieren wird hier als eine Bewegung des Herausnehmens aus einem Kontext und Einfügens in einen anderen Kontext beschrieben - und für diese doppelte Geste, die dem Akt des Zitierens zugrunde liegt, verwendet Derrida die Metapher der Pfropfung: "Auf dieser Möglichkeit möchte ich bestehen", heißt es in 'Signatur Ereignis Kontext': der "Möglichkeit des Herausnehmens und des zitathaften Aufpfropfens [greffe citationelle], die zur Struktur jedes gesprochenen oder geschriebenen Zeichens gehört". Damit wird die Pfropfung zu einer Figuration, zu einer Verkörperung dessen, was im Akt des Zitierens und durch den Akt des Zitierens geschieht, wobei den Anführungszeichen eine besondere Funktion zukommt: Sie signalisieren, dass das Zeichen oder die Zeichenkette, die zwischen Anführungszeichen gesetzt wurden, anders interpretiert werden soll als sie bisher interpretiert wurde. Anführungszeichen signalisieren also einen Wechsel des "Deutungsrahmens". Das gilt für einfache Anführungszeichen, die eine ironische Distanzierung signalisieren ebenso wie für die doppelten Anführungszeichen. Die doppelten Anführungszeichen zeigen nicht nur einen Wechsel des Deutungsrahmens an, sondern sie zeigen auch an, dass das, was zwischen die doppelten Anführungszeichen gesetzt wurde, nicht von dem stammt, der spricht oder schreibt. Sie zeigen ein 'von jemand anderem' an: sei es, um diesem anderen damit die Ehre der Urheberschaft zu geben und damit zugleich sein Copyright zu respektieren; sei es, um dem anderen die Verantwortung für das, was zwischen den Anführungszeichen steht, zuzuschreiben. Insofern zeigen doppelte Anführungszeichen zugleich die Distanz und die Differenz zwischen zitierendem Subjekt und zitiertem Subjekt an.
Gender ist rhetorisch verfaßt, und es sind die Figuren und die Tropen der Autobiographie, die diese" Verfaßtheit lesbar machen. Die Autorin analysiert die scheinbar gesicherte Differenz der Geschlechter wie auch die der Genres, indem sie die Figuren des Genres Autobiographie den Figuren, die die Illusion einer vordiskursiven Geschlechtsidentität konstruieren, gegenüberstellt und ihre Funktionsweisen korreliert. Über die Umbesetzung der traditionellen rhetorischen Terminologie wird eine Lektürepraxis erprobt, die die rhetorische Verfaßtheit der Kategorien Gender/Genre reflektiert und diese als Paradigmen subjektstabilisierender Diskursformen in Frage stellt. Ausgehend von Paul de Mans Reformulierung des klassischen Rhetorikbegriffs, Jacques Derridas Reflexionen zum Gesetz der Gattung und zum Verhältnis von Geschlecht und Sprache sowie Judith Butlers Konzeption einer performativen Geschlechtsidentität unternimmt die Autorin eine Umschrift des Gender/Genre-Begriffs, der nicht nur neue Sichtweisen auf Identitätskonstruktionen ermöglicht, sondern darüber hinaus die Grenzen des Faches Literaturwissenschaft selbst in Frage stellt und überschreitet.
Bruchstückhaft und enigmatisch gibt sich Kleists unermüdlich erforschtes Textstück "Über das Marionettentheater". Kleists Text ist gekennzeichnet durch wenig kohärente Passagen, durch verwirrende An- und Zusammenschlüsse, durch Risse innerhalb der Narration, durch dezentrierte, verwundete, fragmentierte, ersatzstückhafte, maschinenhafte Körper (der "Dornauszieher", die Marionetten, die Figuren aus Prothesen) oder durch Figuren, die die Grenzen des 'Menschlichen' aufbrechen, wie zum Beispiel der fechtende Bär. Die Komplexität des Textes wird unter anderem darüber beschrieben, dass er, wie z.B. William Ray herausstellt, zu viel bedeutet. Dieser Befund ergibt sich nicht zuletzt daraus. dass der Text eine große Zahl an wissenschaftlichen Feldern und Themen berührt, wie zum Beispiel "aesthetics, theology, the mechanics of marionettes, history, consciousness, affectation, the self, and the Fall". Was diese Felder dabei leitmotivisch durchzieht, ist der Bezug auf den Körper.
This paper focusses On the discussion of the preservation of expressive aspects in translation., Considerations are grounded on the HJELMSLEVian concepts of the isomorphy between the planes of content and expression, which are both constituted by-substance and form. The present study intends to show that the connotative equivalence of a text can only be achieved in the target language when attention is paid to both the formal-stylistic and the textual-normative dimensions. This involves the appropriation of the stylistic values of the linguistic expression in the source language and, mainly, the understanding of the tropes and the relationships between them. Thus, the present study draws on discourse analysis, comprehending "enunciation" theories and the rhetorical and pragmatic considerations on the level of expression. Considering that the literary text is privileged in providing stylistically marked choices, it is important to highlight the phonetic and semantic correspondences, that is, the close relationship between sound and meaning, which harbours one of the major difficulties in translation. The theory is applied to "Os Sertões" (English translation: "Rebellion on the Backlands") by Euclides da Cunha.
Die Gattung Lobrede zwingt zur Einseitigkeit. Deshalb ist sie der Paradefall für den Konflikt zwischen Rhetorik und Wahrhaftigkeit, Paradefall damit für den Streit um Glanz und Elend der Redekunst. Der Glanz schöner Worte und das Elend von Schmeichelei und Lüge können nirgendwo so eindrucksvoll erscheinen wie in der Lobrede. Archetypisch zeigt dies der Gegensatz zwischen den Sophisten und Sokrates: Lob ist das Schaustück, an dem die einen die Macht und der andere die Falschheit der Redekunst erweisen. Doch nicht nur der Streit um die Rhetorik überhaupt, sondern auch die Geschichte der Rhetorik selbst, der historische Wertewandel innerhalb der rhetorischen Theorie wechselt bei der Lobrede in extremes Für und Wider. Das hat eine politische Dimension. Denn nach der Aristotelischen Trias ist die epideiktische Gattung ja die Form fragloser Rede. Im Gegensatz zur Gerichts- und Beratungsrede geht es in ihr nicht um Strittiges, sondern um feststehende Urteile und Ansprüche, die - anstatt zu diskutieren - nur vorzuführen sind. Als politische Dimension entspricht dem der Unterschied von Meinungsstreit und Herrschaftsrepräsentation. [...]Wie die Gattung Lobrede heute politisch konnotiert ist, läßt sich indirekt an der hohen Konjunktur des Wortes "Streitkultur" ablesen. Der deutlichste germanistische Beitrag dazu war die Lessing-Tagung 1991, die unter dem Titel "Streitkultur" den Kritiker, den Polemiker, den in argumentativer Schärfe auf produktiven Widerspruch setzenden Lessing als Vorbild für die eigentliche öffentliche Rede würdigte.
Semiotisch-strukturalistische Untersuchungen zum histoire-Aspekt erzählender Texte reduzieren bekanntlich die diversen Erscheinungsformen von Geschichten auf sehr einfache Schemata. […] Bei aller Verschiedenheit ist diesen Ansätzen die Annahme gemein, jede Geschichte enthalte einen abstrakten Bedeutungskern, der als invariante Tiefenstruktur der Vielfalt der Erzählungen zugrunde liege. […] Im Vergleich […] wird Jolles’ Theorie dem Erzählen als kulturellem Phänomen besser gerecht, weil sie historische Kontexte und lebensweltliche Funktionen des Erzählens berücksichtigt […]. Die neun Grundformen, die Jolles unterscheidet (Legende, Sage, Mythe, Rätsel, Spruch, Kasus, Memorabile, Märchen, Witz), kombinieren extratextuelle und textuelle Eigenschaften. […] Der Systemcharakter der Einfachen Formen ist häufig und zu Recht kritisiert worden. Obwohl Jolles selbst vom »geschlossenen System unsrer Einfachen Formen« spricht, begründet er nirgendwo die unterstellte Vollständigkeit seiner Typologie. Unabhängig von diesem Problem lässt sich aber fragen, ob nicht zumindest einzelne Grundformen aus Jolles’ Typologie textanalytisch nützlich sein könnten. Das soll hier in einer kleinen komparatistisch-narratologischen Studie geprüft werden, die einen Bezug zwischen spanischem Barock und deutscher Romantik anhand von Pedro Calderón de la Barcas comedia „la devoción de la cruz“ (Die Andacht zum Kreuze,1622/23) und Zacharias Werners Schicksalsdrama „Der vierundzwanzigste Februar“ (1809/10) herstellt.
"Den Frauen", schreibt Otto Weininger 1903 in Geschlecht und Charakter, "ist zwar die Gabe der Sprache, aber nicht so die der Rede verliehen; eine Frau konversiert (kokettiert), oder schnattert, aber sie redet nicht." Diese Ab- und Ausgrenzung 'weiblicher' Redeformen von der ernsthaften 'männlichen' Rede provoziert die Frage nach dem Verhältnis von Rhetorik und Geschlecht dem sich ein an der Universität Münster arbeitendes Forschungsprojekt unter der Überschrift "Weibliche Rede - Rhetorik der Weiblichkeit" widmet.
Im Juni 2001, wenige Wochen vor der Tagung, die dieser Band dokumentiert, traten im deutschen Fernsehen zwei Frauen auf, deren Zusammentreffen bereits Wochen zuvor von den Medien intensiv vorbereitet und kommentiert worden war. Auf ein »TV-Duell« der besonderen Art hatte man die ZuschauerInnen eingestimmt, die ihr Interesse denn auch durch hohe Einschaltquoten bekundeten. Was machte die Begegnung von Alice Schwarzer und Verona Feldbusch in einer Talkshow zu einem solchen Medienereignis? Was stand in diesem Duell auf dem Spiel, in dem es offensichtlich nicht um die Entscheidung für oder gegen eine Regierung ging wie etwa in dem ebenfalls traditionell als Duell inszenierten amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf oder in den nach diesem Vorbild auch in Deutschland erstmals veranstalteten TV-Duellen zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber vor der Bundestagswahl 2002?
Die Frage nach dem Rahmen berührt das Problem der Grenzziehung zwischen Text und Kontext, Text und Nicht-Text, Text und Paratext. Während für Lotman der Rahmen eines Wortkunstwerks noch dadurch ausgezeichnet ist, daß er die Grenze darstellt, die den "Text von allem trennt, was Nicht-Text ist", schließt die poststrukturalistische Texttheorie solch eine statische Grenzbestimmung aus, weil der "Text in Bewegung" wahlweise als ecriture, als "Produktivität" oder als "Gewebe" gefaßt wird.
Barockrhetorik in Salzburg : zur Rolle der Benediktiner im frühneuzeitlichen Rhetorikunterricht
(2003)
Die Kognitionswissenschaften studieren Themen wie Gedächtnis, Problemlösen, Sprache, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und nicht zuletzt den Willen des Menschen. Dies alles sind Untersuchungsfelder, die auch für die Rhetorik von zentralem Interesse sind. Ich möchte in meinem Vortrag vorstellen, wie man einige der wichtigsten Gegenstände vor allem der kognitiven Linguistik für rhetorische Analysen fruchtbar machen könnte – im Sinne einer kognitiven Rhetorik, einer Neuformulierung rhetorischer Problemfelder auf der Grundlage einer zeitgemäßen theoretischen Basis. Aus Zeitgründen werde ich mich auf zwei Felder konzentrieren, auf die conceptual metaphor-Theory George Lakoffs und Mark Johnsons und auf die Theorie der sogenannten "Frames". Weitere Kapitel aus der kognitiven Rhetorik könnten an die conceptual blending-Theorie von Mark Turner und Gilles Fauconnier anknüpfen, oder auch an die Kognitive Syntax eines Ronald Langacker, dessen syntaktisches Ikonizitätsprinzip eine Verbindung zwischen syntaktischer Gestalt und Ausdruckskraft eines Satzes herzustellen vermag. Diese beiden Theorien seien nur genannt. Am Schluss werde ich noch klären wozu wir das als Rhetoriker alles brauchen können.