BDSL-Klassifikation: 13.00.00 Goethezeit > 13.14.00 Zu einzelnen Autoren
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Anfang Juli 1797 hat Schiller das von ihm für den nächsten Almanach zur Publikation vorgesehene Gedicht "Nadowessische Totenklage" an drei Freunde zur Beurteilung geschickt, an Wilhelm von Humboldt, [...] an Körner in Dresden und an Goethe in Weimar. [...] Als Grund für diese Art von Netzwerkbildung lässt sich ein Orientierungsnotstand bezeichnen. Da Schiller unentwegt poetisches Neuland betreten wollte, war er neben theoretischer Reflexion auf die bestätigend-kritische Absicherung durch das Urteil seiner Freunde angewiesen. Schiller überraschte seine Freunde immer wieder mit neuartigen poetischen Versuchen. Auch dieses Mal im Fall der "Nadowessischen Totenklage" hat Goethe sofort erkannt und anerkannt, dass hiermit der "Kreis der poetischen Gegenstände" erweitert worden sei.
Die Kontakte des Fürsten Karl Alois Lichnowsky (23. 6. 1761 Wien – 15. 4. 1814 Wien) zu Johann Wolfgang Goethe sind mit der kulturellen Tätigkeit dieses Adligen am kaiserlichen Hof in Wien unter Franz II. verknüpft. Die Beziehung Karl Alois Lichnowskys zur Kunst eröffnet das künstlerische Mosaik der Familiengeschichte der Lichnowskys, das die kulturelle Atmosphäre des 18. und Anfang des 19. Jh. näher bringt. Die Studie über diese Thematik trägt nicht nur zur Vorstellung der kulturellen Betätigung Karl Alois Lichnowskys bei, sondern weist auch auf die in einigen nacheinander folgenden Generationen des Adelshauses Lichnowsky nachweisbare kulturelle Kontinuität hin. Die Geschichte der Adelsfamilie Lichnowsky ist so durch die Kontakte zu Ludwig van Beethoven, Franz Liszt, Rainer Maria Rilke, Hugo von Hofmannsthal, Max Liebermann, August Scholtis etc. gekrönt. Die Darlegung der Korrespondenz und Skizzierung der persönlichen Treffen des Fürsten Karl Alois Lichnowsky mit Johann Wolfgang Goethe markiert sowohl die kulturelle Geschichte dieses Adelsgeschlechtes, als auch bringt sie Goethes Beziehung zu Böhmen und zum Wien der napoleonischen Zeit näher. Neben der Kontakte Karl Alois Lichnowskys zu Goethe werden einige seiner weiteren Kontakte angedeutet, die das kulturelle Engagement dieses Fürsten belegen.
Die Konsequenzen einer Diskussion, die das Problem Literaturgeschichtsschreibung in die Trias der sie konstituierenden Begriffe Literatur, Geschichte und Text(konzept) zerlegt, betreffen […] nicht mehr allein das Gebiet literaturgeschichtlichen Arbeitens, sondern berühren auch Diskurse, in denen Fragen von Kanonisierung problematisiert werden, sowie Berührungsmomente von Geschichte/Geschichtswissenschaft und Literatur verhandelt werden. Das Verhältnis von Literatur, Geschichte und Text(ualität) soll im Folgenden unter dem Gesichtspunkt des "displacement" – verstanden als Verschiebung – von Literaturgeschichte untersucht, und unter Bezugnahme auf ausgewählte Literaturgeschichten des 20. Jahrhunderts am Beispiel von Heinrich von Kleists Aufsatz "Über das Marionettentheater" diskutiert werden.
Ellen Keys Goethebild
(2007)
Am Anfang des 20. Jahrhunderts waren Selma Lagerlöf, August Strindberg und Ellen Key die in Deutschland meistgelesenen schwedischen Schriftsteller. Im Gegensatz zu Lagerlöf und Strindberg schrieb die Reformpädagogin und Frauenrechtlerin Ellen Key (1849-1926) aber keine Belletristik, sondern von ihr wurden in erster Linie der pädagogische Text "Das Jahrhundert des Kindes" und die feministisch-theoretische Arbeit Über "Liebe und Ehe" gelesen. Als ihre Vorbilder wurden Jean-Jacques Rousseau und dessen Überlegungen zu "natürlicher Erziehung" des Kindes bzw. Friedrich Nietzsches Gedanke vom Übermenschen erwähnt. Daß Ellen Key sowohl zu ihrer Auffassung in Erziehungsfragen als auch zu ihrer Frauenrolle durch ihre Bewunderung für Goethe gekommen war und sogar die erste schwedische Goethebiographie geschrieben hatte, war aber damals und ist noch heutzutage in Deutschland kaum bekannt. [...] Im folgenden möchte ich zeigen, welche entscheidende Bedeutung Goethe für Ellen Keys Leben und Werk und in Anlehnung daran für die Formung des Goethebildes in Schweden gehabt hat, und auch wie Ellen Keys Goethebild entstanden ist.
Die Jugend der Moderne
(2007)
Das vorliegende Jahrbuch 2006 geht in seinem Schwerpunkt der Genese und markanten Ausprägungen des modernen Jugend-Konzepts in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach. Bereits die Rede vom "Jungen Deutschland", nicht selten als Epochenbegriff für die Jahre zwischen 1830 und 1848 verwendet, enthält jene Ambivalenz, die dem Thema und seinen bisweilen diffusen Konnotationen Aufmerksamkeit sichert: Der Aufbruch zu neuen (politischen, sozialen, künstlerischen) Ufern ist angesprochen, aber nicht wenige Zeitgenossen meinen auch Infragestellung bewährter Werte und Deutungsmuster. Diese charakteristischen Mehrdeutigkeit soll zunächst skizziert werden.
Der durch den Roman von Milan Kundera "Die Unsterblichkeit" inspirierte Beitrag beschäftigt sich mit Bettinas Beziehung zu Goethe, den sie bereits seit ihrer Jugend verehrte, insbesondere aber mit ihrer Begegnung in Teplice (Teplitz) im Jahre 1810, die dank Bettinas Fantasie berühmt wurde. Gleichzeitig bemüht sich der Beitrag anzudeuten, welche Hintergründe dieses Ereignis hatte und wie das gesellschaftliche Leben in Teplitz am Anfang des 19. Jh. aussah, als dieser Kurort den Höhepunkt seiner Berühmtheit erlebte.
Stellen Sie sich bitte einmal einen alten Roman vor: irgendwann nach 1850 entstanden und also zweifellos ›realistisch‹- nicht unbedingt von Wilhelm Raabe oder Theodor Fontane geschrieben, aber vielleicht von Felix Dahn oder von Gustav Freytag! Einen so genannten ›historischen‹ Roman also! Dieser Roman erzählt eine Familiengeschichte, die drei Generationen umfasst: Der Großvater ist zu Beginn des 18. Jahrhunderts geboren - der Vater um die Jahrhundert-Mitte und dessen Sohn schließlich kurz vor der Wende zum 19. Jahrhundert. Um 1830 gelangt die Handlung dann zu ihrem tragischen Ende: Die Familie stirbt aus. Im Leben dieser drei Männer steht jeweils eine Italienreise im Mittelpunkt: Großvater, Vater und Sohn sind durch ihre Erfahrungen im Süden auf je besondere Weise tief geprägt - viel entscheidender ist aber die Schicksalhaftigkeit in der Generationenfolge: Für den Großvater bleibt das italienische Reiseerlebnis die große Freude seines Lebens - sein Sohn findet im Süden zu seiner wahren Bestimmung - und zuletzt stirbt der Jüngste ebenso überraschend wie früh genau dort, wo sich sein Vater Jahrzehnte zuvor »wie der Fisch im Wasser« gefühlt hat. - In Rom also erfüllt sich das Schicksal dieser Familie, weil die Ewige Stadt für sie sowohl das Glück als auch den Tod bedeutet.
Zu den immer noch lebendigen Mythen über die Rezeption von Goethes "Werther" gehört die Annahme, die begeisterten jugendlichen Leser hätten das Werk missverstanden, ihre empfindelnd-schwärmerische Lektüre sei von Goethe so nicht intendiert gewesen. Diese Ansicht geht in der Hauptsache zurück auf Georg Jägers Beitrag zum Germanistentag 1972. Jägers Aufsatz ist die erste - und deshalb noch immer wegweisende - Studie zur Rezeption des "Werther", die nach den historischen Bedingungen bestimmter Rezeptionsweisen gefragt und auf dieser Basis verschiedene "Konkretisationen" des "Werther" spezifiziert hat. Die Unterstellung einer unmündigen, "unaufgeklärten", mit autonomer Kunst noch unerfahrenen Leserschaft war ein Standardverfahren der materialistischen Leserforschung der 1970er und 80er Jahre, das der noch durch und durch behavioristischen Lerntheorie der damaligen Psychologie entsprach. Auf diese Weise reproduzierte man den lesedidaktischen Diskurs der Spätaufklärung, in welchem immer wieder die Befürchtung artikuliert wurde, die jugendlichen Romanleser könnten fiktionale und wirkliche Welt nicht richtig unterscheiden und "die poetische Schönheit leicht für die moralische nehmen" (Lessing 1985-2001, Bd. 1112, S. 667). Entsprechend diesem Deutungsmuster liest man in der germanistischen Forschungsliteratur häufig die verkürzende Jäger-Referenz, der Wertherkult verdanke sich der "anhaltende[n] Verwechslung von Predigt und "wahre[r] Darstellung"" (Waniek 1982, S. 79), ja von Realität und Fiktion, und diese Venvechslung habe bei den enthusiastischen jugendlichen Rezipienten zu einer unreflektierten Nachahmung des Helden geführt. Die Missverständnisthese lässt außer Acht, dass Goethe um 1774 die Aufnahme des "Werther" selbst in Richtung auf eine schwärmerische und quasireligiose Rezeption hin gelenkt hatte.
Im Bereich der deutsch-ungarischen literarischen Wechselbeziehungen offenbaren sich kontinuierlich neue Forschungslücken, die Fragestellungen aufwerfen, welche bislang weder von der Germanistik, noch von der hungarologischen Forschung hinreichend beantwortet wurden. Die Wirkungsgeschichte Hölderlins in Ungarn stellt zweifels ohne eine derartige Forschungslücke dar: selbst in den groß angelegten Forschungsprojekten zur Geschichte der Aufnahme der deutschsprachigen Literaturen in Ungarn wurde auf die Rezeption des Hölderlinschen Werkes entweder nur am Rande oder gar nicht eingegangen. Dies überrascht umso mehr, als die Rezeptionshandlungen bereits seit Jahrzehnten über die Grenze des Textmediums hinaus wiesen. In der Folge soll Andor Sas’ 1909 veröffentlichter Hölderlinaufsatz – der den Beginn der ungarischen Hölderlinforschung darstellt – einer kritischen Analyse unterzogen werden.
Goethes »Faust«, dessen erster Teil unter dem Titel »Faust. Eine Tragödie« zur Ostermesse 1808 erschien, regte bald Illustratoren an. Der junge Peter Cornelius zeichnete ab 1809 Blätter zu diesem Werk und ließ sie durch Sulpiz Boisserée – einem der frühesten Sammler altdeutscher Malerei und Verfechter der Vollendung des Kölner Domes – Goethe zukommen, der die glückliche Verschmelzung von Form und Inhalt lobte, jedoch vor Überschätzung der altdeutschen Kunst warnte. Die 12 Blätter eschienen mit einer Widmung an Goethe 1816 bis 1826 im Verlag von F. Wenner in Frankfurt. Das Goethezeitportal publiziert alle Zeichnungen und fügt Dokumente zur Entstehungsgeschichte wie zur Aufnahme durch Goethe bei. Die Kompositionszyklen von Cornelius, Moritz Retzsch und Eugène Delacroix, die bedeutendsten zu Goethes Lebzeiten, können nun miteinander verglichen werden.