BDSL-Klassifikation: 12.00.00 18. Jahrhundert > 12.13.00 Zu einzelnen Autoren
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Defoes großer, dreibändiger Versuch, das Licht der Aufklärung in die Welt zu tragen, unter anderem für religiöse Toleranz, gegen die Sklaverei, für Humanismus und besonders für die Anerkennung der ›Wilden‹ aus der Karibik und aus Afrika als Menschen einzutreten, wurde vielfach heruntergespielt auf eine spannende Abenteuergeschichte, von deren eigentlichem Wesen fast gar nichts mehr übrig geblieben ist. Aber immerhin einen Vorteil hat diese rezeptionsgeschichtliche Dauerflut: Die Handlung des Robinson Crusoe braucht man nicht nachzuerzählen – sie gehört fest ins kulturelle Gedächtnis, und es ist auch heute reichlich schwer, jemand zu finden, der gar nichts weiß von Robinsons Insel, von seinem Gefährten Freitag und den Kannibalen, vor denen Robinson ihn rettet. Wenngleich heute nur ein winziger Detailaspekt aus der unübersehbaren Fülle dieser Rezeptionsgeschichte angesprochen werden soll, so macht das doch ein relativ weites Ausholen und einen relativ langen Atem notwendig. Denn das Bild von Robinsons Freitag, wie es die Kinderbücher der deutschen Nachkriegsjahre vermitteln, steht in einem Diskurs, der eine lange Geschichte hat – und von dieser Geschichte gilt es zunächst ein wenig zu sprechen.
Johann Christoph Gottscheds (1700-1766) Definition der Komödie findet sich in seinem poetologischen Hauptwerk, dem "Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen" (CD). Es hatte mit seinem ersten Erscheinen 1730 bis zu dem im Jahre 1751 insgesamt vier Auflagen – eine für die damalige Zeit und in Anbetracht des Gegenstandes gewaltige Resonanz. Setzt man das 18. Jhd. einmal naiv als dasjenige der Aufklärung voraus, legt allein diese Verbreitung die Vermutung nahe, es müsse sich bei der CD um ein aufklärerisches Werk handeln. Und rechnet man sonstige Werke und Betätigungen Gottscheds hinzu, die allgemein als eindeutig von aufklärerischem Geist getragen gelten, so ist die Vermutung längst zur Gewißheit geworden. Das jedenfalls bei der sicherlich überwiegenden Anzahl von epochal deutenden Interpretationen.
Gleichwohl finden sich zum einen Gegenstimmen, zum anderen bei der genannten herrschenden Richtung Widersprüche. Deswegen soll hier das Problem des Verhältnisses der CD zur Aufklärung noch einmal behandelt, und zwar anhand Gottscheds Komödienbegriff. In Teil A wird er unter Rekurrierung auf die allgemeinpoetischen Grundzüge der CD erläutert, und zwar vornehmlich im Hinblick auf seine Zweckbestimmung. Anhand ihrer wird in Teil B die Auseinandersetzung mit der Aufklärung geführt, indem die abstrakt in Frage kommenden Verhältnismöglichkeiten der Reihe nach getestet werden. Das Ergebnis bringt schließlich Teil C.