BDSL-Klassifikation: 15.00.00 19. Jahrhundert > 15.15.00 Zu einzelnen Autoren
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Georg Büchners Fragment gebliebenes Drama "Woyzeck" (1837/1879) stellt eine Figur mit selbigem Namen ins Zentrum, die meint, Stimmen zu hören. Nicht nur leidet Woyzeck an akustischen Halluzinationen, diese drängen ihn zudem zu einer Mordtat, für die er schließlich hingerichtet werden soll. Von den diversen akustischen Halluzinationen, die im Clarus-Gutachten auftauchen, greift Büchner allerdings nur eine spezifische Konstellation heraus und montiert sie in sein Stück. Dessen ungeachtet zeigen dort die pietistischen Konventionen, die Sittenstrenge und die im Sprachbewusstsein eingelassenen Imperative eine eigentümliche Gewalt: Sie durchsetzen die Figurenrede, geben sich darin als Rede eines Anderen zu erkennen und können unabsehbare Impulse auslösen. Die gehörten Stimmen operieren dann gleich Vektoren, die einander begegnen oder durchdringen, was sogleich Handlungsketten durchtrennt und neu arrangieren lässt. Das trifft allerdings nicht nur auf die Hauptfigur zu, auch die übrigen Akteurinnen und Akteure zeigen sich von sozialen Imperativen durchherrscht, die einer eigenen Logik folgen. Die nachstehenden Überlegungen beabsichtigen, den Stimmen im Drama "Woyzeck" in bislang unversuchter Weise Gehör zu schenken. Wohl ist das Drama mitsamt der darin versammelten Stimmen Gegenstand unterschiedlicher Analysen geworden. Davon sich absetzend soll im Folgenden gezeigt werden, welche sprachstrukturellen Merkmale die herrschende Ideologie zeitigt, an welchen Stellen es ihr gelingt, ihre Subjekte anzurufen und wo sie fehlgeht - und schließlich soll ein bislang unentdeckt gebliebener Zusammenhang von Anrufung und den akustischen Halluzinationen Woyzecks zur Reflexion gebracht werden. Das wird in insgesamt vier Schritten geschehen, die jeweils theoretische Argumente begleiten, die den Arbeiten Louis Althussers und Jaques Lacans entnommen sind. Dieser Weg erlaubt eine Reflexion auf das im Drama angelegte Arsenal der Stimmen, mit dem zugleich eine spezifische Logik der Herrschaft zur Darstellung gebracht ist. Erstens wird die Funktion der Ideologie im Drama unter dem Aspekt der Anrufung untersucht. Zweitens wird das Misslingen der Anrufung an der Figur Woyzecks nachverfolgt, der auf ein davon abseitiges Genießen verfällt. Drittens wird daraus resultierend der Wahn als Installation einer anderen, psychotischen Anrufung erfasst. Und viertens wird anhand des wahnhaften Stimmenhörens eine metaleptische Reflexion im Drama aufgezeigt, welche die Funktion der Ideologie mit der Aufführungspraxis kombiniert.
Andrea Polaschegg untersucht aus medienpoetischer Sicht die Friktionen zwischen dem Text und den philosophischen oder literarischen Ganzheitspostulaten, die an dessen Stoffe, Gegenstände oder gar Gattungszuschreibungen herangetragen werden. Den Text begreift Polaschegg als "transitorisches Medium", "das vorne beginnt und hinten endet" und das jede Bemühung unterläuft, "eine organische Einheit wechselseitiger Teil-Ganzes-Beziehungen oder eine statische Einheit aus übereinandergeschichteten Teilen zur Darstellung zu bringen". Dieser Einsicht hätten sich mit letzter Konsequenz allerdings bislang weder poetologische noch literaturwissenschaftliche Denktraditionen gestellt. Seit der Autonomieästhetik lasse sich ganz im Gegenteil eine Fülle an Versuchen beobachten, die fundamentale 'Sukzessivität' von Texten metaphorisch über konzeptionelle 'Simultaneisierungen' stillzustellen. In diesem Umfeld nimmt Polaschegg insbesondere die oft als Ganzheitsgarant dienende Metaphorik der Architektur in den Blick, die sie bis in das bekannte, den 'Aufbau' dramatischer Texte visualisierende Pyramidenmodell Gustav Freytags hinein verfolgt.
Goethe-Rezeptionen im Vormärz : Heine - August von Goethe - Laube - Lewald schreiben über Italien
(2022)
Anhand der vier Autoren zeigt Meyer, wie die Auseinandersetzung mit Goethes "Italienischer Reise" für jede Reisebeschreibung grundlegend wird, aber auch, welche Strategien Heine, Goethes Sohn August, Heinrich Laube und Fanny Lewald entwickeln, um ihr eigenes Schreiben von dem des unhintergehbaren Vorbildes abzugrenzen. Innovative Schreibverfahren gewinnen in Auseinandersetzung mit Überliefertem an Kontur. Intertextuell orientierte Schreibverfahren lassen Brüche und Kontinuitäten in ästhetischer wie inhaltlicher Hinsicht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erkennen.