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Die erste von drei Leitlinien meiner Untersuchung besteht [...] darin, die Frage nach den historischen, philosophischen und intertextuellen Einflüssen auf die Gestaltung der fünf Figuren für jede Erzählung neu zu stellen. Hier wird sich auch zeigen, warum vom Paradigma und nicht vom Motiv des 'wilden Mädchens' zu sprechen ist: Stifter hat bei der Gestaltung der 'wilden Mädchen' nicht einfach nur ein literarisches Motiv, sondern unterschiedlichste literarische Stoffe und philosophische Konzepte rezipiert. Die Beschreibung dieser Einflußfaktoren soll im folgenden aber nicht als Selbstzweck betrieben werden, sondern dazu beitragen, für jede der vier Erzählungen einen individuellen Interpretationsansatz bereitzustellen.
Die zweite Leitlinie hinterfragt die in Einzelinterpretationen der vier Erzählungen immer wieder auftauchende Behauptung, Stifter thematisiere mit der Konfrontation von 'wildem Mädchen' und zivilisierter Gesellschaft den Gegensatz zwischen Natur und Kultur. Obwohl dieser Komplex, an dem "seit dem 18. Jahrhundert keine kulturelle Selbstverständigung mehr vorbeikommt", bei der Interpretation der Erzählungen berücksichtigt werden muß (dies gilt besonders für Die Narrenburg und Turmalin), darf er nicht verallgemeinert werden. In den erwähnten Einzeluntersuchungen zeigt sich nämlich oft, daß ein Verweis auf den Gegensatz zwischen Natur und Kultur, der aufgrund der Unschärfe der beiden Begriffe nur zu einfach in beliebige Argumentationszusammenhänge zu integrieren ist, den Blick auf schlüssigere Interpretationsansätze verstellen kann.
[...]
Eine dritte Leitlinie ergibt sich aus der folgenden Überlegung: Wenn ein pädagogischer Erzähler von Erziehungsprozessen berichtet, so liegt die Vermutung nahe, daß die dabei entstehenden Texte Erziehung nicht nur thematisieren, sondern selbst zur Erziehung beitragen sollen. Tatsächlich wies Stifter der Literatur eine erste Funktion in der Erziehung des Volkes zu: "Ein einziger Dichter, der sein Volk durchgängig zu entzünden vermochte, hat es oft in einem Ruk mehr gehoben, als jahrelange Belehrungen und vortreffliche Geseze". Im folgenden ist deshalb auch zu untersuchen, auf welche Weise die Erzählungen im Paradigma des 'wilden Mädchens' eine erzieherische Wirkung auf den Leser ausüben wollen.
Law and literature: that is a sufficiently broad subject to warrant reference to the Fontane character Effy Briest’s "wide field." Indeed, the sites where law and literature encounter each other, where they border on each other, merge, converge, overlap, or where they relate as opposites, even finding themselves as rivals or enemies seem legion. In contrast to the intentions of Effy Briest in that famous novel, my reference to this line is not intended to abort further inquiries; instead I want to chart the field in question with the aim of developing a preliminary typology of the ways in which law and literature have been engaged and have engaged one another. Against the background of this overview, I want to turn to a much smaller field. This small field - a plot of long fallow farmland, to be exact, located between two adjacent, perfectly maintained wheat fields in a fictive Swiss village - will serve as an example or test site for "law and literature" as they emerge in Gottfried Keller’s narrative 'Romeo und Julia auf dem Dorfe', from his mid-nineteenth century collection of novellas 'Die Leute von Seldwyla'. Whether and how the case study of that small field at the centre of Keller’s story can make a case for the larger field of "law and literature" remains to be seen.
Was den Tragödien zwischen Lessing und Hebbel an Tragik fehlen mag, muß der tragische Verlauf der (Literatur-)Geschichte wettmachen. Als Nietzsche im Jahr der Veröffentlichung von Grillparzers "Jüdin von Toledo" mit seiner "Geburt der Tragödie" den literarischen Gattungsbegriff um das Phänomen 'tragischer Erkenntnis' erweiterte, stellte er jenen frei flottierenden Tragikbegriff zur Verfügung, der seitdem sein Unwesen bis zu Benno von Wiese getrieben hat. Dessen Buch zur deutschen Tragödie entstand im historischpolitischen Umfeld jener Jahre, die vor allem unmittelbar nach 1945 und gelegentlich auch heute noch als 'deutsche Tragödie' euphemistisch umschrieben werden. Die in beiden Fällen fatalen Implikationen der notorischen Vermischung von literarischen Begriffen bzw. literarischen Verfahren mit politischen Semantiken oder historischen Verläufen ist Grund genug, zunächst einmal auf ihrem Unterschied zu beharren, auch und gerade im Falle von Tragödien - so es denn solche gibt. Aber auch wer im Vertrauen darauf, daß gegangene Wege der Nietzsche-Rezeption tragischer Konsequenz entbehren, Askese üben und der Differenz zwischen literarischen und historischen Verläufen Rechnung tragen möchte, wird an der lange vor Nietzsches Tragödienbuch, nämlich schon um 1848 verfaßten, aber erst 1872 kurz nach Grillparzers Tod veröffentlichten "Jüdin von Toledo" scheitern. Zu kraß ist dieses Stück, als daß man ästhetische Strukturen und politische Implikate hier sauber trennen könnte. Genauso unmöglich ist es aber, ihren Zusammenhang im Zeichen der Tragik zu stiften.
"Kapabel, miserabel, aimabel" : Funktionen der französischen Sprachelemente in Heinrich Heines Lyrik
(2014)
Durch das gesamte Werk Heinrich Heines ziehen sich fremdsprachige Einstreuungen, wobei diejenigen in französischer Sprache das größte Gewicht einnehmen. Nach einem Rekurs auf Heines biographische Situation und sein Verhältnis zur deutschen und französischen Sprache werden Form und Funktion der französischen Einsprengsel – vor allem Adjektive, substantivierte Verben und Interjektionen – in Heines lyrischen Texten untersucht. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt der Beitrag, dass die französischen Elemente offensichtlich bewusst eingesetzt wurden, um bestimmte semantische Strategien zu verfolgen. Dabei können vor allem sprach-spielerische und gesellschaftskritische Funktionen nachgewiesen werden.
Theodor Storm (1817 – 1888) gehört zu den bedeutendsten Repräsentanten des poetischen Realismus in Deutschland. Er schrieb zahlreiche Novellen und Erzählungen sowie ästhetisch wertvolle Gedichte. Die bisherigen literarhistorischen Arbeiten betonen seine eindeutige Verankerung im deutschen Kulturraum, obwohl Storm aus der Stadt Husum (heute Bundesland Schleswig-Holstein) stammte, die bis zur Mitte der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts ein Teil des Königreichs Dänemark war. Nach mehreren Kriegen, in denen Preußen und Österreich gegen Dänemark kämpften, wurde Schleswig zur preußischen Provinz und nach 1871 Teil des Deutschen Reichs. Diese Region prägte den jungen Storm wesentlich: Hier lebten Dänen neben Deutschen. Es handelte sich um diverse Formen der dänisch-deutschen Zweisprachigkeit und Biliterarität, was letztendlich zu einem regen interkulturellen Transfer führte.
Anhand zweier Gedichte aus dem Buch der Lieder (1827) werden in diesem Beitrag Heines Poetik und seine Opposition zur gesellschaftlichen Wirklichkeit seiner Zeit, die durch Heuchelei, Rassismus und Quietismus gekennzeichnet war, analysiert. Es wurden zwei Texte ausgewählt, in denen der Autor diese Aspekte durch Geschichten einer anderen Gesellschaft und anderen Zeit, die der spanischen Gesellschaft der Reconquista, veranschaulicht.
Das allgemeine Interesse für Spanien und für seine Vergangenheit in Deutschland wuchs vor allem ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und verstärkte sich Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Verbreitung der spanischen Thematik besonders in der romantischen Literatur. Bedeutend für Heines Werk waren die Übersetzung des Don Quijote, Herders Übersetzung der Cid-Nachdichtungen und anderer mittelalterlicher Volkslieder sowie das Werk der Gebrüder Schlegel, Tiecks und Brentanos (vgl. Jäger, 1999: 4-6). Die völkischen Dichtungen der historischen Epoche der Reconquista, die Heine in den ausgewählten Gedichten verarbeitete, wurden als exotisches Motiv von mehreren Autoren aufgenommen. Die spanischen Motive kommen wieder in Heines Werk, obwohl diese "Mode" mit der romantischen Literatur aufgehört hatte.
Heinrich Heine war, wie kaum ein anderer literarischer Autor, der Ethnologe der Kultur, in der er selbst lebte. Immer wieder hat er, in narrativer Form, versucht, eine Diagnose seiner Zeit zu geben: eine Phänomenologie der Epoche, aus der er kam und in deren Ausläufer er noch lebte – der Romantik und ihrer Folgen. Man denke an die Heinesche Studie Deutschland, ein Wintermärchen oder an die kulturdiagnostische Novelle Der Rabbi von Bacherach. Ein paradigmatischer Text für ein solches kulturdiagnostisches Interesse Heines ist auch die Erzählung Florentinische Nächte, publiziert im Jahre 1835, drei Jahre nach Goethes Tod. Es ist ein rätselhafter Text. Denn er enthält eine Reihe von nur schwer miteinander vermittelbaren Themen-Komplexen. Da ist, schon aus dem Rahmen des Erzählten heraus angelegt, eine sich verdoppelnde Liebesgeschichte: ein Mann, Maximilian, und zwei Frauen, Maria und Laurence; Maria, die, schwer erkrankt, im Vordergrund gegenwärtig ist; und Laurence, die Abwesende, vielleicht überhaupt nur fingierte, deren Geschichte Maximilian der bettlägerigen Maria erzählt.
Ermuntert durch die zahlreichen "Finessen", die Fontane in seinen Romanen hinterlassen hat, läuft die Interpretation also grundsätzlich Gefahr, den Fundus der Prätexte ständig zu erweitern und intertextuelle Bezüge zu unterstellen, die womöglich gar keine sind. Wie im Folgenden gezeigt werden soll, ist die methodische Absicherung durch den Analyseaspekt der 'Markierung' intertextueller Verweise im Text also ebenso geboten wie schwierig einzulösen.
Im Falle der Bibel als Prätext dagegen scheint der intertextualitätsanalytische Befund zunächst eindeutig und unstrittig zu sein: Fast durchgängig finden wir in den Romanen Fontanes biblische Zitate und Anspielungen. Das ist bruchstückhaft schon erforscht worden, gemessen an den übrigen Prätexten wie literarischen Klassikern jedoch in auffällig zurückhaltender Weise, was exemplarisch an der Monographie von Plett Die Kunst der Allusion deutlich wird, in der Bibelbezüge nur am Rande behandelt werden. Die wissenschaftsgeschichtlichen Gründe für diese auffällige Zurückhaltung gilt es noch zu reflektieren und dabei die Frage zu stellen, inwieweit das Forschungsfeld der Bibelallusionen von der germanistischen Literaturwissenschaft als der Theologie zugehörig erklärt und aus diesem Grund gemieden wurde.
Es lassen sich also zwei Desiderate in der Fontane-Forschung ausfindig machen: Methodisch fehlt bislang eine angemessene Operationalisierung von intertextualitätstheoretischen Konzepten für Fontanes Texte. Zum anderen steht eine systematische Herausarbeitung von Bibelbezügen aus seinem Werk noch aus.
A Viagem ao Harz, de Heine
(2015)
Rezension der portugiesischen Übersetzung von "Die Harzreise" von Heinrich Heine: Heine, Heinrich. Viagem ao Harz. Trad. Maurício Mendonça Cardozo. São Paulo: Editora 34, 2014, 144p.