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Das Gedicht 'Boas' erschien erstmals im Mai 1912 in der avantgardistischen Zeitschrift "Der Sturm", die Lasker-Schülers Ehemann Herwarth Walden herausgab. Gemeinsam mit den Gedichten 'Ruth' und 'Pharao und Joseph!' veröffentlichte die Autorin es 1913 erneut in der Zeitschrift Die Freistatt, wobei im vorletzten Vers statt „Ueber seine Korngärten“ die Variante „In seine Korngärten“ zu lesen war. Was auf der Oberfläche ein sentimentales Liebesgedicht (i.e. 'Boas') zu sein scheint, erweist sich bei einer näheren Betrachtung, die die biblische Rut-Novelle einbezieht und den biographischen Konnex sucht, als … mnemosynetisches Gedicht, die poetische Erinnerung an ein gescheitertes Projekt in der Literatur wie im Leben.
The Kaiserchronik is generically puzzling. In essence it is a spiritual world chronicle, but it lacks the usual historiographical systematisations of its theological content. However it does have three disputations, an unusual feature in a chronicle which has to date not been adequately explained. This essay argues, on the basis of comparisons with works in other literary forms, that these passages function as key expressions of the controlling idea of the entire work, namely the progress of the Gospel from the heathen to the Christian Empire, and that they are strategically located within the chronicle at the turning points in the success of Christian mission.
Da die Dekonstruktion das Vorhandensein einer objektiv erkennbaren Wahrheit im Text bezweifelt, verstehe sich die untersuchende Lektüre weniger als Ergebnis denn als Vorgang. Dieser Vorgang wird als Experiment charakterisiert, das in einzelne Phasen unterteilt stattfindet, wodurch die Ergebnisse schrittweise gesichert und aufgebaut werden sollen. Die Dekonstruktion geht davon aus, dass sowohl die Autorin als auch die Leserin eines Textes an der Konstruktion von "Bedeutung" beteiligt sind. Ohne die subjektiv gewichtende Leserin gäbe es keine Bedeutung, weil der Text für sich genommen immer vieldeutig ist und sich damit selbst aufhebt.
Die Inszenierung von "Geschlecht" im Zeichen der Melancholie : zu Hofmannsthals "Rosenkavalier"
(2007)
Der Großteil dessen, was hier zitiert und kurz kommentiert werden soll, stammt aus Briefen, die Hofmannsthal Anfang der neunziger Jahre an Josephine von Wertheimstein schrieb. [...] Unmittelbar nach dem Tod der alten Frau hatte Hofmannsthal die Terzinen "Über Vergänglichkeit" geschrieben. Die Marschallin wird gut fünfzehn Jahre später im 1. Aufzug des "Rosenkavaliers" dem Transitorischen ihre Existenz mit derselben staunenden und tief melancholischen Frage begegnen, mit der Josephine von Wertheimstein auf ihr Leben zurückblickte. [...] Ebensowenig wie es mir um die Behauptung eines direkten Leben-Werk-Zusammenhangs geht, führt auch die Suche nach einer impliziten oder expliziten sexistischen Position in Hofmannsthals Werk [...] weiter. Mich beshäftigt vielmehr der Spiel-Raum der Imagination, wie er in der Inszenierung von Geschlecht in Texten aufscheint - ein Spektrum, das im Falle Hofmannsthals erstaunlich breit und bunt ist, auch wo seine Ideologie, wie am Ende des "Rosenkavaliers", traditionelle Ordnungsmodelle und Geschlechtsrollen affirmiert. Gerade die Beziehungsvielfalt in seinen Texten kann als ein grenzdurchkreuzendes Manöver gelesen werden, das "gender" als Konstruktion eines ritualisierten und restriktiven Ordnungsmodells erst eigentlich sichtbar macht.
Die Literaten, die im 20. Jahrhundert Text und Bild in Beziehung zu setzen versuchten, haben sich davon einen Gewinn an Reflexion und Raum für eine neue Betrachtung der Dinge um uns herum versprochen, für die sinnliche Qualität dessen, was uns als Welt des Alltags oder als Lebenswelt umgibt. Die nach dem Holocaust so virulent gewordene Frage nach der Dokumentierbarkeit von Geschichte, nach der Form des "Gedächtnisses" und nach der Funktion des Erinnerns ist eng damit verbunden. Eine besondere Rolle in dieser Diskussion spielt die Photographie, weil sie gemeinhin als Zeugnis einer im Bild fixierten Wirklichkeit gilt, womit, darauf hat Walter Benjamin hingewiesen, noch nicht geklärt ist, ob sie etwas und was sie über die Realität aussagt. Für W.G. Sebald (1944-2001) haben Photographien noch eine Funktion darüber hinaus. Sie sind ein Motor für seinen Schreibimpuls; und zwar, weil von ihnen "ein ungeheurer Appell ausgeht; eine Forderung an den Beschauer, zu erzählen oder sich vorzustellen, was man, von diesen Bildern ausgehend, erzählen könnte." Der "sehr reale Nukleus" des photographischen Bildes, um dessen "riesigen Hof von Nichts" herum sich das Erzählen bildet, ist für Sebald alles andere als ein fertiges Abbild, vielmehr ist er der End- oder Anfangspunkt einer Beziehung, in der "histoire", "discours" und "mémoire" sich durchkreuzen. Vergangenheit wird in neuen Geschichten vergegenwärtigt, wie sie zugleich auratisch Gegenwart bestimmt. Die Photographie erweist sich so als ein ausgezeichnetes Reflektormedium für das komplexe Phänomen von "Zeit" und "Zeitlichkeit". In "Austerlitz", seinem letzten größeren publizierten Text von 2001, hat sich Sebald mit großer Intensität diesen Fragen gewidmet und sich mit seinem bimedialen Erzählen einen ganz eigenen Weg zwischen Fiktion, Album, Reiseliteratur und dokumentarischer Prosa gebahnt.
Der Titel dieser kleinen Betrachtung zu Franz Fühmanns Geschichte "Drei nackte Männer" ist sicherlich in Bezugnahme auf Norman Mailers gleichnamigen Roman von 1948 irreführend, da die literarischen Kosmen der beiden Autoren stark den jeweiligen Lebenswelten (USA und DDR) verpflichtet sind. Die Nacktheit ist bei Fühmann durch die Wahl des Schauplatzes, einer Sauna, bedingt und wird so in einen kulturellen Rahmen eingefügt und durch Momente der Hygiene domestiziert. Die Aufschlüsselung des Ortes liegt nahe und ist schon anderenorts geleistet worden: Die Nacktheit der Sauna signalisiert ein egalitäres Moment, da dort jeder Saunagänger seiner sozialen Indikatoren wie Kleidung beraubt ist. Jedes rahmende Beiwerk bleibt gewöhnlich in der Garderobe. Nicht so bei der Figur des Wolligen, dem das Hauptaugenmerk des Erzählers gilt, dessen Insignien der Macht aus zwei ihn begleitenden Männern bestehen – dem Kürzeren und dem Längeren. Neudeutsch würde man von Bodyguards oder Gorillas sprechen, im Sprachgebrauch der DDR war dies der PS – Persönlicher Schutz. Durch die Rechnung zwei PS plus ein zu Schützender kommt man leicht zu dem Ergebnis, dass letzterer ein hohes Tier sein muss. Diese bereits etwas ins Negative abweichende Umdeutung des Schauplatzes wird im Verlauf der Erzählung noch vertieft, indem der Erzähler daraufhin weist, dass hier zwar alle gleich, viel eher aber noch vereinzelt sind. Die Sauna ist der Ort der gnadenlosen Sonderung, im Gegensatz zum Dampfbad, das als Ort bezeichnet wird, „wo alles Volk war“. Durch die gnadenlose Luft, Hitze, Trockenheit der Sauna kann kein verbindendes Lachen zwischen dem Wolligen, als dieser einen Witz erzählt, und den anderen Saunabesuchern entstehen – „ein gnadenlos vertaner Moment“. Warum solch ein gnadenloses Urteil über eine alltägliche Peinlichkeit? Wie verläuft der Weg dorthin?
Die Erfahrung von Auschwitz bleibt eine offene Wunde, eine in der Zeit dauernde Frage, die auch die Gegenwart betrifft. In seinem Gedicht "Lehren ziehen" beschwört Günter Kunert die Welt der Konzentrationslager herauf, und er findet dort die Wurzeln eines Übels, das die Existenz der Menschheit bedroht. [...] In den ersten fünf Versen läßt der Dichter eine Situation wieder aufleben, die Primo Levi mehrfach in "Se questo è un uomo" (1947) beschrieben hat [...] Das von Kunert aufgerufene Bild verweist unzweifelhaft auf diese Erfahrung. Aber nach mehr als vierzig Jahren zeitlichen Abstands läd es sich auch auf mit Elementen aus der nachfolgenden Geschichte, und nicht nur der deutschen. [...] Das nur aus einer Strophe bestehende Gedicht ist Primo Levi gewidmet, wie der geklammerte Untertitel angibt, der seinen Namen zwischen lateinischer Erinnerungsformel und den Leerzeilen zum Gedichtanfang aufspannt. Das 1989 geschriebene Gedicht erinnert an den italienischen Autor, der 1987 unter nicht geklärten Umständen umkam.
Seit gut einem Jahrzehnt wird in Deutschland gewartet: Auf Literatur wird gewartet, auf den großen Berlin-Roman, auf den großen Nachwende-Roman. Und trotz diverser Romane, die Wiedervereinigung und Berlin zum Thema erhoben, ob nun von Günter Grass oder Thomas Brussig, wird weiter gewartet, kann es anscheinend kein Autor recht machen, wird unterhaltsames Erzählen begehrt oder eine Darstellung auf der Höhe moderner Erzählkunst verlangt. Doch die Alternative ist vielleicht falsch gestellt: Könnte denn nicht ein kunstvoll geschriebener Roman mit präziser und variantenreicher Sprache, ausgeklügelten Erzählstrukturen auch unterhaltsam sein? Schließlich ist Döblins nicht gerade schlichter Roman "Berlin Alexanderplatz" ja auch ein Lesevergnügen, vergleichbar mit "Joyces Ulysses" oder Pynchons "Gravity’s Rainbow". Nun lassen sich solche Romane schlecht wiederholen, hinge jeder Nachahmung des Stils der Verdacht an, Plagiat oder Kopie zu sein. Etwas Ähnliches wäre also immer etwas Anderes, neuartig, artifiziell und darin genaueres Abbild seiner Zeit als die Vielzahl schlichter Romane, die von Berlin oder der Wiedervereinigung erzählen. Nun, in letzter Zeit mehren sich im deutschen Feuilleton Stimmen, die eine gewisse, dementsprechende Kunst des Erzählens bei Ulrich Peltzer ausmachen, weswegen hier die Gelegenheit ergriffen wird, einen Gang durch seine drei letzten Publikationen ["Stefan Martinez", "Alle oder keiner", "Bryant Park"] zu unternehmen, um die Entwicklung derselben darzustellen - im Hinterkopf die Frage: Liegt hier vielleicht schon einer der erwarteten großen Berlin-Romane vor?
Der Artikel untersucht die Verwebungen verschiedener Diskurse mit dem Genre Kriminalroman in Franz Doblers Tollwut (1991). Dobler wird oft in einem Atemzug mit dem Begriff Popliteratur genannt, allerdings heben sich seine popkulturellen Koordinaten mit einer Ausrichtung auf alternative Country Musik deutlich von denen seiner Kollegen ab. Während der Poproman das Spiel der Oberflächen in Szene setzt, arbeiten die Erzählungen der Country Musik mit mythisch aufgeladenen Elementen, die vielfältige Berührungspunkte zum Kriminalroman zulassen. Im Zentrum des Romans stehen der Häusler Sohn Mathias - eine klassische Outlawfigur - und das Zeichen für sein Rebellentum - das Gewehr, das die Kriminalhandlung erst ins Rollen bringt. Durch die monomane Fixierung auf die Waffe, die deutlich phallische Züge trägt, wird deutlich, dass die Kriminalhandlung eine Ermittlung der Schattenseiten der patriachalichen Ordnung ermöglicht. Dieser Diskurs rekonstruiert nicht nur die private Familiengeschichte von Mathias, sondern fungiert auch als Schnittpunkt für eine historische (KZ in Dachau) und gegenwartsbezogene (kapitalismuskritische) Linie. Den Doblerschen Text prägt in diesem Zusammenhang eine starke Ambivalenz, die nicht in einem einfachen Ende aufgelöst wird. Der Cowboy reitet nicht in den Sonnenuntergang der bürgerlichen Gesellschaft.
In the three short, dense stories of "Das Wirklichgewollte", Braun illustrates how radical the split between generations really is today. This essay deals primarily with the first story, which is analysed through the perspectives of the various characters. Braun depicts the contradictions in extreme starkness in order to make clear that social peace and stability is unachievable without equality.