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Bei der verheerenden Brandkatastrophe in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek sind neben vielen Büchern auch etliche handschriftliche Dokumente, die zumeist im Zusammenhang mit den betroffenen Büchern standen, verlorengegangen. […] Diese Verluste an handschriftlichem Bibliotheksgut sind im Gegensatz zu vielen Verlusten an Büchern unersetzbar. So kann man es als schöne Fügung ansehen, daß im Zuge des Ersatzbeschaffungsprojektes der Herzogin Anna Amalia Bibliothek auch einiges an handschriftlichem Gut neu in die Sammlungen gekommen ist, […]. Auch die hier publizierten Briefe von Hans Carossa sind nach dem Brand im Zuge eines großzügigen Büchergeschenks in die Herzogin Anna Amalia Bibliothek gelangt. Sie stammen aus dem Besitz des Freiburger Geographen Dr. Ernst Reiner. Er hat der Weimarer Bibliothek eine Sammlung von über fünfhundert Büchern aus dem Insel-Verlag, darunter auch viele Bändchen der Insel-Bücherei, von der er sich infolge seines Umzuges in ein Seniorenheim trennen mußte, überlassen.
Schon in der „Herzoglichen Liberey“ wurden nach ihrer Gründung im Jahre 1691 Musikalien gesammelt, damals von den weimarischen Herzögen Wilhelm Ernst (1662-1728) und Ernst August (1688-1748). Außer den Notenbeständen der Herzogin Anna Amalia (1739-1807) ist der größte Teil dieser herzoglichen Musikalien am 6. Mai 1775 beim Schloßbrand in der Wilhelmsburg verlorengegangen. Darunter waren Noten von Johann Hermann Schein, Samuel Scheidt und Adam Drese. Die von Richard Münnich in seinem Aufsatz „Aus der Musikaliensammlung der Weimarer Landesbibliothek, besonders dem Nachlaß der Anna Amalia“ nach dem Brand von 1774 als gerettet mitgeteilten Werke, so Kompositionen von Johann Philipp Krieger, Johann Paul von Westhoff sowie die sechs Konzerte des weimarischen Prinzen Johann Ernst, sind zusammen mit den Sammlungen der Herzoginnen Anna Amalia und Maria Pawlowna (1786-1859) beim Bibliotheksbrand am 2. September 2004 zerstört worden.
Die Hilfeleistungen nach dem Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek vor drei Jahren haben in Weimar einen neuen, außergewöhnlichen Prozeß des Sammelns für die kulturelle Überlieferung in Gang gesetzt. Die innerhalb einer Nacht zerstörten historischen Buchbestände aus der ehemaligen zweiten Galerie des Rokokosaals und dem darüber befindlichen Dachboden werden - soweit dies möglich ist - seit Ende 2004 durch neu erworbene Originale ersetzt. […] Nun treffen im Zuge unseres Wiederbeschaffungsprojekts „neue“ Bücher in Weimar ein, die an individuellen Merkmalen ebenso reich sind, aber jeweils eine andere Geschichte haben. Sie kommen fast täglich in kleinen, weich gepolsterten Päckchen oder großen Kartons, werden sorgfältig ausgepackt und geprüft, auf Bücherwagen in die Büros der Bibliothekarinnen gefahren, dort inventarisiert und katalogisiert und schließlich mittels Buchförderanlage ins Tiefmagazin unter dem Platz der Demokratie transportiert. Fleißige Hände sortieren sie hier in die bereitstehenden Regale und beste konservatorische Bedingungen bieten ihnen den nötigen Schutz für die nächsten Jahrhunderte. Es ist ein Massengeschäft, das sich um diese einzigartigen Zeitzeugen aus fünf Jahrhunderten dreht. Was miteinander unvereinbar scheint, gehört in unserer täglichen Arbeit zusammen. Bereits drei Jahre nach dem Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek füllen 11.500 im Projekt erworbene Bücher schätzungsweise vierhundert Regalmeter im Magazin. Davon stammt knapp die Hälfte aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Wie hat dieses Projekt eine solche Dynamik entwickeln können?
"Offenbar muß jeder Versuch, Fest und Feier zu definieren, scheitern" (S . 96). Das Buch, aus dem dieser Satz stammt, ist jedoch keineswegs von Resignation gezeichnet. Die Autoren gehen vielmehr davon aus, daß es durchaus sinnvoll ist, die vorhandene Masse von Festtheorien zu referieren, kritisch zu sichten, zu integrieren und vor allem auf ihre Handhabung und Anwendbarkeit hin zu überprüfen. "Fest" ist ein paradigmatisch kulturwissenschaftliches Thema, das sich nun in einem multidisziplinären Rahmen erschließt. Nachdem sich die Spezialisten fürs Allgemeine (Ethnologen, Psychoanalytiker, Philosophen) geäußert haben, sind nun die Historiker, Soziologen und Theologen an der Reihe. Sie ziehen im vorliegenden Band eine Bilanz und zeigen, in welche neuen Richtungen sich die Festforschung entwickeln könnte.
Dass aller Anfang schwer ist, wird Ende des 18. Jahrhunderts exemplarisch deutlich, als sich die prominenteste deutsche Dichterfreundschaft zu formieren beginnt. Denn nach einigen mühsamen Annäherungen kommt es erst am 20. Juli 1794 zur entscheidenden Begegnung zwischen Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller, die das Initialmoment der sogenannten Weimarer Klassik bildet. Goethe wird die Begegnung retrospektiv als „Glückliches Ereigniß“ charakterisieren und den Arbeitsbund in Anerkennung der gemeinsamen ästhetischen Leistungen als „Aufsprung zu einer höhern Cultur“ bewerten.
Traditionellerweise reichte die Darstellung des Herrn von Ikonen über Andachtsbilder bis zur sogenannten Bibel der Armen, die nicht nur durch das Wort, sondern durch Bilder lehrt. Für Hegels Ästhetik wird diese Verbildlichungshilfe ad recte credendum zur Darstellungsfunktion der romantischen Kunst schlechthin, einer Kunstform, deren wahrer Inhalt „die absolute Innerlichkeit“, und deren „entsprechende Form die geistige Subjektivität“ sein soll. In INRI erreicht diese Darstellungsform ihr Ende in der Modephotographie. Mit dem Inbegriff des seelenlosen Körpers, dem Körper von Mannequins, haben Rheims und Bramly im Inbegriff seelenloser Kunst, deren Blick ein toter ist, ins Bild der Darstellung gesetzt, was für Hegel Inbegriff romantischer Kunst sein sollte.
Im Jahre 1308 (...) entstand Hertig Fredrik, angeblich nach einer nicht überlieferten niederdeutschen Vorlage, schließlich „Flores och Blanzeflor“ von 1311/12 auf Grundlage der altnorwegischen Flores-Saga; inwieweit daneben eine der altfranzösischen (...) Fassungen benutzt wurde, ist nicht hinreichend geklärt. Ich werde mich auf die beiden ersten Texte beziehen und dabei folgende Fragen diskutieren:
Welches historisch-kulturelle Szenario ist für die Übertragungen zu rekonstruieren?
Wie sahen die Vorlagen für Hertig Fredrik und ihr Kontext aus?
Welche Erkenntnisse lassen sich für die Literaturszene und die Kulturkontakte gewinnen?
(…) [Volker Mertens] beschäftigt (…) die Frage, ob (…) [man] in Siegfried tatsächlich einen (…) „Helden im Nirgendwo“ sehen k[ann], der hinter und über dem Merowinger Sigibert von Austrasien steht, der i.J. 575 ermordet wurde im Rahmen politischer Machtkämpfe und blutiger Familienzwistigkeiten –oder auch einem burgundischen Spross ähnlichen Namens. „Hat Siegfried gelebt?“ (…) Im Jahre 2000 lautet die Antwort: Helden leben in der Erzählung.
Johann Jakob Bodmer verdanken wir die Wiederbelebung der mittelhochdeutschen Literatur. (...) [Volker Mertens] interessiert die Erweckung des Minnesangs aus etwa dreihundertjährigem Schlaf. (...) Die Rezeption geht im 19. Jahrhundert in zwei Formen auseinander: in die maßvoll der zeitgenössischen Sprache angepaßte Übersetzung wie bei San Marte und Simrock oder in die der tatsächlichen oder erschlossenen Sprachgestalt des 12./13. Jahrhunderts verpflichteten Ausgaben etwa Karl Lachmanns oder Moritz Haupts. (...) Tiecks Minnelieder-Ausgabe stellte seinerzeit einen Befreiungsschlag dar, der die Hermetik des Handschriftendrucks einerseits und die Neutralisierung des eigentümlichen poetischen Potentials durch die galante Vereinnahmung andererseits durchbrach. Sie war ein buchhändlerischer und dichterischer Erfolg und läutete Mennesangs zweiten Frühling ein.
Kippfiguren : Erzählmuster des Schwankromans und ökonomische Kulturmuster in Strickers „Amis“
(2007)
Jede Dichotomie von Affirmation und Negativierung, von Ordnungsentwurf und Kontingenz unterbietet (...) die spannungsreiche Komplexität des Textes. Und man kann dies sehen, wenn man den Aufbau des ‚Pfaffen Amis’ aus unterschiedlichen Erzählkomplexen ernst nimmt, wenn man die Differenzen ihrer Handlungsordnung und narrativen Prinzipien beachtet, und wenn man von daher Relationen neu durchdenkt. (...). Der primäre Handlungsantrieb des Pfaffen Amis ist (...) nicht Besitzgier, sondern im Gegenteil die auf Dauer gestellte entdifferenzierende Verschwendung der Reichtümer im ‚milten’ Statuskonsum. In der Schwankhandlung tritt (...) ein zielgerichtetes Interesse [zutage]: die Kontinuität der Freigiebigkeit. Sie aber konstituiert ein endloses Fest in Tranis als dauerhafte Besiegelung dauerhafter Ordnung. (...) Freilich sind die Vorder- und die Rückseite repräsentativen Handelns, das Karriere-Syntagma in Tranis und das Schwank-Paradigma, nicht allein auf der Handlungsebene funktional zusammengeschlossen. Der Stricker entdeckt zwischen ihnen auch strukturelle Differenzen, und in denen zeigt sich die Welt der Erzählung als eine Kippfigur. Deren beide Seiten, die Bühne und die Freigiebigkeit und Statuskonsum einerseits, die Hinterbühne des betrügerischen Besitzerwerbs in der Schwankreihe andererseits, existieren sozusagen synchron, sie sind funktional verkoppelt, und sie gehören doch ganz verschiedenen Ordnungen an. (...) [So entdeckt der Text] die Knappheit jener Ressourcen, die Voraussetzungen aller Freigiebigkeit [ist], zeigt (...) jene Begrenztheit von Reichtümern, welche die idealisierenden literarischen Entwürfe feudaler Konsoziation (...) gerade ausblenden.