Forschung Frankfurt
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Ich hatte im Wintersemester 1968 in Frankfurt mit dem Pharmaziestudium angefangen. Das pharmazeutische Institut lag ja damals in der Georg-Voigt-Straße, also nicht weit entfernt vom Zentrum der Studentenunruhen, dem Uni-Hauptgebäude mit der Aula. Daher haben wir einiges von den Protesten mitbekommen. ...
Über die Bedeutung des geistigen Erbes von 68 wird 50 Jahre später trefflich gestritten. Mögen die politischen Ideen des Aufbruchs und das daran anknüpfende Handeln heute für Kontroversen sorgen, so erfreut sich hingegen der Sound der Revolution, der damals zum Ärger orthodoxer Kommunisten ganz klar von der Rockmusik dominiert wurde, einer nahezu ungebrochenen Begeisterung: Das "»Weiße Album" der Beatles, "Electric Ladyland" von Jimi Hendrix oder "Beggars Banquet" von den Rolling Stones, alle 68 erschienen, werden heute mehr denn je bewundert. Im Zeichen einer grassierenden "Retromania" (Simon Reynolds) gewinnt der mit Mythen und Heldengeschichten aufgeladene Sound der Vergangenheit mit zunehmendem zeitlichen Abstand sogar noch an Bedeutung. In ihrer Frühphase ist die Popmusik noch ein Wettstreit verschiedener Stile, Techniken und auch Bands. Ihre steigende gesellschaftliche Akzeptanz lässt aber spätestens in den 70er Jahren Zweifel laut werden an ihrer weiterhin behaupteten und auch inszenierten Widerständigkeit.
Das Private ist politisch! – 68 war der Slogan eine auf Ganze gerichtete Perspektive der Kritik und ein Impuls für die Revolutionierung des Alltagslebens: Es ging bei den Diskussionen und Analysen um die "Weltherrschaft des Kapitals" und den Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus immer zugleich um die Manifestationen von Herrschaft und Unterdrückung in den Kapillaren des Alltäg lichen. In den Blick gerieten dabei nicht zuletzt die Autoritätsstrukturen der bürgerlichen Familie und damit die (im Sinne marxistischer Gesellschaftsanalyse) sogenannte "Nebenwidersprüche" des Privaten: das Verhältnis der Geschlechter, Fragen von Liebe und Sexualität, Kindererziehung, Eigentumsfragen und Besitzdenken. Der Slogan wurde darüber hinaus zum Leitspruch der Frauenbewegung, die vor Augen führt, wie politisch das Private gerade in Fragen von Nachwuchs und Alltagsorganisation ist. ...
In den zahlreichen Beiträgen zum "Jubeljahr der 1968er-Bewegung" kommen oft ehemalige Aktive, Historikerinnen und Experten zu Wort. Doch wie blicken eigentlich Aktivistinnen und Aktivisten des 21. Jahrhunderts auf diese Zeit zurück? Dieser Frage hat sich ein zweijähriges Forschungsprojekt am Institut für Politikwissenschaft der Goethe-Universität gewidmet.
Weg mit den Talaren! Hoch die Doktorhüte! : vom Wandel der Zeremonialität an deutschen Universitäten
(2018)
"Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren": Dieser Slogan steht wie kaum ein anderer für die Aufbruchstimmung der 68er-Generation. Damit zielten die Hamburger Studenten auf das Verschweigen der NS-Vergangenheit ab, anschließend ging es aber auch den Talaren selbst an den Kragen. Seit einigen Jahren wird im zeremoniellen Raum der Universitäten vielfach experimentiert: Die Fächer bilden eine jeweils eigene Feierkultur aus – auf der Suche nach einem Übergang von der Universität in das berufliche Leben.
Herr Wolff, in der Ausgabe von Forschung Frankfurt zum Jubiläumsjahr werden Sie mit dem Satz zitiert: "Die Offenheit der Debatten, die die 68er erkämpft haben, lässt sich nicht mehr zurücknehmen." Vor Kurzem wurde an der Goethe-Universität heftig über Meinungsfreiheit gestritten. Die Frage war: Darf man den Polizeigewerkschafter Rainer Wendt zur Diskussion an die Uni einladen. Hat Ihre Aussage nach wie vor Bestand? ...
Mit "Sit-in" und "Teach-in" zur Weltrevolution : Erinnerungen an den Sprachgebrauch der "68er"
(2018)
"Sit-in" und "Teach-in"? – Wer 1968 noch kein Zeitgenosse war, wird beides nur für zwei der im 20. Jahrhundert immer beliebter werdenden, aber oft unverstandenen Fremdwörter aus dem Englischen halten. Heute sind beide weitgehend vergessen, so brandaktuell sie auch einmal waren. Mit ihnen wurde nicht weniger gemeint als eine Sitzblockade vor Hörsälen und die Verhinderung einer regulären Lehrveranstaltung, indem man sie in ein Agitationsforum "umfunktionierte". Die traditionellen Vorlesungen wurden ohnehin als "säkularisierte Predigten" verhöhnt. Als ersten Frankfurter Hochschullehrer traf es ausgerechnet den Staatsrechtler Carlo Schmid, immerhin einen der Väter des Grundgesetzes, der seine Vorlesung abbrechen musste. ...
Kurz vor Mitternacht am 2. April 1968 bricht im Kaufhaus M. Schneider auf der Zeil ein Feuer aus. Kurz darauf ertönt der Feueralarm im Kaufhof an der Hauptwache. Menschen werden nicht verletzt, der Schaden beträgt nach heutigem Geldwert rund eine Million Euro. Unter den Tätern sind Andreas Baader und Gudrun Ensslin. Beide werden zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Brandanschläge auf die Frankfurter Kaufhäuser sind die Geburtsstunde der Roten Armee Fraktion – das wissen wir heute. ...
Die Ausstellung "Freiraum der Kunst", die bis 8. Juli 2018 im Museum Giersch der GoetheUniversität zu sehen ist, zeichnet die Geschichte der "studiogalerie" nach. Dieses vom Allgemeinen Studentenausschuss (AStA) betriebene Forum präsentierte im Studentenhaus auf dem Campus Bockenheim von 1964 bis 1968 Ausstellungen und Veranstaltungen der nationalen und internationalen Avantgarde. Malerei und Objekte der Licht-Kunst und Kinetischen Kunst, der Konkreten Kunst, des Neuen Realismus, der Op-Art, der Hard-Edge- und Farbmalerei, aber auch FluxusKonzerte und Happenings sollten als studentischer Beitrag zur Demokratisierung von Kunst und Gesellschaft verstanden werden. Legendär wurde die Ausstellung "Serielle Formationen" von 1967. Im Zuge der Radikalisierung der Frankfurter Studentenschaft kamen die Aktivitäten jedoch 1968 zum Erliegen.
Unter dem Schlagwort "68er-Bewegung" werden verschiedene linksgerichtete Protestbewegungen, Bürgerrechtsdemonstrationen und antiautoritäre Aktionen zusammengefasst, die ab Mitte der 1960er in Deutschland und zahlreichen anderen Ländern stattfanden und auf eine Umwälzung bestehender sozialer und politischer Strukturen zielten. ...
Jedes Mal, wenn ich in Frankfurt bin, eine Stadt, in der ich von 1960 bis 1980 gelebt habe und wo ich Ostern 1968, direkt nach meiner Entlassung aus der Bundeswehr, sofort an den großen Osterdemonstrationen teilgenommen habe – die Antwort auf das Attentat auf Rudi Dutschke –, zieht es mich in das alte Universitätsviertel an der Bockenheimer Warte. ...