Jahrbuch des Bochumer Botanischen Vereins für das Jahr 2011 - Band 3 (2012)
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Bei der echten "Rose von Jericho" handelt es sich um einen kleinen Kreuzblütler, dessen verholzte Äste sich im toten, ausgetrockneten Zustand zusammenziehen und sich bei Befeuchtung wieder öffnen. Daneben gibt es eine Reihe von falschen Rosen von Jericho, die ebenfalls hygroskopische Bewegungen aufweisen. Auf eine dieser falschen Rosen soll hier näher eingegangen werden, da sie zur Weihnachtszeit bei uns verkauft wird. Es handelt sich um den Schuppenblättrigen Moosfarn (Selaginella lepidophylla), der im Handel meist einfach als "Rose von Jericho" (das "Unechte" wird weggelassen) oder auch als "Auferstehungspflanze" bezeichnet wird.
In Mitteleuropa gibt es wohl kaum eine Moosart, die so weit verbreitet und gleichzeitig so leicht selbst im vegetativen Zustand zu erkennen ist, dass sie weithin bekannt ist: das Brunnenlebermoos (Marchantia polymorpha). Es handelt sich in der Gruppe der sog. Niederen Pflanzen um ein Lebermoos mit einem einfach strukturierten Kormus, der anders als bei den beblätterten Lebermoosen und den Laubmoosen weder in Stämmchen noch in Blättchen gegliedert ist. Für die universitäre Lehre stellt das Brunnenlebermoos einen wichtigen Standardorganismus dar, der für morphologische und anatomische Studien an Moosen insbesondere zum Einstieg in die Lebenszyklen der Landpflanzen genutzt wird.
Der Winter-Jasmin ist einer der ersten auffallenden Winterblüher in China, aber auch in den Gärten und Parks Mitteleuropas. Meist zeigen sich hier die ersten leuchtend gelben Blüten schon vor Weihnachten und die Blühphase kann bis März/April anhalten. Winter-Jasmin ist die frosthärteste Art der überwiegend tropisch bis subtropisch verbreiteten Gattung. Systematik, Morphologie und Verwendung werden erläutert.
Der Bubikopf ist schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Zimmerpflanze in Kultur und auch heute noch ganzjährig im Pflanzenhandel erhältlich. Dem Gärtner ist schon länger bekannt, dass die Art auch bei uns milde Winter im Freiland überdauern kann. Für den Botaniker ist aber interessant, dass der Bubikopf offensichtlich immer häufiger auch verwildert und dabei Fröste von unter -10 °C schadlos überdauert. Im Ruhrgebiet haben sich verwilderte Bubikopf-Vorkommen in Zierrasen als vollkommen winterhart erwiesen.
In vielen Fällen blühen Koniferen unauffällig. Ihre Blüten sind sparsam ausgestattet, vergleicht man sie mit denen der echten "Blütenpflanzen" (Angiospermen), also z. B. einer Rose oder einem Mohn. Es gibt bei den Koniferen keine Blütenblätter und es gibt auch keine Fruchtblätter: Die Samenanlagen stehen "nackt" in den Achseln oder auf der Fläche einer Zapfenschuppe, weswegen man die Koniferen zu der Gruppe der Nacktsamer (Gymnospermen) zählt. So braucht man bei vielen Koniferen einige Übung, die Blüten überhaupt zu finden.
Zaubernuss-Arten (Hamamelis spp.) sind in Mitteleuropa häufig gepflanzte Ziergehölze und stellen wichtige Solitärsträucher in Garten- und Parkanlagen dar. Im Sommer sind sie eher unauffällig, im Herbst aber zeigen sie eine spektakuläre Herbstfärbung und im Winter (Ausnahme H. virginiana) bezaubern sie durch ihren sehr frühen Blütezeitpunkt. Möglicherweise haben sie daher auch ihren deutschen Namen. Im vorliegenden Beitrag werden Systematik, Morphologie und gärtnerische Verwendung erläutert; eine Tabelle zeigt Merkmale zur Unterscheidung der Hamamelis-Sippen.
Kamelien haben ausgesprochen attraktive Blüten und blühen im Winter, weswegen man sie auch "Rosen des Winters" nennt. Bei den Kamelien, die bei uns im Gartenhandel angeboten werden, handelt es sich in den meisten Fällen um Sorten der Japanischen Kamelie (Camellia japonica). In Ostasien fand die Art in der Gartenkultur als Blütensolitär schon sehr lange Verwendung, bevor sie Anfang des 18. Jahrhunderts auch nach Europa gelangte. In den letzten Jahren werden Kamelien zunehmend auch in deutschen Gartencentern und sogar im Sortiment von Lebensmitteldiscountern angeboten.
Calluna und Erica : Besenheide und Heide (Ericaceae) als Winterblüher der Friedhöfe und Gärten
(2012)
Im Herbst wird im Gartenhandel massenhaft "Heide", "Erika" oder auch "Heidekraut" zur Bepflanzung von Gräbern, Kübeln oder Gärten angeboten. Die Handelsbezeichnungen nehmen in den meisten Fällen keinen Bezug auf die tatsächliche Art. Botanisch handelt es sich nämlich um Arten aus zwei verschiedenen Gattungen: Erica und Calluna. Morphologisch lassen sie sich aber relativ leicht voneinander unterscheiden. Bei den für Herbst- und Winterbepflanzung verwendeten Arten handelt es sich im Wesentlichen um Sorten der Besenheide (Calluna vulgaris), der Schneeheide (= Winterheide, Erica carnea = E. herbacea) und der Englische Heide (Erica x darleyensis), die aufgrund ihrer späten bzw. sehr frühen Blütezeit besonders gut geeignet für die Winterzeit sind.
Weihnachtsbaum
(2012)
Auf der ganzen Welt ist der Brauch, zu Weihnachten und zum Jahreswechsel einen grünen Baum mit allerlei Schmuck aufzustellen, bekannt und beliebt. In Deutschland werden im Jahr über 27 Mio. Weihnachtsbäume verkauft, wobei sich ein deutlicher Trend zum "Zweitbaum" zeigt: Einer für den Garten, der andere für die gute Stube. Der größte europäische Weihnachtsbaum-Produzent ist Dänemark, und auch bei uns sind Anzucht, Kultur und Vermarktung längst zu einem bedeutenden Feld des Gartenbaus und der Land- und Forstwirtschaft geworden. Dabei ist der Brauch, geschmückte Nadelbäume in die Häuser zu bringen, keineswegs uralt und angestammt. Aus römischer Zeit ist überliefert, dass zum Jahreswechsel immergrüne Lorbeerzweige zum Schutz vor Gefahren von außen an den Haustüren befestigt wurden. Im mittelalterlichen Deutschland verfolgte man denselben Zweck mit heimischem Immergrün: Zweige von Eibe und Stechpalme, Wacholder, Mistel, Fichte und Tanne sollten Haus und Hof beschützen.
Schwarzer Tee ist ein weltweit verbreitetes Genussmittelgetränk. Es wird aus den Blättern der Teepflanze (Camellia sinensis, Theaceae) gewonnen. Genutzt werden die beiden Varietäten assamica (Assam-Tee) und sinensis (China-Tee). Zur etwa 600 Arten umfassenden Familie der Teegewächse gehört auch die Kamelie (Camellia japonica), die in vielen Sorten und Hybriden eine hochwertige Zierpflanze für Haus und Garten darstellt. Tee und Kamelien sehen sich im nicht blühenden Zustand sehr ähnlich (vgl. DÖRKEN & JAGEL 2011). Das führte einst zu einer folgenschweren Verwechslung.
Im Folgenden werden für den Bochumer Raum bemerkenswerte Funde aufgeführt. Das
Gebiet umfasst alle an Bochum und Herne angrenzende Städte sowie den gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis und Hagen. In seltenen Fällen werden außerdem Funde aufgeführt, die
zwar außerhalb des genannten Gebietes liegen, aber von landesweiter Bedeutung sind. Die Funde sind zu einem Teil unter www.botanik-bochum.de/html/funde2011.htm mit Fotos versehen. Zur besseren Auswertung wurden hinter den Fundorten die MTB-Angaben (Topographische Karte 1:25.000) angegeben und ggf. eine Bewertung des Fundes für den hiesigen Raum und der floristische Status hinzugefügt.
Der damals neu gegründete Bochumer Botanische Verein übernahm im Jahre 2007 nach
einigen Jahren Pause die Organisation eines regionalen GEO-Tags der Artenvielfalt von der der BUND-Kreisgruppe Herne. Nachdem im Jahr 2010 die Kartierung der A 40 als Sonderaktion mit der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet und vielen anderen Partnern an
die Stelle des Geo-Tages trat, wurde 2011 wieder eine "gewöhnliche" Veranstaltung durchgeführt. Als Untersuchungsgebiet wurde das Naturschutzgebiet "Tippelsberg/Berger Mühle" im
Norden von Bochum – auch "Zillertal" oder "Tippelsberger Tal" genannt – inklusive des angrenzenden Tippelsberges ausgewählt. Dabei war ein wesentlicher Grund die hohe Strukturvielfalt aus naturnahen Waldgebieten und Halde mit Offenlandcharakter. Das NSG wird durch den Dorneburger Mühlenbach und seine Quellzuflüsse geprägt, die sich in ihren Oberläufen durch eine gute Wasserqualität auszeichnen. In diesen Quellbachtälern finden sich wertvolle Nasswiesenbrachen und Sumpfbereiche sowie Buchenmischwälder und
seltene Erlen-Eschen-Auenwälder. Im unteren Teil wird der Dorneburger Mühlenbach zu den
Stembergteichen aufgestaut, wobei der obere der Teiche noch naturnahe Schilfröhrichtzonen
aufweist. Südlich der Autobahn A43 schließt sich der Tippelsberg an, der ehemals als Bauschuttdeponie errichtet wurde und sich heute durch verschiedene Sukzessionsstadien
auszeichnet. Er gehört nicht zum Naturschutzgebiet. In einer Höhe von 150 m ü. NN (40 m über Geländeniveau) erlebt man hier insbesondere bei klarer Sicht einen weitreichenden Blick auf große Teile des Ruhrgebiets.
Der Bochumer Botaniker HUMPERT schreibt 1887:
"Dieses ThaI, eines der anmutigsten und botanisch reichhaltigsten, ist ringsum von Wald umgeben, so daß man dort von der alles überwuchernden und umgestaltenden Industrie, von
den hohen Schornsteinen der Umgebung so gut wie nichts wahrnimmt; man findet dort ein
Fleckchen Erde, wo die Natur, noch unbeeinflußt und ungehemmt durch das Vordringen der menschlichen Thätigkeit, in ursprünglicher Fülle und Mannigfaltigkeit ihre Schöpferkraft
entfaltet. In diesem Thale fließt auch einer der wenigen Bäche, die klares Wasser führen. Aus verschiedenen Quellen entstammend, sammelt sich dieses im Teiche oberhalb der Bergermühle, wird von hier aus für dieselbe nutzbar gemacht und fließt dann weiter durch das
ThaI". Leicht getrübt wurde die Vorfreude allerdings durch das schlechte Wetter:
"Der schlechteste Tag der Woche aber wird der Sonntag, an diesem Tag sollte man lieber verreisen! Es wird noch kälter, es gibt dauerhaften und ergiebigen Regen, es wird stürmisch ... "
(Wettervorhersage im WDR 2 für den 24.07.2011).
In Abwandlung des ursprünglichen Plans wurden dann am Sonntag wegen des strömenden Regens und des starken Windes die Bänke und Tische, Zelte und Infotafeln nicht auf der Kuppe des Tippelsberges aufgebaut, sondern gar nicht. Spaziergänger waren nicht zu
erwarten und den ganzen Tag auch nicht zu beobachten. Die Presse ließ sich ebenfalls nicht blicken. So traf man sich um 10 Uhr am Parkplatz, sprach sich Mut zu und teilte sich schließlich in zwei Gruppen auf. Die eine untersuchte den Tippelsberg selbst. Die reichlich erfolgten Ansaaten und vielen gepflanzten, zumeist gebietsfremden Arten boten wenig Heimisches, aber eine Fülle von Blüten, die bei sonnigem Wetter entsprechend viele Insekten angelockt
hätten. Die kleinere, zweite Gruppe machte sich ins Naturschutzgebiet selbst auf. Das geplante Kinderprogramm fiel mangels Kindern aus. Im Anschluss traf man sich im Haus der Natur in Herne, um dort die zahlreichen vorbereiteten Kuchen und sonstigen Köstlichkeiten
zu vertilgen.
Im Jahr 2011 wurde die Moorlilie (andere Namen z. B. Beinbrech, Ährenlilie, Stablilie oder Knochenbruchgras) zur Blume des Jahres 2011 gewählt, zum letzten Mal von der bekannten Naturschützerin HANNELORE SCHMIDT, die auch die Rede zur Ernennung noch selbst verfasste (http://www.stiftung-naturschutz-hh.de/blum/rede2011.htm), aber kurz vor der Bekanntgabe mit 91 Jahren verstarb. Seit 1980 wird eine "Blume des Jahres" gekürt. Sie soll "Menschen immer wieder über den ökologischen Wert der Pflanzenwelt und über die Notwendigkeit des Schutzes aller bedrohten Arten informieren" (LOKI SCHMIDT, http://www.stiftung-naturschutz-hh.de/blumedj.htm). Mit der in Deutschland stark zurückgegangenen Moorlilie will die LOKI-SCHMIDT-STIFTUNG den Lebensraum Moor ins öffentliche Bewusstsein rücken, stellvertretend für alle weiteren charakteristischen und ebenfalls oft gefährdeten Arten dieses stark gefährdeten Lebensraums.
Das Moos des Jahres wird von der Bryologisch-lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa (BLAM) ausgewählt. Wichtige Auswahlkriterien der letzten Jahre sind Aspekte des Arten- und/oder Biotopschutzes: Sowohl das Moos des vergangenen (Polytrichum commune, vgl. BUCH 2011) als auch diesen Jahres (Thuidium abietinum = Abietinalla abietina, Abb. 1 & 2) repräsentieren Lebensräume, die durch eingeschränkte Verfügbarkeiten von pflanzenverwertbaren Nährstoffressourcen geprägt werden und aufgrund ihrer
geringen Produktivität nicht mit den Anforderungen der modernen landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Nutzung kompatibel sind.
Die "Passionsblume" wurde durch den "Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen" an der Julius-Maximilian-Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres 2011 gekürt. Gemeint ist Passiflora incarnata, die Fleischfarbene Passionsblume (Abb. 1), denn
nur sie spielt als Arzneipflanze eine überregionale Rolle. Die Art wird in Deutschland so gut
wie nicht als Garten- oder Zimmerpflanze angeboten. Es ist daher unklar, welcher Zweck mit dieser Wahl verfolgt wurde. Es erscheint jedenfalls sinnvoller, hierfür Arten auszuwählen, die
in Deutschland heimisch oder wenigstens als Zierpflanze verbreitet sind, wie dies auch bei der Blume und dem Baum des Jahres geschieht und letztes Jahr auch auf den Efeu (Hedera helix) als Arzneipflanze des Jahres 2010 zutraf. Gleichwohl handelt es sich bei den Passionsblumen um eine außerordentlich attraktive Pflanzengruppe, die sich sowohl bei Botanikern als auch bei sonstigen Pflanzenfreunden
großer Beliebtheit erfreut und zumindest auf Raritätenbörsen in vielen Arten und Sorten
erhältlich ist. Darüber hinaus gehört auch die Passionsfrucht in diese Gruppe, die ausgepresst als “Maracuja“ in vielen Fruchtsäften geschmacklich dominiert. Die Wahl der Arzneipflanze des Jahres soll daher zum Anlass genommen werden, hier einen Überblick über die in vielerlei Hinsicht spektakuläre Gattung Passiflora zu geben.
Wie bereits in den vergangenen 21 Jahren hat das "Kuratorium Baum des Jahres" auch für das Jahr 2011 mit der Elsbeere (Sorbus torminalis) einen heimischen Baum als "Baum des Jahres" gekürt. Dies ist neben dem Speierling (Sorbus domestica, 1993 wegen Seltenheit) und der Eberesche (Sorbus aucuparia, 1997 wegen der Bedeutung der Früchte für Vögel) nun bereits die dritte Art aus der Gattung Sorbus. Wichtige Auswahlkriterien für die Ernennung sind z.B. Seltenheit und Bedrohung aber auch ästhetische, ökologische und landschaftsgestalterische Aspekte. Sorbus torminalis ist zweifelsohne eine Baumart, die der breiten Öffentlichkeit heute weitgehend unbekannt ist, obwohl sie früher als Wildobstgehölz geschätzt war. Dies war neben ihrer Seltenheit, wegen des wertvollen Hartholzes, der spektakulären Herbstfärbung und eines relativ späten Blütezeitpunktes ausschlaggebend für die Ernennung zum "Baum des Jahres 2011" (ROLOFF 2011).
Rosmarin wurde vom NHV THEOPHRASTUS (Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach THEOPHRASTUS BOMBASTUS VON HOHENHEIM, genannt PARACELSUS e. V.) zur Heilpflanze des Jahres 2011 gewählt, vor allem aufgrund der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten. In wintermilden Gebieten findet die Art außerdem als Winterblüher im Freiland Beachtung, da sie – wie im Mittelmeerraum – auch bei uns bereits ab Ende Oktober blühen kann. Vor allem in England ist Rosmarin Bestandteil vieler weihnachtlicher Bräuche.
Die Fetthennen und Mauerpfeffer (Gattung Sedum im weiteren Sinne) wurden vom Bund deutscher Staudengärtner zur "Staude des Jahres 2011" gewählt. Dies soll zum Anlass genommen werden, im Folgenden die Arten vorzustellen, die in Nordrhein-Westfalen heimisch sind oder regelmäßig aus Kultur verwildern. Die Beschreibung richtet sich dementsprechend weniger an den Gartenliebhaber als an all jene, die sich mit Fetthennen im Freiland, egal ob in der "freien Natur" oder im Siedlungsbereich, beschäftigen möchten.