Tuexenia : Mitteilungen der Floristisch-Soziologischen Arbeitsgemeinschaft, Band 37 (2017)
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Steilhänge der Mittelgebirge weisen eine kleinräumige standörtliche Vielfalt auf und wurden aufgrund ihrer exponierten Lage bereits frühzeitig durch den Menschen u. a. als Befestigungsanlage genutzt. Daraus resultierte häufig eine hohe floristische und vegetationskundliche Diversität mit hohem Naturschutzwert. Durch Umwelt- und Nutzungsveränderungen hat sich aber auch an diesen Standorten in den letzten Jahrzehnten ein starker Wandel vollzogen. Durch Auswertung alter Florenlisten und Vegetationsaufnahmen und durch aktuelle Erhebungen wollen wir die Vegetationszusammensetzung der Lengder Burg, eines Steilhangs auf Unterem Muschelkalk im südlichen Göttinger Wald (Süd-Niedersachsen, Deutschland), und ihre Veränderung aufzeigen und Rückschlüsse für die zukünftige Behandlung ziehen. Dazu wurden Angaben zur Gefäßpflanzenflora aus dem Zeitraum 1950 bis 1995 mit einer aktuellen floristischen Kartierung des Gesamtgebiets von 2016 verglichen. Die Vegetationszusammensetzung wurde anhand von 37 Vegetationsaufnahmen aus dem früheren Zeitraum harakterisiert. 29 dieser Flächen wurden 2009 bis 2016 erneut aufgenommen. Räumliche und zeitliche Unterschiede in der Diversität und Artenzusammensetzung wurden hinsichtlich verschiedener standörtlicher Parameter und ökologischer Artengruppen analysiert.
Die Vegetation lässt sich zwei Gruppen zuordnen: 1. Das Carici-Fagetum und seine Kontaktgesellschaften an südlich und westlich exponierten Steilhängen. 2. Das Hordelymo-Fagetum mit verschiedenen Ausbildungen auf dem Plateau und an flacheren Süd- und Nordhangbereichen. Im Carici-Fagetum ist ein deutlicher Diversitätsverlust und eine Zunahme in der Dominanzstruktur der Krautschicht zu erkennen, der im Vergleich der Aufnahmezeiträume auf eine zunehmende Homogenisierung der Vegetation hinweist. Zurückgegangen sind dabei besonders die typischen Kenn- und Trennarten dieser Waldgesellschaft bei gleichzeitiger Zunahme der Buche in der Verjüngung. Im Hordelymo-Fagetum bewirkt neben Gehölzen in der Strauch- und Krautschicht vor allem die Zunahme von Allium ursinum eine homogenere Artenzusammensetzung, jedoch ohne Diversitätsverlust. Neben Stickstoffeinträgen, dem Klimawandel sowie einem reduzierten Rehwild-Verbiss bedingt besonders der Nutzungswandel diese Veränderungen. Vor allem im Carici-Fagetum wirkte sich der Übergang zwischen früherer Nieder- und Mittelwald-Nutzung mit Waldweide über eine fast 100jährige Hochwald-Nutzung bis zum jetzigen Schutzwald stark aus. Gleichwohl weisen die steilen Hänge weiterhin einen hohen Anteil an Rote-Liste-Arten auf und tragen wesentlich zur hohen Biodiversität des Gebiets bei. Veränderungen in der Vegetation der Lengder Burg spiegeln die Veränderungen im Göttinger Wald insgesamt wider. Kleinflächige Offenhaltungsmaßnahmen zur Erhaltung wertvoller floristischer Elemente sind teilweise erfolgreich. Kleinwüchsige, lichtbedürftige Magerkeitszeiger verschwinden jedoch zunehmend aus den sich entwickelnden, hochwüchsigen Stauden-Säumen. In den benachbarten, unbewirtschafteten Hangbuchenwäldern sorgt die fehlende Nutzung nach Jahrhunderten der Auflichtung und Aushagerung für eine Sukzession in Richtung mesophilen Kalkbuchenwalds.
Die in Amerika heimische Kolumbianische Zwergwasserlinse (Wolffia columbiana) tritt neuerdings in Europa als Neophyt auf und konnte in Niedersachsen zum ersten Mal im Jahr 2016 nachgewiesen werden. Im Hintergrund stehen die für den Naturschutz relevanten Fragen, wie viele vermeintliche Vorkommen von Wolffia arrhiza in Wirklichkeit Wolffia columbiana repräsentieren und ob dieser Neophyt die heimische und gefährdete Art Wolffia arrhiza verdrängen kann.
Der Zwerg-Rohrkolben (Typha minima Funck ex Hoppe) ist eine charakteristische Pionierpflanze von alpinen Wildflusslandschaften. Seit den siebziger Jahren ist diese Kennart jedoch in Deutschland vollständig und in Österreich nahezu ausgestorben. Die anhaltenden Populationsrückgänge der Art sind wahrscheinlich das Ergebnis der weitverbreiteten Flussregulierung und des Kraftwerksbaus in Kombination mit den sehr speziellen Standortsansprüchen der Art. Dank den Anstrengungen von Wiederansiedlungsprogrammen befindet sich T. minima wieder an der Oberen Drau in Österreich. In dieser Publikation wird über die Keimung, das Wachstum, die Reproduktion und die Umweltpräferenzen von T. minima berichtet.
Die Keimungsexperimente von 2014 zeigten eine sehr niedrige mittlere Keimungsrate von 15,6% bei einem Schwankungsbereich von 0–90 %. Die Keimungsraten stiegen mit höheren Temperaturen, erhöhter Saatgutreife und kürzeren Saatgutlagerungszeiten. Nach der Saatgutlagerung von 480 Stunden wurde keine Keimung mehr beobachtet.
Beim FFH-Monitoring 2014 an der Oberen Drau wurden Zwerg-Rohrkolben-Keimlinge (Höhe < 5 cm) generell nur selten gefunden. Die vegetative Jungphase (Höhe > 15 cm, ausschließlich sterile Triebe) wies zumeist den höchsten Flächenanteil im Mittel von 62% auf. Typha minima bildete bis zu einem Alter von ca. 3 Jahren ausschließlich sterile Triebe aus. Ab einem Alter von ca. 9 Jahren wurden auch fertile Triebe mit Blütenständen ausgebildet, wobei deren Anzahl mit zunehmendem Alter sich tendenziell erhöhte. Die Analyse der Standortsfaktoren zeigte, dass T. minima auf eine hohe Bodenfeuchte im Mittel von 39 Vol-% angewiesen ist. Darüber hinaus war der Faktor Beschattung entscheidend. Erst ab einem Beschattungsgrad von 50% durch Weidengebüsche war eine Abnahme der Triebdichte von T. minima zu verzeichnen. Wir schließen daraus, dass T. minima-Populationen während der Keimungsphase extrem empfindlich sind und dass massive Habitatverluste überwiegend das Ergebnis der Flussregulation und der reduzierten Morphodynamik sind, die normalerweise geeignete offene Siedlungsräume für die Keimung des Zwerg-Rohrkolbens schaffen würde.
In Borstgrasrasen (Nardetalia) des Werra-Meißner-Gebietes (Nordhessen, Südniedersachsen) wurden 2012 nach 25 Jahren auf möglichst gleichen Untersuchungsflächen (quasi-Dauerflächen) Wiederholungsaufnahmen angefertigt, um den gegenwärtigen Zustand bzw. Veränderungen in diesem prioritären FFH-Lebensraumtyp zu erfassen. Es wurden insgesamt 61 Flächen untersucht. Neben der Artenzusammensetzung wurden auch Bodenparameter (pH, C/N-Verhältnis, Mächtigkeit der organischen Auflage) und die Nutzung erfasst.
Bei der Wiederholungsaufnahme 2012 waren, abgesehen von einer Aufforstungsfläche, noch auf allen Flächen Arten der Borstgrasrasen vorhanden. Die Flächen wurden 2012 überwiegend genutzt oder gepflegt, während 1986/87 Brachflächen noch bei weitem dominierten. Eine Düngung der Flächen erfolgte nicht. Trotz dieser generell günstigen Nutzungssituation lässt sich ein genereller Trend zur Eutrophierung feststellen, der sich hinsichtlich Artenzahl und Deckung in einer Zunahme von Arten des Wirtschaftsgrünlandes (Molinio-Arrhenatheretea) bei gleichzeitiger Abnahme der Borstgrasrasen-Kennarten äußert. Auch die Artenzahlen der übrigen Magerkeitszeiger nahmen im Mittel ab, während Verbrachungszeiger im Allgemeinen zunahmen. Eine Veränderung der Gesamtartenzahl war nicht festzustellen. Die mittleren Zeigerwerte spiegeln die Verschiebungen im Arteninventar durch erhöhte mittlere Reaktions- und Stickstoffzahlen wider. Strukturell hat in den vergangenen 25 Jahren vor allem eine generelle Zunahme der Moosschichtdeckung und eine Ausbreitung der Sträucher auf Brachflächen stattgefunden. Bei den Bodenparametern waren 2012 eine signifikante Erhöhung der pH-Werte, eine Einengung der C/N-Verhältnisse und eine Abnahme der Mächtigkeit der organischen Auflage (Of) feststellbar. Regressionsmodelle zeigen, dass dabei die Zunahme von Arten des Wirtschaftsgrünlandes direkt mit den ansteigenden pH-Werten zusammen hing, während die Veränderungen bei den Kennarten eher vom Ausgangs-C/N-Verhältnis, teilweise auch von der Entwicklung der organischen Auflage und der Nutzung abhängig waren. Die vorgefundenen Veränderungen werden vor dem Hintergrund möglicher Gefährdungsszenarien (Brache, Eutrophierung, Bodenversauerung, Klimawandel) diskutiert. Angesichts des unerwarteten Befundes einer Eutrophierung bei gleichzeitig nachlassender Bodenversauerung, wird die Hypothese aufgestellt, dass der seit den 1990er-Jahren erfolgte Rückgang der Schwefeldepositionen mit nachfolgender Erholung der Boden-pH-Werte und nachlassender Stressbelastung, z. B. durch Ammonium-Toxizität, die Veränderungen ausgelöst haben könnte. Außerdem deuten die Ergebnisse auf eine zumindest teilweise zu geringe Nutzungs- bzw. Pflegeintensität bzw. zu späte Nutzungstermine. Möglicherweise führt der erhöhte Eutrophierungsdruck hier auch zu verstärkten Anforderungen an das Management der Flächen. Eindeutige Indizien für klimabedingte Veränderungen im Arteninventar ließen sich nicht finden. Indirekte Effekte über eine erwärmungsbedingte Förderung der Mineralisationsraten oder ein ursächlicher Zusammenhang zwischen höheren Wintertemperaturen und der Zunahme der Moosdeckung lassen sich jedoch nicht ausschließen.
GrassVeg.DE – die neue kollaborative Vegetationsdatenbank für alle Offenlandhabitate Deutschlands
(2017)
Der Bericht stellt die neue kollaborative Vegetationsdatenbank GrassVeg.DE (EU-DE-020; http://bit.ly/2qgX208) vor, die Vegetationsaufnahmen von Grasländern und anderen nicht-aquatischen Offenlandhabitaten Deutschlands sammelt, um sie national und international für die vegetationsökologische Forschung zur Verfügung zu stellen. GrassVeg.DE trägt die Daten zum European Vegetation Archive (EVA) und künftig auch zur globalen Vegetationsdatenbank „sPlot“ bei. Datenlieferanten von GrassVeg.DE behalten volle Verfügungsgewalt über ihre Daten und werden Mitglied des GrassVeg.DE-Konsortiums. Dadurch profitieren sie durch Co-Autorenschaften und Zitate von ihren Beiträgen und erlangen zugleich die Möglichkeit, selbst Projekte zu beantragen, die GrassVeg.DE- oder EVA-Daten nutzen. Die schnell wachsende GrassVeg.DE-Datenbank umfasste im Juli 2017 3.181 Vegetationsaufnahmen aus acht deutschen Bundesländern. Perspektivisch kann GrassVeg.DE dazu beitragen, eine konsistente Neuklassifikation der Graslandvegetationstypen Deutschlands im Rahmen der Synopsis der Pflanzengesellschaften Deutschlands zu ermöglichen. Wir schließen den Beitrag mit einem Aufruf, eigene und aus der Literatur digitalisierte Vegetationsaufnahmen zu GrassVeg.DE beizutragen.
Die Floristisch-soziologische Arbeitsgemeinschaft wurde am 13. August 1927 in Göttingen gegründet und besteht nun, mit einer Unterbrechung zwischen 1941 und 1948, seit 90 Jahren. In diesem Rückblick wird vor allem die Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg näher dargestellt. Hauptkapitel sind Verein, Satzung und Vorstände, Mitgliederentwicklung, Jahrestagungen, Arbeitskurse und Workshops, die Publikation der Mitteilungen und von Tuexenia mit ihren Beiheften sowie der Synopsis der Pflanzengesellschaften Deutschlands. Insgesamt wird eine sehr erfolgreiche Entwicklung mit Konstanz wesentlicher, schon zu Beginn formulierter Ziele und dynamischen Anpassungen an neue Gegebenheiten festgestellt.