Tuexenia : Mitteilungen der Floristisch-Soziologischen Arbeitsgemeinschaft, Band 37 (2017)
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In Borstgrasrasen (Nardetalia) des Werra-Meißner-Gebietes (Nordhessen, Südniedersachsen) wurden 2012 nach 25 Jahren auf möglichst gleichen Untersuchungsflächen (quasi-Dauerflächen) Wiederholungsaufnahmen angefertigt, um den gegenwärtigen Zustand bzw. Veränderungen in diesem prioritären FFH-Lebensraumtyp zu erfassen. Es wurden insgesamt 61 Flächen untersucht. Neben der Artenzusammensetzung wurden auch Bodenparameter (pH, C/N-Verhältnis, Mächtigkeit der organischen Auflage) und die Nutzung erfasst.
Bei der Wiederholungsaufnahme 2012 waren, abgesehen von einer Aufforstungsfläche, noch auf allen Flächen Arten der Borstgrasrasen vorhanden. Die Flächen wurden 2012 überwiegend genutzt oder gepflegt, während 1986/87 Brachflächen noch bei weitem dominierten. Eine Düngung der Flächen erfolgte nicht. Trotz dieser generell günstigen Nutzungssituation lässt sich ein genereller Trend zur Eutrophierung feststellen, der sich hinsichtlich Artenzahl und Deckung in einer Zunahme von Arten des Wirtschaftsgrünlandes (Molinio-Arrhenatheretea) bei gleichzeitiger Abnahme der Borstgrasrasen-Kennarten äußert. Auch die Artenzahlen der übrigen Magerkeitszeiger nahmen im Mittel ab, während Verbrachungszeiger im Allgemeinen zunahmen. Eine Veränderung der Gesamtartenzahl war nicht festzustellen. Die mittleren Zeigerwerte spiegeln die Verschiebungen im Arteninventar durch erhöhte mittlere Reaktions- und Stickstoffzahlen wider. Strukturell hat in den vergangenen 25 Jahren vor allem eine generelle Zunahme der Moosschichtdeckung und eine Ausbreitung der Sträucher auf Brachflächen stattgefunden. Bei den Bodenparametern waren 2012 eine signifikante Erhöhung der pH-Werte, eine Einengung der C/N-Verhältnisse und eine Abnahme der Mächtigkeit der organischen Auflage (Of) feststellbar. Regressionsmodelle zeigen, dass dabei die Zunahme von Arten des Wirtschaftsgrünlandes direkt mit den ansteigenden pH-Werten zusammen hing, während die Veränderungen bei den Kennarten eher vom Ausgangs-C/N-Verhältnis, teilweise auch von der Entwicklung der organischen Auflage und der Nutzung abhängig waren. Die vorgefundenen Veränderungen werden vor dem Hintergrund möglicher Gefährdungsszenarien (Brache, Eutrophierung, Bodenversauerung, Klimawandel) diskutiert. Angesichts des unerwarteten Befundes einer Eutrophierung bei gleichzeitig nachlassender Bodenversauerung, wird die Hypothese aufgestellt, dass der seit den 1990er-Jahren erfolgte Rückgang der Schwefeldepositionen mit nachfolgender Erholung der Boden-pH-Werte und nachlassender Stressbelastung, z. B. durch Ammonium-Toxizität, die Veränderungen ausgelöst haben könnte. Außerdem deuten die Ergebnisse auf eine zumindest teilweise zu geringe Nutzungs- bzw. Pflegeintensität bzw. zu späte Nutzungstermine. Möglicherweise führt der erhöhte Eutrophierungsdruck hier auch zu verstärkten Anforderungen an das Management der Flächen. Eindeutige Indizien für klimabedingte Veränderungen im Arteninventar ließen sich nicht finden. Indirekte Effekte über eine erwärmungsbedingte Förderung der Mineralisationsraten oder ein ursächlicher Zusammenhang zwischen höheren Wintertemperaturen und der Zunahme der Moosdeckung lassen sich jedoch nicht ausschließen.