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Rezension zu Stefan Neuhaus: Märchen. Tübingen, Basel (A. Francke) 2005. 391 S.
Obwohl die zeittypischem Literaturverständnis geschuldete Zuordnung von André Jolles längst revidiert und das Märchen von der Forschung als sozusagen komplexe Form rehabilitiert wurde, fehlen neuere Überblicksdarstellungen zu der gerade für die Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft höchst interessanten Gattung. Diese Lücke zu schließen ist ambitiöses Ziel des vorliegenden Bandes.
Jene Veränderungen, denen die deutsche Universität durch den Bologna-Prozeß seit einigen Jahren unterworfen ist und die in der Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge ihren sinnfälligsten Höhepunkt finden, bescheren insbesondere den Geisteswissenschaften ein in Form und Umfang bislang nicht gekanntes Phänomen: die auf Studierende ausgerichtete Einführungs- und Studienliteratur.
Sammelrezension zu Markus May, Peter Goßens u. Jürgen Lehmann: Celan-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung. Stuttgart, Weimar (Metzler) 2008. 399 S.
Peter Goßens (Hg.): "Angefügt, nahtlos, ans Heute" / "Agglutinati all'oggi". Paul Celan übersetzt Giuseppe Ungaretti. Handschriften. Erstdruck. Dokumente. Frankfurt a. M., Leipzig (Insel) 2006. 222 S.
Rezension zu Dieter Lamping u. Frank Zipfel: Was sollen Komparatisten lesen? Berlin (Erich Schmidt) 2005. 90 S.
Ein speziell auf die Vergleichende Literaturwissenschaft zugeschnittener Kanon darf sich keinesfalls in der unkritischen Übernahme der für ihre Verkehrssprachen bereits erstellten, im gleichen Verlag erschienenen Lektüre-Empfehlungen erschöpfen, sondern muß anderen Anforderungen genügen: Gemäß dem der Disziplin eigenen Selbstverständnis heißt es, einen Kanon zu konstruieren, der, auf die Beziehungen zwischen den einzelnen Nationalliteraturen ausgerichtet, unweigerlich den Begriff der Weltliteratur berührt. Der vorliegende Band leistet demnach, obwohl auch als Leitfaden für das Studium der Komparatistik nutzbar, einen nicht geringen Beitrag zu der unweigerlich grundsätzliche Fragen anschneidenden Kanondiskussion.
Rezension zu Centre culturel international Cerisy-la-Salle/Manche: H. P. Lovecraft. Fantastique, mythe et modernité. Actes du Colloque "Lovecraft et ses contemporains" (3.-10.8.1995), Paris (Editions Dervy) 2002. 464 Seiten.
Jüngstes Ergebnis der regen französischen Lovecraft-Forschung ist ein in doppeltem Sinne gewichtiger Sammelband: Hervorgegangen aus einem internationalen, von Jean Marigny und Gilles Menegaldo im August 1995 in Cerisy La Salle veranstalteten Kolloquium, versammelt der Band 21 Beiträge, die sich dem Phänomen Lovecraft von den unterschiedlichsten Seiten nähern.
Rezension zu Karl R. Kegler, Karsten Ley u. Anke Naujokat: Utopische Orte. Utopien in Architektur- und Stadtbaugeschichte, Aachen (Forum Technik und Gesellschaft) 2004. 204 Seiten.
Der vorliegende Band behandelt in einem weitgespannten, von der Vorzeit bis zur unmittelbaren Gegenwart reichenden Überblick ein bislang vernachlässigtes Teilgebiet der Utopie-Forschung und untersucht die Orte, wo die Utopie sich manifestiert und woraus sie besteht: ihre gleichwohl sehr konkreten, in Architektur, Stadtplanung, Literatur, Religion, Philosophie und Bildender Kunst auftretenden Topoi oder: U-Topoi. Hervorgegangen aus einem interdisziplinären Seminar an der Technischen Hochschule Aachen, betritt der Band Neuland, denn eine derart umfassende Analyse und Sammlung der utopischen Orte/Topoi wurde bislang noch nicht vorgenommen, weil eine kulturhistorische Verortung der meist komplex angelegten Utopien die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen notwendig macht, also eine Arbeitsweise verlangt, die trotz der derzeit propagierten Kulturwissenschaft in der Praxis utopisch ist, vor allem, was den Dialog von Geisteswissenschaften mit den Technik- und Naturwissenschaften angeht. Genau hier setzt der Band vermittelnd an.
Rezension zu Andrea Hübener: Kreisler in Frankreich. E. T.A. Hoffmann und die französischen Romantiker. Heidelberg (Winter) 2004. 395 S.
Die zu besprechende, von der Technischen Universität Berlin angenommene Dissertation geht Hoffmanns Einfluß auf den 'Romantisme' nach und bezieht dabei Bildende Kunst und Musik mit ein, was sich bei einem Dichter, der ganz im Sinne der nach einer Synthese der Künste strebenden romantischen Bewegung auch komponierte und zeichnete, geradezu anbietet. Beabsichtigt ist also ein vergleichendes und explizit interdisziplinäres Vorgehen.
Rezension zu Jochen Hörisch: Theorie-Apotheke. Eine Handreichung zu den humanwissenschaftlichen Theorien der letzten fünfzig Jahre, einschließlich ihrer Risiken und Nebenwirkungen. Frankfurt am Main (Eichborn) 2004. 323 S.
Angesichts der wirren Zeitläufte mit ihrer Neigung zur umgesetzten Dystopie diagnostiziert der Verf., Professor für Literatur- und Medienwissenschaften an der Universität Mannheim, ein "fragiles Comeback des Prestiges von humanwissenschaftlichen Theorien " (317), mithin ein auch bei den Humanwissenschaftlern grassierendes Bedürfnis nach Sicherheit, Sinn und kohärenter Ordnung. Ihnen und allen interessierten Laien bietet er nun eine 'Handreichung', so der gewiß nicht ironisch gemeinte Untertitel, ein Hilfsmittel, halb Lexikon, halb Vademecum für den wissenschaftlichen Alltag bzw. den Hausgebrauch. Darin will der Verf. "Grundzüge, Grundgesten und Grundbegriffe derjenigen Theorien vorstellen und prüfen, die in den letzten fünfzig Jahren das Sagen hatten und zum Widerspruch reizten." Gleichzeitig ersteht hinter dieser Theorie-Landschaft ein wissenschaftshistorisches und, mittelbar, ein geisteswissenschaftliches Panorama der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts samt allen Krisen und Irrungen.
Rezension zu Peter Schnyder: Alea. Zählen und Erzählen im Zeichen des Glücksspiels 1650-1850. Göttingen (Wallstein Verlag) 2009. 436 S.
Wenn man sich mit der bedeutenden Rolle beschäftigt, die der Zufall in der Literatur und Kunst des 20. Jahrhunderts von Dada über John Cage bis hin zu von Zufallsgeneratoren hergestellten Werken spielt, übersieht man leicht die gut zweihundertjährige Vorgeschichte, in der der Zufall und das untrennbar mit ihm verbundene Glücksspiel bereits durch die Literatur geisterte. Die ab der Mitte des 17. Jahrhunderts zu beobachtende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Zufall und Wahrscheinlichkeit blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Literatur - und vice versa: neue Narrative führten zur Veränderung der Sicht auf die Möglichkeiten der Vorhersehbarkeit der Zukunft. Das Glücksspiel wurde zum gängigen Motiv in literarischen Texten, und auch die formale Ebene (Handlungsführung, Erzählweise u. ä.) blieb von den Überlegungen zu den Geheimnissen des Weltlaufs nicht unberührt. In seiner Züricher Habilitationsschrift widmet sich Peter Schnyder eben der Frage, wie die Glücksspielmetapher "zu einer der zentralen (Des-)Orientierungsmetaphern der Moderne" und zum Inbegriff des Irrationalen und Abenteuerlichen wurde, sowie der durch die verstärkte Kontingenzerfahrung ausgelösten Krise des Erzählens.
Tagungsbericht zum XIX. Weltkongress der Association International de Littérature Comparée/International Comparative Literature Association
Seoul, 15. bis 21. August 2010
Der nach Tokio und Hong Kong dritte in Asien ausgerichtete Weltkongress war, sowohl was die Veranstaltung selbst als auch den Austragungsort angeht, von Superlativen geprägt. Mit über eintausend angemeldeten Teilnehmern aus 65 Ländern und 750 angemeldeten Vorträgen war der Kongress ebenso eindrucksvoll und vielfältig wie die Gastgeberstadt.
Rezension zu Claudia Natterer: Faust als Künstler. Michail Bulgakovs 'Master i Margarita' und Thomas Manns 'Doktor Faustus', Heidelberg (Winter) 2002 (= Beiträge zur slavischen Philologie; Bd. 9). 257 Seiten.
Claudia Natterer schließt mit dem Vergleich der beiden großen Künstlerromane des 20. Jahrhunderts 'Master i Margarita' und 'Doktor Faustus' eine Lücke in der umfangreichen germanistischen und komparatistischen Forschung zu den literarischen Bearbeitungen des Fauststoffes.
Tagungsbericht zum Symposion an der Humboldt-Universität zu Berlin aus Anlaß des 65. Geburtstages von Peter Brockmeier 8.-11. April 1999
Der Wahl des Themas "Abkehr von Schönheit und Ideal in der Liebeslyrik" lag die Beobachtung zugrunde, daß sich zwar eine Vielzahl von Publikationen mit Aspekten der Liebeslyrik oder der Ästhetisierung des Häßlichen beschäftigen, jedoch nur selten der Versuch unternommen wird, diese unter einer übergeordneten Fragestellung miteinander zu verbinden. Erklärtes Ziel der Veranstalterinnen Carolin Fischer und Carola Veit war die Relativierung der Vorstellung, daß Liebeslyrik ausschließlich von der Idealisierung einer Geliebten geprägt sein müsse. Vielmehr habe es neben der idealisierenden Liebeslyrik stets 'contre-textes' gegeben, die vorgegebene Muster parodierten oder auf andere Weise umbildeten. Das Thema sollte aus einer komparatistischen Perspektive diachron bearbeitet werden, wobei gattungshistorisch und -poetologisch sowie thematisch-inhaltlich ein offener Begriff von Liebeslyrik vorausgesetzt wurde.
Rezension zu Stéphane Michaud: Lou Andreas-Salomé: l'alliée de la vie. Paris (Editions du Seuil) 2000. 395 Seiten.
Lou Andreas-Salome (1861-1937) ist wieder ins Gespräch gekommen, wie eine Reihe von in den letzten Jahren erschienenen Veröffentlichungen zeigt. Diese neue und fast vierhundert Seiten starke Biographie setzt die Reihe jedoch nicht einfach fort, indem sie eine schillernde Frauengestalt der Jahrhundertwende, die als Weggefährtin Nietzsches, Rilkes und Freuds berühmt wurde, in den Mittelpunkt stellt. Der Komparatist Stéphane Michaud wollte nicht nur eine bewegte Lebensgeschichte nachzeichnen und den französischen Leser mit dem Thema bekannt machen. Vielmehr erstellt er die intellektuelle Biographie einer Frau, die als Autorin und Kritikerin bisher unterschätzt wurde.
Rezension zu Francine-Dominique Liechtenhan (Hg.): L'ours et le coq. Trois siècles de relations franco-russes. Festschrift für Michel Cadot. Paris (Presses de la Sorbonne Nouvelle) 2000. 286 Seiten.
Michel Cadot ist unter anderem als Germanist bekannt geworden, wie die ihm zu Ehren verfaßte Festschrift durch eine im Anhang abgedruckte Bibliographie dokumentiert, die dem umfangreichen Oeuvre Cadots gewidmet ist. Der thematische Schwerpunkt des Bandes bilden drei Jahrhunderte französisch-russischer Beziehungen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart.
Traumdiskurse der Romantik
(2005)
Bericht zur Internationalen Tagung an der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg, vom 25. bis 27. März 2004
Die Traumtheorien des romantischen Diskursfeldes um 1800 entfalteten erstmals die Vorstellung, dass der Traum selbst narrativen Techniken folgt. Die poetischen Traumerzählungen im Zeitalter der Romantik entwickelten nun neue Darstellungsverfahren, um den Traum ästhetisch abbilden zu können. Dabei wurde ein literarisches Wissen vom Menschen freigelegt, das über die Erkenntnisse der aufklärerischen Anthropologie und der Erfahrungsseelenkunde hinauswies. Das von der Fritz Thyssen Stiftung geförderte Symposion 'Traumdiskurse der Romantik' fand im Rahmen des von Peter-André Alt geleiteten DFG-Forschungsprojekts 'Literatur und Traum in der Kulturgeschichte Alteuropas bis zum Beginn der Moderne (1600-1820)' statt. Im Mittelpunkt der von Peter-André Alt und Christiane Leiteritz organisierten Tagung standen die Fragen nach dem Zusammenhang von Traum und Sprache, der Entdeckung des Unbewussten sowie der Beziehung zwischen Individualität und Universalität in den romantischen Traumtexten.
Kafka und die Weltliteratur
(2005)
Tagungsbericht zum internationalen Symposion an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken, vom 20. bis 23. September 2004
Die Veranstalter des Saarbrücker Symposions 'Kafka und die Weltliteratur', Manfred Engel (Saarbrücken) und Dieter Lamping (Mainz), wußten, daß sie mit ihrer Tagung die vielfältigen Differenzen innerhalb der Kafka-Forschung nicht würden ausräumen können. Wohl aber hofften sie, die schmale Konsensbasis der Kafka-Forschung durch einen neuen Zugangsweg zu vergrößern: Statt den Autor, wie schon so oft, als (bewunderten) Einzelgänger innerhalb der klassischen literarischen Moderne zu betrachten und alle Anstrengungen auf eine Deutung der Einzeltexte zu konzentrieren, ging es in Saarbrücken erstmals darum, Kafkas Dichtungen in komparatistischer Hinsicht zu kontextualisieren.
Bericht zur Interdisziplinären und Internationalen Tagung, 7.-10. Oktober 2002, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Die Geisteswissenschaften waren gewissermaßen immer schon eine gespenstische Angelegenheit. Versuchte man im Zeitalter der Hermeneutik, den reinen Geist zu beschwören, ohne ungebetene Gäste aus dem Reich der Toten einzuladen, so begrüßt man jene Gespenster heute herzlicher. Schließlich scheinen die Gespenster die Figuren des Zwischenraums, des Anderen, der Wiederholung sprachlich verfügbar zu machen und auf diese Weise zu Metaphern der Postmoderne zu werden. Um über die Diskursfigur dieser 'Un-Wesen' nachzudenken, luden Dr. Moritz Baßler (Rostock), PD Dr. Bettina Gruber (Bochum) und Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf (Münster) nach Münster ins Alexander-von-Humboldt-Haus ein zu einer unheimlichen Begegnung mit den 'Gespenstern' in ihren vielfältigen 'Erscheinungen - Medien - Theorien'.