Komparatistik online 2017 Heft 1 : Metamorphosen, Travestien und Transpositionen
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Der vorliegende Band widmet sich einer lange Zeit vernachlässigten und noch weitgehend unerforschten Subgattung der Lyrik, dem Dialoggedicht, um es stärker ins Zentrum interdisziplinärer literaturwissenschaftlicher Fragestellungen zu rücken. In der Tat bezeugen die Einleitung und die 24 Beitrage des Bandes die nachhaltige Präsenz dialogischer Lyrik in der internationalen Literaturgeschichte seit dem Mittelalter und der frühen Neuzeit, die sich über die Jahrhunderte hinweg in verschiedenen Literaturen mit erstaunlicher Kontinuität beobachten lässt.
Die Habilitation des Berner Literaturwissenschaftlers Matthias N. Lorenz untersucht die intertextuelle Auseinandersetzung mit Joseph Conrads "Heart of Darkness" (1899) im deutschen Sprachraum. Intertextualität fasst Lorenz im Anschluss an Ulrich Broich und Manfred Pfister als "bewusst intendierte" und "deutlich signalisierte Beziehungen" zwischen Texten. In einem 'close reading' kommen zunächst Zeitgenossen Conrads zur Sprache. Auf eine Latenzzeit der Conrad-Rezeption in der Nachkriegszeit folgt in den 80er Jahren eine Renaissance. Das längste Kapitel ist den Conrad-Lektüren von sieben Autorinnen und Autoren aus den Jahren 1986-2012 gewidmet. Hier leuchtet Lorenz feministische, kapitalismuskritische und postkoloniale Transformationen von "Heart of Darkness" aus. Schließlich rückt das Thema der Traumatisierung von Europäern in der Konfrontation mit Gewalt in Afrika in den Mittelpunkt der Betrachtung.
'Literatur und Medizin' ist nicht zwingend ein interdisziplinäres Arbeitsgebiet: In der Komparatistik fällt es unter den Bereich der Erforschung von Literatur und Wissenschaft und hat da eine gewisse Tradition. Anders verhält es sich mit dem Gebiet der "Medical Humanities", die als solche ein interdisziplinäres Arbeitsgebiet sind und für die es eigentlich keinen deutschen Begriff gibt. Der hier zu besprechende Band ist von einem Anglisten, Pascal Fischer, und einer Medizinhistorikerin und ethikerin, Mariacarla Bondio herausgegeben. Die beiden geben auf engstem Raum eine ausgezeichnete Einführung in die Tradition und Fragestellungen der "Medical Humanities" und zeigen Breite und Anschlussfähigkeit der Forschung.