Hugo von Hofmannsthal-Gesellschaft
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Wer heute die Modernität von Georges Lyrik behauptet, hat das Frühwerk, also Zyklen wie "Algabal" (1894), "Das Jahr der Seele" (1897) oder den "Teppich des Lebens" (1899) im Blick. Im Einklang mit der Poetik von Georges Lehrmeister Stephane Mallarme, der Lyrik französischer und belgischer Symbolisten scheinen sich diese Gedichte radikal von der Erfahrungswelt losgesagt und allein das Dichten selbst - den Inspirationsmoment, den kreativen Sprachprozeß, das gelungene Artefakt -a zum Gegenstand zu haben. Von ihnen unterscheiden sich die anschließenden Gedichtbände "Der Siebente Ring" (1907), "Der Stern des Bundes" (1919) und "Das neue Reich" (1928) durch ein Zurücktreten von Wortartistik und Sprachreflexion, und rascher als angemessen wäre hat man sich zu einem recht schematischen Kontrastdenken verführen lassen. Dessen Logik folgend, pflegt ein Großteil der Forschung der reinen, alle Buchstäblichkeit transzendierenden Spiritualität des Frühwerks die didaktische Intention der späteren Bände entgegenzustellen, dem Credo für das utopische Reich der Poesie hier das Plädoyer für ein (wenn auch "geheimes") "Deutschland" dort, der antimimetischen Poesie eine realistische, einer Kunst, die sich im Zirkel unendlicher sprachlicher Repräsentation dreht, eine andere, der Bezeichnung und Sachverhalt vorgeblich eins sind.
An der Behauptung, Georges Gedichte seien modern, ist entschieden festzuhalten, wenn es zu ihrer Legitimation auch neuer Modernitätskriterien bedarf. Im Bemühen, diese Suche voranzutreiben, konzentrieren sich die folgenden Überlegungen auf die von Georges Dichtung und Literaturpolitik stets bedachte Problematik der sprachlichen und bildlichen Repräsentation.
Der jüngeren George-Forschung ist mit wenigen Ausnahmen das hier aufgegriffene Thema fremd geworden. Nachdem von geisteswissenschaftlicher Seite mit dem Buch von Enid Lowry Duthie 1933 ein beachtlicher Anfang gemacht war, Georges Anknüpfung an den französischen Symbolismus zu erhellen, und die sorgfältige Studie von Claude David 1952 die von Duthie aufgeworfenen Fragen vertieft, erweitert und für längere Zeit auch abschließend beantwortet hat, ist es nur Bernhard Böschenstein in einer Reihe einzelner Studien gelungen, auch Georges Spätwerk zu poetologischen Positionen der französischen Dichtung um 1890 in Beziehung zu setzen: Georges Mallarmé-Rezeption zu seinem Blick auf Hölderlin, ein Gedicht aus dem "Neuen Reich" zu einem Text von Francis Vielé-Griffin von 1889. Das im Stefan George Archiv gesammelte, Georges Biographie betreffende Quellenmaterial hat Robert Boehringer 1967 weitgehend ausgewertet, einiges hat der Ausstellungskatalog "Stefan George und der Symbolismus" von Werner Paul Sohnle 1983 hinzufügen können, die brillant geschriebene George-Biographie von Thomas Karlauf baut für Georges Paris-Beziehungen auf diesem Material auf.