ZfL Blog : Blog des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
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Jameson argues that in 'a society bereft of all historicity', 'what used to be the historical novel can no longer set out to represent the historical past'. The 'postmodern fate' of the historical novel is to be forced to come to terms with 'a new and original historical situation in which we are condemned to seek History by way of our own pop images and simulacra of that history, which itself remains forever out of reach. Salman Rushdie's "Midnight's Children" (1981) and Patrick Süskind's "Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders" (1984) stand out as two hugely successful novels from this period that raise questions about historical representation within the space of the popular. They might therefore be used as test cases for Jameson's concerns. "Midnight's Children" is a sprawling story of Indian and British imperial and post-imperial history across the twentieth century. "Das Parfum" tells the tightly framed tale of a murderous perfumer in eighteenth-century France. Seemingly very different texts, they bear one curious similarity: both feature a protagonist with an unusually sensitive sense of smell.
In der Geschichte moderner Gesellschaften sind Zeitschriften und Öffentlichkeit so eng aufeinander bezogen, dass sie nahezu synonym erscheinen. Schließlich soll Öffentlichkeit derjenige Raum sein, in dem freie Menschen sich als Gleiche begegnen und über Belange kommunizieren, die von allgemeinem Interesse sind. In Gemeinwesen, in denen gesellschaftliche Auseinandersetzung und Selbstvergewisserung nicht durch unmittelbaren Kontakt garantiert sind, helfen Zeitschriften dabei, Öffentlichkeit - oder ausdifferenzierte Teilöffentlichkeiten - herzustellen. Sie tun dies, indem sie Texte und Bilder, Gattungen und Disziplinen, Stimmen und Stimmungen versammeln und bündeln, und indem sie in mal mehr, mal weniger regelmäßiger Folge öffentlichen Austausch auf Dauer stellen.
Leicht lässt sich das Nachträgliche und Artifizielle an Konstruktionen wie 'French Theory' herausstellen: Sie unterstellen eine Einheit, wo es keine gibt, scheren Theoretiker*innen verschiedenster Hintergründe und mit unterschiedlichsten Interessen über einen Kamm. Dennoch bietet die Rede von einer 'French Theory' - im Gegensatz zu den ebenfalls außerhalb von Frankreich entstandenen und popularisierten Sammelbegriffen Poststrukturalismus oder Postmoderne - einige Vorteile. Sie verpflichtet die disparaten Theorien erstens nicht auf ein gemeinsames Programm und verweist zweitens darauf, dass die Produktion von Theorie an einem bestimmten Ort geschieht, in diesem Fall im Frankreich der 1960er und 1970er Jahre, und ihre Entstehung an einen gesellschaftlich-politischen Kontext sowie an institutionelle Rahmenbedingungen gebunden ist. In jüngerer Vergangenheit drängt sich zunehmend die Frage nach einer möglichen 'Brazilian Theory' auf. Bereits 2014 erschien in Deutschland, allerdings in englischer Sprache, unter dem Titel "The Forest and the School" eine erste Anthologie. In den folgenden Jahren nahm das Interesse an Theorie aus (und über) Brasilien spürbar zu, was sich nicht zuletzt in einer Reihe von Übersetzungen niederschlug. Als Timo Luks diese Entwicklung 2020 unter dem Titel "Brasilianische Interventionen" im Merkur reflektierte, konnte er bereits feststellen: "Brasilen ist Gegenstand unseres Nachdenkens und Provokation für unser Denken". Selbst von einer sich andeutenden "Brasilianisierung der Theorie" ist hier die Rede. Doch lässt sich angesichts der zunehmend vernetzten, internationalen und multilingualen Welt, in der diese Theorie entsteht, überhaupt noch sinnvoll das Label eines Nationalstaats verwenden?
Am zweiten Wochenende des Oktobers 1913 versammelten sich weit über zweitausend junge Frauen und Männer auf dem Hohen Meißner in Hessen. Eingeladen zu diesem Treffen hatte eine lose Vereinigung von Jugendbünden, die den patriotischen Auswüchsen des Kaiserreichs etwas entgegensetzen wollten. Denn im gleichen Monat fanden die offiziellen Festakte zum hundertjährigen Jubiläum der sogenannten Völkerschlacht bei Leipzig statt, in der die napoleonischen Truppen ihre entscheidende Niederlage erlitten hatten. Anlässlich des Rückblicks auf dieses historische Ereignis sollte ein monumentales Denkmal eingeweiht werden. Zu den jugendlichen Gegnern der Reichspolitik gehörten Gruppierungen der Wandervögel und Lebensreformer, die sich für einen fundamentalen Wandel einsetzten. Ihr politisches Ziel war es, die Geschlossenheit einer Jugendbewegung zu demonstrieren, die nichts mehr mit den alten Feindschaften zu tun hatte. Die Alternativveranstaltung war als ein "Fest der Jugend" gedacht, das die Sehnsucht nach einem anderen Leben zum Ausdruck bringen sollte. Die Bewegung forderte unter anderem ein neues Naturverhältnis, das den Ausgangspunkt einer sozialen und ökologischen Gegenwelt zur modernen Gesellschaft mit ihren zerstörerischen Tendenzen bilden sollte. [...] Im Kontext der zweiten Umweltbewegung, die zeitgleich mit den neuen sozialen Bewegungen der Nachkriegszeit entstand, hat die Biologin Lynn Margulis in ihrem Buch "Symbiotic Planet" (1998) eine Sicht auf die Evolution entfaltet, bei der ebenfalls nicht die Konkurrenz der Lebewesen maßgeblich ist, sondern deren Verbundenheit.
Die spezifisch französische Sicht auf die Schlacht von Poitiers hat die periphere Position des damaligen Europas unkenntlich werden lassen. Verdrängt wurde damit vor allem, dass zu diesem Zeitpunkt südlich von Poitiers islamische Herrscher nicht nur Nordafrika, sondern auch weite Teile Europas erreicht hatten. Al-Andalus, das islamische Spanien (711–1492), war zum Zeitpunkt der Schlacht weit mehr als ein islamischer Außenposten auf europäischem Boden. Nicht nur, dass sich die Grenzen zwischen al-Andalus und dem kastilischen Spanien im Zuge der jahrhundertelangen Reconquista ständig verschoben, sie waren auch ausgesprochen durchlässig für Sprachen, Wissen und Literatur. Diese inter- und transkulturelle Gegenwelt von al-Andalus hat in der philosophischen und literarischen Tradition Europas vielfältige Spuren hinterlassen.
Gegenwelten, so eine sozialwissenschaftliche Definition, entstehen, wenn sich Teile der Gesellschaft von "etablierten Denk- und Verhaltensweisen" abwenden und "alternative Vorstellungen über bestehende politische, soziale oder kulturelle Gegebenheiten" entwickeln. Häufig verweist das Wort auf das viel diskutierte und schwer fassbare Phänomen des 'Postfaktischen'. Zugleich legt die Rede von 'Gegenwelten' die Frage nahe, ob jene Teile der Gesellschaft tatsächlich nur "alternative Vorstellungen" entwickeln oder nicht vielmehr 'in ihrer eigenen Welt leben'.
Eine Woche lang trafen sich Vertreter*innen des Cinema Spaces Network (CSN) im Berliner Humboldt Forum. Abend für Abend gab es eine Cine Lecture, in der nichtstaatliche Initiativen aus Burkina Faso, Kenia, DR Kongo, Sudan und Südafrika ihre Anstrengungen vorstellten, dem Kino in ihrem Land Raum und Publikum zu verschaffen; sie sind alle auf der Website des CSN archiviert. Im Anschluss an die Lectures wurde ein von den Aktivist*innen ausgesuchter Film gezeigt, wodurch eine Art Zufallspanorama des afrikanischen Kinos entstand. Durchgehend trat dabei die Spannung zwischen politischem Anspruch und den filmkünstlerischen Entscheidungen der hier vertretenen Regisseure zutage. Deutlich wurde bei all dem nicht zuletzt, dass die Realitäten, die unter dem Schlagwort 'Afrikanisches Kino' verhandelt werden, zwar extrem unterschiedlich sein können, aber alle Akteur*innen doch wie selbstverständlich daran festhalten.
Vor gut zehn Jahren rückte der NSU-Komplex ins Licht einer ahnungslosen Öffentlichkeit. Mit jedem neuen Detail der Mordserie, die bis zu diesem Punkt in den hinteren Mediensegmenten ein belangloses Dasein als 'Dönermorde' fristete, sandte eine Terrororganisation, die sich Nationalsozialistischer Untergrund nannte und die Morde nun öffentlich für sich reklamierte, nachträglich Schockwellen ins öffentliche Bewusstsein. Als Antwort auf den Terror, der sich direkt vor ihren Augen und doch jenseits ihrer Aufmerksamkeit abgespielt hatte, eröffnete die Gesellschaft, vertreten durch die Bundesanwaltschaft, dann am 6. Mai 2013 einen Prozess. Den Strafprozess als jenes öffentliche Verfahren, das die Ausübung legaler Gerechtigkeit verspricht - Gerechtigkeit durch Prozess und Gesetz -, nennt die amerikanische Literaturtheoretikerin Shoshana Felman "die angemessenste und wesentlichste, letztlich bedeutsamste Antwort der Zivilisation auf die Gewalt, die sie verwundet". Das Verfahren dieser Antwort verfolgt aber nun einen dezidiert eigenen Zweck, mit einem durchaus anderen Fokus als dem der gesellschaftlichen Aufarbeitung. Die Spannung zwischen dem innerrechtlichen Ziel einerseits - der Feststellung individueller Schuld - und dem gesellschaftlichen Bedarf an Aufarbeitung andererseits durchzieht den gesamten NSU-Prozess und prägt nicht zuletzt die Art, wie der gesamte NSU-Komplex dabei in Erscheinung und auf die Bühne der Welt tritt. Die Frage, wer wann, wo und wie in Erscheinung treten und teilhaben kann, betrifft den Kern des NSU-Terrors selbst. Der Prozess, der diesen Terror verhandelt, partizipiert gleichzeitig selbst performativ an der Frage des Erscheinens. Als eine eigene Miniaturbühne der Welt entscheidet das Gericht nicht nur über Schuld und Unschuld als Ergebnis des Prozesses, sondern eben auch darüber, wer wo und wie zu diesem Zweck erscheinen und durch seine Rede daran teilhaben kann. Während im Prozess einerseits alle Scheinwerfer auf die Hauptangeklagte gerichtet waren, um deren individuelle Schuld es in dem Verfahren primär ging - eine Hauptangeklagte, die sich dem Auftreten aber gerade verweigerte -, hat das Verfahren andererseits die Opfer und Hinterbliebenen an den Rand gedrängt, von dem her diese aber nun die gesellschaftlich entscheidenden Fragen aufwerfen. Diese doppelte Asymmetrie des Erscheinens im Prozess prägt bis heute das, was wir den NSU-Komplex nennen.
Es kommt wieder vermehrt zu Tragödien durch das Kentern von Flüchtlingsbooten. Mindestens 1.500 Menschen starben so 2021 allein im Mittelmeer. Angesichts dieser bestürzenden Realität sprach der Papst in seiner Ansprache, wie schon fünf Jahre zuvor, von einem "Schiffbruch der Zivilisation". Das Mittelmeer als Wiege verschiedener Zivilisationen dürfe sich nicht in einen "Spiegel des Todes", das "Mare Nostrum" dürfe sich nicht in ein "trostloses Mare Mortuum" verwandeln. Die Verwendung von Seefahrtmetaphern hat in der Geschichte des europäischen Denkens Tradition und mag daher nicht besonders originell erscheinen. Im Zusammenhang mit den im Mittelmeer und im Ärmelkanal ertrinkenden Menschen entfaltet sie dennoch große Wirkung. Dem physischen Untergang der Flüchtlingsboote durch unterlassene Hilfeleistung wird der moralisch-zivilisatorische Untergang Europas, ja, der ganzen Menschheit an die Seite gestellt - denn wie der Papst betont, ist Migration nicht nur ein regionales, sondern ein globales Thema. Aufgrund ihrer Prägnanz wurde deshalb wohl auch genau diese Metapher aus der Rede des Papstes weltweit in die Titel der Zeitungsberichte gehievt. Aber was soll durch die Verwendung der Schiffbruchmetapher ausgedrückt werden? Welche Funktion erfüllt sie? Und was ist überhaupt mit Zivilisation gemeint?
Für Jorge Luis Borges ist die Bibliothek Ort unermesslichen Wissens und Metapher für die Unendlichkeit. Umberto Eco beschreibt sie in "Der Name der Rose" als einen Raum voller Kräfte, als Schatzhaus voller Geheimnisse. Mögen sich die Bibliotheken über die Jahrhunderte auch einen Teil dieses Zaubers bewahrt haben, sind sie heute mehr denn je moderne Informationseinrichtungen in einer digitalen Gesellschaft. Vor allem in großen wissenschaftlichen Bibliotheken ist dieser Wandel spürbar; als Dienstleistungsunternehmen ist ihre Atmosphäre von Betriebsamkeit und Anonymität geprägt. Kleinere Institutsbibliotheken hingegen haben sich stärker einen Teil des Magischen bewahren können. In gewisser Weise verfügen sie über eine besondere Atmosphäre, einen "spirit", geformt von dem Ort selbst und den dort anwesenden Menschen. Auch in der Bibliothek des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung (ZfL) liegt ein ganz besonderer Bücherduft in der Luft, in dem die Zeit konserviert scheint. Die Geschichte dieser Bibliothek ist geprägt von etlichen Brüchen und Umbrüchen und spiegelt damit, gleichsam als Gedächtnis ihrer wechselnden Trägereinrichtungen, nicht zuletzt auch deutsch-deutsche Geschichte wider.
Diversität - und mehr noch das englische 'diversity' - ist ein Zauberwort, das für die verschiedensten Anliegen verwendet werden kann: vom bloßen Lobpreis der Vielfalt über den Appell bis hin zur regulativen Idee globalen politischen Handelns. Der Anthropologe Steven Vertovec sieht in diesem Wort Potential für ein "organizing concept" der Sozial- und Lebenswissenschaften. In der Tat ist Diversität nicht nur ein Bezugspunkt verschiedener Wissenschaften. Auch Körperschaften wie Schule und Universität regeln Chancengleichheit und Zugang im Namen von Diversität, und Unternehmen betreiben ein sogenanntes Diversitätsmanagement, bei dem heterogene Belegschaften zu einer wirtschaftlichen Ressource funktionalisiert werden. Vermutlich ist es gerade der vielfachen Adressierbarkeit geschuldet, dass wir es bei 'Diversität' mit einem politisch hochgradig überformten, theoretisch jedoch weithin unterbestimmten Begriff zu tun haben.
Die Literatur blickt dem Tod ins Auge, indem sie die Lügen derjenigen (Figuren) entlarvt, die es sich außerhalb der Kunst in einer verlogenen Realität eingerichtet haben. Verlogen ist diese Realität, weil sie die Augen vor dem Tod verschließt, indem sie Erfindungskraft und künstlerischen Ausdruck - als Weg, der tödlichen Realität entgegenzutreten - zur Krankheit stilisiert. Zugleich sind beide Texte sanft und solidarisch mit ihren zentralen Figuren, da sie nicht abschließend urteilen. Das ist konsequenterweise literarisch auch gar nicht anders möglich, denn vor dem Tod sind alle gleich. Die Romane selbst dürfen für diesen Effekt gerade nicht Realität sein. "[D]ie Realität ist nur das Ausgangsmaterial ['la réalité n’est qu’un matériau de départ']" (V, 617; A, 733), heißt es im Houellebecqs Roman nachgestellten Dank. Um bei der Bewältigung der Schrecken des Sterbens zu helfen, müssen Romane wie auch die intradiegetischen literarisch erwähnten Texte "erfunden ['inventées']" und "anders ['autres']" sein (V, 559; A, 667).
Als 2011 der 50. Jahrestag von Juri Gagarins Weltraumflug vom 12. April 1961 gefeiert wurde, fiel der "hohe Grad der Ratlosigkeit" auf, der bei den Feierlichkeiten rund um den Globus vorherrschte. Zwar gab es eine Vielzahl von Veranstaltungen, Ausstellungen und anderen medialen Events, doch sei das Gedenken, bei dem "unterschiedliche Sinngebungen und Politisierungen" sich kreuzten, insgesamt eher ungeordnet und gedankenlos verlaufen. Seither ist einiges passiert, vor allem bei den alten Konkurrenten des Wettlaufs im All und der aufstrebenden Industriemacht China. Die Volksrepublik hat erfolgreich ihr eigenes Weltraumprogramm mit bemannten und unbemannten Flügen sowie einer eigenen Raumstation aufgelegt, und in den USA entfalten die NASA mit ihren Marsmobilen und Privatunternehmen wie SpaceX des Elektroautobauers Elon Musk wieder stärkere Aktivitäten. Selbst Russland hat sich nach dem "verkorksten Gagarin-Jahr"] 2011 wieder ambitioniertere Ziele gesetzt. Juri Gagarin als Kulturheros und Erinnerungsfigur kommt dabei eine zentrale, symbolträchtige Rolle zu, wie ein Blick auf das Gedenken an Gagarins Pionierleistung zum 60. Jubiläum im vergangenen Jahr zeigt.
Am 17. Januar 2022 jährt sich der Todestag des russischen Dichters und Schriftstellers Warlam Schalamow zum vierzigsten Mal. Mit seinen sechs Zyklen umfassenden "Erzählungen aus Kolyma" setzte er den Tausenden Toten in den Zwangsarbeitslagern des GULag ein bleibendes literarisches Denkmal. Der Jahrestag bietet nicht nur Anlass, sich mit Schalamows Ringen um eine literarische Aufarbeitung des staatlich organisierten Massenterrors gegen die eigene Bevölkerung auseinandersetzen. Ein Archivfund rückt auch seine Sorge um die Rezeption seiner Texte ins Blickfeld. Da in der Sowjetunion die Erinnerung an Terror und Gewalt tabuisiert wurde, kursierten diese zu Lebzeiten nur in Abschriften des Samisdat ('Selbst-Verlag') und blieben für das breite sowjetische Lesepublikum unzugänglich. Die ersehnte Anerkennung blieb ihm verwehrt. Mittlerweile werden seine Werke in Russland gedruckt und aus Anlass des Todestages würdigen Konferenzen seine literarische und menschliche Lebensleistung. Doch Schalamows Imperativ des Erinnerns, der Wahrung des Gedächtnisses an die stalinistischen Verbrechen trifft heute zugleich auf das Bestreben der russischen Machthaber, dieses Gedächtnis erneut mit repressiven Mitteln auszulöschen.
Als das ZfL 1996 unter dem Namen Zentrum für Literaturforschung seine Arbeit aufnahm, gehörte der jüngst verstorbene Rainer Rosenberg zu den ersten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Bis zu seiner Pensionierung 2001 leitete er das Projekt "Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft seit 1945 - Veränderungen des Literaturbegriffs", an dem auch Petra Boden mitarbeitete. In ihrem Nachruf erinnert sie an einen in der DDR sozialisierten Germanisten, der besonders mit seinen Arbeiten zur Literatur des Vormärz und zur Geschichte der Germanistik bekannt geworden ist.
First as a student of comparative literature with a focus on German and then as a professor of German Studies, I’ve been traveling back and forth to Germany for three decades, almost exactly the age of the reunified German state. I have stayed for weeks, for months, or for more than a year at a time. I have lived in Leipzig, in Cologne, and in Munich, but I have spent by far the most time in Berlin, a place that I have come to consider a second home. Throughout that time, Germany has changed enormously, both demographically and attitudinally. In relation to diversity in general and in its relationship to Jews.
"Calderón als religiöser Dichter" ist einer von Krauss' interessantesten Aufsätzen der frühen Jahre, von denen "einige zur Zeit ihres Erscheinens wissenschaftlich bahnbrechend waren", wie Hans Ulrich Gumbrecht in seinem Porträt von Werner Krauss in "Das Leben und Sterben der großen Romanisten" konstatiert. [...] Erwartbar wäre gewesen, in Calderón das Ende des mittelalterlich geprägten Kosmos zu sehen, des imperialen 'Goldenen Zeitalters' Spaniens (ca. 1550 bis 1680), in dem es im barocken Schauspiel zu Exzessen der illusionistischen Überwältigung und Massenspektakeln des Glaubens kam. Doch für Krauss ist Calderón vielmehr ein Weg, der direkt in die Dialektik der Aufklärung führt. Das Rettbare, das auf die Praxis des konkreten Handelns Beziehbare muss bei Calderón das Widerständige sein, das auch Carlo Barck an Krauss' Studie faszinierte. [...] Zwei Gedanken lassen sich aus seinem Artikel filtern, die sich an aktuell stark diskutierte Probleme anschließen lassen. Zum einen geht es um Materialität, zum anderen um humanistische Anliegen, die sich in den Kulturtechniken einer Religionskultur wie der des spanischen Katholizismus des 17. Jahrhunderts auffinden und aktualisieren lassen, etwa im Bilderhandeln oder im Umgang mit Schuldempfinden. Es spricht für Krauss' weitreichendes Verständnis religiöser Phänomene, dass er an ihnen Dinge wie Präsenz, Immersion und Liminalität auf den Punkt bringen konnte.