150 Psychologie
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Double blind - psychogene und psychosomatische Sehstörungen nach Sigmund Freud und Georg Groddeck
(2019)
Die Psychoanalyse des frühen 20. Jahrhunderts nahm in ihren Überlegungen Sehstörungen zum Anlass, um das Funktionieren des gesunden Auges, vor allem aber die Funktionsweisen der menschlichen Psyche zu thematisieren. Anne-Kathrin Reulecke zeigt, dass sowohl Sigmund Freud als auch Georg Groddeck davon ausgingen, dass das Sehen keine rein physiologische Fähigkeit, sondern vielmehr eine psychologisch sowie sozial und kulturell präfigurierte Aktivität ist. Sie legt dar, dass Freud eine nichtorganisch bedingte Sehstörung, die sogenannte hysterische Blindheit, als Effekt eines innerpsychischen Triebkonflikts und als dessen gleichsam neurotischen Ausweg deutet. Groddeck hingegen bestimmt das gesunde Auge als Organ eines grundlegenden Nicht-alles-sehen-Könnens. Die Kurzsichtigkeit betrachtet er als sinnvolles Hilfsmittel des Körpers, das dann eingesetzt wird, wenn die normale Tätigkeit des Verdrängens beim Sehen, die Selektion gefährlicher Bilder, nicht ausreichend funktioniert.
Der Aufsatz sieht in Freuds Begriff des Unheimlichen einen Schlüssel zu seiner Poetik. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bietet allerdings nicht seine bekannte Interpretation des Textes von E.T.A. Hoffmann, sondern die narrativen Elemente des Textes, in denen er auf indirekte Weise Aufschluss über seinen Begriff der Psychoanalyse gibt. Als Theorie und Praxis der Dichtung ist Freuds Aufsatz über Das Unheimliche nicht nur eine Theorie ein wichtiger Bestandteil seiner Poetik.