200 Religion
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Religiöser Fundamentalismus wird häufig als Reaktion auf die Dominanz der westlichen Zivilisation gedeutet – doch reicht diese Betrachtungsweise aus, um die Konfliktlinien zwischen radikalen Fanatikern und religiösen Liberalisten zu verstehen? Aus ihren jahrzehntelangen Erfahrungen mit »Theologie interkulturell« können die katholischen Theologen der Universität Frankfurt zusätzliche Denkanstöße für diese Debatte in der globalisierten Welt geben: Das religiöse Bewusstsein, ob im Christentum, Islam, Hinduismus oder in anderen Religionen, ist immer geprägt von einer unauflöslichen Dialektik – von der grundlegenden Unterscheidung zwischen Gott und der erlösungsbedürftigen Welt und von der Gegenwart des Göttlichen in der Welt. Wenn dieses sensible dialektische Gefüge gestört wird, wenn beispielsweise die eigene religiöse Welt mit der Wahrheit Gottes gleichgesetzt wird, wie Fundamentalisten aller Religionen es praktizieren, ist auch der interkulturelle Dialog in Gefahr.
Les rapports du politique et de la religion et leur transformation au temps de et par la Réforme, dans le Saint Empire, la France et l’Angleterre, tels sont les objets des six articles de ce recueil. La Réforme fut-elle un mouvement populaire ou une initiative des princes, et dans ce dernier cas, comment le souverain parvint-il à vaincre les résistances, d’autant plus que l’espace du politique ne se bornait pas à l’État, les élites intellectuelles et sociales, théologiens et juristes de la bourgeoisie citadine allemande, gentry anglaise, nobles et bourgeois en France étant elles aussi des acteurs très présents? Si, d’un côté, il y eut désacralisation du monde et une relative autonomisation du politique, de l’autre la théologie politique fut renouvelée par les spirituels réformés qui reposèrent, entre tradition et innovation, la question de la légitimité du pouvoir et du partage de la souveraineté dans le cadre de la théorie des trois états, qui parfois allèrent même jusqu’à revendiquer, comme en Angleterre, un droit d’examen du politique, et justifier le droit de résistance. La circulation des idées dans l’Europe de la Renaissance, servie par l’universalité du latin, créa un univers intellectuel commun, mais néanmoins la diversité de destin des États fut patente: dans ce XVI e siècle des réformes, l’Allemagne et l’Angleterre parvinrent à des compromis, certes très différents, la paix d’Augsbourg (1555) et l’anglicanisme d’Élisabeth, tandis que la France fut déchirée par les guerres de religion. ...
Die vielen Tode des Sokrates : zum Schicksal einer Figur der abrahamitischen Religionskulturen
(2011)
Einer der ersten islamischen Philosophen, der sich mit der griechischen Philosophie eingehend befasste, war der iranische Gelehrte Abu al-Hasan al-Amiri (gest. 992). In seiner auf Arabisch verfassten Abhandlung 'Al-Amad ala al-abad' ('Über das Leben nach dem Tod') wird die Thematik des Lebens nach dem Tod auf eine Reihe von Argumenten gestützt, welche die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen suchen. Hierbei beruft sich al-Amiri nicht nur auf Aristoteles, sondern auch auf die Lehren von Empedokles, Pythagoras, Sokrates und Platon, die er in der Einleitung seiner Schrift namentlich erwähnt. Nur diese fünf Denker verdienten es, als die Weisen (al-hukama) bezeichnet zu werden. Auf andere griechische Denker träfe diese Bezeichnung nicht zu, da sich diese nur in einzelnen Wissensbereichen etabliert hätten, ohne grundlegende Kenntnis der Gotteslehre ('al-'ulum al-ilahiya', wörtlich: 'göttliche Wissenschaften'), besessen zu haben. Im al-Amad findet sich auch eine bemerkenswerte, wenn auch äußerst knappe biographische Skizze von Sokrates.
1890’lı yıllarda Alman filozof Edmund Husserl’in çalısmaları ile temelleri atılmıs bir bilim dalı olan fenomenoloji, dini, estetik, ahlaki ve duygusal her türlü dogrudan deneyimi analiz edip betimleyen felsefi bir yaklasımdır. Fenomenolojinin din arastırmalarında kullanılması, farklı dini bakıs açılarının oldugu gibi anlasılabilmesine, kisinin önyargılarından kurtularak diger inançları dogru ve tarafsız bir sekilde anlayabilmesine fırsat verebilecegi düsüncesine dayanır. Din egitiminde fenomenolojik yöntem, dinlerarası din ögretimi yaklasımı ile Ingiltere’de uygulama alanı bulmus ve daha sonra ortaya konulacak olan din egitimi uygulamalarına esas olusturmustur. Bu yaklasımda farklı dinlere deger veren, genel bir din olgusu anlayısına sahip bireylerin yetismesi hedeflenmektedir. Bu makalede fenomen ve fenomenoloji kavramlarına deginildikten sonra din arastırmalarında ve din egitiminde fenomenolojik yaklasımın nasıl bir iz bıraktıgının ortaya konulması amaçlanmıstır. Bu amaç çerçevesinde, Ülkemizdeki din ögretiminde çok kısmi bir fenomenolojik bir yaklasımın var oldugu, bu yöntemle sadece inanç konusunun ögretimin yapıldıgı, inanç olgusu çerçevesinde bazı Islam içi mezhep ve yorumlar ile diger dinlere ortak ögeler ön plana çıkarılarak ögretim programında yer verildigi tespit edilmistir.
Die hier veröffentlichten Vorträge wurden von Daniel Weidner und Stefan Willer am 9. Juni 2016 als Antrittsvorlesungen am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin gehalten. Daniel Weidner ist dort Professor für Kulturforschung mit dem Schwerpunkt Religion, Stefan Willer Professor für Kulturforschung mit dem Schwerpunkt Wissensgeschichte. Beide sind stellvertretende Direktoren des ZfL.
1777 veröffentlicht Lessing 'Über den Beweis des Geistes und der Kraft', eine seiner Streitschriften zur Bibel. Letztlich, argumentiert er hier, sei die Echtheit der Bibel gar nicht entscheidend, weil historische Tatsachen ohnehin nicht von allgemeinen Wahrheiten überzeugen könnten. Dieser Unterschied von zufälligen Geschichtswahrheiten und notwendigen Vernunftwahrheiten sei, so die berühmte Formulierung, der "garstige breite Graben" über den er nicht kommen könne, so oft und ernstlich er auch den Sprung versucht habe. So einen Graben mag einer vor sich sehen, wenn er vor einer Antrittsvorlesung steht, einem akademischen Schwellenritual, das wo keinen Sprung so doch einen entschiedenen Schritt erfordert. So einen Graben gibt es auch in der Sache: Man steht vor einem weiten Feld - in meinem Fall Kulturforschung mit Schwerpunkt Religion - dessen Grenzen sich im Ungefähren verlieren. Aber es ist nicht ganz leicht, auf dieses Feld zu kommen, es gibt Hindernisse, Schwellen, mögliche Missverständnisse - eben einen Graben. Es ist nicht mehr wie bei Lessing der Graben von Geschichte und Vernunft oder wie später bei Kierkegaard die Kluft zwischen Vernunft und Glauben. Eher schon ist es der historische Abstand, mit dem jede kulturgeschichtliche Untersuchung zu tun hat. In meinem Fall ist es auch noch ein anderer Graben, es ist der Abstand oder die Spannung von Kultur und Religion - von Forschung einmal zu schweigen -, und damit verbunden auch die Spannung von Religion und Moderne. Denn es ist nicht ganz leicht, Kultur und Religion in ein Verhältnis zu bringen, und es ist es besonders schwer in der Moderne.
Im Folgenden werde ich die Rückkehr der Orthodoxie in drei Schritten am georgischen Beispiel erörtern. Im ersten Schritt werde ich die Rückkehr der Orthodoxie im Problemfeld des säkularisierten Staates verorten und einen Vergleich mit der Repolitisierung des Islam ziehen. Im zweiten Schritt werde ich die Rückkehr der Orthodoxie als nationalistische Ideologie beschreiben. Im dritten Schritt werde ich dieses Comeback aus der Erfahrung des Totalitarismus zu verstehen versuchen.
Wie muss man Religion fassen? Wo kann man sie im Individuum verorten, wenn man sie nicht primär in der Gesellschaft, im Kollektiven suchen will? Welche Perspektiven kann sie erschließen, wenn man die Einzelne oder den Einzelnen nicht von der Gesellschaft isolieren will? In einer phänomenologischen Analyse schlage ich vor, dafür drei Felder in den Blick zu nehmen. Zum Ersten: Wo stärkt sie die Handlungsfähigkeit des Einzelnen, seine Kompetenz und Kreativität im Umgang mit den täglichen, aber auch außeralltäglichen Problemen, wo erhöht sie die Wahrscheinlichkeit, dass er sich 'agency' zuschreibt oder diese in der situativen Konstellation zugeschrieben wird? Zum Zweiten: Wie trägt sie zur Ausbildung kollektiver Identitäten bei, die den Einzelnen als Teil einer Gruppe, eines sozialen Gebildes ganz unterschiedlicher Gestalt und Stärke handeln oder denken lassen? Und schließlich: Welche Rolle spielt Religion in der Kommunikation, wie verfestigt sie sich als Medium solcher Kommunikation, das dann weitere, vielleicht sogar unbeabsichtigte Kommunikationen anstößt und diese vorprägt?
Nach Günter Thomas, der sich mit verschiedenen Formen religiöser Zeugenschaft befasst und kritisch in Frage stellt, ob es sich ausgerechnet beim Märtyrer um den paradigmatischen religiösen Zeugen handelt, ereignet sich Zeugenschaft in Situationen und Konstellationen. Stärker als um eine Suche nach einem Grundmodell von Zeugenschaft geht es Thomas um eine Untersuchung der "spezifischen Differenzen und Differenzierungen" in verschiedenen sozialen Sphären. Eine genauere Untersuchung der religiösen Zeugenschaft erlaubt es, unterschiedliche "Modi der Gewissheit" und "Techniken der Überzeugung" zu differenzieren und die der religiösen Zeugenschaft eigenen "originären Konstellationen" herauszustellen. Dabei thematisiert er vier Typen des religiösen Zeugnisprozesses: den Auferstehungszeugen, den Märtyrer, das diakonische Zeugnis und die Zeugniskette. Das Zeugnis des Märtyrers wird als Tatzeugnis dargestellt, das von einem weiteren Zeugen (mündlich oder vor allem schriftlich) beglaubigt werden muss. Ein unsichtbares Martyrium kann nicht Zeugnis sein; "[d]ie Gewissheit der Märtyrer ist so eine diskursive Konstruktion von Beobachtern". Auch hier findet sich die doppelte Struktur des Zeugnisses. Thomas weist darauf hin, dass es gerade im Bereich der religiösen Zeugenschaft nicht nur natürlich-sprachige Zeugnisse, sondern - wie am Beispiel der Diakonie zu beobachten - Handlungen gibt, die als Tatzeugnisse Ereignisse mit performativer Dimension sind. Da diese Handlungen selbst Medien der Kommunikation sind und im sozialen Kontext Dynamiken entfalten, ist auch hier von einer hohen Komplexität der jeweiligen Konstellationen zu sprechen.
Henning Theißen entwirft das Modell einer religiösen Zeugenschaft, die eine Alternative darstellen soll zu den vorherrschenden Kategorien: der Mission als persuasivem Zeugnis und dem Martyrium als einem Zeugnis der existentiellen Involviertheit. Er diskutiert dies zunächst vor der Folie juridischer und epistemischer Zeugenschaft. So thematisiert er die Vereidigung des Zeugen vor Gericht als eine Metastruktur, als Zeugnis für die Glaubwürdigkeit des Zeugen, das die Aussage überzeugend machen soll. Theißen verwendet hier den aus dem Neuen Testament (Hebr. 12:2) stammenden Begriff der "Wolke von Zeugen", in die der beeidigende Zeuge eintritt und in der wiederum Gott zum Zeugen angerufen wird. Wir finden hier eine ähnliche Struktur wie beim Zeugenschaftshelfer und bei den Überzeugungsfiguren. Glaubwürdigkeit muss selbst in irgendeiner Weise bezeugt sein. Das bedeutet, dass Szenarien und Konstellationen von Zeugenschaft notwendigerweise immer eine komplexe Struktur haben; beim religiösen Bekenntniszeugen, der in eine "Wolke von Zeugen" eintritt, ist dies durch Zeugenketten gewährleistet. Schließlich entwickelt Theißen das Modell einer 'angenommenen' (adoptierten) Gewissheit, der er eine unmittelbar gezeugte Gewissheit gegenüberstellt: Gewissheit entsteht durch einen Vertrauensvorschuss; das Zeugnis muss sich in einem dynamischen Prozess in der Folge (zum Beispiel im Abgleich mit anderen Zeugnissen) bewähren.
'Heilige Texte' werden in der Forschung derzeit höchst kontrovers diskutiert. Eine Theorie des heiligen Textes ist dabei allerdings bislang weder seitens der Religions- noch der Literaturwissenschaften entwickelt worden. Dieser symptomatischen Leerstelle begegnen die hier versammelten Beiträge, indem sie Lektüren, Praktiken und Adaptionen 'heiliger Texte' untersuchen, aus denen eine Theorie des heiligen Textes in der Moderne entwickelt werden kann. Sie betrachten die Verbindungen zwischen theologischen und literarischen Texten aus so unterschiedlichen Perspektiven wie Religionswissenschaft, Theologie, Literatur-, Kultur- und Kunstwissenschaften.
Jürgen Habermas und Talal Asad zählen zu den bedeutendsten Protagonisten des Diskurses um die postsäkulare Gesellschaft. In der vorliegenden Arbeit unternehme ich eine vergleichende Lektüre zentraler Schriften beider Autoren. Dabei versuche ich, möglichst präzise zu beschreiben, wie Habermas und Asad einen neuen Blickwinkel auf die Verhältnisbestimmung von Religion und Gesellschaft in der Gegenwart freigeben und plausibilisieren.
Einen zentralen Stellenwert schreibe ich der Tatsache zu, dass hierfür von beiden der Begriff der ‚Übersetzung‘ herangezogen wird. Ziel der Untersuchung ist es folglich, erste systematisierende Vorstöße bezüglich des Begriffspaars ‚Religion übersetzen‘ zu leisten. Dabei gilt es ein Bündel an Forschungsfragen zu beantworten: Wie wird der Begriff der Übersetzung verstanden? In welcher Art und Weise kommt Religion im Werk der Autoren zur Sprache? Auf welche Aspekte der Religion soll sich die Übersetzungsleistung beziehen? Wer sind die Subjekte dieser Übersetzung? Und schließlich, welche Chancen und Probleme bringen die beiden Ansätze für eine politiktheoretische Perspektive auf religiös-gesellschaftliche Fragestellungen mit sich?
Trotz der sorgsam gepflegten Begriffsgeschichte (kaum ein geistes- oder sozialwissenschaftliches Fachwörterbuch ohne entsprechendes Lemma) scheint 'Religion' ein auffällig unkonkreter, im Grunde ungeklärter Begriff, der in Anbetracht dessen in seinem Alltagsverständnis erstaunlich wenig erklärungsbedürftig scheint. Das Problem der Religionswissenschaft, ihren Gegenstand zu bestimmen, - dies soll hier als Indiz für das Problem mit dem Begriff 'Religion' dienen - liegt vielsagenderweise u. a. darin, dass keine Definition in der Lage ist, alles, was man als Religion zu bezeichnen gewohnt ist, gleichzeitig abzudecken und jeder Definitionsversuch als einseitig und letztlich als voreingenommen abgelehnt wurde. Es gab nie und gibt bis heute keine konsensfähige Definition und einige Fachvertreter*innen geben gar zu bedenken, so etwas wie Religion gebe es im Grunde eigentlich gar nicht.