750 Malerei, Gemälde
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Dieses Zitat von Sperone Speroni aus dem "Dialogo d’Amore" (1542) beschreibt eindrücklich die herausragende Stellung des Malers Tizian. Die Hochachtung, die aus diesen Worten hervorgeht, spiegelt sich in der Ausstellung Tizian und die Renaissance in Venedig wieder, die vom 13. Februar bis zum 26. Mai 2019 im Frankfurter Städel Museum zu sehen ist. Die Sonderausstellung mit über 100 Meisterwerken widmet sich nicht nur Tizian, sondern auch anderen wichtigen Vertretern der venezianischen Malerei der Renaissance. So werden unter anderem Gemälde und Zeichnungen von Giovanni Bellini, Jacopo Palma il Vecchio, Sebastiano del Piombo, Lorenzo Lotto, Jacopo Tintoretto, Jacopo Bassano und Paolo Veronese gezeigt. In einer Folge von acht Kapiteln führt die Präsentation dieser Meisterwerke durch ausgewählte Themenfelder, die für die venezianische Malerei im 16. Jahrhundert charakteristisch sind. ...
Mit einem Hammer schlägt der barfüßige Mann in rot-weiß gestreiftem Rock auf sein Gegenüber ein. Aus der Kopfwunde des jugendlichen Opfers ergießt sich ein Blutschwall. Rechts daneben zwei Männer, von denen einer dem anderen Geld übergibt. Der Gewalttäter hat eine auffällige Erscheinung: Schellen und Glocken sind an seinem Gewand angebracht, die zerzausten Haare und ein Kurzer Bart an Kiefer und Oberlippe unterscheiden ihn von den übrigen Figuren. ...
Erschöpft ist der Alchemist in seiner Werkstatt, die von eifrigem Treiben zeugt, zusammengesunken und sanft entschlafen. In seiner rechten Hand hält er noch die Schreibfeder, mit der er bis vor Kurzem seine Beobachtungen in dem davor aufgeschlagenen Buch festgehalten hat. Das Feuer des alchemistischen Ofens ist verloschen, das Werkzeug liegt, als wäre es inmitten der Tätigkeit fallen gelassen worden, davor verstreut. Der Zeitpunkt des Todes kann noch nicht weit zurückliegen. Es ist ein merkwürdiges Spannungsverhältnis zwischen eifrigem Schaffen und der Stille des Todes, das dieses Bild dominiert. Die Suche nach dem so vielfach in diversen Handschriften gepriesenen Stein der Weisen ist, so scheint es, gescheitert. Die Reise des Adepten bleibt unvollendet. Es ist ein Bild von Verzweiflung und Kapitulation, das Elihu Vedder mit seinem Werk The Dead Alchemist (1868) hier zeichnet. ...
Kann die Kunst dem Krieg etwas entgegensetzen? Lassen sich Kriege und Konflikte mit Kunst bekämpfen? Kann ein Kunstwerk das Denken seiner Betrachter beeinflussen und Frieden stiften? Hätte man die englische Künstlerin Evelyn De Morgan (1855-1919) gefragt, hätte sie diese Fragen sicherlich bejaht. Es sind gleich zwei Kriege, die sich in ihrem Schaffen niederschlugen: der zweite Burenkrieg (1899-1902) als letzter großer Krieg des British Empire und der Erste Weltkrieg (1914-1918), die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Auch wenn die Künstlerin weder Mutter noch Ehefrau eines Soldaten war, so war sie dennoch zu tiefst bewegt von den politischen Geschehnissen ihrer Zeit und verarbeitete diese in ihren Werken. ...
Hofmannsthal und Majakowskij. Hofmannsthal und Picasso. Hofmannsthal und Malewitsch. Hofmannsthal und Beuys. - Was Hofmannsthal seinem Chandosbrief nachgerufen hatte - "fernes Fremdes als nah verwandt spüren zu machen" (BW Andrian 161) -, kann als Leitsatz gelten für den vorliegenden Beitrag, der Hofmannsthal mit Namen in Verbindung bringt, von denen man bisher ziemlich genau wußte, wie wenig sie mit diesem Dichter zu tun haben.
August von Platen notiert 1816 nach der Lektüre von John Miltons Paradise Lost (1667) in das Memorandum meines Lebens, dass ihm Milton "[a]m glücklichsten […] in seinen eigenen Erfindungen [erscheint], […] weniger interessant ist es mir, wo er nur die Bibel nacherzählt." Die in Platens Tagebucheintrag zu lesende Kritik an Miltons Epos ist rein-ästhetischer Natur. Die Differenz zwischen 'eigenen Erfindungen' und der Nacherzählung der Bibel betrifft die Heilige Poesie selbst aber freilich tiefgreifender. Hier führt das Spannungsverhältnis zwischen Poiesis und Nacherzählung zu einem komplexen Legitimationsbedürfnis, ob und wieweit das mythische Wort Gottes, von dem die Heilige Schrift zeugt, in der Heiligen Poesie ausgeführt werden darf.
Meiner These zufolge ist das in 'Paradise Lost' zu findende Sujet des Sündenfalls für die Problemstellung der Heiligen Poesie im Allgemeinen exemplarisch. Es fällt auf, dass sich das an der Heiligen Poesie abzulesende Spannungsverhältnis zwischen dem autoritativen Wort Gottes und der poetischen Freiheit strukturanalog im Sündenfall der Genesis widerspiegelt. Denn so, wie die anthropologischen Überlegungen der Genesis und ihre im 18. Jahrhundert frequente Bearbeitung in der Aufklärungsphilosophie den Menschen zwischen Gehorsam und Freiheit situieren, so verortet sich offenbar auch die Heilige Poesie zwischen den Fronten der religiösen Heteronomie und der poetischen Autonomie.
Dieser Beitrag verfolgt zwei Ziele. Zum einen soll eine vormoderne Rezeption der im Neuen Testament ausgebildeten Urszenen von Zeugenschaft beleuchtet werden, immer unter der Annahme, dass diese die kulturellen Konzepte der Zeugenschaft tief geprägt haben. Zum anderen soll der Frage einer ‚ästhetischen Zeugenschaft‘ nachgegangen werden, die da lautet, wie und unter welchen Bedingungen Kunst, in diesem Fall Malerei, überhaupt testimoniale Qualitäten oder Fakultäten haben kann. Exemplarisch wird dies an den Epitaphien aus dem Frühwerk des Peter Paul Rubens durchgeführt. Der Funktion dieser Gattung ist es zu verdanken, dass sich hier eine verdichtete visuelle Kombinatorik der biblischen Zeugenschaftsszenarien findet: Epitaphien dienen der Memoria, beziehen sich dezidiert auf die Auferstehungshoffnung ihrer verstorbenen Auftraggeber und wenden sich mit einem multimedialen Appell (in Schrift und Bild) an den Betrachter, für deren Seelenheil zu beten. Darüber hinaus bieten sich gerade diese Werke für die Untersuchung von überlieferten Zeugenschaftskonzepten an, weil in einer scheinbar anachronistischen Bearbeitung der Stoffe durch Rubens deutlich wird, dass diese Urszenen einerseits eine nicht hintergehbare Tradition haben, andererseits aber kulturell immer wieder neu und produktiv verarbeitet werden. Was hier nicht gezeigt werden kann, sei nur am Rande bemerkt: Auch im säkularen Zeitalter finden sich die Signaturen der religiösen Urszenen der Zeugenschaft, aber diese lassen sich erst dann oder zumindest besser erfassen, wenn man ihr Gewicht in vormodernen Konstellationen erfasst hat.
So wie der intermediale Dialog eine Polyphonie der Erzählerperspektiven zum Ausdruck bringt, die in 'Leben? Oder Theater?' narratologisches Programm ist, stellt die Serialität hier kein rein formales Experiment dar, sondern ist eng mit der Erzählung verbunden. Auch wenn es im Folgenden vorrangig um eine Serialität im Medium des Bildes geht, ist diese in eine Bilder'geschichte', mithin in einen narrativen Gesamtzusammenhang integriert und muss aus diesem und in Hinblick auf ihre Funktion für diesen untersucht werden. Es wird sich zeigen, dass Wiederholung und Serialität in 'Leben? Oder Theater?' thematisch immer an die Auseinandersetzung mit dem Tod bzw. das Spannungsverhältnis zwischen Leben und Tod gebunden ist.
Das Unfertige im Bild
(2010)
Es war keine gezielte Suche, sondern Zufall, dass ich bei einem meiner Streifzüge durch die Londoner 'National Gallery' auf ein Gemälde des englischen Malers Thomas Gainsborough traf. Was zuerst meine Aufmerksamkeit an diesem Bild erregte, war ein Detail: ein anscheinend leeres, leicht gebogenes Blatt Papier, in der Hand gehalten von einer männlichen, am linken Rand des Bildes positionierten Figur. Das Papierblatt hatte etwas merkwürdig Stoffliches, Durchscheinendes und Schwebendes. Eine kleine Tafel, die direkt neben dem Ölgemälde an der Wand angebracht war, vermerkte den Titel und das Entstehungsdatum des Bildes: 'Portrait of the Artist with his Wife and Daughter, about 1748'. Gainsborough, 1727 geboren, hatte das Bild also als junger Künstler gemalt. Auf der kleinen Tafel fand sich zudem der folgende Text: "Gainsborough married Margaret Burr in 1746. The child is probably their first-born daughter, Mary, who died in March 1748. A second daughter was also named Mary. The hands of Mrs. Gainsborough are unfinished and the paper held by the artist is blank" (Abb. 1). Der letzte Satz dieses Kommentartextes verknüpfte die anscheinende Leere des Papierblatts, benannt als 'blankness', mit einem anderen Detail, das mir bis dahin noch gar nicht aufgefallen war, mit der nur in Umrissen erkennbaren rechten Hand der weiblichen Figur nämlich, einer in schwungvollen Pinselstrichen ausgeführten Form, deren Linien sich nur wenig vom blauen Stoff des Kleides, auf dem die Hand ruhte, abhoben. Die Blume, die diese Hand hielt, war dagegen präzise zu erkennen. Wies der Kommentartext auf der kleinen, neben dem Bild montierten Tafel die Darstellung 'beider' Hände der weiblichen Figur als 'unfinished' aus, so schien mir die gleichsam natürliche Unsichtbarkeit der linken Hand, die durch die Gestalt des stehenden Kindes verdeckt war, von ganz anderer Art zu sein als jener durch das Unfertige der rechten Hand erzeugte Modus einer Un/Sichtbarkeit, in der ganz offensichtlich - gegen die Darstellungsregel der exakten Naturnachahmung - etwas fehlte. Ein Fehlen, dessen Begriff unterstellte, dass hier noch etwas hätte kommen müssen. Ich hatte den Eindruck, dass dieses Unfertige im Bild eine wolkige Stelle markierte, genau im Sinn von Walter Benjamin: "die Stelle, wo es aufhört, durchsichtig zu sein."
Philip Guston (1913−1980) beginnt seine Karriere als figurativer Zeichner und Maler in Los Angeles. In den 1930er Jahren lernt er den Muralismus kennen und arbeitet als Gehilfe von David Alfaro Siqueiros bei der Ausführung von Wandmalereien in Mexiko. In den 1940er Jahren entstehen die ersten abstrakten Gemälde. Keinem Anliegen verpflichtet, das außerhalb des Malens angesiedelt ist, sind die Bilder allein in der Malerei gegeben. Die Bedingungen, denen sich diese Malerei unterwirft, sind in sie selbst hineingenommen und zu etwas Innerbildlichem geworden. Die Wahl von Malmaterial, Pinsel, Format, die Art und Weise, wie die Leinwand gespannt ist, die Grundierung und das Bindemittel sind schon malerische Entscheidungen: Sie spannen die Triebfeder der Malerei und entwinden sie zugleich dem Determinismus, den die materiellen und technischen Bedingungen ausüben. Guston setzt weder eine anderswo formulierte Bildidee um, noch steht diese in einer nachholenden oder illustrierenden Beziehung zum Begriff. Er gebraucht keinen vorgängigen Code von Farben und Formen: Statt distinkter Farbformen gibt es übergängige Zonen und Blöcke mit einer Tendenz zur losen Gruppierung. Die Farben sind aus der Arretierung in Formen gelöst und bilden Zonen, die durch eine Beziehung der Kontiguität verbunden sind; ihr Übergang und Zusammenspiel ist der Malweise selbst, nicht aber einer übergreifenden Komposition von Farbformen überantwortet.
Gesichter in Lyrik und Prosa verweisen auf vielfältige Techniken ihrer verbalen Kreation - und ihrer Auflösung. Anders als die Bildkunst, die Gesichter simultan evident macht, konstituiert sich das Verbalporträt (in der Regel) linear-sukzessiv. Es ist medial zur Fragmentierung des Motivs und zur Anordnung der semiotischen Einheiten in einer eindimensionalen Abfolge gezwungen: das heißt, die Zerlegung des darzustellenden Gesichts ist zwingend notwendig, ein Moment der Auflösung ist ihm seit jeher eingeschrieben. Daher experimentiert es aber auch seit jeher mit den Verfahren der Zusammenfügung (Re-Komposition) der Einzelteile. Diesbezüglich verzeichnet das poetische Porträt schon in der Renaissance erste spielerische Höhepunkte, die frappierende Ähnlichkeiten aufweisen mit den ungewöhnlichen, heute sehr bekannten Porträts des manieristischen Malers Giuseppe Arcimboldo, dessen Gesichter sich aus Blumen, Früchten, Büchern u.a. zusammensetzen und Kippfiguren zwischen Menschenähnlichkeit und Realitätsferne bilden, indem sie ihren Komposit-Charakter ostentativ zur Schau stellen. Die punktuelle Feststellung vergleichbarer Darstellungsprinzipien wirft notwendig die Frage auf, ob und inwiefern sich Auflösungserscheinungen in verbalen und pikturalen Porträts trotz ihrer Mediendifferenz stilhistorisch parallelisieren lassen – so lautet die Rahmenfrage, die erneut aufzugreifen ist nach einer Betrachtung verschiedener in Auflösung befindlicher Verbalporträts. Die einzelnen Werkanalysen sind konzise, zugunsten eines möglichst breiten Spektrums fazialer De-Kompositionen.
Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist meine Dissertation mit dem Thema "Porträt – Ikone - Kunst. Methodische Studien zum Porträt in der Kunstliteratur. Zu einer Bildtheorie der Kunst", aus deren Breite ich mich für das Bildparadigma Kunst auf Francis Bacon (mit einem Ausblick auf Alberto Giacometti) beschränke. Das Porträt, in dem Sinne, wie es die Neuzeit versteht, mit all den Implikationen an Authentizität und Ähnlichkeit und unmittelbarer Wiedergabe einer gesehenen Wirklichkeit, hat es in der europäischen Bilderkultur nicht immer gegeben. Auch vorneuzeitliche Bilder, wie eben die Ikone, hatten als besonders wichtige, ihnen übertragene Aufgabe die Vergegenwärtigung einer bestimmten Person, ohne dass man sie deshalb als Bildnisse oder Porträts bezeichnen kann. Sie werden auf diese Vergegenwärtigung sehr wohl verpflichtet, also zu garantieren, dass die gemeinte Person in ihnen wirklich getroffen ist, aber durch signifikant andere bildliche Strategien als dies bei Porträts beschrieben werden kann. Das war für mich der Grund von unterschiedlichen „Bildparadigmen“, dem der Ikone und dem des Kunstwerks zu sprechen. Bilder zu machen und zu betrachten dürfen wir wohl als Grundkonstante menschlicher Kultur seit ihren allerersten Anfängen ansehen. Wie aber Bilder hergestellt und verstanden werden ist bildhistorisch zu beschreiben, das heißt es gibt Perioden der kulturellen Geltung und Dominanz eines Bildverständnisses und Zeiten des Umbruchs und des Wechsels im Verständnis, der Entstehung, der Betrachtung und des Sprechens über Bilder.
"Mehr Licht!", um die "Seele" der Natur zu erfassen – das verband die Impressionisten mit der vorangegangenen Künstlergeneration um Camille Corot. Claude Monet und seine Kollegen suchten die Wälder und Parks auf, um Licht, Atmosphäre und Farbigkeit in ihrer Malerei festzuhalten. Dabei reagierten sie eher intuitiv auf die in jener Zeit intensiv erforschten optischen Gesetzmäßigkeiten.
In der so umfangreichen wie differenzierten Bruegelforschung dominieren religiöse und moralische Deutungen, die auf eine pessimistische Weltsicht des Künstlers schließen. Dem gegenüber priorisiert die vorliegende Arbeit säkulare und materielle Optionen, die einer optimistischen Weltsicht den Boden bereiten konnten. Diese ambitionierte Akzentsetzung ist anhand des zeitgenössischen Kontexts prinzipiell legitimiert und anhand von Bildbelegen praktisch veranschaulicht.
Eine konkretisierte kunstgeschichtliche Positionsbestimmung Bruegels seine systematische Abgrenzung von der romanistischen Konkurrenz ebenso heraus wie den originären Beitrag zur Weiterentwicklung der nicht-romanistischen Malerei seiner Zeit. Für seine innovativen Bildkonzepte gibt es einen gemeinsamen Nenner. Das ist die erweiterte Einbeziehung des Betrachters, der vom passiven Rezipienten zum aktiven Interpreten aufgewertet ist, nicht zuletzt mit dem Ziel, zeitgenössische Wirklichkeit und deren Widersprüche, Defizite und Alternativen diskutierbar zu machen.
Eine modifizierte sozialgeschichtliche Positionsbestimmung Bruegels geht vom Doppelcharakter der zeitgenössischen Transformationsprozesse in den spanischen Niederlanden aus. In der Regel rückt man religiöse Kontroversen und politische Konflikte in den Vordergrund, die destruktiven Potenziale des gesellschaftlichen Wandels und deren Wiederspiegelung im Bruegelwerk. Danach wird der Künstler tendenziell als religiöser Dissident und politischer Opponent qualifiziert. Stattdessen wird hier die ökonomische Expansion, die wirtschaftliche Dynamik als vorrangig angesehen, welche die Heimat Bruegels, die Metropole Antwerpen und ihr Umland, zu einer europäischen Vorsprungsregion werden ließ. Das lenkt den Blick auf die Reflexion des sozialökonomischen Kontexts im Bruegel-Oeuvre, die der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft und die Rolle nicht nur der agrarischen Arbeit erkennbar werden lässt.
Damit ist der Boden bereitet für die Frage nach säkularer Kritik und sozialer Utopie in den Gemälden, denen die beiden folgenden Hauptteile der Arbeit gewidmet sind, dem „Sturz des Ikarus“ (Teil B) und dem „Turmbau zu Babel“ (Teil C). Beide Kapitel setzten sich intensiv mit Referenztexten und Referenzbildern sowie mit der Rezeptionsgeschichte auseinander und münden jeweils in den Entwurf einer konkurrierenden Deutung zu den traditionellen Thesen von der Bestrafung menschlicher Hybris ein:
Die konkurrierende Deutung des „Ikarussturzes“ kommt zu dem Ergebnis, dass die sozialgeschichtliche Substanz des Gemäldes in der Überbietung antiker durch frühneuzeitliche Arbeits- und Verkehrsformen zu entdecken ist. Eine latente sozialutopische Perspektive klingt in den dabei imaginierten Indizien für Arbeits- und Techniklob an.
Die konkurrierende Deutung der Turmbaugemälde gipfelt in dem Vorschlag, die sozialutopischen Potenziale aus dem Übergang vom „Wiener Turmbau“ zum Rotterdamer Turmbau“ abzuleiten. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Bruegelsche Turmbau-Folge die Entwicklung einer Arbeitsutopie und einer Architekturutopie sowie deren Zusammenfassung zu einer Gesellschaftsutopie vorstellbar macht. Dabei ist der Optimismus keineswegs ungebrochen, das Konstrukt nicht frei von Skepsis, weil Bedrohungen des Projekts von innen und außen Teil des Bildgeschehens sind.
Die vorgelegte Arbeit behandelt Gauguins Selbstporträts und seine Darstellungen von Frauen, seinen Evas. Gauguin war sympathisch mit den europäischen Frauen; denn in seinem Auge litten sie unter den damaligen religiös-gesellschaftlichen Normen. Sie konnten keine genuine Liebe finden, welche ihr Leben glücklich machte. Andererseits sah er an dem Schicksal der Frauen zugleich sein eigenes Geschick. Deshalb lassen sich viele seiner Frauendarstellungen als Darstellungen von seinem Selbst interpretieren. Durch Analyse seiner Selbst- und Evadarstellungen gewinnt man Einsicht in Gauguins Inner- und Kunstwelt, nämlich seine inneren Konflikte, seine Entscheidung, zugunsten der Kunst auf ein bequemes Leben und damit auf eine glückliche Familie zu verzichten, seine Suche nach wahrer Liebe, die allerdings in sexuelle Ausschweifungen umschlug, und seine Auffassung von der Aufgabe der Kunst, welche eng mit Sexualität in Verbindung steht. Nicht zuletzt wird gezeigt, wie Gauguin, der von der christlichen-katholischen Religion tief geprägt war, mit Sünde und Tod rang.
Die Dissertation untersucht die posthumen skulpturalen Bildwerke Ludwigs IX. des Heiligen (1226-1270). Seine konkrete Gestaltungsweise wird vor der Folie des französischen Königsbildes im Allgemeinen entwickelt. Vor allem die Zeit von 1270 bis in die 1340er Jahre steht im Fokus der Betrachtung. Diese Zeiteinteilung beruht auf der zentralen Frage, ab wann das Königsbild beginnt lesbar zu werden. Die methodische Voraussetzung dazu ist die bis jetzt noch nicht durchgeführte strikte Distinktion sowohl von Typus und Stil als auch von Typus und Gattung. Hier kristallisiert sich heraus, dass die Bildwerke Ludwigs IX., die nach seiner Kanonisation von 1297 datieren, eine Zäsur darstellen. An ihnen lässt sich erstmals die Präzisierung eines bestimmten Königs in der Gestaltungsweise festhalten. Seine Spezifika werden erarbeitet. Die besondere, zunächst auf Ludwig IX. beschränkte Darstellungsform geht in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit den Leiden der Heiligen hervor - wie bei ihnen wird sein Antlitz mimisch belebt, um sein Leiden darzustellen. Ein neuer Königstypus entsteht. Damit sind Bildwerke von Ludwig IX. lesbar – ein Novum innerhalb des französischen Königsbildes.
Diese Entwicklung vollzieht sich vor allem in der Zeit Philipps IV. Zahlreiche Neuerungen sowohl im Herrscherbild als auch in den Bildprogrammen geschehen in seiner Regentschaft. Vor allem die Kanonisation Ludwigs IX. gibt dem Souverän neue Möglichkeiten an die Hand, die besondere Sakralität des französischen Königtums weiter auszubauen. Mit der Darstellung des Heiligen verband sich eine Kultfunktion, die sich in der Gestaltung widerspiegelt und die dem französischen Herrscherbild neue Impulse vermittelt hat. Darüber hinaus erschöpfen sich die Bildstrategin Philipps IV. aber nicht allein in der Indienstnahme des neuen Dynastieheiligen, sondern sie erweitern zudem die politische Ikonografie.
Wie sich das französische Herrscherbild unter welchen formalen sowie historischen Kriterien warum wandelt, ist Untersuchungsgegenstand der Dissertation.
Mit ihren so genannten Linsenkästen gelang Mary Bauermeister Anfang der 1960er-Jahre der Durchbruch auf dem New Yorker Kunstmarkt. Bis heute sind die fragilen, leuchtenden Objekte aus Holz, Glas, Leinwand und Papier das Alleinstellungsmerkmal der Künstlerin. Die hier vorliegende Dissertationsschrift erläutert die konsequente Entwicklung der Linsenkästen aus dem Frühwerk und unternimmt erstmals eine stilistische Einordnung in den Kunstkontext der 1960er-Jahre. Dabei wird deutlich, dass Bauermeister mehr den Künstlern der Klassischen Moderne (Duchamp, Schwitters, Klee, Kandinsky) verpflichtet ist denn ihren Zeitgenossen im Rheinland oder in der Kunstmetropole New York.
Thema der Dissertation ist der signifikante pathognomische Ausdruck, also die Mimik von Figuren, die in den Jahren um 1600 ein großes Thema in der bildenden Kunst, den kunsttheoretischen Traktaten und der Kirche im Zuge der Gegenreformation war. In der künstlerischen Darstellung dieser Jahre lag ein besonderes Gewicht auf einer an rhetorischen Modellen angelehnten Ausdrucks- und Gebärdensprache der Figuren.
Mit der Mimik, deren Darstellung eine enorme Bandbreite entwickelt, wurde zunehmend gespielt und gezielt manipuliert. Und zwar von Seiten der Kunst wie auch der Kirche. Die Arbeit untersucht sowohl die äußeren Umstände unter denen sich eine zunehmende Schematisierung der Gesichtsausdrücke der Figuren entwickelte und die als Formelhaftigkeit zu beschreiben ist, als auch, wie diese von Seiten der Künstler gehandhabt wurde. Erstaunlich war die Feststellung, dass diese „mimischen Formeln“, die man - besonders durch ihr häufiges Auftreten- mit einem bestimmten Kontext verband, nun immer wieder in ganz anderen Zusammenhängen auftauchten und somit einer Figur oder Geschichte einen neuen Sinn gaben. Oft übertrafen sie gar den gesamten übrigen ikonografischen Apparat an Aussagekraft.