750 Malerei, Gemälde
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Emmanuel Alloa stellt mit Alois Riegl einen Pionier des kunsthistorischen Umgangs mit materiellen Objekten - Textilien, Schmuck- und Gebrauchsgegenstände aus aller Welt - vor. Diese bedürfen, so die These, eines eigenen, anderen Modus der Rezeption, als ihn die Kunstgeschichte für ihre klassischen Gegenstände, vor allem Gemälde und Skulptur, entwickelt hat: eines haptischen Sehens. Alloa rekonstruiert diese komplexe, weil eben nicht einen Sinn durch einen anderen ersetzende, Näherungsweise und diskutiert sie vor dem Hintergrund der altmeisterlichen niederländischen Malerei.
Thema der Dissertation ist der signifikante pathognomische Ausdruck, also die Mimik von Figuren, die in den Jahren um 1600 ein großes Thema in der bildenden Kunst, den kunsttheoretischen Traktaten und der Kirche im Zuge der Gegenreformation war. In der künstlerischen Darstellung dieser Jahre lag ein besonderes Gewicht auf einer an rhetorischen Modellen angelehnten Ausdrucks- und Gebärdensprache der Figuren.
Mit der Mimik, deren Darstellung eine enorme Bandbreite entwickelt, wurde zunehmend gespielt und gezielt manipuliert. Und zwar von Seiten der Kunst wie auch der Kirche. Die Arbeit untersucht sowohl die äußeren Umstände unter denen sich eine zunehmende Schematisierung der Gesichtsausdrücke der Figuren entwickelte und die als Formelhaftigkeit zu beschreiben ist, als auch, wie diese von Seiten der Künstler gehandhabt wurde. Erstaunlich war die Feststellung, dass diese „mimischen Formeln“, die man - besonders durch ihr häufiges Auftreten- mit einem bestimmten Kontext verband, nun immer wieder in ganz anderen Zusammenhängen auftauchten und somit einer Figur oder Geschichte einen neuen Sinn gaben. Oft übertrafen sie gar den gesamten übrigen ikonografischen Apparat an Aussagekraft.
Laura Basten sichtet den schriftstellerischen und künstlerischen Nachlass von Maria Benemann, einer Protagonistin im Umfeld von Expressionismus und Bauhaus, die heute allenfalls als Fußnote in den Biographien prominenter Männer gewürdigt wird. Aus der Perspektive der Editionswissenschaft reflektiert Basten die Möglichkeiten und Probleme, den Nachlass Benemanns wieder einer größeren Leserschaft zuzuführen. Neben Besonderheiten, die den Nachlass selbst betreffen, diskutiert sie dabei auch kanonpolitische Fragen und erörtert, wie eine Edition beschaffen sein müsste, die ein Werk aus bis dato nicht publizierten oder schwerlich zugänglichen Texten zuallererst herstellt.
In den "Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaft" von Brentano und Kleist läßt sich ein wahrnehmungsgeschichtlich signifikanter Bruch nachweisen. Geht Brentano von der romantischen Konzeption der Sehnsucht aus, so stehen hinter dem Text Kleists die Theorie des Erhabenen und die Assoziation des Panoramas. Diese konkurrierenden Positionen gründen in unterschiedlichen Begriffen vom Subjekt.
P.-P. Prud'hon
(1844)
Claudia Blümle behandelt bildliche Szenarien der Zeugenschaft, in denen Figuren eingesetzt werden, die das reale, abgebildete Szenarium eines Zeugenschaftsmoments nicht genau abbilden oder eine solche Abbildung stören, sondern im Sinne einer medialen Überzeugungsstrategie erweitern. Im Fall der von Blüme analysierten Bildbeispiele sind dies zusätzliche Akteure, die als "Überzeugungsfiguren" eine Scharnierstelle zwischen dem innerbildlichen Zeugen und dem Betrachter darstellen. Blümle analysiert diese Funktion in Bildern, die ganz unterschiedliche, mit verschiedenen Kategorien der Zeugenschaft verbundene Wissensgehalte oder Wahrheiten vertreten, sowohl aus dem juridischen und religiösen als auch aus den naturwissenschaftlichen Bereichen. Die Produktion von Gewissheit hängt in den von ihr gewählten Beispielen gerade von den eigentlich außerhalb der Zeugensituation situierten "Zeigefiguren" ab, die einen eigenen Raum ausbilden, in dem das Bezeugte vom Betrachter akkreditiert werden kann.
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die Frage nach dem formalen und inhaltlichen Zusammenhang zwischen den künstlerischen Ausdrucksformen in der gegenwärtigen syrischen Kunst und dem Expressionismus. Es soll untersucht werden in welchem Verhältnis die beiden Richtungen zueinander stehen und welche Unterschiede oder auch vergleichbaren Ausdrucksmittel in der jeweiligen Kunstrichtung entwickelt werden. Der Expressionismus eignet sich für den Vergleich gut, weil in dieser Epoche ebenso kriegerische Auseinandersetzungen verarbeitet wurden.
Die Grundlage für diese Untersuchung bilden unter anderem meine persönlichen Begegnungen mit syrischen Künstlern in der Türkei und in Deutschland, die mich inspiriert haben, dieses Thema zu wählen. Die Auseinandersetzung mit ihrer Art den Krieg zu verarbeiten hat mich angeregt, weitere Information darüber zu sammeln, wie sich die Kunst während des Ersten Weltkriegs mit der Kunst während des Syrischen Bürgerkriegs vergleichen lässt.
Hofmannsthal und Majakowskij. Hofmannsthal und Picasso. Hofmannsthal und Malewitsch. Hofmannsthal und Beuys. - Was Hofmannsthal seinem Chandosbrief nachgerufen hatte - "fernes Fremdes als nah verwandt spüren zu machen" (BW Andrian 161) -, kann als Leitsatz gelten für den vorliegenden Beitrag, der Hofmannsthal mit Namen in Verbindung bringt, von denen man bisher ziemlich genau wußte, wie wenig sie mit diesem Dichter zu tun haben.
Wie kann man sich auf etwas beziehen, das sich einfach nicht sagen lässt? Melanie Unseld hat herausgestellt, dass "Salomons Singespiel als künstlerisch-autobiographische Selbstreflexion und als Markierung der eigenen Liminalität zu verstehen [ist], als Versuch einer künstlerischen Selbstverortung, entstanden in einer isolierten Exilsituation, in der Selbstverortung in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung darstellte." Wo das Politische und eine extreme Form von Zensur korrektes, den Normen entsprechendes Kommunizieren nicht mehr zulassen, diese Situation aber gleichzeitig das Bedürfnis auslöst, ein Medium des gelingenden Selbst(er)sprechens zu finden, erscheint (kulturelle) Identität auch als ein performativer Akt, in dem die Herstellung und Darstellung der eigenen Geschichte nicht mehr klar zwischen Fiktionalität und Faktualität trennen kann, sondern spezifisch eigene Formen des Selbstentwurfs findet. Das macht Elisabeth Böhm im Folgenden anhand von Charlotte Salomons "Leben? oder Theater?" nachvollziehbar.
Published in 1991, "Tous les matins du monde" of Pascal Quignard made to appear a real still life from Lubin Baugin called "Le Dessert de gaufrettes" (Musée du Louvre). The importance of this painting in the novel - both narrative and symbolic - is crucial. Baugin's painting constitutes indeed a genetic matrix that must be examined in order to better understand the trajectory of "Tous les matins du monde", insofar as it incites and initiates writing, thereby acquiring a singular hermeneutic depth.
Der Begleitband zur Ausstellung Fantastische Welten. Albrecht Altdorfer und das Expressive in der Kunst um 1500 gliedert sich, nach einer kurzen Einführung durch Jochen Sander (15–19), in einen knappen Essayteil mit Beiträgen von Guido Messling, Matthias Weniger, Susanne Jaeger und einen Katalogteil der Ausstellungsexponate, die unterteilt in ihre Themengebiete wiederum durch einleitende Texte begleitet werden. ...
Von einer „WEGE“- zur „Geisterausstellung“. Stefan Stichlers Ausstellung blieb, wie allen anderen Kulturinstitutionen während des Lockdowns, der Publikumsverkehr untersagt. Im Zeitraum zwischen dem 15. Januar bis 31. Januar 2021 stellte der Künstler mit dem Titel „WEGE“ im Kunstverein der Familie Montez in Frankfurt seine Arbeiten aus. Ein Portrait.
Klar scheinen die Berge vor dem nachtblauen Himmel. Ihre sanften Wölbungen geben in ihrer Mitte den Blick frei auf einen hell leuchtenden Stern. Die Landschaft ist ausgestorben, der Boden von Schnee bedeckt, die aus ihm herausragenden Bäume karg und ausgedörrt. Der einzige Abdruck menschlicher Existenz ist kaum sichtbar. Er zeigt sich in einem kleinen Kreuz an der Spitze des höchsten Berges. Doch die Szenerie hat nichts Bedrohliches oder gar Trauriges an sich, vielmehr strahlt das Gemälde eine inhärente Ruhe aus. Die Komposition ist harmonisch, die Anwendung verschiedener Nuancen von Blau tragen zur Ausgewogenheit bei. Bei der Betrachterin hinterlässt die dargestellte Landschaft, trotz ihrer Kargheit, den Eindruck einer Vollkommenheit der Natur. ...
Saint Clare of Assisi was born in 1194 to a family of notable social standing. Against her family’s wishes, she left home at the age of eighteen to join the Order of Saint Francis. She soon established the convent of the Poor Ladies in Assisi, which later became officially recognized as the Second Franciscan Order, and went on to govern it for 40 years. Like Saint Francis, who died in 1226 and was officially declared a saint in 1228, her canonization also took place only two years after her death in 1253, thereby demonstrating the tremendous impact she had on her contemporaries. ...
Oskar Fischingers malerisches Oeuvre wurzelt theoretisch, ästhetisch und formal tief in der Kunstentwicklung des Deutschlands der zwanziger Jahre. Sein Ausdrucksvokabular, das von geometrischen bis zu amorphen Formen reicht, seine wechselnden, gleichermaßen zentral und flächenübergreifenden Bildgefüge mit reduzierten Inhalten oder reicher Formenfülle, sein Wandeln zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, verhindert die Ausprägung einer einheitlichen Handschrift und damit auch einer eindeutigen chronologischen Entwicklung. Obwohl ästhetisch und formal den konstruktiven Tendenzen des Bauhaus und dessen Vertreter Kandinsky nahestehend sowie der lyrischen Abstraktion und Klee, wurde Fisichinger auch von östlichen Religionen, dem Mystizismus, der Astrologie, der Astronomie und der Musik geprägt. Dies manifestiert sich bisweilen in Form verschlüsselter Bildinhalte. Sein philosophischer Hintergrund bestärkt ihn in der Verwendung von abstrakten Formen als Träger metaphysischer Botschaften und bewahrt seine Bilder gleichzeitig vor formalistischer Strenge und Dekorativität. Trotzdem scheinen bestimmte Charakteristika in seinem Werk vorhanden: die Neigung des Ingenieurs zu regelmäßigen Formen und komplexem Detailwerk, das musikalische Gefühl für rhythmische Sequenzen, ein filmisches Anliegen für Bewegung und Tiefe, ein mystisches Gefühl für die anderen Dimensionen jenseits des Sichtbaren und Wirklichen. Fischingers grenzüberschreitendes Streben nach einer Befreiung der Malerei aus ihrer tradierten Form, welches sich in Projekten wie Motion Painting No.1 oder Stereo-Film manifestierte, entsprang dem Verlangen nach einem Kunstwerk, das mehrere Kunstgattungen in sich vereinigt, ein Gedanke, der sich zwingend aus seiner Auseinandersetzung mit den künstlerischen Betrachtungsweisen und Entwicklungen am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ergab sowie aus seiner Beschäftigung mit synästhetischen Prozessen und der Filmarbeit. Diese Zielsetzung Fischingers zusammen mit motivischen Verwandtschaften zwischen seinen Filmen und der Malerei, die sich z.B. in der gemeinsamen Verwendung geometrischer Motive oder anderer gestalterischer Elemente wie der Aneinanderreihung von Farbbahnen (Abb. 26 – 28) zeigt, führten noch bis Anfang der siebziger Jahre zu einer Ignoranz seiner Malerei als eigenständige künstlerische Ausdrucksform. Noch 1970 wurde in einer Fischinger-Retrospektive im Long Beach Museum of Art in Kalifornien der Versuch unternommen, seine Gemälde direkt einzelnen Sequenzen seiner Filme zuzuordnen. Die Kunstkritik reagierte entsprechend abweisend auf die damalige Ausstellung. Der Journalist William Wilson schreibt „....half the time they don´t work as paintings because Fischinger evidently conceived of them as films.“ Erst einige Jahre später begannen sich Tendenzen zu einer mehrere Sparten übergreifenden Kunst durchzusetzen. Binnenkünstlerische Grenzen werden aufgehoben und Ausdehnungen in die Bereiche Video, Umraum, Objekt, Licht und Kinetik fanden statt. In diesem Zusammenhang ist Fischinger nicht nur einer der Wegbereiter der Op Art und der Holographie. Sein 1950 entwickelter Lumigraph, ein Lightshowgerät für den Hausgebrauch könnte ebenfalls als eine Vorform der Neon- und Laserkunst betrachtet werden. Trotzdem haben die Vergleiche mit den Künstlern Kandinsky, Klee und Mondrian gezeigt, dass Fischingers Malerei theoretisch, ästhetisch und formal zutiefst in der modernen Kunstentwicklung im Deutschland der zwanziger und dreißiger Jahre wurzelt. Die Betonung des Gleichgewichts von Intuition und Methode (Kap. 6.4.), die Auseinandersetzung mit den geometrischen Grundformen des Kreises, Quadrates, des Dreiecks und ihren farblichen Korrelationen (Kap. 6.4.), die Verwendung von geometrischem oder gegenständlich symbolischem Ausdrucksvokabular zur Darstellung spiritueller Inhalte (Kap. 7.3.), die Auseinandersetzung mit den synästhetischen Zusammenhängen von Farbe und Musik (Kap 7.3.) und der Assymetrie als Grundlage für das formale Gleichgewicht der Bildkräfte (Kap. 7.7.), dies sind Themen, mit denen sich Fischinger zwischen 1936 und 1967 sowohl auf der Basis von kunsttheoretischen Schriften als auch in seiner Malerei intensiv auseinandergesetzt hat. Sein Festhalten an den formal und stilistisch in den dreißiger Jahren entwickelten Gestaltungsmitteln und seine Verinnerlichung von Kunsttheorien der zwanziger Jahre könnte man zusammen mit seinem Desinteresse am internationalen Kunstgeschehen und an der angelitanischen Kunstszene als Ausdruck mangelnder geistiger Flexibilität und Anpassungsfähigkeit und damit als Akkulturationsproblem auffassen. Es könnte jedoch auch als Ausdruck einer konsequenten Umsetzung seiner künstlerischen Prinzipien verstanden werden. Die Beschreibung der Innenwelten stellt sich in diesem Zusammenhang als unabhängig von den Geschehnissen der Außenwelt und modischen Kunsttendenzen dar. Sie bedient sich eines abstrakten Zeichenvokabulars, das als universelles sprachliches Mittel keinem zeitlichen Wandel unterliegt. Die abstrakte Sprache, so wie sie Fischinger, Klee oder Kandinsky verstanden, war darüber hinaus keine Sprache der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder Anschauung. So erklärt sich auch der mangelnde amerikanische Einfluss auf das malerische Werk Fischingers. Gemeinsamkeiten zwischen ihm und der kalifornischen Kunstszene der vierziger und fünfziger Jahre zeigen sich nur in dem Interesse an seriellen Strukturen und an den Entwicklungen der Monochromen und Meditativen Malerei. Wenn auch der Maler Fischinger aufgrund seines frühen Weggangs in seiner Heimat ein Unbekannter geblieben ist, so findet sein Werk in den Vereinigten Staaten zunehmende Anerkennung. In jüngster Zeit sind seine Gemälde in zahlreichen Ausstellungen vertreten, darunter 1993 in der in Washington eröffneten Wanderausstellung "Thema und Improvisation: Kandinsky und die amerikanische Avantgarde". Diese Popularität verdankt er wesentlich der Rückbesinnung auf ein bisher vernachlässigtes Kapitel amerikanischer Kunstgeschichte - der kalifornischen Malerei der vierziger Jahre. Fischinger zählt heute neben Lorser Feitelson, Helen Lundeberg, Peter Krasnow, Knud Merrild und Hans Burkhardt zu einem der wichtigsten Vertreter der südkalifornischen Malerei. Diese zeichnet sich im Vergleich zur Kunstmetropole New York jedoch mehr durch eine reiche Vielfalt stilistischer Ausprägungen und durch die Wahrung künstlerischer Individualität aus als durch avantgardistische Bestrebungen und einheitliches Stilwollen. 1992 stellte der Kurator des Washington Museum of Art anläßlich der Ausstellung "Turning the Tide" fest: "Fischinger is just now beginning to receive the attention he deserves beyond film critics and historians, recognition that ironically may have been delayed by his identification with art cinema."
Die Analyse Matissescher Malerei hat erbracht, daß sich das Dekorative sowohl aus formalen, als auch aus inhaltlichen Faktoren zusammensetzt. Neben dem Bildaufbau sind Ornament und Format wichtige Konstruktionselemente der dekorativen Komposition. Durch die Verwendung dekorativer Gestaltungsmittel innerhalb des Kompositionellen entwickelt Matisse eine Malerei, die sich durch die Harmonie und Ordnung der einzelnen Bildelernente auszeichnet. Innerhalb ihrer gegenseitigen Beziehungen soll eine autonome Wirkung angestrebt werden. Aus der emotionalen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand und der Herauslösung der wesentlichen Wahrnehmungen aus diesem, entwickelt Matisse die dekorative Sprache. Die dekorativen Darstellungsmittel entsprechen in der Art ihrer Anordnung den geläuterten, gefilterten Emotionen des Künstlers und sind Ausdruck seiner subjektiven Interpretation der Natur. Matisse strebt nach einer Wirklichkeit, die hinter der sichtbaren Erscheinung des Gegenstandes liegt, nach einer Konzentration von Form und Inhalt auf einen überzeitlichen Ausdruck. Das Ornament ist wesentliches Gestaltungselement der Matisseschen Kunst. Es wird aus seiner traditionellen Rolle des schmückenden Beiwerks befreit und von Matisse als konstruktives Kompositionsmittel eingesetzt. Mit dem immer mehr reduzierten Gegenstand in Form des Zeichens der Scherenschnitte entwickelt sich das Ornament in Form des ornamentalen Zeichens zu immer größerer Autonomie. Es bleibt zwar dem Gegenständlichen verbunden (z. B. "Die Negerin", Abb. 32; "Die Lagune", Abb. 241), löst sich aber zunehmend von der Funktion des Gestaltungsmittels und wird selbst zum Bildinhalt. Das Dekorative, das sich traditionell auf den Bereich der Wandmalerei beschränkt, hat für Matisse eine auf die Staffeleimalerei übergreifende Bedeutung. Mit der Verschmelzung dekorativer gestalterischer Kriterien und solchen, die in der Regel der hohen Kunst vorbehalten sind, z B. die expressive Farbe schafft er einen neuen Bildtypus, der signifikant für die Bildgestaltung der Moderne, besonders für die amerikanische Malerei der fünfziger und sechziger Jahre ist. Bei Matisse setzt sich diese Verbindung von grofiern Format, dekorativen Kompositionsmitteln und "expressiven" Qualitäten besonders in den dreißiger Jahren in seinen monumental wirkenden Staffeleibildern durch, deren Gestaltungselemente in den monumentalen Scherenschnittdekorationen kulminieren. Die künstlerischen Inhalte Matisse' erweisen sich als eng verbunden mit der islamischen Kunst, die ihn mit dem Gedanken einer sinnvollen Einheit von Kunst und Dekoration vertraut macht. Darüber hinaus ist er inhaltlich und formal von den zeitgenössischen Strömungen des Jugendstils und den theoretischen Grundlagen der dekorativen Gestaltung seit Ende des 19. Jahrhunderts beeinflußt. Matisse stimmt im wesentlichen mit den inhaltlichen Zielen der Dekoration überein. Er strebt danach, in seinen Bildern eine Atmosphäre der Freude, Ruhe, Entspannung zu schaffen. Darüber hinaus verfolgt er das Ziel, durch die Malerei sich und dem Betrachter das Erlebnis eines Raums jenseits der Realität, eines geistigen Raums, zu vermitteln. Die islamische Kunst, die ihre religiösen Inhalte durch das Dekorative ausdrückt, verdeutlicht Matisse die Möglichkeit, durch die dekorativen Gestaltungsmittel zu geistigem Ausdruck zu gelangen. Indem Matisse den grenzenlosen geistigen Raum, den er mit der Erweiterung des malerischen Raums zu erreichen sucht, mit der Unendlichkeit des Glücksgefühls gleichsetzt, das der Betrachter empfindet, erhebt er seine Malerei in eine "philosophische Dimension", die sich von den eher funktionalen Zielen der Freude in der Dekoration entfernt. Die Verkörperung des Glücks durch die Vorstellung des irdischen Paradieses ist folglich eng verbunden mit der Bildkomposition. ...