780 Musik
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"... die Notwendigkeit, die Werke rascher zu interpretieren" : Musik, Technik und Beschleunigung
(2014)
Die Beschleunigung, die "Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne", dringt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auch in die Musikästhetik. Die Produktion und Rezeption von Musik verändert sich aufgrund der neuen Medientechniken: Musik wird technisiert, mechanisiert, sie wird reproduzierbar, sie wird global verfügbar. Im Folgenden möchte ich anhand einiger Beispiele veranschaulichen, dass das musikalische Tempo in den musiktheoretischen und musikästhetischen Reflexionen dieser verschiedenen Tendenzen eine zentrale Rolle spielt und dabei die empfundene Beschleunigung der Moderne spiegelt.
Alban Berg begann seine kompositorische Laufbahn als Komponist von Klavierliedern, die Teil einer quantitativ frappierenden Liedproduktion im Wien der Jahrhundertwende sind: Das Klavierlied hatte zu dieser Zeit in Wien schon eine lange, vor Franz Schubert beginnende Gattungstradition und erlebte als Gattung von besonderer Lokalbedeutung nun einen späten, abschließenden Höhepunkt. Kaum ein Oeuvre eines in Wien lebenden Komponisten dieser Zeit zeigt nicht die Anziehungskraft eines musikalischen Lyrismus. Das gilt für Wilhelm Kienzl, Julius Bittner, Carl Lafite, Joseph Marx ebenso wie für Franz Schreker, Alexander von Zemlinsky, Arnold Schönberg, Alban Berg, Anton von Webern sowie für die beiden bedeutendsten Lied-Komponisten dieser Zeit - Hugo Wolf und Gustav Mahler. Ihre Liedkompositionen markieren zugleich einen zweifachen gattungsgeschichtlichen Wendepunkt, denn war Wolf der letzte, in dessen Schaffen das Klavierlied zwar noch einen alles dominierenden Rang einnahm, sich aber endgültig vom bis dahin gültigen Strophenlied-Modell ablöste und zum Deklamationslied entwickelte, so führte Mahlers Entwicklung von frühen, späterhin orchestrierten Klavierliedern zum Orchestergesang und zur Synthese zwischen Lied und Symphonik.
"... leer im Inneren" : Adornos Toscaninikritik, weißer Stil und ein abgefressener deutscher Wald
(2007)
Die Poesie hat es im Streit der Künste nicht leicht, sich gegen die Macht der Musik zu behaupten. Die Überlegenheit der Musik steht mit Monteverdi schon am Anfang der Operngeschichte. Die Operngeschichte ist voller Beispiele vom Streit zwischen Dichtern und Musikern. Nur ein transdisziplinärer Meister wie Dieter Borchmeyer vermag dieses Wechselspiel zu überschauen. Immer wieder strebte die Kunst zum Gesamtkunstwerk und zur Fusion von Wort und Ton. Richard Wagner gab aller neueren Kunst das Beispiel vor. Friedrich Nietzsche nahm den ungleichen Kampf mit Wagner auf. Sein Gegenprojekt war eng mit dem Mythos von Dionysos und Ariadne verbunden. Zuletzt sah er in Cosima Wagner seine Ariadne verkörpert Im 'Ecce homo' fragte er noch: "Wer weiss ausser mir, was Ariadne ist!" (KSA 6, 348) Seine letzten Zeilen an Cosima lauteten dann wohl: "Ariadne, ich liebe Dich. Dionysos". Auf Dionysos und Ariadne lief seine Wiedergeburt der Antike im Kampf mit Wagner hinaus.
Die Arbeit widmet sich der Gattungsgeschichte des Streichquartetts zwischen 1830 und 1870 mit Blick auf die gesamteuropäische Entwicklung. Neben Aspekten der Kompositions-, Sozial- und Institutionengeschichte sowie detaillierten Erörterungen zum allgemeinen Gattungsdiskurse zwischen 1830 und 1870 werden auch Fragen behandelt, welche die Musik- und Gattungsgeschichtsschreibung als solche betreffen.
Dieser Essay versucht eine Annäherung an das Phänomen der Einstürzenden Neubauten vermittels der Songtexte, die aus verschiedenen Perspektiven vermessen werden, um einige zentrale Grundlinien zu bestimmen. Die akademische Beschäftigung mit Songtexten und Pop-Musik hat sich in der deutschen Germanistik und Kulturwissenschaft während der letzten Jahre als auffälliger Trend ausgebildet. Wenngleich dabei einige Fortschritte gemacht wurden, um an den avancierteren Stand der englischsprachigen Forschung auf diesem Feld anzuschließen, stehen Analysen zu den Texten der künstlerisch bedeutendsten
deutschen Pop-Musik-Gruppen noch weitgehend aus. Im Hinblick auf die Einstürzenden Neubauten versteht sich das Folgende als Beitrag zur noch in den Kinderschuhen steckenden Forschung zur Band im Allgemeinen und zu deren bemerkenswerten Texten im Besonderen.
Goethe und die Musik seiner Mit- und Nachwelt: das ist ein weites, ja eines der weitesten Felder seiner Wirkungsgeschichte. Wohl kein Dichter in der Geschichte der Weltliteratur hat einen vergleichbaren Einfluß auf die Musik gewonnen hat wie er. Fast keiner der großen Komponisten - zumindest in Deutschland - von der Schwelle des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ist ohne ihn ausgekommen, ja in vielen Fällen - es seien nur die Namen Beethoven, Schubert, Mendelssohn, Schumann, Liszt, Wagner, Brahms, Mahler, Strauss, Busoni oder Webern genannt - stehen die Lektüre und musikalische Auseinandersetzung mit Goethe so sehr im Zentrum ihres ästhetischen Kosmos, daß man beinahe behaupten kann: ohne ihn hätte ihr Werk eine andere geistige, ja vielfach eine andere künstlerische Gestalt. Vor allem eine bestimmte musikalische Gattung, die außerhalb Deutschlands heute mehr denn je als Inbegriff deutscher Kultur gilt, hätte sich ohne ihn niemals in dieser Form und zu dieser Höhe entwikelt: das Kunstlied, "le lied", wie die Franzosen sagen, ein Wort, das niemals im Dictionnaire stünde, hätte es Goethe nicht gegeben, dessen Gedichte seit fast zweihundert Jahren nach den Worten von Friedrich Blume "die bei weitem am häufigsten komponierten Texte der Weltliteratur" sind.
Zwei Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs veröffentlichte der franko-amerikanische Historiker Jacques Barzun eine ideengeschichtliche Anatomie des 19. Jahrhunderts mit dem aufsehenerregenden Titel 'Darwin, Marx and Wagner'. Eine mit Absolutheitsanspruch verfochtene deterministische Weltsicht betrachtet sein Buch, dessen narrativen Ausgangspunkt die just ins Jahr der Vollendung der 'Tristan'-Partitur (1859) fallende Veröffentlichung von 'The Origin of Species' und der 'Kritik der politischen Ökonomie' bildet, als ein anhaltend problematisches Erbe der mit jenen drei "representatives of the dominant tradition" verbundenen Umwälzungen in den Künsten, Natur- und Sozialwissenschaften: "Their thought embraces the three great relations that cause us the deepest concern - science and religion, science and society, society and art - and it is from them that on these subjects we have learned what we most familiarly know." Gegen solchen von der weltgeschichtlichen Lage geprägten (liberalen) Skeptizismus kann zwar zum einen auf jene die "ewige Wiederkehr des Gleichen" progressiv durchbrechende Zielgerichtetheit verwiesen werden, die Wagners auf ein multilaterales "Ende" zulaufende Musikdramen mit dem Telos von Marx’ Gesellschafts- und Darwins Naturbeobachtung teilen. Aber auch diejenigen Kopplungen und ideengeschichtlichen Synergieeffekte, die sich in - sich neu formierenden - Problemzusammenhängen wie der (Musik-)Psychologie niederschlagen, lassen sich Barzuns düsterer Zeitgeistdiagnose entgegenstellen. Der vorliegende Aufsatz steht also nicht nur vor der bislang unbewältigten Aufgabe, das Werk eines bedeutenden Komponisten in den Kontext der Wissenschaftsgeschichte zu stellen. Zugleich geht es darum, gewöhnlich nicht ins Blickfeld der Musikwissenschaft fallende Textgattungen und Diskurse für die musikalische Analyse und Historiographie des ausgehenden 19. Jahrhunderts fruchtbar zu machen.
In dem folgenden werkgenetischen und forschungskritischen Beitrag geht es um das sonderbare und revisionsbedürftige Schicksal, das eine von Mozart nach dessen Rückkehr aus Mannheim in Salzburg ohne Auftrag begonnene und bis Sommer 1780 fast vollendete Oper durch ihre Rezeption bei der Nachwelt bis heute erlitten hat. Für meine Hypothese, bei Mozarts Zaïde handele es sich um eine ernste (nicht-komische), höchstwahrscheinlich einaktig konzipierte Kurzoper ("Operette", W. A. M.) ohne glücklichen Ausgang, ist es ebenso unmöglich, einen "Nachweis" zu erbringen, wie für die bisher geltende, als einzig denkbare Wahrheit auftretende These, sie sei ein stark fragmentarisches, höchstwahrscheinlich dreiaktiges Singspiel, dem nicht nur die Ouvertüre und die meisten Dialoge fehlten, sondern auch die entweder in mehreren fehlenden Schlussnummern eines zweiten oder in einem dritten Akt sich vollziehen sollende glückliche Wende. Darum wird hier nicht versucht, gegen eine bestehende beanspruchte "Deutungshoheit" eine andere zu setzen, sondern lediglich angezeigt und begründet, warum es ratsam ist, eine andere Interpretationsmöglichkeit bekannter Quellen, von denen einige bisher berücksichtigt, andere vernachlässigt wurden, ins Auge zu fassen. Es kann lediglich anhand von Indizien, welche die Quellen und Teile der bisherigen Forschung aufweisen, eine neue, bisher verworfene Möglichkeit von dem über sie verhängten Verdikt befreit werden. ...
Die amerikanische Hardcore Punk Szene wird bis heute als eine antirassistische Rebellion gegen das Wiedererstarken konservativer Wertvorstellungen wahrgenommen. Hardcore Punk entwickelte sich in den USA aus der Stilrichtung des Punkrock und hatte seinen Höhepunkt in den 1980er Jahren. Dabei wurde sowohl der lyrische Inhalt als auch die musikalische Form des ursprünglichen Genres radikalisiert und die subkulturelle Identität maßgeblich über körperbetonte und expressive Bühnenauftritte konstituiert. Die Hardcore Punk Szene inszenierte sich vornehmlich als prekäre und stigmatisierte Gesellschaftsschicht, um von dieser Position aus eine vermeintlich antirassistische Grundhaltung zu propagieren. Die Tatsache, dass diese Szene jedoch fast ausschließlich aus weißen, männlichen und der Mittelschicht zugehörigen Jugendlichen bestand, wirft Fragen hinsichtlich der etablierten, politisch eindeutigen Verortung als subversiver Bewegung auf.
Im Sinne einer Musikhistorie als "Plural von Zusammenhängen" (H. Blumenberg), deren sich überkreuzende Fäden der narrativen Bündelung durch Hörer und Chronisten bedürfen, erweist sich Schönbergs "Überlebender aus Warschau" als ein Scharnierstück der von politischen Verwerfungen durchsetzten Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die Einbeziehung des die Dignität kultureller und religiöser Selbstbehauptung symbolisierenden Glaubensbekenntnisses setzt kompositionsgeschichtlich einerseits eine national-religiöse Tradition fort, denkt man etwa an die Schlüsselstellung, die das Zitat von Luthers Choral "Ein feste Burg" in nicht wenigen Werken des 19. Jahrhunderts einnimmt. Andererseits resultiert auch die Wirkung des 'Survivor' - wie Reinhold Brinkmann im Zeichen der um und nach 1968 leidenschaftlich ausgetragenen Diskussion der politischen Aussagekraft musikalischer Werke betonte - aus der Aktivierung des politischen Textinhalts durch eine dezidiert musikalische Konzeption: Die dem "Shema Yisrael" vorausgehende musikalische Steigerung lässt sich als kompositorisches Modell bereits im apotheotisch angelegten Schluss von Schönbergs 'Gurreliedern' ("Erwacht, erwacht ihr Blumen zur Wonne") nachweisen. Auf dynamischer Ebene ist diese Klimax der Takte 72-80, die es buchstäblich darauf anlegt, den Hörer zu überwältigen, durch das anziehende Tempo (von Viertel=60 bis Viertel=160) und ein Crescendo zum dreifachen Forte, rhythmisch durch die aus der Erzählerstimme in das Orchester überspringenden triolischen Figuren, sowie tonal durch ein chromatisches Wechselspiel zwischen den vier Ausprägungen des übermäßigen Dreiklangs und der dadurch ebenfalls erforderlichen Transposition der Reihenformen bestimmt. Schönbergs ideelle Besinnung auf die Religion stützt sich kompositorisch somit ein Stück weit gerade auf ihr säkularisiertes Gegenstück - jene musikalischen Überhöhungen, die das Zeitalter der "Weltanschauungsmusik" in Form einer bisweilen hypertrophen Kunstreligion zelebrierte. Die Erinnerung des "Überlebenden" wird so auf den "grandiose moment" des musikalischen Widerstands konzentriert, während Schönberg eine gleichwertige Einbeziehung des Erzählertexts in das motivisch- tonale Gefüge der Komposition dezidiert ausschließt. Trotz dieser historischen Verortung steht der von Adorno als "autonome Gestaltung der zur Hölle gesteigerten Heteronomie" beargwöhnte 'Survivor' zugleich aber nicht nur ideengeschichtlich, sondern durchaus auch kompositionstechnisch - wie hier an Kompositionen von Schönbergs (posthumem) Schwiegersohn Luigi Nono gezeigt werden soll - mit avancierten Beispielen einer 'musique engagée' der 1960er Jahre in Verbindung.
Die Stücke der Windrose für Salonorchester (1989-95) by the Argentine-German composer Mauricio Kagel (*1931) constitute a set of eight pieces on the main bearings of the compass, each number being named after a compass point. In my thesis I explore how the different musical idioms – references to non-Western musics and to salon orchestra music, as well as Kagel’s own compositional procedures – relate to one another in the pieces. The specific origin of the materials Kagel utilised is established by examining a variety of sources, such as the composer’s own programme notes, an interview I conducted with him, and most importantly, the sketch materials. On this basis I develop a theoretical model of the intertextual relations between different musical discourses by means of Bakhtinian dialogics, resulting in a typology distinguishing different kinds of cross-cultural musical representation according to the degree of ‘stylisation’ involved. This typology serves as the framework of my analyses in which I discuss the different ways Kagel engages with his source materials in terms of compositional technique, aesthetic issues such as Kagel’s challenge to traditional notions of authorship, and the ideological implications of cross-cultural musical representation, interpreted in the light of recent discourses, for instance in cultural studies and postcolonialism. In particular, I demonstrate that Kagel‘s work is as much a critical reflection on common Western representations of ‘otherness’, as it engages in such a practice itself, as is apparent in the ostentatious employment of a salon orchestra with its associations of turn-of-thecentury exoticism. By illustrating methodological approaches to cross-cultural composition, which has become a prominent feature of contemporary Western concert music, the thesis aims to contribute to current discourses concerning the musical representation of ‘otherness’.
Richard Wagner hatte ein gebrochenes Verhältnis zum Geld: Er benötigte viel, hatte aber meist so wenig, dass er auf Pump leben musste. Nicht selten war er auf der Flucht vor seinen Gläubigern. Die Erfindung des Geldes hielt er für einen Sündenfall, das Eigentum für die Wurzel allen Übels. Im »Ring des Nibelungen « spiegelt er im Mythos vom Fluch des Goldes die moderne Erfahrung der Macht des Geldes.
"Wellenformen" : die Leistung mathematischer Modellbildung für Akustik, Physiologie und Musiktheorie
(2016)
Im Jahr 1857 hält Hermann von Helmholtz einen Vortrag 'Ueber die physiologischen Ursachen der musikalischen Harmonien', in dem er erstmals Ergebnisse seiner akustischen und hörphysiologischen Forschungen einer akademischen Öffentlichkeit vorstellt. Dabei bilden die Untersuchungen und Experimente, die Helmholtz im Rahmen seiner Tätigkeit als Professor für Anatomie und Physiologie an der Universität Bonn durchgeführt hat, Grundlage und Ausgangspunkt einer umfassenden Neukonstitution von Wissenszusammenhängen, in deren Zuge ältere Wissensbestände arrondiert, im Lichte neuer Erkenntnisse bewertet, erweitert, neu gefasst und in ausgearbeiteter Form sechs Jahre später unter dem Titel 'Die Lehre von den Tonempfindungen' veröffentlicht werden. In den einleitenden Worten seines Vortrages aus dem Jahr 1857 verweist Helmholtz in diesem Kontext auf einen Aspekt, der ihm offenkundig von großer Signifikanz zu sein scheint:
"Es hat mich immer als ein wunderbares und besonders interessantes Geheimnis angezogen, dass gerade in der Lehre von den Tönen, in den physikalischen und technischen Fundamenten der Musik, die unter allen Künsten in ihrer Wirkung auf das Gemüth als die stoffloseste, flüchtigste und zarteste Urheberin unberechenbarer und unbeschreiblicher Stimmungen erscheint, die Wissenschaft des reinsten und consequentesten Denkens, die Mathematik, sich so fruchtbar erwies."
Bemerkenswert an dieser Aussage ist nicht, dass Musik und Mathematik in eine enge Beziehung zueinander gesetzt werden - hier kann Helmholtz auf eine über zweitausendjährige Tradition der wechselseitigen Elaboration beider Bereiche verweisen -, sondern dass Darlegungen, die auf die systematische Durchdringung der Zusammenhänge zwischen akustischen, physiologischen, psychischen, musiktheoretischen und ästhetischen Phänomenbereichen zielen, ihren Ausgangspunkt in der Mathematik nehmen. Diesen Leistungen, die mathematisches Denken für die Untersuchung und Explikation dieser Zusammenhänge erbringt, möchte der folgende Beitrag nachgehen. Es wird sich zeigen, dass eine spezifische mathematische Operation für das Verständnis von akustischen und physiologischen Prozessen modellbildend wirkt und über verschiedene Applikationswege hinweg neue Impulse der Systematisierung von Wissensbeständen setzt.
Caroline Ungher-Sabatier wird heute meist mit dem Altsolo bei der Uraufführung der 9. Symphonie Ludwig van Beethovens in Verbindung gebracht. Ihre größten Erfolge konnte sie jedoch mit der italienischen Oper in den 1830er Jahren feiern. Bisher fand ihre sängerische Laufbahn und ihre Kontakte in Wien – abgesehen von Franz Schubert und Beethoven – kaum Beachtung. Deswegen beschäftigt sich diese Masterarbeit eingehend mit der Künstlerin und Sängerin Caroline Ungher-Sabatier, deren Lebensweg mit der Stadt Wien verknüpft ist. Sie genoss dort ihre musikalische Ausbildung, kehrte, nach ihren großen Erfolgen in Italien, 1839 und 1840 für Gastspiele an das Kärntnertortheater zurück und hielt lebenslang ein Netzwerk zu berühmten und bekannten Persönlichkeiten in Wien aufrecht. Nach ihrem Bühnenabschied war Ungher-Sabatier als Gesangspädagogin tätig und setzte sich auch in Wien für ihre Schülerinnen ein.
Neben ihrer erfolgreichen Karriere in der italienischen Oper pflegte Ungher-Sabatier das deutsche Liedrepertoire und komponierte eigene Lieder.
Ihr Werdegang und ihre Rezeption in Wien werden anhand von zeitgenössischen Artikeln aus Zeitungen und Zeitschriften untersucht. Um einen tieferen Einblick in Caroline Ungher-Sabatiers Wiener Netzwerk nach ihrer Opernkarriere zu ermöglichen, wurden ihr Stammbuch und über hundert Briefe ausgewertet.