790 Freizeitgestaltung, darstellende Künste, Sport
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Für die meisten Exegeten von "Blue Velvet" ist klar: Der Film ist ein, wenn nicht das Initial-Ereignis des postmodernen Kinos. Dabei ist für ihn verpflichtend, dass er eine Geschichte im doppelten Wortsinne erzählt: Seine eigene, die von der Rückkehr Jeffreys in seinen Heimatort Lumberton und dessen Entdeckung der dortigen Unterwelt handelt und die Geschichte der Bedingung seiner Möglichkeit: Blue Velvet verortet sich selbst in der und als Resultat der Filmgeschichte und reflektiert darüber hinaus die Funktionsweise des Kinos.
Zwischen 1970 und 1977 entsteht in fünfjähriger Dreharbeit mit Unterbrechungen und unter extrem schwierigen Produktionsbedingungen David Lynchs erster Spielfilm "Eraserhead". Vorbereitet wurde er in mehrfacher Hinsicht durch das Frühwerk des noch jungen Regisseurs. Seine kinetische Skulptur "Six Men getting sick", sowie seine Kurzfilme "The Alphabet" und "The Grandmother" verhalfen ihm nicht nur zu Stipendien (etwa der AFI für "The Grandmother"), sondern etablierten auch ein Motivinventar, auf das Lynch in Zukunft immer wieder zurückgreifen und es ausbauen würde.
Bei Filmbiografien bedeutender historischer Persönlichkeiten scheint es oft so, als trete der Regisseur ganz besonders weit hinter seinen Gegenstand zurück. Die darzustellende Biografie ist es ja schließlich selbst, die Sinn und Zusammenhang stiftet; der Autor ist mithin einzig als Sammler und Ordner der historischen Fakten zuständig – und als Sprachrohr seines Helden.Doch gerade im Bemühen um größtmögliche Authentizität kehrt der Autor als Konstrukteur und Simulant zurück.
Wenn Yvan Goll 1920 programmatisch feststellen konnte, die Basis für alle neue kommende Kunst sei das Kino, um einen ästhetischen Avantgardismus in der Annäherung von Künsten und Film zu begründen, dann beginnt Deleuze mit der Frage: "Was offenbart der Film, was die anderen Künste uns nicht offenbaren?" Anstatt Resonanzen oder Affinitäten im ästhetischen Feld herauszustellen, müssen die "Begriffe, die von der Philosophie für den Film vorgeschlagen werden,[…] spezifisch, das heißt nur dem Film angemessen sein." Der Film als Gegenstand der Untersuchung ist eine Singularität, und dementsprechend haben auch seine Begriffe den Charakter von Singularitäten, die von keinen Universalien, Transzendentalien oder Allgemeinheiten eingeholt werden können. Begriffe, zum Beispiel aus der Psychoanalyse, von außen an den Film heranzutragen, würde die Singularität des Films verfehlen, weil sie nicht mehr vom Film sprechen, sondern etwa vom Imaginären, von Kastrationsangst oder Partialobjekten. Übertragungen dieser Art würden die Bewegung des Denkens auf der Ebene der Immanenz, um die es Deleuze zu tun ist, außer Kraft setzen.
Deleuzes Philosophie des Kinos versteht man besser, wenn man den Abstand sieht, den er von den Filmtheorien der klassischen Moderne nimmt, die für lange Zeit die Diskussionen und Untersuchungen in der Kulturwissenschaft der Medien orientiert haben: Walter Benjamin und Siegfried Kracauer. Beide haben sich durchaus auch auf die Besonderheit des Mediums Film konzentriert, aber sie bewegen sich - wie sich zeigen wird - allein im Horizont des Denkens der Moderne, den Deleuze überschreitet.
Daß es nicht unbedingt die bewegten Bilder sind, die uns bewegen, sondern daß uns oft gerade das bewegt, was sich nicht bewegt, ist eigentlich eine triviale Alltagsbeobachtung. Sie bedürfte keiner weiteren Erörterung, wenn sie nicht in ein medienhistorisches Umfeld fiele, das alles daransetzt, sie zu falsifizieren. So stoßen wir heute häufig auf Bewegungsbilder, die unsere unwillkürliche Aufmerksamkeit affizieren und deshalb als Ursache für innere Bewegungen genommen werden, obwohl es nur Reaktionsmechanismen sind, die sich in der Habituation rasch abschleifen (D 00). ...
Western cultures have witnessed a tremendous cultural and social transformation of sexuality in the years since the sexual revolution. Apart from a few public debates and scandals, the process has moved along gradually and quietly. Yet its real and symbolic effects are probably much more consequential than those generated by the sexual revolution of the sixties. Sigusch refers to the broad-based recoding and reassessment of the sexual sphere during the eighties and nineties as the "neosexual revolution". The neosexual revolution is dismantling the old patterns of sexuality and reassembling them anew. In the process, dimensions, intimate relationships, preferences and sexual fragments emerge, many of which had submerged, were unnamed or simply did not exist before. In general, sexuality has lost much of its symbolic meaning as a cultural phenomenon. Sexuality is no longer the great metaphor for pleasure and happiness, nor is it so greatly overestimated as it was during the sexual revolution. It is now widely taken for granted, much like egotism or motility. Whereas sex was once mystified in a positive sense - as ecstasy and transgression, it has now taken on a negative mystification characterized by abuse, violence and deadly infection. While the old sexuality was based primarily upon sexual instinct, orgasm and the heterosexual couple, neosexualities revolve predominantly around gender difference, thrills, self-gratification and prosthetic substitution. From the vast number of interrelated processes from which neosexualities emerge, three empirically observable phenomena have been selected for discussion here: the dissociation of the sexual sphere, the dispersion of sexual fragments and the diversification of intimate relationships. The outcome of the neosexual revolution may be described as "lean sexuality" and "self-sex".
Der französische Physiologe Etienne-Jules Marey (1830–1904) gehörte vor 120 Jahren zu den Protagonisten eines Paradigmenwechsels. Als Pionier der Bewegungsanalyse mit mechanisch-pneumatischen Aufzeichnungssystemen wandte er sich in dem Moment der Fotografie zu, als diese Kurzzeitbelichtungen zu erlauben begann. Das war die notwendige Bedingung dafür, Serienaufnahmen in genügend kurzer Abfolge machen zu können; die hinreichenden Apparaturen hatte er sich selber zu bauen. Chronofotografie hiess das Projekt, das am Anfang des wissenschaftlichen Films schlechthin stand und das so wenig mit dem grossen K von Kino zu tun hatte, dass Marey in filmgeschichtlicher Hinsicht stets im selbst gewählten Schatten der Brüder Lumière und Thomas Edisons stand. ...
When the concept of the auteur was coined in the 1950s and 1960s, it was an initiative to clarify the obscure matters of authorship in cinema. Because a film must necessarily be a collective work, understood as the result of a large number of creative contributions, it was often unclear who the decisive power behind a certain film was, who contributed the "distinctive quality". The control will usually belong to the director, the producer or the star (or all three in combination), but what singles out a given film could also come from the cinematographer, the scriptwriter, from the author of an adapted literary work, or from traditions in the studio or in the genre. Nothing can be taken for granted about a film's authorship, it can only be decided through a thorough analysis of each film's production process, an analysis that, in most cases, will be impossible to make. ...
"Wissen als Schauspiel" – nach den Möglichkeiten theatraler Formen von Wissensrepräsentation fragt Peter Matussek. Er beobachtet eine Wende vom "pictorial turn" zum "performative turn" und gibt uns einen historischen Abriss der wiederauflebenden Gedächtnistheater. Kann die theatrale Form der Wissensrepräsentation die Aufmerksamkeitsstörungen der Informationsgesellschaft kurieren, oder ist sie selbst das Symptom, das sie zu kurieren vorgibt? Matussek betont, welchen bisher weitgehend übersehenen Einfluss "The Art of Memory" von Frances Yates auf Wissensingenieure, Interface-Designer und Computerkünstler ausgeübt hat. Dabei gehe es nicht nur um die Anordnung, sondern auch um die Erfindung von Wissen und neuen Werkzeugen zur Systematisierung, Kontextualisierung, Visualisierung und Inszenierung von Information.