800 Literatur und Rhetorik
Refine
Year of publication
Document Type
- Part of Periodical (377) (remove)
Language
- German (300)
- Multiple languages (27)
- French (25)
- English (24)
- Portuguese (1)
Has Fulltext
- yes (377) (remove)
Keywords
- Literaturwissenschaft (60)
- Vergleichende Literaturwissenschaft (53)
- Geschichte (50)
- Literatur (46)
- Kulturwissenschaften (34)
- Ästhetik (25)
- Literaturtheorie (24)
- Theorie (24)
- Begriff (22)
- Kultur (19)
Institute
Über den Abfall des Menschen
(2019)
Die historisch gewachsene Relevanz des Abfallproblems kulminiert in jüngsten theoretischen Versuchen, die Kultur als Ganzes vom Müll her in den Blick zu nehmen. Damit wird ausbuchstabiert, worauf Begriffe wie 'Wegwerfgesellschaft' hindeuten: dass Müll nicht nur als Anderes oder Rest der Produktion zu denken ist, sondern in einem viel grundlegenderen Zusammenhang mit dieser steht. Eine bis heute relevante Pionierarbeit zum Müll ist Michael Thompsons "Rubbish Theory". Am Beispiel von Seidenbildern aus dem 19. Jahrhundert zeigt er, wie einstmals Wertloses zur Antiquität wurde und welche sozialen Distinktionen mit der Deklaration einer Sache als Abfall verbunden sind. In seiner Spur lesen neuere soziologische Studien am Müllaufkommen den sozialen Status der 'Entsorger' ab: Zeige ihnen deinen Müll, und sie sagen dir, wer du bist. Reich sein heißt auch, etwas wegzuwerfen haben, und was den einen Müll, ist andern Lebensmittel. Nach Thompson ist klar geworden, dass etwas zu Müll nicht allein aufgrund seiner intrinsischen Eigenschaften wird. Eine spezielle Aufgabe der Kulturwissenschaften liegt daher in der Untersuchung der kulturellen und sozialen Codierung von Müll und des historischen Wandels objektbezogener Wertzuschreibungen.
Während man in Deutschland die Debatte um eine mögliche 'Rephilologisierung' der Literaturwissenschaft abermals zu entzünden sucht, ist in den USA der ebenfalls seit Ende der 1990er Jahre geführte Methodenstreit um die 'neuen Formalismen' in der Literaturtheorie bereits neuerlich entbrannt. Hier wie dort steht (nochmalig) zur Diskussion, wie Literatur als wissenschaftlicher Gegenstand konstituiert werden solle, was das 'Kerngeschäft' der Literaturwissenschaft sei und wie sie sich zu anderen Disziplinen ins Verhältnis zu setzen habe. Zwar sind die Zeiten vorbei, in denen sich eine immanent operierende, auf formale Aspekte fokussierte Lektürepraxis und eine historisch-kontextualisierende Herangehensweise so antagonistisch gegenüberstehen wie etwa im Fall von New Criticism und New Historicism. Gleichwohl bleibt der Stellenwert von Formfragen ein gewichtiges, vielleicht entscheidendes Moment der Debatten. Von Belang ist die aktuelle Diskussion in den USA zum einen, weil die neuen formalistischen Ansätze eben nicht mehr nur unter Ausschließung historischer oder kulturwissenschaftlicher Problemstellungen verfahren; zum anderen, weil dort eine (wissenschafts‑)politische Dimension dieser Fragen ins Licht rückt. In den folgenden Beiträgen, die im Anschluss an den ZfL-Workshop "Die 'neuen Formalismen' - Form, Geschichte, Gesellschaft" entstanden sind, diskutieren Eva Axer, Werner Michler und Marjorie Levinson die Konjunktur des Formbegriffs und der 'neuen Formalismen'.
Als Hans Blumenberg 1974 den Kuno-Fischer-Preis für Philosophiegeschichte erhält, fällt in seiner Dankesrede der Satz: "Ich habe den Vorwurf des 'Historismus' immer als ehrenvoll empfunden." Aus dem Mund eines Philosophen muss diese Aussage verwundern, denn polemisch verwendet meint 'Historismus' schließlich das glatte Gegenteil von Philosophie: reines positivistisches Faktensammeln ohne alle Wertung. Die Genese der Phänomene klären zu wollen, ohne ihre Geltung bestimmen zu können - so ließe sich der "Vorwurf" zusammenfassen -, endet in einem aussagefreien Relativismus. Als philosophische Haltung löst der Historismus Philosophie in Geschichte auf. Dass er dennoch "ehrenvoll" sein kann, lässt sich für Blumenberg aber durchaus philosophisch begründen. Verstanden als Korrektur falscher Geschichtsverständnisse nämlich ist der Historismus für ein ganzes geschichtstheoretisches Programm nutzbar zu machen: Blumenberg nannte es einmal die "Destruktion der Historie".
Eine Natur jenseits normativer anthropozentrischer Konzepte machen die Mitbegründer und Leiter des Art Laboratory Berlin (ALB), die Kunsttheoretikerin und Kuratorin Regine Rapp und der Künstler und Kurator Christian de Lutz, im Gespräch mit Kunstforum International geltend. Die intensive Auseinandersetzung des ZfL-Forschungsschwerpunkts "Lebenswissen" mit kritischer Ökologie, mit Natur/Kultur-Konzepten und der Verbindung von Biologie und Kulturwissenschaften gab den Anlass, das Gespräch mit dem Art Laboratory Berlin fortzusetzen.
Schon 1944 begannen einige Überlebende der Shoah, Wissen über die Vernichtung der europäischen Juden durch NS-Deutschland zusammenzutragen: Dokumente zu sichern, Zeugenaussagen zu sammeln, Bücher zu veröffentlichen. Nachman Blumental (geboren 1902 in Borszczów, gestorben am 8. November 1983 in Tel Aviv) ist einer dieser Überlebenden-Gelehrten. Sein Nachlass ist kürzlich in Vancouver von der Historikerin Katrin Stoll im Rahmen ihrer Arbeiten für das durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die französische Agence Nationale de la Recherche (ANR) geförderte Forschungsprojekt PREMEC (PREMiers ÉCrits de la Shoah) gesichtet und gesichert worden. Die 32 Kartons, die Archivmaterial und Bücher enthalten, sollen im Februar 2019 dem Institute for Jewish Research (YIVO) übergeben werden.
Ende Januar 1980 machte sich die Westberliner Band Tangerine Dream auf in den Ostteil der Stadt. Ihr Ziel war der Palast der Republik, in dessen Großem Saal sie im Rahmen der Jugendkonzerte des Radiosenders DT 64 auftreten sollte. Die nach 1990 etablierte Erzählung dieser Episode der Popgeschichte lautet folgendermaßen: Die futuristischen Klänge Tangerine Dreams und die von ihnen vorgeführten technischen Möglichkeiten hätten die Zuschauer so sehr beeindruckt, dass einige von ihnen in der Folge selbst die Flucht aus dem realsozialistischen Alltag mittels elektronischer Musik erprobten. [...] Die Apostrophierung ihres Auftritts als deutschdeutsche Entwicklungshilfe, als Ermutigung zur träumerischen Flucht aus der popmusikalischen Randzone, trifft weniger die historischen Umstände, als dass sie ein hegemoniales Narrativ von der emanzipativen Kraft des Pop als geschichtlichem Prozess beschreibt, der sukzessiv zur Vollendung strebt. Kein Zweifel: Der Auftritt von Tangerine Dream in Ostberlin nimmt einen exponierten Platz in der deutschen Geschichte elektronischer Musik ein.[...] Nicht im Hinblick auf einen musikalisch verabreichten Eskapismus ist Tangerine Dreams Konzert in Ostberlin bedeutsam, sondern im Hinblick auf ein technisches Potential, das bei ihm zur Aufführung kam.
Für die Literaturwissenschaft bedeutet Historisierung inzwischen eine nahezu selbstverständliche Übung, wenn es um die Analyse von Diskursen und produktions- oder rezeptionsästhetischen Aspekten in Einzelwerken geht - bei literarischen Gattungen ist sie aber noch immer eine Herausforderung. Die Versuche, die Großgattungen Epik - Lyrik - Dramatik nicht als überzeitliche Grundformen der Dichtung, sondern als geschichtlich wandelbare Konstrukte zu beschreiben, haben nicht selten zum Verschwinden der Gegenstände geführt. [...] Das Drama ist besonders schwer zu historisieren, weil es einerseits eine Gattungstradition hat, die bis zu den Tragödien der griechischen Antike zurückreicht, es aber andererseits stärker als andere Gattungen permanent aktualisiert werden muss, nämlich auf der Bühne. Damit pendelt die Gattung zwischen dem Anspruch überzeitlicher Gültigkeit und einer Wandelbarkeit, die gleichermaßen die Möglichkeit der Historisierung infrage zu stellen scheinen.
Für Jorge Luis Borges ist die Bibliothek Ort unermesslichen Wissens und Metapher für die Unendlichkeit. Umberto Eco beschreibt sie in "Der Name der Rose" als einen Raum voller Kräfte, als Schatzhaus voller Geheimnisse. Mögen sich die Bibliotheken über die Jahrhunderte auch einen Teil dieses Zaubers bewahrt haben, sind sie heute mehr denn je moderne Informationseinrichtungen in einer digitalen Gesellschaft. Vor allem in großen wissenschaftlichen Bibliotheken ist dieser Wandel spürbar; als Dienstleistungsunternehmen ist ihre Atmosphäre von Betriebsamkeit und Anonymität geprägt. Kleinere Institutsbibliotheken hingegen haben sich stärker einen Teil des Magischen bewahren können. In gewisser Weise verfügen sie über eine besondere Atmosphäre, einen "spirit", geformt von dem Ort selbst und den dort anwesenden Menschen. Auch in der Bibliothek des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung (ZfL) liegt ein ganz besonderer Bücherduft in der Luft, in dem die Zeit konserviert scheint. Die Geschichte dieser Bibliothek ist geprägt von etlichen Brüchen und Umbrüchen und spiegelt damit, gleichsam als Gedächtnis ihrer wechselnden Trägereinrichtungen, nicht zuletzt auch deutsch-deutsche Geschichte wider.
Für die Juli-Ausgabe von "39Null - Magazin für Gesellschaft und Kultur" (7/2019) hat Katharina Rahn mit Moritz Neuffer und Morten Paul über die Neue Rechte, Medien und Fragen der Öffentlichkeit gesprochen. Zusammen mit weiteren Geistes- und Kulturwissenschaftler*innen haben die beiden 2017 den Arbeitskreis "Kulturwissenschaftliche Zeitschriftenforschung" gegründet. Im daraus hervorgegangenen Eurozine-Dossier "Worlds of Cultural Journals" wurde 2018 ihr Aufsatz "Rechte Hefte. Zeitschriften der alten und neuen Rechten nach 1945" veröffentlicht.
Like identical twins, philosophy and history seem to be tied together in an uneasy way. On the one hand, philosophy is very concerned to engage with the history of philosophy. There are not many other branches of knowledge so preoccupied with continually referring back to their own 'classics'. On the other hand, quite a few of these classical authors did not hold history in high esteem. Aristotle, as is well known, even preferred drama to history, arguing that the latter merely concerned contingent issues. The marriage between history and philosophy quite often results in monsters like Hegelian philosophy of history: grand narratives that are all too easy to criticize and to debunk. If we want to better understand this complex relationship between philosophy and history, it might be worth turning to the German philosopher Hans Blumenberg.
Bei den 43. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt galten in diesem Jahr die hitzigen Debatten nicht den Siegertexten. [...] Von den Diskussionen um die Texte Beyers und Othmanns bleibt der Eindruck zurück, dass eine ungute moralische Verzagtheit in der Literaturkritik herrscht: Wo die Autorin als Zeugin für das Geschilderte einsteht, wird aus Respekt (und aus Vorsicht?) geschwiegen, wo der Autor Leidensgeschichten trivial ausschlachtet, wird seinem Text die Existenzberechtigung abgesprochen. Damit wird man beiden Texten nicht gerecht. Die Frage ist nicht, ob Literatur "das darf". Mit einem solchen letztlich hohlen und folgenlosen Verdikt verweigert sich die Literaturkritik wichtigeren Fragen, zum Beispiel denen, wie mit dem Einzug von trivialisierten Geschichten aus der NS-Zeit in die Unterhaltungsliteratur umgegangen werden kann und wie der unangenehmen Lage beizukommen ist, dass Opferschicksale offenbar erfolgreich zur Aufwertung von Texten dienen. Was sagt das über die Leserschaft? Was sagt es aber auch über die Leserschaft, wenn sie sich zu einem Text mit autobiographischen Bezügen nicht mehr kritisch verhält?
Nachbarschaften können sich in einem breiten Spektrum zwischen Abgrenzung, Indifferenz und starken gemeinschaftlichen Gefühlen und Interessen entfalten. Die ZfL-Literaturtage, die am 22. und 23. November 2019 im Literaturhaus Berlin in der Fasanenstraße stattfanden, haben deshalb den Versuch unternommen, unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema zu beleuchten. Dazu waren acht Autor*innen und eine Soziologin eingeladen, aus ihren Texten zu lesen bzw. ihre Forschungsfragen zu präsentieren und im Anschluss über Nachbarschaften zu sprechen. Denn zur Nachbarschaft gehört auch ganz wesentlich der Austausch - im konkreten Fall zwischen den Autor*innen, den wissenschaftlichen Gesprächspartner*innen, dem interessierten Publikum und natürlich zwischen dem ZfL und der langjährigen "Nachbar"-Institution, dem Literaturhaus Berlin.
Der Warschauer Künstler Karol Radziszewski gestaltet seit 2015 das Queer Archives Institute (QAI). Es ist bis Ende September 2019 im Schwulen Museum Berlin zu sehen und präsentiert Dokumente queeren, vor allem schwulen Lebens aus verschiedenen Ländern Osteuropas in der Spätzeit des Staatssozialismus und während der ersten Jahre nach dessen Untergang.
In den philosophischen, ästhetischen und musikwissenschaftlichen Diskursen scheinen Musik und Emotionen selbstverständlich miteinander einherzugehen. Ob die Musik als ein sich auf Zahlen- oder Proportionsverhältnisse stützendes, abstraktes Schema begriffen wird (wie z. B. in der griechischen Theorie und in ihren nachfolgenden Derivaten), als Nachahmung der Natur oder affektiver Zustände (wie in der klassischen Ästhetik) oder als unmittelbarer Ausdruck der Leidenschaften (wie in der romantischen Metaphysik) - sie wird systematisch als diejenige künstlerische Tätigkeit betrachtet, die am besten in der Lage ist, E-motionen ('e-movere') zu erzeugen, Körper und Seele "in Motion" zu setzen. Die Literatur scheint sich des Vorteils, den die Musik ihr gegenüber im Bereich der Emotionen hat, bewusst zu sein. In den vorliegenden Beiträgen wird gezeigt, dass Literatur sich nicht selten auf die Musik bezieht und sie in ihre verbale Welt integriert, um ihre eigene emotionale und kommunikative Wirkmacht zu verstärken.
Das menschliche Gedächtnis ist kollektiv gebildet - so ein Konsens seit Maurice Halbwachs grundlegender Studie (1939). Bei der Genese, Konstituierung und Transformation des kollektiven Gedächtnisses haben Denkmäler dabei eine widersinnige Funktion inne: Sie werden zumeist anlässlich von politischen und sozialen Konflikten mit der Absicht errichtet, bei ihrer Betrachtung eine Form positiver Identifizierung mit Geschichte zu evozieren. Gleichzeitig haben Denkmäler die Rolle einer "prekären Erinnerungsfunktion" (Dietrich Erben), weil sie weniger über historische Sachverhalt als vielmehr über die Form der Geschichtsaneignung durch die Initiatoren des Denkmals erzählen. Gerade Denkmäler nehmen eine bedeutende Rolle in der Kultur des Erinnerns wahr, weil der Hergang ihrer Planung und Aufstellung Fragen zum Erinnern, Vergessen und Verschwinden provoziert: Wie kann ein statisches Denkmal für die Nachkommen aktuell und aussagekräftig bleiben? Wie kann ein Denkmal als Erinnerung dienen ohne seine Wirkung zu verlieren? Wie lassen sich unvorstellbare Verbrechen mit künstlerischen Mitteln angemessen darstellen?
The discipline of adaptation studies has come a long way from its academic inception in novel-to-film studies. Since George Bluestone's seminal 1957 study Novels into Film, often regarded as the starting point of modern day Anglo-American adaptation studies, the discipline has seen a continual widening of its methodology as well as of the material scholars are willing to regard as adaptations. Particularly since the turn of the 21st century and the increasing institutionalization of the discipline as distinct from literary or film studies, adaptation scholars have widened the scope to include a broad range of media, encompassing not only the traditional adaptations from novels and drama into film, but also novelizations of various other media, video game and comic adaptations, TV series, opera, theme parks and tie in vacations, and many more. Others have included the study of media franchises as dependent on adaptation. As part of this redefinition of the discipline, scholars have also widened their discussion to bring to the centre aspects that were not originally the main focus of adaptation researchers' comparative textual analyses, including industrial structures, legal frameworks, and, most frequently and emphatically, questions of intertextuality and the cultural and ideological embeddedness of adapted texts.
Komparatistik online 2019: Berühren. Relationen des Taktilen in Literatur, Philosophie und Theater
(2019)
Körper und ihre Sinneswahrnehmung gehören zu den Voraussetzungen von Literatur und, Philosophie; die Bestimmung ihrer Funktion zählt zugleich zu einer der schwierigsten und umstrittensten Aufgaben dieser Künste und Disziplinen. Der Komplex um das Berühren, zu dem Haptik, Taktilität und Gefühl, Motorik, Sensorik und Affektivität gleichermaßen gehören, ist in der Körper- und Sinnesgeschichte notorisch von Vernachlässigung bedroht, hat in den Kultur- und Medienwissenschaften aber zuletzt neue Aufmerksamkeit erfahren. Philologische Ansätze befinden sich derzeit noch am Rand dieser Debatten, obwohl ihre Begriffe und Verfahren sogar als besonders 'berührungsaffin' gelten können. Genaue philologische Lektüren bieten die Möglichkeit, das je singuläre Verhältnis von Affektion und Sinnlichkeit und die Bedeutung des Tastsinns im Zusammenspiel mit anderen Sinnen zu erfassen. Philologische Verfahren können das metaphorische Potenzial des Berührens ebenso ausloten wie sein Verhältnis zum 'Realen'. Die Beiträge dieses Bandes zur europäischen Literatur, aber auch zur Philosophie von der Antike bis ins späte 20. Jahrhundert untersuchen das Berühren als relationale Figur, in der poetische Gestaltung und Materialität, Bildlichkeit und Buchstäblichkeit, Begreifen und Ergreifen, Anschauung und Affizierung in Beziehung treten. Im Zentrum stehen Fragen nach dem Verhältnis von Gemeinschaft und Individualität, von Literatur und Philosophie sowie nach der Funktion von Ansteckungs- und Distanzierungsverfahren in diesen Zusammenhängen. Dabei geraten gerade auch Wahrnehmungsräume in den Blick, die zumeist unter dem Primat des Visuellen verhandelt wurden. In Re- und Gegenlektüren schlagen die Beiträge eine Ausweitung der Sinnesbezüge vor.
W+K Forum "Handkes Preis"
(2019)
Unter dem doppelsinnigen Titel "Handkes Preis" widmete sich ein kurzfristig anberaumtes W&K-Forum am 24. Oktober 2019 den Debatten um die Verleihung des Literaturnobelpreises an Peter Handke. Schon in den ersten Tagen nach der Bekanntgabe der Entscheidung durch die Schwedische Akademie hatten sich zahlreiche Kommentatorinnen und Kommentatoren zu Wort gemeldet, die die Auszeichnung für Handke aufgrund seines Engagements für Serbien und Slobodan Milošević vehement kritisierten. Der Name eines Autors, der Mitte der 1960er Jahre als Provokateur die literarische Bühne betreten hatte, war plötzlich wieder in aller Munde.
Mit dem vorliegenden Eröffnungsband der Medienkomparatistik soll ein neues Forum für medienvergleichende Forschung initiiert werden. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Medien und verschiedener medialer Praktiken spielt nicht nur in der gegenwärtigen Alltagswelt eine zunehmend bedeutende Rolle. Vielmehr hat sich in den letzten Jahren, ausgehend von den literatur-, kunst-, und medienwissenschaftlichen Einzeldisziplinen ein fächerübergreifendes Diskussionsfeld herausgebildet, das sich gezielt Fragen des Medienvergleichs und der Interferenz von Medien widmet. Dieser interdisziplinäre Forschungsbereich erlebt derzeit in den Kulturwissenschaften eine erstaunliche Konjunktur. Neben der vergleichenden Methodologie als wichtige heuristische Grundlage besteht eine weitere Zielsetzung der Medienkomparatistik darin, allgemeine Kriterien zur systematischen Erfassung der einzelnen Medien zu entwickeln und ihre jeweiligen Operationsleistungen in sich wandelnden kulturellen Kontexten zu erkunden.
Weimarer Beiträge 65/2019
(2019)
Die Weimarer Beiträge sind eine Zeitschrift für Literaturwissenschaft, aktuelle ästhetische Theorie und Kulturwissenschaft. Zu Ihren Schwerpunkten gehören moderne Literatur im Rahmen anderer Künste und Medien, die Wechselbeziehungen von Literatur, philosophischer und ästhetischer Reflexion sowie die kritische Analyse der Gegenwartskultur.
Der Wald ist "klassischer Morast" (Heine): Was für die Grimm'schen Märchen der Deutsche Wald, ist für das österreichische Horrorgenre seit Andreas Prochaskas "In drei Tagen bist du tot" 1 (2006) und 2 (2008) der Wald österreichischer Mittelgebirge. Elfriede Jelineks Werk verbindet beides und führt uns dabei zur griechischen Tragödie hin bzw. zurück - das lässt sich aus dem Workshop "Elfriede Jelinek - eine Ästhetik der Übergänge" schließen, den die Jelinek-Spezialistinnen und Literaturwissenschaftlerinnen Uta Degner und Christa Gürtler von der Universität Salzburg am 17.1.2020 im Atelier des Kunstquartiers und in DAS KINO in Salzburg veranstaltet haben.
Im vorliegenden Themenschwerpunkt wird die zentrale Frage aufgeworfen, wie Literatur in interdiskursiven Formationen durch ihre spezifischen Mittel das Wissen von verschiedener (hauptsächlich jedoch wissenschaftlicher) Provenienz kommuniziert. In den Beiträgen wird auch explizit auf die Problematik der theoretisch-methodologischen Erfassung des Zusammenhangs von Literatur und Wissen eingegangen und die jeweilige Art und Weise der Reflexion des konstruktiven Charakters der Literatur als Interdiskurs modelliert. Dadurch wird auf die Funktion der Literatur fokussiert, von der wir annehmen, dass sie die Spur der interdiskursiven Kommunikation in sich trägt. In dieser Perspektive lassen sich entsprechende Transformationsstrategien und Strukturen herausarbeiten, durch die wir uns in der Regel identifizieren und die Tragsäulen unseres Weltbildes darstellen. Im Wesentlichen jedoch wird der Blick auf die Frage gerichtet, was genau geschieht, wenn Wissensbestände über die Grenzen der Spezialdiskurse hinausgehen, oder genauer, in welchem Verhältnis das Wissen der Spezialdiskurse zu ihrer literarischen Kommunikation steht. Der zuletzt angesprochene Aspekt betrifft auch Fragen der Rezeptionsästhetik. Mit der Fokussierung der Besonderheiten der literarischen Kommunikation, also der Integration und der Darstellung des Wissens der Spezialdiskurse im Spektrum der literarischen Mittel wird ein Bereich betreten, der für die Literaturwissenschaft eine Herausforderung darstellt.
Komparatistik online 2020
(2020)
Neben den traditionellen Kernbereichen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und der europäischen Literaturgeschichte gilt das besondere Interesse der komparatistischen Internet-Zeitschrift neueren kulturtheoretischen Ansätzen aus dem internationalen Raum. Darüber hinaus widmet sich Komparatistik Online vor allem den produktiven Wechselbeziehungen zwischen Literatur, bildender Kunst und Musik (Comparative Arts und Inter Arts) und den ästhetischen Grundlagen intermedialer Grenzüberschreitungen und Transferbewegungen. Überdies sollen Beiträge zur außereuropäischen Literatur und Kultur, zur globalen Vernetzung und zur postkolonialen Situation Berücksichtigung finden. Interkulturelle und imagologische Fragestellungen bilden einen weiteren zentralen Forschungsbereich.
Where Haas sees the narrative dividing into "Streberwitz" and "Kriegsdarstellung" I see something more like a division between 'Witz' and 'Krieg' per se. The point and the provocation of the novel, in my view, is that Kehlmann declines to bring these two strata together, or rather: that he first insists on bringing them together, by forcing Tyll and the Thirty Years War to inhabit the same work, and then refuses to synthesize them into anything like a higher unity. The irony of the fool, in Tyll, does not acquire gravity or depth by virtue of its relationship to a reality whose hidden truths it emphatically does not reveal; and the reality of war does not find redemption or sublimation in art.
Wenn man sich an die Frage eines möglicherweise spezifischen Schreibstils der sozialen Medien und seiner Auswirkungen auf Literatur heranwagt, sollte man nicht nur das 'Endprodukt', also den fertigen (Buch-)Text untersuchen, sondern vor allem auch die Bedingungen seiner Hervorbringung. Denn für das Entstehen eines neuen Stils der sozialen Medien spielt die Funktion des Kollektivs eine zentrale Rolle. In Analogie zur soziologischen Beschreibung aktueller urbaner Entwicklungen lassen sich die Beziehungen im Social-Media-Kollektiv als eine Form neuer Nachbarschaft beschreiben: Über die beschleunigte und intensivierte Interaktion in sozialen Netzwerken entstehen neue Geflechte und (virtuelle) Orte, an denen sich dieselben Personengruppen wiedertreffen, lesen und rezensieren - auch wenn sie in völlig unterschiedlichen Stadt- oder Weltteilen leben. Entsprechend können selbstverstärkende und selbstreferentielle Effekte durch Social Media auch für die Literaturproduktion und -rezeption untersucht werden: Markieren Retweets, angeheftete Posts und Hashtags neue Interessen- oder 'Stilgemeinschaften', die eigene Formen, aber auch Regeln und Zwänge ausbilden?
Euphorisch nahm das deutsche Feuilleton im letzten Sommer ein schmales Bändchen auf: Theodor W. Adornos "Aspekte des neuen Rechtsradikalismus". Ihm liegt ein von Adorno ursprünglich 1967 vor Wiener Studierenden gehaltener Vortrag zugrunde, in dem er auf den Einzug der NPD in einige deutsche Landesparlamente Ende der 1960er Jahre reagierte. Vorherrschend in den Besprechungen war der Verweis auf "erstaunliche Parallelen" zwischen dem Rechtsradikalismus der 1960er Jahre und den "gegenwärtigen Entwicklungen". [...] Magnus Klaue ist einer der wenigen Rezensenten, der in die Jubelrufe nicht einstimmt. In seiner Besprechung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kritisiert er nicht Adornos Vortrag selbst, sondern die aus seiner Sicht "um den Preis der Enthistorisierung" allzu munter betriebene Parallelisierung der damaligen mit aktuellen politischen Entwicklungen. Klaue plädiert für die Einordnung von Adornos Vortrag in seinen zeitgeschichtlichen Entstehungskontext, da sich die Situation Ende der 1960er Jahre von der heutigen deutlich unterscheide.
Der Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert wurde von den Zeitgenoss*innen als markante Epochenwende erfahren. [...] Versteht man die Stil- und Kitschdiskurse um 1900 als aufeinander bezogen, erscheinen der "Wille nach Stil" und die Abwertung anderer ästhetischer Positionen als Kitsch allerdings nicht nur als Abgrenzungs- und Distinktionsversuche, sondern auch als Krisenlösungsstrategien zur Bewältigung der einschneidenden gesellschaftlichen wie ästhetischen Veränderungsprozesse der Epochenwende.
Bevor Wolodymyr Selenskyj vor einem Jahr Präsident der Ukraine wurde, war er dies schon einmal gewesen, und zwar in seiner Rolle in der erfolgreichen Fernsehserie "Sluha narodu" ("Diener des Volkes"). Hier zeichnet sich nicht nur ein neues Verhältnis von digitaler Wirklichkeit und politischer Öffentlichkeit ab, sondern auch eine neue Form des Populismus, die nicht auf nationalistische Diskurse und reaktionäre Denkmuster baut, sondern antistaatliche und neoliberale Affekte miteinander verbindet.
Blickte Carl Schmitt dieser Tage auf Georgien, so müsste er seinen berühmten Anfangssatz aus dem dritten Kapitel der "Politischen Theologie" ändern. Statt "Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet", müsste es heißen: Souverän ist, wer sich dem Ausnahmezustand nicht beugt. Denn die Georgische Orthodoxe Kirche hat erklärt, sich notfalls über alle vom Staat im Zusammenhang mit der Corona-Krise verhängten Beschränkungen hinwegzusetzen, um Liturgien und vor allem die Kommunion feiern zu können - so geschehen bei den Ostermessen am letzten Sonntag. [...] Der Konflikt ist jedoch nicht nur rechtlich, sondern auch politisch sehr bedeutsam. Politisch geht es um die freiheitliche demokratische Grundordnung Georgiens und den Versuch der Kirche, diese zu untergraben. Die Orthodoxe Kirche Georgiens, Ende der 1980er Jahre noch eine randständige gesellschaftliche Kraft, ist zu einer der reichsten und mächtigsten Institutionen in Georgien aufgestiegen, der die Mehrheit der georgischen Gesellschaft vertraut und die deshalb großen politischen Einfluss ausübt.
Merab Mamardaschwili (1930–1990) ist ein, wenn nicht der bedeutendste Philosoph aus der Sowjetunion. Der "georgische Sokrates" (Jean-Pierre Vernant) genießt in seiner georgischen Heimat und in Russland, wo er mehrere Generationen von Philosoph*innen beeinflusst hat, beinahe kultische Verehrung. Mamardaschwilis Philosophie aber wurde von seinem Kultstatus geradezu erdrückt: Er ist als philosophische Pop-Ikone in Georgien und Russland allgegenwärtig, er wird bewundert, passend oder unpassend zitiert, aber wenig gelesen. Außerhalb der ehemaligen Sowjetunion ist er weitgehend unbekannt geblieben, in deutscher Übersetzung liegen nur einzelne Vorträge und Aufsätze vor. 30 Jahre nach seinem Tod am 25. November 1990 wäre es die beste Würdigung, ihn von seinem Denkmalstatus zu befreien und als einen Philosophen wiederzuentdecken, mit dem die Fragen an die Gegenwart anders zu stellen und möglicherweise auch zu beantworten sind.
Jean-Luc Nancy ist einer der bekanntesten zeitgenössischen Philosophen Frankreichs. Stark beeinflusst von Martin Heidegger, Georges Bataille und Jacques Derrida, setzt er sich in seinen zahlreichen Schriften vor allem mit der deutschen Philosophie und Literatur auseinander. Das Gespräch wurde im September 2020 per E-Mail auf Französisch geführt.
Ein Vergleich der beiden Biographien Warburgs, der vollendeten von Gombrich und der unvollendeten von Bing, dürfte angesichts der offensichtlichen Differenzen ihrer beider Sichtweisen wenig ertragreich sein. Allerdings ist Bing, die eine enge Vertraute Warburgs war, etwas Wichtiges aufgefallen, das Gombrich entgangen ist und auch von weiten Teilen der darauffolgenden Literatur nicht zur Kenntnis genommen wurde: Warburg hatte Ludwig Traube, den Begründer der modernen Paläographie, als "Großmeister unseres Ordens" bezeichnet. Diese amüsante Ehrerbietung mit ihren freimaurerischen Untertönen hat weitreichende hermeneutische Implikationen, die von Bing mit großem Scharfsinn entwickelt wurden. Hierzu stellen meine folgenden Überlegungen eine Ergänzung dar.
Wenn verschiedene Sprachen, Literaturen und Kulturen in mehrsprachigen Räumen und Situationen und in intertextuellen Dialogen miteinander in Beziehung treten, entsteht ein kreatives Potential, das der karibische Schriftsteller Patrick Chamoiseau als 'actif relationnel' bezeichnet: " La communauté est désormais dans l'actif relationnel des langues, des cultures et des hommes ". Wie lässt sich diese Idee für die literarische Komparatistik fruchtbar machen, zu deren Aufgaben es gehört, die komplexen Beziehungen zwischen verschiedenen Sprachen, Literaturen und Kulturen zu untersuchen? Mit welchen sprachlichen und poetischen Verfahren wird es in der literarischen Praxis mobilisiert, mit welchen Methoden kann man ihm auf analytischer und theoretischer Ebene gerecht werden? Im vorliegenden Band wird die Kreativität und Komplexität dieses Relationspotentials an einem breiten Spektrum von Sprachen und literarischen Werken aus aller Welt aufgezeigt.
Das Periodical "Medienkomparatistik" eröffnet ein neues Forum für vergleichende Medienwissenschaft. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Medien und verschiedener medialer Praktiken spielt nicht nur in der gegenwärtigen Alltagswelt eine zunehmend bedeutende Rolle. Vielmehr hat sich in den letzten Jahren, ausgehend von den literatur-, kunst-, und medienwissenschaftlichen Einzeldisziplinen ein fächerübergreifendes Diskussionsfeld herausgebildet, das sich gezielt Fragen des Medienvergleichs und der Interferenz von Medien widmet. Dieser interdisziplinäre Forschungsbereich erlebt derzeit in den Kulturwissenschaften eine erstaunliche Konjunktur. Neben der vergleichenden Methodologie als wichtige heuristische Grundlage besteht eine weitere Zielsetzung der Medienkomparatistik darin, allgemeine Kriterien zur systematischen Erfassung der einzelnen Medien zu entwickeln und ihre jeweiligen Operationsleistungen in sich wandelnden kulturellen Kontexten zu erkunden. Dabei soll ein weites Spektrum medialer Formen und Verfahren einbezogen werden, das von analogen und digitalen Bild- und Schriftmedien über dispositive Anordnungen bis hin zu diskursiven Wissensformationen reicht. Welche spezifischen Eigenschaften zeichnen einzelne Medien aus, was trennt und was verbindet sie? Welche produktiven Austauschbeziehungen ergeben sich aus medialen Konkurrenzen und Konvergenzen? Wie lassen sich historische Transformationen medialer Praktiken und Ästhetiken erfassen? Wie können mediale Verhältnisbestimmungen medientheoretisch neu konturiert werden? Das Periodical erscheint zunächst jährlich in einem Band von ca. 200 Seiten. Da es in einem interdisziplinären Forschungsbereich angesiedelt ist, richtet es sich an verschiedene kulturwissenschaftliche Fachgruppen, wie zum Beispiel Komparatistik, Medienwissenschaft, Kunstgeschichte sowie einzelne Philologien wie Anglistik, Germanistik, Romanistik etc.
Diyalog 2020/1
(2020)
Im Fachbereich Literaturwissenschaft beschäftigt sich der erste Artikel mit dem Begriff der "neuen Weiblichkeit" und unternimmt einen Vergleich zwischen dem Werk von Halide Edip Adıvar "Ateşten Gömlek" (1922) [dt. Das Flammenhemd] und dem Werk von David Herbert Lawrence "The Fox" (1922) [dt. Der Fuchs]. Der zweite Beitrag bearbeitet die sogenannte Schäferkultur. In ihrem Artikel erwähnt die Autorin wichtige Auswirkungen des Geographie- und Glaubenssystems auf die Menschen und den Schäferberuf, welcher einer der ältesten Berufe ist und angesichts dieser Einflüsse entstand. Im dritten Beitrag handelt es sich um die Reiseberichte des deutschen Orientalisten und Reisenden Eduard Sachau (1845-1930). Der Autor geht davon aus, dass Sachaus Reise ein Prozess der orientalistischen Wissensproduktion war und er diese Informationen, die er während seiner Reise gesammelt hat, auf unterschiedliche Weise in akademische Texte umgesetzt hat. Der vierte Beitrag setzt sich zum Ziel, die merkmalspezifischen Handlungsweisen von Vater und Sohn in ausgewählten Geschichten des Romans "Als Vaters Bart noch rot war - Ein Roman in Geschichten" unter pädagogischem Gesichtspunkt zu untersuchen. In der fünften Studie wird die Sichtweise von Frauen, Frauenbildern, verschiedenen weiblichen Rollen in der deutschen und türkischen Gesellschaft im Roman 'Die Brücke vom goldenen Horn' von Emine Sevgi Özdamar analysiert. Es wird beabsichtigt, aus dem Blickwinkel einer Schriftstellerin aufzuzeigen, wie sich die Frauenbilder in den Jahren 1966-1975 in Deutschland und in der Türkei darstellten, ob es Unterschiede zwischen den zwei Kulturen gab und vor welchem geschichtlichen und sozialen Hintergrund die Frau, die im Mittelpunkt steht, lebte. Der sechste Beitrag thematisiert die Lacansche Psychoanalyse und untersucht die drei Perioden (real, imaginär und symbolisch) des psychischen Subjekts. Nach diesen theoretischen Kenntnissen wird das Vogelbild in der Kurzgeschichte "Vogel Rock" von Marie Luise Kaschnitz im Lichte der Informationen der Lacanischen Psychoanalyse untersucht. Die Autorin versucht, die Projektionen der Prozesse der Verfremdung zu behandeln. Der letzte Aufsatz dieser Kategorie möchte die Reiseberichte der Schweizer Journalistin, Reporterin, Autorin und Fotografin Annemarie Schwarzenbach, die im Oktober 1933 eine Mission als Journalistin in den Orient aufnahm, in den Blickpunkt stellen. Die Autorin bezweckt dabei zum Verständnis des Türkenbildes einen Beitrag zu leisten, welches Schwarzenbach in der deutschen Literatur vertritt. [...]
Diese Ausgabe des "Forums Interdisziplinäre Begriffsgeschichte" vereint zwei Themenschwerpunkte, die, unabhängig voneinander entstanden, auch inhaltlich zunächst nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. In drei englischsprachigen Beiträgen des ersten Teils geht es um die sich semantisch und in ihrer historischen Genese überlappenden Begriffe 'Energie', 'Entropie' und 'Anthropozän'. Der zweite Themenschwerpunkt behandelt begriffshistorische Verschiebungen im Theoriegebäude der Sprachwissenschaft. Die Ausgabe wird beschlossen durch den Politikwissenschaftler Kari Palonen (Universität Jyväskylä, Finnland), der einen Band zur Geschichte der politischen Ideengeschichte rezensiert.
Das vorliegende Heft der Slowakischen Zeitschrift für Germanistik behandelt das Thema Sprache im digitalen Zeitalter. Herausforderungen für eine neue Germanistik. Die fortschreitende Digitalisierung unserer Privat- und Arbeitswelt hat zur Folge, dass die Omnipräsenz der digitalen Technologien wie Computer, Laptops, Tablets oder Smartphones aus dem alltäglichen Leben kaum wegzudenken ist. Die Spuren der digitalen Revolution und der Einfluss der neuen Technologien macht sich auch in der Germanistik durchaus bemerkbar. Als Schnittstelle zwischen Linguistik und Informatik ermöglicht die Korpuslinguistik die Verarbeitung und Analyse elektronisch aufbereiteter linguistischer Daten in Form von umfangreichen sprachlichen Korpora. Die Sprache im Internet wird durch den hybriden Charakter der Textsorten und durch die Gruppen der Benutzerinnen und Benutzer geprägt. Ihr dynamischer Charakter und ihre Heterogenität erlauben kaum eine Abgrenzung einer einheitlichen Internetsprache. Im DaF-Unterricht finden digitale Medien vielfältigen Einsatz und haben das Potenzial, die Motivation und die Medienkompetenz der Lernenden zu steigern. Lernformate werden mit Hilfe von digitalen Inhalten vermischt und miteinander kombiniert und die Lehre durch Blended Learning ergänzt. In den vorliegenden Beiträgen wird auf die computergestützten Ansätze in der linguistischen Forschung eingegangen. Im Bereich der DaF-Didaktik dominieren Beiträge mit der Thematik des Blended Learnings, wobei teilweise auch auf den Online-Unterricht eingegangen wird. Die Nummer schließt mit einem Aufsatz zur Rolle und Zukunft der Digital Humanities und der traditionellen Geisteswissenschaften.
The resistance of aesthetics consists in the mode of experience that art affords, which promotes individual consciousness and political awareness by exploding the dualisms with which we tend to simplify things: centralization and decentralization, totality and fragmentation, communism and neoliberal capitalism, dictatorship and democracy. Although the formal complexity and ambiguous compositions met in works by the likes of Picasso, Woolf, and Schönberg most obviously support this sort of experience, it can be drawn out of all art to various degrees. Indeed, what distinguishes these modernists from the artists who came before and after them is how they set aesthetic experience as the aim of artistic production. But no work of art can be reduced either to the whole or to the sum of its parts; either to systematicity or to formlessness. Strictly speaking, the opposing ideals of classical and critical aesthetics are not two distinct aesthetic positions, but the theoretical limits between which art unfolds. By analogy, totalitarian governance and social atomism are not oppositional political materializations, but the two extremes at which politics ends.
Manfred Prisching: Die Verbotsgesellschaft : Zeitdiagnostische Befunde zur Zensur - Georg Kamphausen: Der Laie als Experte seiner selbst, oder : was heißt moralische Selbständigkeit? - Irmtraud Fischer: Vom kreativen Effekt der Zensur alttestamentlicher Gottesbilder : das alttestamentliche Bilderverbot in seinen historischen Kontexten und seinen Auswirkungen auf die metaphorische Rede von Gott - Michael Walter: Zensur und Political Correctness auf der Opernbühne - Matthias Mansky: Ludwig Anzengruber und die Zensur : Anmerkungen zur Bauernkomödie "Die Kreuzelschreiber" - Lars Rebehn: Vorzensur, Nachzensur, Selbstzensur : das Puppentheater, der Staat und die Moral - Elisabeth Böhm: Was sich einfach nicht sagen lässt : Sagbarkeit, Gattungskonzeption und kulturelle Identität anhand von Charlotte Salomons "Leben? oder Theater?" - Dieter Haselbach: Political Correctness : zur politischen Kultur in Nordamerika (1995)
The title of the conference that took place in the Dance Studies department of the University of Salzburg on January 23rd and 24th - Post-utopia and Europe in the performing arts - was an invitation to grapple not only with the subject matter announced, but also with the very conception of its terms. The interdisciplinary contributions to the conference - from dance studies, musicology, literature, cultural policy and film studies - presented a multifaceted range of ideas both about Europe and European-ness and about (post-)utopia, pushing and pulling the notions in a tense field of reflection.
Was macht Rhythmus? Eine Figur des Übergangs zwischen Literatur und Musik : Veranstaltungsbericht
(2020)
Rhythmen geben Struktur - unseren Arbeitswelten, unserem Zusammenleben, den verschiedenen Tätigkeiten unseres Alltags. Zugleich ist "Rhythmus" ein schillernder Begriff in gegenwärtigen Debatten der Wissenschaften und der Künste. Er ist als analytische Kategorie einerseits, als Konzept künstlerischer Praktiken andererseits ungemein attraktiv, und das, verfolgt man seine Geschichte bis in die Antike, quasi seit jeher. Was aber jeweils gemeint ist, wenn von Rhythmus die Rede ist, welche ästhetischen Phänomene damit erfasst werden sollen, welche theoretischen Vorannahmen dabei im Spiel sind, ist angesichts der Vielfalt der Verwendungsweisen dieses Begriffs und der zahlreichen Kontexte seines Gebrauchs alles andere als eindeutig.
Vor allem in Deutschland ist die historische Perspektive spätestens seit Dilthey erste (akademische) Bürgerpflicht und Inbegriff von Geisteswissenschaftlichkeit überhaupt. Erfrischend und gründlicher provozierend ist deshalb der Blick in das Buch eines jungen Anglisten der Yale University, das auch in den USA, wo die Humanities von jeher nicht so eng an den Primat der Geschichte gekoppelt waren, für einige Aufregung gesorgt hat. Im Alleingang, abseits geläufiger Periodisierungen und Selbstbeschreibungen, hat Joseph North eine - eingestandenermaßen tendenziöse - Geschichte seines Fachs vorgelegt
Der wichtigste Vermittler Lukians im deutschen Sprachraum im 18. Jahrhundert, Christoph Martin Wieland, machte die Stadt Abdera in seiner Geschichte der Abderiten zum Schilda der Antike. Und mit Bezug auf diese sublimierten Schwankerzählungen allzu menschlicher Irrsale eines Gemeinwesens von Dummköpfen bildete Kant einige Jahre später wiederum den Begriff des "Abderitismus". Damit bezeichnete er diejenige Auffassung des Gangs der Weltgeschichte, der zufolge in den menschlichen Angelegenheiten bloß ein Auf und Ab vergeblicher Bemühungen und bodenloser Torheiten zu beobachten sei. Kant hielt diese Vorstellung für moralisch unerträglich. Die "zum Besseren fortschreitende" Struktur des historischen Geschehens sollte zur Abwehr des Abderitismus regelrecht bewiesen werden. Vom Tragödienfieber zur Geschichtsphilosophie: sobald der Faden einer Trope einmal angesetzt ist, spinnt sie sich von selbst weiter. Die "Daseinsmetapher" (Hans Blumenberg) der Ansteckung lässt uns nicht los und wird auch die gegenwärtige Pandemie weiterhin begleiten.
Die Besonderheiten der Gutachtenkultur verdanken sich demselben Umstand: Das geisteswissenschaftliche Gutachten ist in all seinen Varianten, vom Referenzschreiben für eine Person (im Englischen 'letter of recommendation') bis zum anonymen Gutachten eines Verbundprojektes, stets ein Hybrid aus Patronage und Sachverständigen- bzw. Expertenmeinung. Dabei gibt es auf Sender- und Empfängerseite unausgesprochene Erwartungshaltungen, Usancen und Codes, die die Vergleichbarkeit von Gutachten so sichern sollen, dass sie eine Entscheidungshilfe darstellen.
Prophetische Politik
(2020)
"Prophetische Politik" verkündet während existentieller und politischer Krisen einen radikalen Wandel mithilfe religiöser Sprache. Der Begriff bringt zwei unterschiedliche semantische Felder zusammen. Zum einen das der Prophetie, die in allen Religionen durch Individuen repräsentiert wird, die man als Sprachrohr des Göttlichen betrachtet. Ob heidnisch oder monotheistisch, männlich oder weiblich, antik oder modern, Propheten sind immer Lehrer und Kritiker, mahnend und scheltend. Nie schrecken sie davor zurück, ihre Meinung zu äußern, auch nicht in Lebensgefahr. Das zweite Feld ist das der Politik: Ausgehend von der Idee der polis und der politeia steht die Politik seit Thomas Hobbes für die staatliche Beziehung zwischen Volk und Souverän, für ein vereinigendes Zwangsverhältnis, das die Angst und den Krieg "aller gegen alle" im "Naturzustand" überwindet. Indem sie den Mächtigen die Wahrheit sagt, markiert prophetische Politik Momente der Überschneidung dieser Semantiken. Sie schöpft ihre Legitimität aus einer höheren Macht - sei es die Wahrheit oder göttliche Autorität. In Krisenzeiten wagen es die Propheten, auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen und neue, radikale Wege zu verkünden. Mag prophetische Politik heute auch anachronistisch erscheinen, so hat sie das revolutionäre Potential ihrer langen und wechselhaften Geschichte keineswegs eingebüßt.
Im Zusammenhang mit den Tendenzen zum Autobiographischen in der Gegenwartsliteratur, die seit einiger Zeit unter dem Label der Autofiktion bekannt sind, wird häufig der Name der französischen Autorin Annie Ernaux genannt. Allerdings hat der Tagebucheintrag in ihrem Werk eine besondere Funktion, dient er doch der nachzeitigen Stabilisierung ihrer anderen Texte. Sie selbst bezeichnet ihre Texte, die autobiographische Erlebnisse im Kontext der sie bestimmenden sozialen Strukturen erzählen, auch nicht als Autofiktionen, sondern als "Autosoziobiographien", die sich ihrem Gegenstand nur im Rückblick annähern können.