800 Literatur und Rhetorik
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Rezension zu Peter-Andre Alt: Der Schlaf der Vernunft. Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der Neuzeit, München (c. H. Beck) 2002. 464 Seiten.
Mit Peter-Andre Alts Monographie über die Beziehungen zwischen Literatur und Traum in der Neuzeit geht es um die Entwirrung jenes "dichten Geflecht[s] kultureller Deutungsentwürfe", welches sich gerade in der Neuzeit in dauernder Veränderung begriffen ist (9).
Rezension zu Peter V. Zima: The Philosophy of Modern Literary Theory. London; New Brunswick (Athlone Press) 1999. 163 Seiten.
Zu den nützlichsten, weil luzidesten Reiseführern durch die Theorielandschaften der ästhetischen Moderne gehört Peter V. Zimas 1991 erschienenes UTB-Taschenbuch 'Literarische Ästhetik: Methoden und Modelle der Literaturwissenschaft'.
Rezension zu Peter V. Zima: Der europäische Künstlerroman. Von der romantischen Utopie zur postmodernen Parodie. Tübingen, Basel (A. Franke) 2008. XV u. 517 S.
Zimas Buch zum europäischen Künstlerroman von der Frühromantik bis zur Postmoderne ist ein Kursbuch des Untergangs: Es handelt vom Verlust der romantischen Hoffnung auf Versöhnung in der Kunst. Es erzählt die Geschichte, wie die Autoren selbst ihren Glauben an die Literatur verlieren und das Ende der Kunst eintritt.
Rezension zu Peter Schnyder: Alea. Zählen und Erzählen im Zeichen des Glücksspiels 1650-1850. Göttingen (Wallstein Verlag) 2009. 436 S.
Wenn man sich mit der bedeutenden Rolle beschäftigt, die der Zufall in der Literatur und Kunst des 20. Jahrhunderts von Dada über John Cage bis hin zu von Zufallsgeneratoren hergestellten Werken spielt, übersieht man leicht die gut zweihundertjährige Vorgeschichte, in der der Zufall und das untrennbar mit ihm verbundene Glücksspiel bereits durch die Literatur geisterte. Die ab der Mitte des 17. Jahrhunderts zu beobachtende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Zufall und Wahrscheinlichkeit blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Literatur - und vice versa: neue Narrative führten zur Veränderung der Sicht auf die Möglichkeiten der Vorhersehbarkeit der Zukunft. Das Glücksspiel wurde zum gängigen Motiv in literarischen Texten, und auch die formale Ebene (Handlungsführung, Erzählweise u. ä.) blieb von den Überlegungen zu den Geheimnissen des Weltlaufs nicht unberührt. In seiner Züricher Habilitationsschrift widmet sich Peter Schnyder eben der Frage, wie die Glücksspielmetapher "zu einer der zentralen (Des-)Orientierungsmetaphern der Moderne" und zum Inbegriff des Irrationalen und Abenteuerlichen wurde, sowie der durch die verstärkte Kontingenzerfahrung ausgelösten Krise des Erzählens.
Was nach fast einem halben Jahrhundert, das seit der Monographie Benno von Wieses unter dem seine Schwerpunkte andeutenden Titel 'Karl Immermann. Sein Werk und sein Leben (1969)' vergangen ist, und gar nach dem umgekehrt gewichtenden Band von Harry Maync 'Immermann. Der Mann und sein Werk im Rahmen der Zeit- und Literaturgeschichte (1921)', der etwa das Doppelte an Zeit in der literarhistorischen Scheuer verbracht hat, vom Verfasser der neuen Immermann-Biographie einer vormärzlich interessierten Leserschaft angeboten wird, ist von Nüchternheit geprägt, mit Vorsicht und Vernunft formuliert und durch sehr viel mehr Quellen gespeist, als das den Vorläufern möglich war. Angesichts der speziellen philologischen Kenntnisse von Peter Hasubek lautet seine vorurteilsfrei entwaffnende Devise: akribische Unterrichtung durch sachliche Darstellung. Der Verfasser verabscheut nach Jahrzehnten der eigenen editorischen wie forschenden Beschäftigung mit unserem ein wenig ins Abseits geratenen Lyriker, Dramatiker, Begründer wie Leiter der Düsseldorfer Musterbühne und Romanschriftsteller Carl Leberecht Immermann (24.4.1796-25.8.1840), wie der aus Magdeburg stammende, in Düsseldorf verstorbene und dort auf dem Golzheimer Friedhof bestattete Schriftsteller nunmehr auf nobel historische Weise firmiert, jegliche Art und Weise einer andernorts gelegentlich allzu gern herbeigerufenen Spekulation, die im Hinblick auf ein nach bürgerlichen und wohl auch eigenen Maßstäben nicht unbedingt angepasstes Leben aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts allzu nahe gelegen hätte und bequem zu bedienen gewesen wäre.
Rezension zu Peter Goßens: Paul Celans Ungaretti-Übersetzung. Edition und Kommentar. Heidelberg (Winter) 2000 (= Neues Forum für allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Bd. 9). 381 Seiten.
Goßens hat sich in seiner vorliegenden Arbeit ein sehr hohes Ziel gesetzt. Es geht ihm darum, sowohl einen "Beitrag zu einer philologisch orientierten Komparatistik" zu leisten, als auch die "Editionswissenschaft auf ihrem Weg von werk- und autorbezogenen Modellen zu einer dynamischen, textreflexiven 'critique génétique'" zu befördern. Es sei sofort gesagt: der Verfasser erfüllt die Erwartungen, die seine ambitionierte Intention im Leser wachruft.
Rezension zu Peter Brandes: Goethes "Faust". Poetik der Gabe und Selbstreflexion der Dichtung, München (Wilhelm Fink) 2003. 298 Seiten.
Wenn eine Dissertation über Goethes Faust als Untersuchung der Selbstreflexion der Dichtung angelegt ist, drängt sich die Versuchung auf, die Selbstreflexivität noch weiterzuführen und die auf Goethes "Geben und Nehmen" berechneten Ausführungen in der Einleitung auf die vorgelegte Arbeit selbst zu beziehen, denn auch die Begabung des Faust-Dissertanten zeigt sich nicht zuletzt in der Fähigkeit, sich andere Texte "einzuverleiben und für sich fruchtbar zu machen" (9 f.).
Eine materialreiche, ansprechend illustrierte und mit zahlreichen Beispielen ausgestattete Einführung in die Lyrikvermittlung liegt hier vor, die sich vorrangig an die Lehrenden im Primarbereich richtet. Die Stärke der Darstellung liegt eindeutig im Praxisbezug, viele Modelle für konkrete Unterrichtsplanung und -durchführung können hier nachgelesen und dann erprobt werden, die Ausrichtung folgt dezidiert handlungs- und produktionsorientierten Methoden, wie man es von Franz-Josef Payrhuber auch nicht anders erwartet. Die Gliederung ist ausgerichtet an vier "Blickpunkten": Zunächst werden "Formen" präsentiert, der umfangreiche zweite Teil widmet sich den "Methoden", der dritte präsentiert einzelne "Themen" und der letzte nimmt "Autoren" in den Blick. Abgeschlossen wird der Band durch ein umfassendes Literaturverzeichnis. ...
Der mit zahlreichen farbigen Abbildungen versehene Band wurde anlässlich von Kurt Franz’ 75. Geburtstag herausgegeben und versammelt einen "Querschnitt" (VIII) seiner Arbeiten zur Kinderlyrik, einem Thema, mit dem sich Franz "ein Leben lang beschäftigt" (V) hat. Mit der Monographie Kinderlyrik. Struktur, Rezeption, Didaktik, die der Literaturdidaktiker 1979 publizierte, hat der vorliegende Band, in dem kürzere Beiträge aus den letzten beiden Jahrzehnten versammelt sind, demnach nur den Obertitel gemeinsam. Während es Franz seinerzeit darum ging, die Kinderlyrik als "wichtigen Bereich der 'Kinderkultur' in seiner Gesamtheit zu erfassen" (Franz 1979, 7), präsentiert der aktuelle Band Aspekte der Kinderlyrik in Einzelstudien, thematisch in die Kapitel "Begriffe und Geschichte", "Tradition und Innovation", "Themen und Motive", "Formen und Strukturen" und "Rezeption und Vermittlung" gegliedert. Ein bibliographischer Anhang und ein "Nachweis der Beiträge" beschließen den Band. ...
Anlässlich des Jahrestags 2014 erschienen zahlreiche Publikationen zum Ersten Weltkrieg. Ist ein weiteres Buch zu diesem Themenkomplex wirklich notwendig? Ja, ist es. Denn der vorliegende Band rückt Themen in den Mittelpunkt, die noch immer selten im Zentrum wissenschaftlicher Aufmerksamkeit stehen, wie die Herausgeberinnen Lissa Paul, Rosemary Ross Johnston und Emma Short in der Einleitung richtig feststellen. Anhand von Kinderliteratur, Spielzeug, Bildern, Jugendorganisationen und anderem wird hier die Beziehung von Kindern und Kindheit zum Ersten Weltkrieg verfolgt. Der Band versammelt 19 relativ kurze Beiträge zu unterschiedlichen Themen, die jeweils durch ein pointiertes Vor- und Nachwort gerahmt werden. Wer jedoch einen Überblick über die Kinderkultur zur Zeit des Ersten Weltkriegs sucht, wird hier nicht fündig, wenngleich einige Beiträge einen großen Rahmen aufspannen (zum Beispiel Andrew Donson: "Lives of Girls and Young Women in Germany during the First World War"). Der Band erhebt also keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Exemplarität, sondern konzentriert sich auf diverse Realitäten und kleine, interessante Geschichten der Geschichte, welche die Absurdität und das Grauen dieses einschneidenden Ereignisses vergegenwärtigen. Justin Nordstrom analysiert beispielsweise, wie in patriotischer US-Propaganda, insbesondere den Four Minute Men, Kindheitsbilder genutzt wurden, um die Bevölkerung zum Sparen und Spenden zu animieren. Katherine Capshaws interessanter Beitrag fokussiert die afroamerikanischen Zeitschriften Our Boys and Girls und Brownies Books und analysiert die Verstrickungen von rassistischer und kriegspatriotischer Rhetorik. ...
Rezension zu Paul Heinemann: Potenzierte Subjekte - potenzierte Fiktionen. Ich-Figuration und ästhetische Konstruktion bei Jean Paul und Samuel Beckett. Würzburg (Königshausen & Neumann) 2001 (= Saarbrücker Beiträge zur vergleichenden Literatur- und Kulturwissenschaft; Bd. 16). 422 Seiten.
Die Arbeit von Paul Heinemann spannt zwei Schriftsteller zu einer vergleichenden Studie zusammen, die man sich auf den ersten Blick nicht gegensätzlicher denken könnte: Jean Paul und Samuel Beckett.
'Der Mensch lebt nicht vom Brot allein': Für menschliches Leben und Zusammenleben ist mehr notwendig, als die Befriedigung grundlegender materieller Bedürfnisse. Dies gilt auch für historische Konstellationen, in denen gerade die materielle Grundlage, das 'täglich Brot', nicht für alle zuverlässig verfügbar ist. Dennoch oder gerade dann braucht es Bilder und Narrative eines gesellschaftlichen Imaginären, um das Leben sinnhaft werden zu lassen und in Identitätsentwürfen zu stabilisieren. Dies zeigt Patrick Eiden-Offe anhand von Texten des Vormärz und in Bezug auf 'das Proletariat'. In seiner Studie Die Poesie der Klasse. Romantischer Antikapitalismus und die Erfindung des Proletariats widmet Eiden-Offe sich der Arbeiterklasse und zeigt darin, wie diese sich - als Klasse - durch literarische und gerade auch im engeren Sinn poetische Entwürfe konstituiert. Die Studie beschreibt die Prozesse der Identifizierung, die das politische Subjekt der Arbeiterklasse bzw. des Proletariats allererst hervorbringen. Ansatzpunkt ist die Beobachtung eines Konnexes, in dem die Herausbildung des Begriffs der sozialen Klasse mit einer Neubestimmung des Poetischen historisch zusammenfallen. Diese beiden Entwicklungen sind, so wird hier aufgezeigt, nicht zu trennen, sondern gemeinsam zu betrachten. Das Proletariat als politisches Subjekt mit Klassenbewusstsein wird poetisch gebildet. Um diese poetischen Gründungsfiguren der Arbeiterbewegung geht es in der Studie.
Rezension zu Patricia Oster: Der Schleier im Text. Funktionsgeschichte eines Bildes für die neuzeitliche Erfahrung des Imaginären, München (Wilhelm Fink) 2002. 362 Seiten.
Mit dem Bild des Schleiers verbindet sich eine Fülle von Konnotationen, insbesondere deshalb, weil er, wie Patricia Oster einleitend statuiert, "im elementaren Sinn eine Anschauungsform" darstellt (9).
Rezension zu Pascal Nicklas: Die Beständigkeit des Wandels. Metamorphosen in Literatur und Wissenschaft, Hildesheim, Zürich, New York (Georg Olms) 2002 (= ECHO: Literaturwissenschaft im interdisziplinären Dialog; Bd. 2). 495 Seiten.
Kaum ein Motiv dürfte in solchem Maß komplexe und vielgesichtige Verbindungen zwischen der Antike und der Moderne bis hin zur Gegenwartskultur gestiftet haben und immer noch stiften wie das der Metamorphose. Die literarische Gestaltung von Verwandlungsgeschichten hat eine ebenso lange Geschichte wie die abendländische Literatur selbst.
Der Sammelband ist in drei Abschnitte unterteilt und enthält 12 Beiträge. In ihrem einführenden Beitrag gehen die Herausgeberinnen Emer O’Sullivan und Andrea Immel unter anderem auf die historisch verankerte Funktion der Kinder- und Jugendliteratur als Sozialisationsinstanz ein, auf ihre gemeinschaftskonstituierende Funktion sowie das Potenzial, einen Eindruck davon zu vermitteln, wie sich ein »uns« gegenüber einem wie auch immer gearteten »Anderen« und »Fremden« verhält. Dass die Perspektive, aus der das literarische Geschehen geschildert und betrachtet wird, für die Rezeptionslenkung und die (Be-)Wertung der Dichotomie von »eigen« und »fremd« bzw. »vertraut« und »unbekannt« ausschlaggebend ist, veranschaulichen sie am Beispiel der Imagologie. ...
[Rezension zu:] Oxana Swirgun: Das fremde Rußland. Rußlandbilder in der deutschen Literatur 1900-1945. Frankfurt a.M., Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien (Peter Lang) 2006 (= Bochumer Schriften zur deutschen Literatur, Bd. 65). 268 S.
Wer sich über das literarische deutsche Russlandbild und die vielfältigen imagologischen Aspekte der deutsch-russischen Literaturbeziehungen vom Mittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts orientieren will, findet hierzu verlässliche erste Informationen und zahlreiche bibliografische Hinweise zu spezieller Forschungsliteratur in den zwischen 1985 und 2000 von Mechthild Keller bei Wilhelm Fink herausgegebenen vier Sammelbänden zum Thema 'Russen und Rußland aus deutscher Sicht', die innerhalb der von Lew Kopelew herausgegebenen Reihe "West-Östliche Spiegelungen" erschienen sind. Überblicksdarstellungen zu den deutsch-russischen Literaturbeziehungen des 20. Jahrhunderts liegen in größerer Zahl vor, wobei der Schwerpunkt auf der deutschsprachigen Russland- bzw. Sowjetunion-Reiseliteratur vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges liegt.
Mareile Oetken widmet sich in ihrer Habilitationsschrift dem Bilderbuch als einem sich in Entgrenzungs-, Erweiterungs- und Durchlässigkeitsprozessen befindlichen Medium. Die ausschließlich im Netz verfügbare Veröffentlichung (http://oops.uni-oldenburg.de/3204/1/oetken_ bilderbuecher_habil_2017.pdf) lehnt sich an etablierte Positionen von Jens Thiele und Michael | Jahrbuch der GKJF 2018 | rezensionen 183 Staiger an und erweitert mittels Anschluss an den Diskurs um Narratologie das vorrangig von Didaktik und Praxisbezügen geprägte Forschungsinteresse am Gegenstand Bilderbuch (vgl. 16). Die Arbeit geht Fragen zu »dynamischen bildästhetischen und literarischen Entwicklungen« (17) nach und bietet unter Berücksichtigung medienkonvergenter Prozesse und künstlerischer Anlehnungen einen analytischen Blick auf Strukturen, die narrative und ästhetische Kategorien sowie die Interdependenz von Bild- und Sprachtext bedingen. ...
Rezension zu Norbert Greiner: Übersetzung und Literaturwissenschaft. Tübingen (Gunter Narr) 2004 (= Grundlagen der Übersetzungsforschung, Bd. 1). 173 S.
Mit dieser Monographie präsentiert Norbert Greiner, Anglist in Hamburg, die theoretischen Koordinaten einer Praxis, die er selber mit seiner 1989 erschienenen Übersetzung von Shakespeares 'Much Ado About Nothing' vor Augen geführt hat.
[Rezension zu:] Norbert Bachleitner und Michaela Wolf (Hg.): Streifzüge im translatorischen Feld
(2012)
Rezension zu Norbert Bachleitner und Michaela Wolf (Hg.): Streifzüge im translatorischen Feld. Zur Soziologie der literarischen Ubersetzung im deutschsprachigen Raum. Wien (LIT) 2010 (= Repräsentation - Transformation, Bd. 5), 372 S.
Vorliegender Sammelband stellt eine Aktualisierung und Erweiterung des sechs Aufsätze umfassenden, ebenfalls von den Herausgebern besorgten Themenhefts "Soziologie der literarischen Übersetzung" im Internationalen Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 29, Bd. 2 (2004) dar. Drei Beiträge aus dem Themenheft wurden in überarbeiteter Fassung in die Buchpublikation übernommen, neu hinzugekommen sind elf Aufsätze und drei Interviews mit übersetzenden SchriftstellerInnen.
Saint-Simon sprach von der Organisation der Gesellschaft nach Maßgabe der Fähigkeiten ihrer Teilnehmer. Die Leitidee des "Chacun selon ses capacités" verspricht nicht Gleichförmigkeit, sondern Konstanz der Organisationsstruktur. Feudales Erbe und der vorherbestimmte Platz in der Welt sollten ersetzt werden durch komplementäre Kompetenzausübung. Gleichwohl orientierte sich die Freiheitshoffnung, die in der gerechten Ordnungsstruktur lag, wieder vertikal - das Ende der Netzmetapher, des Gewebes der Gleichheit. Die Autorin von Heinrich Heine und der Saint-Simonismus (1830-1835), Nina Bodenheimer, betont zu Recht, dass dieser Aspekt von großer Wichtigkeit ist. Sie geht mit der vergleichend angelegten Studie über das hinaus, was in im weiten Sinne kulturwissenschaftlichen Arbeiten gemeinhin geleistet wird. Die Kapiteleinteilung lautet: Heine und der Globe / Saint-Simonismus und Idealismus / Die Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland. Damit erfolgt die Präsentation vermittelt durch die Darstellung symbolischer Medien. Die saint-simonistische Zeitschrift zeigt Heine als Akteur im Literaturmarkt, nicht als ferne Dichterfigur zwischen den Sprechweisen von Ironie und Prophetie. Bodenheimers Studie betont die nachweisbaren Daten.
Der Frage, weshalb das Lesen von Literatur so essentiell für das Menschsein ist, widmet sich Maria Nikolajeva mit ihrer theoretischen Studie, die in der Reihe "Children’s Literature, Culture, and Cognition" erschienen ist. Sie integriert kognitionswissenschaftlich basierte Ansätze in die Kinder- und Jugendliteraturforschung für die Diskussion ihrer zentralen Annahme, dass wir durch das Lesen fiktionaler Texte über die Welt lernen, Mitmenschen besser verstehen, unsere Selbsterkenntnis erhöhen und uns ethisches Wissen aneignen. ...
Ich lernte Perry Rhodan 1961 kennen, als ich an einem Zeitungskiosk das erste Heft der Serie kaufte, das mittlerweile antiquarisch hoch gehandelt wird. Ich blieb der Serie ein paar Jahre treu, erwarb später auch die Schallplatte Count down (1969) des Sängers Norman Space (d. i. Uwe Reuss) sowie das Perry Rhodan Lexikon (1971) von H. G. Ewers und H. Scheer. In den Jahren, die uns Studenten kreativ politisierten, stellten wir Kauf und Lektüre der Serie ein und sprachen von Perry Rhodan nur noch als »Space Adolf«. Nicht als naiver Rezipient, sondern als Forschender, nahm ich später die Analyse eines Hefts der Serie in meine Habilitationsschrift Aspekte der literarischen Utopie (1976) auf. Soweit der persönliche Beitrag zur Rezeption. ...
Der Sammelband gehört zu den abschließenden Ergebnissen des Projektes VEGA 1/1161/12 "Zabudnuté texty, zabudnutá literatúra. Nemecké autorky z územia dnešného Slovenska (18.–21. stor.)", [Vergessene Texte, vergessene Literatur. Deutschschreibende Autorinnen aus dem Gebiet der heutigen Slowakei (18.–21. Jhd.)], mit dem man sich am Lehrstuhl für Germanistik der Philosophischen Fakultät der Pavol-Jozef-Šafárik-Universität in Košice im Zeitraum 2012–2014 beschäftigte. Im Einklang mit dem Thema des Projektes erfasst der Sammelband Autorinnen, die vielleicht nicht so bekannt sind, die sich aber auch wesentlich an der Formierung der Kultur im Gebiet der heutigen Slowakei beteiligten. Die thematische Achse des Sammelbandes wird durch folgende Teilthemen gebildet: Emanzipation der Frau, Frau als Schriftstellerin, Werke der Schriftstellerinnen, soziale Hintergründe, interkulturelle Umgebung und deren Einflüsse.
Nachdem es schon seit den 1980er Jahren Untersuchungen zu einem gendersensiblen Unterricht mit Kinder- und Jugendliteratur gegeben hatte, interessierte man sich in Folge des PISA-Schocks nach dem Jahr 2000 plötzlich in besonderer Weise für geschlechterspezifische Unterschiede im Leseverhalten. Diese wurden dramatisiert, weil man merkte, dass der männlichen Jugend sogar die einfachsten Kompetenzen der Informationsentnahme aus Texten fehlte. "Genderkompetenz" bestand in diesem Zusammenhang zunächst daraus, dass DeutschlehrerInnen versuchten, Jungen zum Lesen zu bringen. Auf der Strecke blieb eine genaue Lektüre der Texte, die man den SchülerInnen vorlegte, zugunsten einer allein am Schülersubjekt orientierten empirischen Leserforschung. ...
Rezension zu Monika Schmitz-Emans/Uwe Lindemann (Hg.): Was ist eine Wüste? Interdisziplinäre Annäherungen an einen interkulturellen Topos. Würzburg (Königshausen & Neumann) 2001. 185 Seiten.
Der vorliegende Band bemüht sich vor allem um eine interdisziplinäre Perspektivierung des Themas Wüste. In diesem Sinne geht es den Herausgebern nicht nur darum, den literaturwissenschaftlichen Zugriff um theologische, philosophische und kunstgeschichtliche Beiträge zu erweitern, sie streben vor allem auch danach, den okzidentalen Blick auf die Wüste um jene orientale Perspektive zu ergänzen, die aus naheliegenden geographischen Gründen besonders vielversprechend scheint.
Rezension zu Miriam Havemann: The Subject Rising Against its Author. A Poetics of Rebellion in Bryan Stanley Johnson's Oeuvre. Hildesheim/Zürich/New York (Georg Olms Verlag) 2011 (= ECHO - Literaturwissenschaft im interdisziplinären Dialog, Bd. 13). 427 S.
Mit der Publikation ihrer in der Bochumer Komparatistik eingereichten Dissertation widmet sich Miriam Havemann einem bis vor wenigen Jahren fast in Vergessenheit geratenen britischen Schriftsteller der 1960er und 1970er Jahre, dessen Arbeiten erst mit dem Erscheinen von Jonathan Coes Biographie 'Like a Fiery Elephant: The Story of B.S. Johnson' (2004) und der Wiederauflage vieler seiner Romane neue Beachtung fanden.
Diskussionen um Kinderliteratur haben in vielfältiger Weise mit Ethik zu tun: In vielen kinderliterarischen Texten geht es um den Gegensatz zwischen ›gut‹ und ›böse‹; viele Bücher für Kinder dienen der moralischen Unterweisung, das heißt dem Zweck, Kindern das ›richtige‹ Verständnis von Gut und Böse zu vermitteln, und schließlich verspüren manche Kinderliteratur-Kritiker eine ethische Verpflichtung, kinderliterarische Texte auf ihre moralische (und politische) Korrektheit zu überprüfen. ...
Entstanden ist das erste Jahrbuch der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e.V. laut Präsidentin Claudia Maria Pecher aus zwei Gründen. Zum einen feierte die Akademie 2016 ihr vierzigjähriges Jubiläum und zum anderen sollte die Lücke geschlossen werden, die mit der Einstellung des Volkacher Boten. Zeitschrift für Kinderund Jugendliteratur entstanden ist. Die vorliegende Ausgabe basiert vor allem auf Beiträgen und Berichten der Jahrestagung zum Thema "Literarisch-kulturelle Begegnungen mit dem Judentum – heute", die, geleitet von Gabriele von Glasenapp, am 23./24. April 2015 stattfand. ...
Rezension zu Mieke Bal: Kulturanalyse, hg. von Thomas Fechner-SmarsIy u. Sonja Neef, übers. von Joachim Schulte, Frankfurt/Main (Suhrkamp) 2002. 370 Seiten.
Die Literaturtheoretikerin Bal kennt keine disziplinären Berührungsängste und sucht unter dem übergreifenden Forschungsfeld der Kulturanalyse literaturwissenschaftliche und kunstgeschichtliche Themen und Problembereiche miteinander zu verbinden. In dem von Thomas Fechner-Smarsly und Sonja Neef herausgegeben Band 'Kulturanalyse' enthalten zehn Essays der niederländischen Professorin, die in Amsterdam und in Cornell lehrt, grundlegende theoretische Überlegungen und ein facettenreiches Spektrum von Einzelanalysen und überwinden das Dilemma oftmals unvermittelbarer Forschungsansätze. Vor dem Hintergrund dekonstruktivistischer und ideologiekritischer Positionen spannt sich der Bogen der Essays von einer Narratologie des Sammelns sowie der Rhetorik und Semiotik des Ausstellens über eine photographische Lektüre Prousts bis zu Fragen nach dem Zusammenhang von Performativität und Subjektivität, um schließlich bei der Problematisierung des Begriffs der Intention zu enden.
Rezension zu Michel Cadot: Dostoïevski d'un siècle à l'autre ou la Russie entre Orient et Occident. Avant-propos Rudolf Neuhäuser. Paris (Maison-neuve et Larose) 2001. 350 Seiten.
Michel Cadot, Emeritus der Sorbonne Nouvelle (Institut für "Littérature générale et comparée"), legt hier eine Summe seines Nachdenkens über Dostojewskij vor. Auf den Ort dieser Monographie innerhalb der internationalen Dostojewskij- Forschung sei hier nicht eingegangen. Nur so viel ist zu sagen, dass Geistesgeschichte und poetologische Analyse des Einzelwerks eine fruchtbare Fusion eingehen, wobei die kulturphilosophische Fragestellung allerdings dominiert, was im Titel ja bereits eindeutig vermerkt wird.
Rezension zu Michael Niehaus: Das Buch der wandernden Dinge. Vom Ring des Polykrates bis zum entwendeten Brief. München (Hanser) 2009. 406 S.
"Die Geschichte eines wandernden Dinges kann dazu bestimmt werden, das Ding mit Bedeutung zu beladen, zu befrachten. Doch was geschieht mit dieser akkumulierten Bedeutung, wenn die Geschichte am Ende ist?"(159), fragt Michael Niehaus mitten in seiner groß angelegten Studie zu wandernden Dingen in Literatur und Film.
The present paper focuses on the importance of urban space within cultural and literary studies. The review presents one of the newest studies in the field – METROPOLEN ALS ORTE DER BEGEGNUNG UND ISOLATION: INTERKULTURELLE PERSPEKTIVEN AUF DEN URBANEN RAUM ALS SUJET IN LITERATUR UND FILM that analyses in its 726 pages the concept of space related to important world metropolises from a literary, cultural, social point of view. Most of the research stresses the importance the multi- and cross-cultural relations that are a constitutive element for spaces of big cities.
Rezension zu Melanie Möller: Talis oratio - qualis vita. Zur Theorie und Praxis mimetischer Verfahren in der griechisch-römischen Literaturkritik. Heidelberg (Winter) 2004 (= Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften. Neue Folge, 2. Reihe, Bd. 113). 396 S.
Wie der Mann, so das Buch. Oder, anders herum: Der Stil ist der Mensch. Diesen Gemeinspruch erhebt die vorliegende Monographie zur Problemformel der Hermeneutik. Vorweg sei festgestellt: Die Verfasserin legt einen Denkweg frei, der die historische und systematische Darstellung der griechisch-römischen Literaturkritik übersteigt, indem für den hermeneutischen Diskurs unserer Gegenwart kontrastierende Anschauungen bereitgestellt werden. Leitend ist die Fragestellung: Inwieweit zeigt sich in der Rede die Individualität des Redners, so dass aus dieser jene besser zu verstehen ist? Oder ist das, was als Individualität sich zeigt, als objektives Merkmal der Rede einzustufen, das mit der lebensgeschichtlichen Individualität des Redners nicht zusammenhängt?
Rezension zu Małgorzata Świderska: Studien zur literaturwissenschaftlichen Imagologie. Das literarische Werk F.M. Dostoevskijs aus imagologischer Sicht mit besonderer Berücksichtigung der Darstellung Polens, München (Otto Sagner) 2001 (= Slavistische Beiträge; Bd. 412). 495 Seiten.
Wenn die polnische Slawistin Małgorzata Świderska nun ihre Tübinger Dissertation über Dostojewskij und Polen vorlegt, so ist das sehr zu begrüßen. Die umfangreiche Abhandlung ist zunächst einmal ein willkommener Beitrag zur Dostojewskij-Forschung, denn noch niemals vorher ist diese Region der Phobien Dostojewskijs derart ausführlich untersucht worden. Zum anderen aber liefert die Verfasserin am Beispiel eines weltliterarisch hochbedeutenden Autors einen Beitrag zur "Imagologie", einer zur Zeit offenbar schon im Absinken begriffenen Disziplin der Vergleichenden Literaturwissenschaft. Im Falle Dostojewskijs jedoch erhält gerade die Imagologie eine besondere Aktualität, weil seine Darstellung des Ausländischen immer wieder von einem extrem engstirnigen Nationalismus bestimmt wird.
Rezension zu Matías Martínez, Michael Scheffel (2019): Einführung in die Erzähltheorie, München: C.H. Beck Verlag. 234 S. ISBN: 978-3-406-74291-0 ; Matías Martínez, Michael Scheffel (2020): Anlatım Teorisine Giriş, Çev: Arif Ünal, İstanbul: Runik Kitap.272 S. ISBN: 978-605-06194-6-1
Rezension zu Matias Martinez/Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie. München (Beck) 1999. (= Reihe Studium). 198 Seiten.
Genettes Erzähltheorie genießt gerade unter jüngeren deutschsprachigen Wissenschaftlern, die sich mit narratologischen Fragestellungen befassen, eine immer größere Popularität. Diese Tendenz dokumentiert nun auch eine 'Einführung in die Erzähltheorie', die gemeinsam von Matias Martinez (wissenschaftlicher Assistent für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität München) und Michael Scheffel (Privatdozent für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Göttingen) verfaßt worden ist.
Rezension zu Martin Sexl: Literatur und Erfahrung. Ästhetische Erfahrung als Reflexionsinstanz von Alltags- und Berufswissen. Eine empirische Studie, Innsbruck (STUDIA Universitätsverlag) 2003. 532 Seiten.
Was passiert, wenn ein Literaturwissenschaftler mit einer Gruppe von sechs Krankenpflegerinnen Sophokles' 'Antigone', Tolstois 'Der Tod des Iwan Iljitsch' und Shakespeares 'King Lear' liest? Er wird natürlich zu zeigen versuchen, wie Literatur zur Bildung beiträgt. Das ist einerseits recht einfach, weil er ja die Krankenschwestern selbst zu Wort kommen und sie eine Vorher/Nachher-Analyse ihrer Lektüreerfahrung und der darauf folgenden Gruppendiskussion machen lassen kann. Andererseits ist das alles andere als einfach, weil ein solch empirischer Ansatz zwar noch den Bildungsansatz teilt, aber sonst sämtliche Prämissen traditioneller und etablierter Literaturwissenschaft radikal in Frage stellen muß. Folgerichtig nimmt Martin Sexl eine Position zwischen 'bloßer' Empirie und 'reiner' Literarästhetik ein und macht sein Sozial-Experiment fruchtbar im Spannungsfeld zwischen Textanalysen (Kapitel 5) und Reflexion von Berufserfahrung seitens der Krankenschwestern vor und nach der Lektüre (Kapitel 4 und 6).
Rezension zu Martin Schüwer: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur. Trier (WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier) 2008 (= WVT-Handbücher und Studien zur Medienkulturwissenschaft; Bd. 1). 574 S.
Mit seiner 2006 an der Universität Gießen eingereichten Dissertation, die hier in der Druckfassung vorliegt, hat sich der Verf. nicht weniger zum Ziel gesetzt als die Formulierung einer "modifizierten Erzähltheorie, mithin einer Theorie nicht mehr des sprachlichen, sondern des visuellen Erzählens" anhand des Mediums Comic.
Rezension zu Markus Kuhn: Filmnarratologie. Ein erzähltheoretisches Analysemodell. Berlin, New York (de Gruyter) 2011 (= Narratologia; 26). 410 S.
Die Zahl der Publikationen zur Narratologie ist in den letzten Jahren auf ein nahezu unüberschaubares Maß angewachsen und wächst stetig weiter. Umso wichtiger erscheinen Bücher, die gleichsam innehalten und den aktuellen Forschungsstand festhalten und dabei einen summarischen, systematischen und anwendungsorientierten Überblick liefern. Eben dies ist der Anspruch, den Markus Kuhn mit seiner 2008 an der Universität Hamburg vorgelegten und mit dem Absolventenpreis 2009 der Studienstiftung Hamburg ausgezeichneten Dissertation verfolgt.
Mit dieser umfangreichen Monografie dokumentiert Mario Zanucchi in geschlossener Form die Rezeption der Lyrik des französischen Symbolismus in der deutschsprachigen Dichtung der Moderne. Die Arbeit befasst sich mit Prozessen und Figuren der transnationalen Übernahme literarischer Formen und Motive (Transfer) und deren poetischer Anverwandlung bzw. Überformung (Modifikation): Es werden imitative, transformative und transgressive Verfahren der Textproduktion und -reproduktion berücksichtigt [...], die in Übersetzungen, Übertragungen, Pastiches, Adaptationen, Nachdichtungen, Parodien und Kontrafakturen ihren Niederschlag finden. Demzufolge orientiert sich die komparatistisch angelegte Studie methodologisch und begrifflich stark an der Intertextualitätsforschung. Sie deckt die Zeitspanne zwischen 1890, dem Erscheinungsjahr von Stefan Georges 'Hymnen', und dem Jahr 1923, in dem die 'Sonette an Orpheus' von Rainer Maria Rilke erstmalig veröffentlicht werden, ab. Von daher umfasst sie sowohl die ästhetizistische als auch die avantgardistische Moderne. Zanucchis Arbeit begegnet einem langjährigen Forschungsdesiderat schon allein deswegen, weil eine derart breit angelegte und auf einem umfangreichen Textkorpus basierende Überblicksdarstellung über die deutschsprachige symbolistische Lyrik bisher fehlte.
Rezension zu Margrit Frölich, Reinhard Middel u. Karsten Visarius (Hg.): Außer Kontrolle. Wut im Film. Marburg (Schüren) 2005 (= Arnoldshainer Filmgespräche, Bd.22). 196 S.
Die Gefühle sind zurück. Zumindest in der Filmwissenschaft ist in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe von Arbeiten erschienen, die sich den Emotionen und Affekten des Kinos widmen; denen auf der Leinwand ebenso wie - unlösbar damit verbunden - denen im Zuschauerraum. Ein schmaler Band nimmt nun einen speziellen, aber zugleich extremen Affekt in den Blick, der in seiner Maßlosigkeit quer zur analytischen Vermessung zu stehen scheint. 'Wut im Film' ist der Untertitel des Bandes 'Außer Kontrolle', von dessen Umschlag den Leser die Comic-Wutikone Hulk, grün vor Wut und stark im Schweiße, anblickt. Dokumentiert sind die Beiträge der '22. Arnoldshainer Filmgespräche', zu denen die dortige Evangelische Akademie jährlich einlädt. Filmkritiker, und -Wissenschaftler, teils mit erkennbar kirchlichem Hintergrund, untersuchen den emotionalen Ausnahmezustand, der sich gerade aufgrund seines eruptiven Charakters und der damit verbundenen Dynamik besonders zur filmischen Auswertung eignet.
[Rezension zu:] Manfred Schmeling u. Hans-Joachim Backe (Hg.): From Ritual to Romance and Beyond
(2012)
Rezension zu Manfred Schmeling u. Hans-Joachim Backe (Hg.): From Ritual to Romance and Beyond. Comparative Literature and Comparative Religious Studies. Würzburg (Königshausen & Neumann) 2011. 316 S.
Die variantenreichen Beziehungen zwischen Religion und Literatur, auch über den europäischen Raum hinaus, zu analysieren, haben sich in der internationalen Wissenschaftslandschaft des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts nicht nur Theologie und Literaturwissenschaft, sondern viele verschiedene Disziplinen zur Aufgabe gemacht. Wir haben es hier mit einem Untersuchungsfeld zu tun, das eine Vielzahl von Methoden und Ansätzen nicht nur erlaubt, sondern erfordert. Daher ist es durchaus sinnvoll, in einem Band verschiedene, heterogene Sichtweisen auf das Feld zu präsentieren. Eben das leistet die Aufsatzsammlung 'From Ritual to Romance and Beyond' von Manfred Schmeling und Hans-Joachim Backe, die 25 Beiträge zum Thema Religion und Literatur zusammenbindet.
Rezension zu Manfred Dierks: Das dunkle Gesicht. Eine literarische Phantasie über C. G. Jung. Roman. Düsseldorf, Zürich (Artemis und Winkler) 1999. 310 Seiten.
Manfred Dierks, Germanist in Oldenburg, ist bereits 1997 mit einem Roman an die Öffentlichkeit getreten, der eine fingierte Begegnung zwischen Thomas Mann und Wilhelm Jensen zum Ausgangspunkt hatte und mit seinem Titel 'Der Wahn und die Träume' explizit auf Sigmund Freuds Deutung der Erzählung 'Gradiva' Bezug nahm. Inzwischen hat Dierks seinen zweiten Roman veröffentlicht: 'Das dunkle Gesicht'. Der Untertitel kennzeichnet den Text als "eine literarische Phantasie über C. G. Jung". Nur: Der Leser wird vergeblich nach C. G. Jung fahnden. Er kommt nicht vor. So jedenfalls ist es mir ergangen, bis ich plötzlich realisierte, daß ich es von der ersten Seite an mit C. G. Jung zu tun hatte. Er hieß nur nicht so, sondern: Alt.
Rezension zu Mallarmé in the Twentieth Century. Edited by Robert Greer Cohn. Associate Editor Gerald Gillespie. Madison (Fairleigh Dickinson University Press); London (Associated University Presses) 1998.298 Seiten.
Der pünktlich zum hundertsten Todestag Mallarmés erschienene Sammelband geht zurück auf ein "Mallarmé Festival", das auf Anregung des Komparatisten Ricardo Quinones im Oktober 1996 an der Stanford Universität stattgefunden hat und von Robert Greer Cohn, einem der international führenden Mallarmé-Forscher, organisiert worden ist. Er versammelt Beiträge zu grundlegenden Aspekten des Mallarméschen Gesamtwerks, zu einzelnen seiner Texte, zu Problemen der Mallarmé-Übersetzung, zur weltweiten Wirkung des Dichters sowie zu Beziehungen Mallarmés zu anderen Autoren.
Der Sammelband gibt einen breit gefächerten, diachronen Überblick über potenzielle Klassiker des Kinder- und Jugendfilms. Dieser setzt im Jahr 1901 mit dem nahezu vergessenen Science-Fiction-Film Die Reise zum Mond ein und endet im Jahr 2014 mit dem Film Rico, Oskar und die Tieferschatten nach dem gleichnamigen Roman von Andreas Steinhöfel aus dem Jahr 2008. Die Beiträge schließen stringent an den von Anita Schilcher und Claudia Pecher herausgegebenen zweiteiligen Sammelband Klassiker der internationalen Kinder- und Jugendliteratur (2012) an und basieren auf Vorträgen einer Ringvorlesung der Universität Augsburg im Jahr 2015. Als zentral für die Begriffsbestimmung erweist sich der erste Beitrag von Ulf Abraham, der den viel diskutierten und strapazierten Klassikerbegriff auf den Film zuschneidet. So wählt er einen deskriptiven Ansatz bei der Bestimmung des Klassikerstatus und unterscheidet zwischen innertextuellen (Inhalt und Form) und außertextuellen (Rezeption und Tradierung) Kriterien. ...
Rezension zu Magdalena Marszałek: "Das Leben und das Papier". Das autobiographische Projekt Zofia Nałkowskas 'Dzienniki' 1899-1954, Heidelberg (Synchron) 2003. 187 Seiten.
Magdalena Marszałeks Monographie über die Tagebücher der polnischen Schriftstellerin Zofia Nałkowska (zugleich ihre Berliner Dissertation von 2002) geht dezidiert über eine biographisch-historische Lektüre hinaus, ohne deren Gewinn in Frage zu stellen. Dabei richtet die Verfasserin ihr Augenmerk wesentlich auf den Schreibakt selbst, zum einen auf die textuellen, diskursiven und interaktiven Bedingungen diaristischer Selbstkonstituierung und zum andern auf die performativen ich-konstitutiven Schreibeffekte. Damit erschließt die Studie nicht nur alternative Zugänge zu den Tagebüchern Nałkowskas, die bislang vornehmlich Gegenstand historiographischer Kommentare und ohne nennenswerte literaturkritische Resonanz geblieben sind. Vielmehr entwickelt Marszałek zur Analyse der Selbst-Konstruktionen Nałkowskas zunächst eine theoretische Grundlage, die auch über die Beschäftigung mit den Tagebüchern dieser Autorin hinaus einen produktiven Beitrag zur Entwicklung einer Theorie der Gattung darstellt.
Der Sammelband 'Literature as Dialogue. Invitations Offered and Negotiated' vereint die Beiträge der jährlichen Konferenz der International Association for Dialogue Analysis, welche unter dem Titel 'Dialogue Analysis: Literature as Dialogue' im Jahre 2012 vom LitCom-Projekt, Literary Communication Project of Åbo Akademi University, ausgerichtet wurde. Die theoretische Basis der dreizehn Rezensionen Aufsätze folgt zu großen Teilen den Ansätzen und Ergebnissen der Forschungen im Rahmen dieses Projekts, welche daher zu Beginn kurz zusammengefasst werden. Im Sinne des LitCom-Projekts werden die Prozesse des Schreibens, Lesens und der weiteren Wirkung eines literarischen Textes als reale Kommunikationsakte betrachtet. Im Gegensatz zu den lange Zeit dominierenden Kommunikationstheorien und dem Konzept des Senders und Empfängers einer Nachricht werden diese Kommunikationsakte immer als bidirektional und bikontextuell verstanden. Neben der Frage der jeweiligen Ausprägung der Dialogizität eines Textes gilt es ebenso die Verhandlungsmöglichkeiten der Rezipienten zu berücksichtigen. Diese können die Einladung zum Dialog nicht lediglich annehmen oder ablehnen, sondern entsprechend dem Verhandlungsspielraum des Textes individuell umsetzen.
The present text focuses on the interdependency of literature and theory since the postmodern period. Due to the shifting of paradigms towards more updated procedures, new approaches have emerged, dealing with the relationship between history and presence, intertextuality and plagiarism, deconstruction and reconstruction. The three sections of the volume address the issues of understanding and analyzing the meaning of a post-postmodern approach in the context of literary theory. The book should be understood as a functional and at the same time motivational instrument, being not only helpful to literary critics, but also to readers of modern literary texts.
'Literatur und Medizin' ist nicht zwingend ein interdisziplinäres Arbeitsgebiet: In der Komparatistik fällt es unter den Bereich der Erforschung von Literatur und Wissenschaft und hat da eine gewisse Tradition. Anders verhält es sich mit dem Gebiet der "Medical Humanities", die als solche ein interdisziplinäres Arbeitsgebiet sind und für die es eigentlich keinen deutschen Begriff gibt. Der hier zu besprechende Band ist von einem Anglisten, Pascal Fischer, und einer Medizinhistorikerin und ethikerin, Mariacarla Bondio herausgegeben. Die beiden geben auf engstem Raum eine ausgezeichnete Einführung in die Tradition und Fragestellungen der "Medical Humanities" und zeigen Breite und Anschlussfähigkeit der Forschung.
Rezension zu Literary Activism. Perspectives. Ed. Amit Chaudhuri. New Delhi: Oxford University Press, 2017. 369 pp.
Gillian Lathey ist eine ausgewiesene Expertin, was Forschung zur Übersetzung von Kinderliteratur angeht. Davon zeugen ihre Untersuchung The Role of Translators in Children’s Literature (2010) und der von ihr herausgegebene Sammelband The Translation of Children’s Literature: A Reader (2006). Außerdem genießt die Reihe Translation Practices Explained, in der die neue Arbeit der Autorin erschienen ist, unter DozentInnen und PraktikerInnen in der Translatologie einen sehr guten Ruf. Das Buch weckt also Erwartungen, und es enttäuscht sie nicht: Es bietet eine vorzügliche Mischung aus Fachkenntnis, Belesenheit und wissenschaftlich-didaktischer Kreativität. ...
Die großen Wanderungsbewegungen unserer Zeit bringen nicht nur politische Integrationsfragen in stärkerem Maß als je zuvor mit sich. Auch die damit verbundene Durchmischung der Kulturen und Religionen fordert intensivere Aufmerksamkeit sowohl im tagesaktuellen wie im akademischen Bereich. So trifft das vorliegende Werk Kindertora – Kinderbibel – Kinderkoran. Neue Chancen für (inter-)religiöses Lernen genau ins Herz der aktuellen Fragestellungen zur Thematik des religiösen Miteinanders – und zwar sowohl das Genre als solches betreffend wie auch die diversen praxisorientierten Ansätze einbeziehend. In seiner Herangehensweise an das Thema stellt sich das Werk tatsächlich als Novum dar. Denn: »Erstmals in der Geschichte der drei monotheistischen Weltreligionen liegen speziell für Kinder und Jugendliche konzipierte Ausgaben von Tora, Bibel und Koran vor« (Rückseitentext). ...
UTB-Bände können unterschiedlich gut geeignet sein für den Einsatz in Universitäts-Seminaren. Ein vorbildliches Werk war der Band Kinderund Jugendliteratur (2010) von Gina Weinkauff und Gabriele von Glasenapp. Der Band Bilderbuchanalyse von Tobias Kurwinkel lässt sich an diesem Vorbild messen, auch er tritt mit dem Anspruch an, ein »Grundlagenwerk« für »Lehrveranstaltungen« für »Lehramtsstudierende der Fächer Deutsch und Kunst« (11) zum Thema Bilderbuch anzubieten. Der in der Szene auch als Chefredakteur des Internetportals KinderundJugendmedien.de bekannte Verfasser leitet als Universitätslektor für Germanistische Literaturwissenschaft den Arbeitsbereich Kinder- und Jugendliteratur sowie Kinder- und Jugendmedien am Fachbereich 10 der Universität Bremen und ist Ko-Leiter des Bremer Instituts für Bilderbuchforschung (BIBF). ...
Der Sammelband, der das innovative Konzept verfolgt, Beiträge von Studierenden mit denen von namhaften Fachwissenschaftlern zu vereinen, vesucht den Brückenschlag, "die bisher dominante Rezeption Endes als Schriftsteller" weiterzuverfolgen und dabei die mediale Aneignung in der Populärkultur zu fokussieren. Insgesamt werden somit die Felder des Biographischen, der Intertextualität und der Philosophie mit Blick auf die unterschiedlichen medialen Umsetzungen von Endes Œuvre betrachtet. In seiner Einführung zu Endes Leben konstatiert Tobias Kurwinkel, dass Ende weit mehr als nur der Autor seiner vielfach adaptierten Werke ist, sondern auch selbst als Filmkritiker und Drehbuchautor gearbeitet hat, und begründet dadurch plausibel den intermedialen Ansatz dieses Bandes. Susanne Kröber geht in ihrem bislang unveröffentlichten, leicht provokativen Interview mit Ende der Frage nach, ob der Wunschpunsch (1989) ein resignatives Konzept von Menschheit verfolge. ...
Rezension zu Kurt Röttgers: Metabasis. Philosophie der Übergänge, Magdeburg (Scriptum) 2002 (= SO|PHI|ST. Sozialphilosophische Studien; Bd. 4). 456 Seiten.
"Eine Philosophie der Übergänge stellt sich dem Problem der radikalen Übergänge." "Philosophie der Übergänge ist das Unternehmen, die Zeitlichkeit von Ereignissen anders als in Geschichten zu denken." Das Programm, das diese lapidare Sätze formulieren, setzt Kurt Röttgers' Studie auch tatsächlich um. Dem allein stehend doch relativ abstrakten Begriff des Übergangs gewinnt diese eine erstaunliche Fülle von nicht nur philosophisch, sondern kultur- und nicht zuletzt literaturwissenschaftlich interessanten Aspekten ab. Das Inhaltsverzeichnis kann als Einladung an den Leser verstanden werden, seine Übergänge selbst zu wählen, statt konsequent von vorne nach hinten zu lesen, wenn er die in der Einleitung und in Abschnitt 1 ("Die Gewalt des Übergangs") thematisierten Denkgrundlagen einmal nachvollzogen hat (was die Rez. empfiehlt, weil es den Gewinn der Lektüre erheblich steigert).
Rezension zu Kurt Bayertz, Margit. Frölich u. Kurt W. Schmidt (Hg.): I'm the Law. Recht, Ethik und Ästhetik im Western, Frankfurt/Main (Haag + Herchen Verlag) 2004 (= Arnoldshainer Texte; Bd. 124). 170 Seiten.
Hervorgegangen aus einer Tagung im Jahre 2002, versammelt der Band insgesamt acht methodisch recht unterschiedliche Beiträge, die sich aus interdisziplinärer Perspektive mit dem Phänomen des Westerns auseinandersetzen.
J ugendliteratur entsteht und besteht im Kontext von Jugendkultur, bildet diese ab, formt sie, um über sie zu reflektieren, und prägt sie dabei wechselwirkend mit. Das Programm des Bandes, jugendliterarische Texte mit Fokus auf ihre Bezüge zu den sich wandelnden Jugendkulturen im 21. Jahrhundert zu untersuchen, ist deshalb durchaus sinnvoll und bietet fruchtbare Anschlussmöglichkeiten für wissenschaftliche Fachdiskussionen. Der interdisziplinäre Zugriff nimmt dabei nicht nur die beschriebenen Wechselwirkungen in den Blick, sondern widmet sich der Jugend auch als literatur- und medienübergreifendem Darstellungsgegenstand. ...
Rezension zu Konrad Meisig (Hg.): Ruhm und Unsterblichkeit. Heldenepik im Kulturvergleich. Wiesbaden (Harrassowitz) 2010. VII u. 194 S.
Es ist erstaunlich, wie schmal die neuere Forschungsliteratur zu jenem literarischen Genre ist, das bis ins 18. Jh. die Dignitätsrangliste der Gattungen anführte: das Epos. Wenngleich dieser Terminus mit den Spielarten Lehrgedicht, geistliches oder allegorisches Epos, mock-heroic u. a. deutlich mehr Optionen umfasst, assoziiert die Literaturgeschichte doch zumeist das sogenannte Heldenepos. So war es eine sinnvolle und zugleich lückenfüllende Initiative, im Sommersemester 2007 eine Ringvorlesung an der Universität Mainz der Heldenepik im Kulturvergleich zu widmen. Die zwölf Beiträge des Sammelbandes sind denn auch grundsätzlich nach dem Maß einer Vorlesung dimensioniert. Sie sind chronologisch angeordnet und behandeln einerseits "gesetzte", kanonische Texte der Heldenepik wie die Werke Homers und Vergils, andererseits aber wenig bekannte Paradigmen aus außereuropäischen Literaturen bzw. exzentrischere Beispiele, an denen sich die Spannbreite des Heroisch-Epischen beweist.
Rezension zu Kluge, Rolf-Dieter (Hg.): Von Polen, Poesie und Politik. Adam Mickiewicz 1798-1998. Tübingen (Attempto) 1999. 330 Seiten.
Vierzehn Essays führen in Werk und Wirkungsgeschichte des polnischen Nationaldichters Adam Mickiewicz (1798-1855) ein, an der Spitze eine kenntnisreiche und ausgewogene, Werk und Leben verbindende Betrachtung von Karl Dedecius: "Adam Mickiewicz: Idol und Idee einer Nation" (S. 11-32).
Rezension zu Klimpel, Volker: Schriftsteller-Ärzte. Biographisch-bibliographisches Lexikon von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hürtgenwald (Guido PressIer) 1999. 218 Seiten.
Der Verfasser dieses Lexikons, Arzt und Medizinhistoriker, präsentiert über dreihundert Lebensbilder von Ärzten, die auch Schriftsteller waren, mit jeweils einem bibliographischem Anhang, der eine Werkauswahl des Autors sowie Hinweise auf nationale und internationale Nachschlagewerke bringt.
Rezension zu Klimek, Sonja: Paradoxes Erzählen. Die Metalepse in der phantastischen Literatur. Paderborn (mentis) 2010 (= Explicatio. Analytische Studien zur Literatur und Literaturwissenschaft). S 442.
Sonja Klimek versucht in ihrer Arbeit, die im Jahr 2009 als Dissertation an der 'Université de Neuchâtel' angenommen wurde, eine - wie sie ihre Einleitung betitelt - "Annäherung an ein (nicht nur) literarisches Phänomen": die Metalepse.
Rezension zu Klaus-Peter Dencker (Hg.): Poetische Sprachspiele. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart (Reclam) 2002 (= Reclams Universal-Bibliothek; Bd. 18238). 428 Seiten.
Klaus Peter Dencker, der als Anthologist und Kommentator schon im Bereich der visuellen Dichtung und der Unsinnspoesie Pionierarbeit geleistet hat (Klaus-Peter Dencker (Hg.): Text-Bilder. Visuelle Poesie international. Von der Antike bis zur Gegenwart, Köln 1972; ders. (Hg.): Deutsche Unsinnspoesie, Stuttgart 1978), legt mit einer neuen Anthologie zu 'Poetische[n] Sprachspiele[n]' (Stuttgart 2002) eine Sammlung vor, welche nicht nur denjenigen anspricht, dem ludistische Poesien eine besondere Lust am Text bereiten. Auch dem literaturhistorisch und literarästhetisch interessierten Leser haben die 325 Seiten mit Sammelstücken sowie die begleitenden Informationen vieles zu bieten.
Rezension zu Klaus-Michael Bogdal u. Oliver Müller (Hg.): Innovation und Modernisierung. Germanistik von 1965 bis 1980. Heidelberg (Synchron) 2005 (=Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, Bd. 8).263 S.
'Massenstudium und Reformuniversität' - so hätte der Titel des vorliegenden Bandes auch lauten können, denn damit sind genau die Parameter benannt, unter denen sich seit Mitte der 1960er Jahre die universitäre Ausbildung an deutschsprachigen Hochschulen entwickelt hat. In dreizehn Beiträgen wirft die von Klaus-Michael Bogdal und Oliver Müller herausgegebene Dokumentation einer 2002 in Bielefeld veranstalteten Tagung verschiedene Blicke auf das universitäre Studium der Germanistik in dieser Zeit, das angesichts einer schon damals seit Jahrzehnten proklamierten Dauerkrise zur innovativen Ausbildungs- und Forschungsdisziplin reformiert werden sollte. Als Fachdisziplin ist die Germanistik dabei ein exponiertes Beispiel, das prototypisch auch für andere Fächer steht.
Kenneth Patrick Clarke: Chaucer and Italian Textuality. Oxford (Oxford University Press) 2011. 234 S.
Die Methode des Verf. besteht einerseits in der Untersuchung einzelner Handschriften, um dadurch zu neuen Erkenntnissen über Chaucers literarisches Schaffen zu gelangen; andererseits stellt Clarke aber auch allgemeine, der Textinterpretation dienliche Beobachtungen über das Konzept der Textualität im Mittelalter an.
In den letzten zwanzig Jahren haben sich die 'African American Studies' zu einem transdisziplinären, internationalen und damit auch komparatistisch relevanten Forschungsfeld entwickelt, in dem – inspiriert von wegweisenden Arbeiten wie Paul Gilroys 'The Black Atlantic' (1993) und Brent Edwards' 'The Practice of Diaspora' (2003) – die vielfältigen historischen und gegenwärtigen, kulturellen und sozialpolitischen Beziehungen zwischen (im weitesten Sinn) afroamerikanischer und europäischer Welt größere wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren haben. Da viele der prominentesten heute noch erinnerten Ereignisse afroamerikanischer Präsenz in Europa ihr Zentrum in Paris hatten – man denke an den ersten Pan-Afrikanischen Kongress 1919, an Josephine Baker im Folies Bergère, an die Szene um Richard Wright und James Baldwin im Café Tournon der 1950er Jahre – ist es wenig verwunderlich, dass Frankreich in den international ausgerichteten Untersuchungen innerhalb der African American Studies am intensivsten untersucht wurde. Dennoch ist inzwischen ein zwar überschaubares, jedoch beachtenswertes Korpus an wissenschaftlichen Werken entstanden, die sich mit den Wechsel- und Austauschbeziehungen zwischen afroamerikanischen und deutschen (nur selten im weiteren Sinn deutschsprachigen) soziokulturellen Welten beschäftigen: mit den Erfahrungen afroamerikanischer Jazzmusiker/innen zur Zeit der Weimarer Republik und denen schwarzer GIs in den Weltkriegen und Besatzungsjahren; mit der 'Afroamerikanophilie' in deutschen Jugendkulturen der 1960er und 70er Jahre; mit den Studienjahren in Berlin und Frankfurt von afroamerikanischen Intellektuellen wie W. E. B. Du Bois, Alain Locke und Angela Davis. Nachdem der Großteil dieser Forschungen bisher in einigen Sammelbänden und verstreut publizierten Aufsätzen zu finden war, liegt nun mit Katharina Gerunds Untersuchung 'Transatlantic Cultural Exchange' eine breit angelegte Monographie vor, die verspricht, "the postwar reception, construction, and appropriation of African American women's culture, art and activism in (West) Germany" in den Blick zu nehmen und dabei diskursive Formationen herauszuarbeiten, die für den Zeitraum zwischen den späten 1960er und den frühen 1990er Jahren besonders relevant waren. Gerunds als Dissertation an der Universität Bremen entstandene Studie ist gleichermaßen um methodisch reflektiertes Vorgehen wie breite historische Kontextualisierung bemüht.
Rezension zu Karl R. Kegler, Karsten Ley u. Anke Naujokat: Utopische Orte. Utopien in Architektur- und Stadtbaugeschichte, Aachen (Forum Technik und Gesellschaft) 2004. 204 Seiten.
Der vorliegende Band behandelt in einem weitgespannten, von der Vorzeit bis zur unmittelbaren Gegenwart reichenden Überblick ein bislang vernachlässigtes Teilgebiet der Utopie-Forschung und untersucht die Orte, wo die Utopie sich manifestiert und woraus sie besteht: ihre gleichwohl sehr konkreten, in Architektur, Stadtplanung, Literatur, Religion, Philosophie und Bildender Kunst auftretenden Topoi oder: U-Topoi. Hervorgegangen aus einem interdisziplinären Seminar an der Technischen Hochschule Aachen, betritt der Band Neuland, denn eine derart umfassende Analyse und Sammlung der utopischen Orte/Topoi wurde bislang noch nicht vorgenommen, weil eine kulturhistorische Verortung der meist komplex angelegten Utopien die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen notwendig macht, also eine Arbeitsweise verlangt, die trotz der derzeit propagierten Kulturwissenschaft in der Praxis utopisch ist, vor allem, was den Dialog von Geisteswissenschaften mit den Technik- und Naturwissenschaften angeht. Genau hier setzt der Band vermittelnd an.
Rezension zu Karin Tebben (Hg.): Frauen - Körper - Kunst. Literarische Inszenierungen weiblicher Sexualität. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2000. 272 Seiten.
"Einblicke", "Frauenblicke" und "Männerblicke" sind die drei thematischen Blöcke und perspektivischen Leitlinien, denen Karin Tebben die zwölf Beiträge ihres interdisziplinären Sammelbandes zu literarischen Inszenierungen weiblicher Sexualität um 1900 zuordnet.