800 Literatur und Rhetorik
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Dieser Beitrag geht nun vor allem begrifflich-historischen Aspekten des Zusammenhangs von 'Sicherheit' und 'Unverfügbarkeit' nach, wobei ich historisch und konzeptuell vor allem an 'Sicherheit' interessiert bin. 'Unverfügbarkeit' oder 'Nichtverfügbarkeit' wird unterdessen in weiten Teilen heuristisch gebraucht, zum Zwecke der Zusammenschau bestimmter Phänomene.
Spätestens seit den gesellschaftlichen Modernisierungsschüben in den sechziger Jahren identifiziert auch die Germanistik Erkenntnis- und Wissenszuwachs, ja allgemeiner den "Fortschritt" ihres Fachs, mit Komplexitätserhöhung. Vor diesem Hintergrund erscheint es mir wenig plausibel, die seitdem erfolgten inneren Ausdifferenzierungen und interdisziplinären Grenzüberschreitungen als durch Identitätsverlust, Zerstreuung und Desintegration gekennzeichnete Niedergangsszenarien zu beschreiben. Die Veränderungen gehorchen der immanenten Logik germanistischer Forschung, einer "disziplinierten", auf Leistung ausgerichteten, an kooperativen Großforschungsvorhaben partizipierenden Wissensproduktion.
Die folgenden Ausführungen zielen darauf ab, die inhaltlichen und poetologischen Implikationen der "Messiashoffnung der Annäherung" im dritten Roman von Brochs Schlafwandler-Trilogie mithilfe von Hermann Cohens philosophischer Interpretation des jüdischen Messianismus zu erhellen. Cohens Interpretation des jüdischen Messianismus ist im Zusammenhang seiner philosophischen Bibel-Exegese zu sehen. Die Hebräische Bibel wertet Cohen explizit als Literatur, als "Poesie", deren Urform das nationale Epos sei. In dieser epischen Urform macht Cohen einen historischen Entwicklungsprozess hin zur Vergeistigung, zur Selbstreflexion im Autokommentar, aus. Einen ähnlichen Prozess der Vergeistigung nimmt Cohen auch in der Figuration des Messias bei den Propheten wahr, welche er als "Dichterdenker" als "Epiker[] der weltgeschichtlichen Zukunft", auffasst. Bei den Propheten wandle sich der Messias von einer politisch-nationalen Amtsperson zum Symbol einer sittlichen, geschichtsphilosophischen Idee.
Heike Schlie untersucht Formen vormoderner religiöser Zeugenschaft, die sich in komplexen medialen Konstellationen ereignet. Die hagiographische Zeugenschaft, die in einer Reliquiensammlung gespeichert ist und in der rituellen Zeigung der Reliquien aktiviert wird, wird auf weitere Medien übertragen, in sie ausgelagert und in ihnen erweitert, sodass ein 'Netz aus zeugenden Gesten' und 'Zeugenschaftspraktiken' entsteht. Ergänzt bzw. eingeleitet werden diese Beobachtungen durch eine Untersuchung der historischen Zeugenschaftsbegriffe und ihrem Konnex zu religiöser Zeugenschaft. Ein besonderes Augenmerk gilt hier der Analyse einer vormodernen Konstellation, in der Reliquien als 'Akteure' betrachtet werden müssen, was im jüngsten "forensic turn" eine Art Nachfolge kennt. Zum anderen werden im Kontext der Bildmedien die Spezifitäten christlicher Zeugenschaftsformen fassbar, die im Fall der apostolischen 'Zeugenkette' und des 'Bekenntnisses' des Märtyrers oder des Eremiten eine Reihe von epistemischen und medialen Besonderheiten aufweisen und auch in Bildern wie Dürers "Marter der Zehntausend" diskursiviert bzw. reflektiert werden - ein Phänomen, das Schlie anhand der Kategorie des "métatémoignage" von Derrida analysiert. So wird das Bild selbst zum "Erkenntnismittel", das heißt ein "Medium zum 'Über-Zeugen' des Unglaubens".
Ich werde zu zeigen versuchen, dass der Begriff 'Überleben' bei Foucault zwar nicht besonders auffallend ist, aber doch immerhin in einer signifikanten Weise verwendet wird, und ich werde argumentieren, dass die von Charles Darwin populär gemachte Spencersche Wendung 'survival of the fittest', die das Leben und Überleben-Wollen im Register der Biologie und damit im kalten Licht eines genealogisch-evolutionären Denkens bezeichnet - ich werde sie kurz diskutieren -, auch Foucaults Begriffsverwendung formatierte: Als ein kleiner, ambivalenter Index am Rand seiner Texte, der zum einen auf Theorien verweist, die Foucault als "Bio-Politik" kritisierte, der zum anderen aber die "kalte" Systematik der Diskursanalyse und ihre stille Verwandtschaft mit Theorien der Lebenswissenschaften anzeigt. In jedem Fall aber bezog Foucaults Begriffsverwendung sich auf einen Denkhorizont, der von Darwins schillerndem 'catchword' eröffnet wurde.
Stefan Barton behandelt die Bedeutung des Zeugenbeweises im Strafverfahren. Im Zentrum steht die für den juridischen Kontext so wichtige Regelhaftigkeit zur Autorisierung des Zeugnisses, sowohl im Sinne eines Szenariums als auch bezüglich seiner Choreographie. Es gibt nicht nur einen festen Korpus an möglichen Beweisen ("Urkunden-, Augenscheins-, Sachverständigen- oder eben Zeugenbeweis"); vielmehr unterliegt jede Beweisart einem Regelwerk, so auch das Zeugnis. Dort, wo an anderen Stellen ein Faktor wie ein 'Zeugenhelfer' hinzutreten muss, um aus dem Zeugnis Gewissheit entstehen zu lassen, kann es eine Glaubwürdigkeitsprüfung sein, beispielsweise in einer psychologischen Glaubhaftigkeitsbeurteilung: Auch vor Gericht wird das Zeugnis evaluiert. Und auch hier gilt, dass ein schwer fassbarer Überzeugungsfaktor am Ende Ausschlag gibt für die Evaluierung bzw. Relevanz des Zeugnisses: Für das Urteil entscheidend ist die Überzeugung des Richters bezüglich des verhandelten Sachverhalts.
'Die Zukunft kommt von selbst - der Fortschritt nur mit uns' war das Motto eines SPD-Parteitages im Jahr 1988 in Münster. Dieses Motto verrät nicht nur etwas darüber, wie der Begriff des Fortschritts interpretiert wurde (dass Fortschritt nämlich im Unterschied zur Zukunft nicht automatisch eintritt, sondern politisch 'gemacht' werden muss und dass er, im Gegensatz zur unbestimmten Zukunft, kommen 'soll'), sondern zeigt vor allem, dass gerade dieser Begriff und der mit ihm verbundene politische Gestaltungsanspruch als wesentliches Distinktionsmerkmal zum politischen Gegner herausgestellt wurde. Die Beschlüsse, die 2016 auf dem Parteikonvent der SPD gefasst wurden, standen unter dem Motto 'Fortschritt und Gerechtigkeit'. Dieses Begriffspaar, so erklärte der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel, sei die "Seele der Partei". Die Selbstbeschreibung als Partei des Fortschritts vereinfacht aber die Sache. Wie gezeigt werden soll, hat die Rede über Fortschritt in der Sozialdemokratie eine wechselvolle und ambivalente Geschichte, angesichts derer der heutige, recht ungebrochene Bezug auf das Schlagwort Fortschritt doch ein wenig überrascht. Der Geschichte des Fortschrittsbegriffs in der deutschen Sozialdemokratie soll im Folgenden in einigen wichtigen Momenten durch eine Untersuchung der Programmtexte nachgegangen werden. Dazu wurde auch auf die Methoden der digitalen Korpusanalyse zurückgegriffen. Der Schwerpunkt liegt in diesem Beitrag auf der Herausbildung und der Erosion der 'klassischen' Prägung des Fortschrittsbegriffs in der SPD in der Bundesrepublik. Er wurde nach der Neuausrichtung der SPD beim Parteitag in Bad Godesberg 1959 in besonderer Weise mit benachbarten Kategorien gekoppelt und hat so die grundlegende politische Zielsetzung und das Selbstbild der Partei nachhaltig geprägt.
Welche Konsequenzen hat Storfers Konzept einer antihistoristischen Schreibweise, sein Postulat der "Erschütterung der bequemen chronologischen Erklärungsweise", wie er schreibt, für seine Geschichte der Wörter? Welches sind die Voraussetzungen und Prinzipien seines Projekts einer "Wortforschung" als "Kulturgeschichtsforschung"? Storfer nähert sich seinem Gegenstand von zwei Seiten her. Zum einen unterstreicht er die Sprachlichkeit des Quellenmaterials, auf das sich, so betont er, "jede Geschichtsforschung" stützt. Zum anderen fragt er danach, in welchem Sinn sich Geschichte in der Sprache ablagert.
In recent years, critics and art historians have pointed to an 'educational turn', a rise in participatory pedagogical art projects and artist-led experimental schools. This essay considers artist-led projects and museum programmes that restage or reenact educational experiments from the past, analysing their limits and possibilities in the study and presentation of modern art history. Much like performance art, pedagogy is ephemeral and contingent, and yet it differs in that it does not establish a fixed spectatorial role. To be understood it must be participated in, for, as Josef Albers described his teaching, 'we are gathering experience'.