800 Literatur und Rhetorik
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Amseln, Krähen, Zinnvögel, Eulen, Schwalben, Tauben, Raben, Hühner, Nachtigallen, Pfauen, Käuzchen, Albatrosse, Enten, Geier, Schneehühner, Kraniche, Möwen - all diese Vögel durchflattern und durchfliegen Ingeborg Bachmanns Lyrik. Ihre Schönheit, Fremdheit und vielfältige Symbolik, ihr Flug, ihr Gesang und ihr luftiges Element erzeugen in den Gedichten eine poetische Fülle, die auf die Möglichkeit eines 'Anderen' verweist. Die Vögel in Bachmanns Gedichten sind Objekte: Objekte von Begehren, Liebe und Angst. Sie mögen auch Chiffren, Metaphern, Symptome darstellen, doch als Objekte gewinnen sie eine spezifische Souveränität. Denn sie fungieren keineswegs nur als literarische Gegenstände; vielmehr treten sie als eigenwillige Gegenspieler, als mächtige Fetische oder sich entziehende Wesen auf. Der Blick und die Sprache, deren Objekte die Vögel in den Gedichten sind, zeigen sich fasziniert vom Nicht-Menschlichen und von jener Souveränität. Daraus erwachsen nicht nur die Konflikte, die die lyrischen Begegnungen zwischen Vögeln und Menschen prägen, sondern auch eine leidenschaftliche Sehnsucht, von der die Gedichte sprechen: die Sehnsucht nach einem 'Jenseits' der gängigen Sprech- und Lebensweisen - und damit nicht zuletzt die Sehnsucht nach der Möglichkeit einer Sprache der Liebe, die das geliebte Gegenüber zu adressieren und zu treffen vermag.
Nur wenige Arbeitsgebiete der Komparatistik sind in vergleichbarem Maße durch die Forschungen einer Einzelperson geprägt wie die 'Stoff- und Motivforschung' durch die langjährigen Bemühungen Elisabeth Frenzels. Ihr Name steht in propädeutischen Seminaren des Komparatistikstudiums häufig synonym für die Auseinandersetzung mit den 'Inhalten der Literatur'. Neben mehreren Einführungen und Forschungsberichten dürften ihre beiden Handbücher 'Stoffe der Weltliteratur' und 'Motive der Weltliteratur' in den meisten komparatistischen Seminar- und Handbibliotheken zu finden sein.
Die Bibel ist Weltliteratur 'und' eine heilige Schrift - damit spreche ich sowohl bereits den Kern des Beitrages als auch die Schwierigkeit dieser Konstellation an. In welchem Verhältnis steht die Bibel als Literatur zu dem Begriff der Heiligkeit, der ihr kanonisch, normativ und auch inhaltlich zuerkannt wurde und teils wird? Beide Aspekte, sowohl ihre Literarizität (1. 'Bible as Literature') als auch ihre Einordnung als eine heilige Schrift (2. Die Bibel als heilige Schrift), werden im Folgenden in einem Wechselspiel aus literaturwissenschaftlicher und theologischer Hermeneutik untersucht, da diese beiden Disziplinen die Bibel als literarisches und/oder religiöses Medium wahrnehmen und aufgreifen.
The parallel between the novels "Berlin Alexanderplatz" and "Grande Sertão: Veredas" was first drawn within the Brazilian literary criticism in a comment made by Davi Arrigucci Jr. With the intent of pursuing the discussion raised by the author, this article proposes a more detailed analysis of the elements which define both texts as representative works of the modern novel discourse. The analysis focuses on the movements which characterize the trajectories taken by the protagonists Franz Biberkopf and Riobaldo, with a view on the characters' transit in space, as well as emotionally, and also in regard to the transit that operates the narration within both novels. In this light, the article outlines the particularities which situate both novels within the tradition that associates them with the books "Wilhelm Meisters Lehrjahre" and "L’Éducation Sentimentale".
Božena Němcová zählt neben Hus, Comenius, Mácha und Havlíček zu den am stärksten mythologisierten Gestalten der tschechischen Kultur (SCHAMSCHULA 1996) und ist darüber hinaus die einzige Frau unter ihnen. Während sie aber bis in die 1990er Jahre hinein als Lichtgestalt dieser Kultur, ja ihr ,Stern‘, galt, mehren sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Versuche, Němcová nüchtern zu sehen.
Als Dagmar KNÖPFEL 2004 auf der Grundlage der drei letzten Briefentwürfe Němcovás an Vojtěch Náprstek einen Film drehte, wurde sie als „feministisch voreingenommen“ kritisiert. Dabei könnte über diesen Film eine Diskussion eingeleitet werden, z. B. zu den Wurzeln der häuslichen Gewalt im 19. Jahrhundert. Somit könnte er zur Vernetzung von Kunst und Wissenschaft, von Bohemistik und Germanistik beitragen.
Am 16. Dezember 1994 erhielt Robert Gernhardt einen Anruf aus der Kulturredaktion der BILD-Zeitung. Er habe in einem BILD-Interview darauf hingewiesen, dass der Reim in der deutschen Lyrik der Gegenwart keinerlei Stellenwert mehr besitze, und dies habe das Heer der BILD-Leser mobilisiert und "in einen wahren Poesie-Rausch" versetzt. Seit einigen Ausgaben nun schon veröffentliche das Blatt gereimte Gedichte; nun sei es an ihm, Robert Gernhardt, dem laut Auskunft des Suhrkamp-Pressechefs Lutz Hagestedt einzigen Dichter deutscher Sprache, der des Reimes mächtig sei, den dichtenden BILD-Lesern eine Grußadresse zu senden. In Aussicht gestellt wurde Gernhardt ein werbewirksamer Hinweis auf seinen neuen Gedichtband; Gernhardt stimmte zu.
"Andromaque", die zweite Tragödie, mit der Racine an eine Euripideische Vorlage und damit an die Tradition der griechisch-antiken Tragödie anknüpft, ist ein Drama des Leidens und Mitleidens. Der vorliegende Beitrag untersucht die Sprache und Bildlichkeit der Affekte, die Racines Tragédie im intertextuellen Rekurs auf entsprechende Passagen in Homers "Ilias", Euripides "Andromache" und Vergils "Aeneis" entwickelt. Als Schlüsselaffekt der Tragödie erweist sich die 'pitié', die im Verlauf des Dramas verschiedene Formen annimmt: mal verbindet sie sich mit erotischem Begehren (Pyrrhus), mal mit Trauer und Klage (Andromache). Dabei treten uns die Emotionen und Affekte der Figuren oft im Medium prägnanter Szenen entgegen, denen besondere Bedeutungsdichte und visuelle Ausdruckskraft eigen ist. Von diesen 'Pathosszenen' gilt vor allem der in der Figurenrede wiederholt evozierten Triade von Andromache, Astyanax und Hektor Beachtung, die als sprachlich-bildhafte Figur die dramenpoetische Affektmodellierung bestimmt.
Mit der Darstellbarkeit des Malprozesses an sich beschäftigt sich der Maler Fernand Léger. Denn durch die Materialisierung dieser Prozesse, d. h. durch den Versuch der exakten Dokumentation, werden sie analysierbar und ihr Potential allererst begreifbar. Technische Genauigkeit wird hierbei zum methodischen Ideal.Fernand Léger strebt mit dem Gemälde "Les éléments mécaniques" nach einer auf ihre Grundbedingungen spezialisierten Malerei, um mit den maschinellen Produkten der industriellen Moderne in Konkurrenz zu treten. Larissa Dätwyler verdeutlicht, dass er sich hierfür neben dem geometrischen Formenschatz insbesondere die disziplinierte Arbeitshaltung der Zeitgenossen zu eigen macht. Durch die kontrollierte Ordnung seiner eigenen Imaginationsleistung reflektiert Léger in mehrjähriger, präzisierender Überarbeitung den eigentlichen malerischen Prozess der Bildgenese. Zudem leitet die resultierende bildimmanente Mechanik idealerweise die kombinatorische Fähigkeit der Rezipient*innen, um die Bildherstellung nachzuvollziehen. So veranschaulicht Légers Malerei die Entstehung eines Bildraums und somit die Voraussetzung für neue Möglichkeitsformen.