830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Das Gedicht 'Boas' erschien erstmals im Mai 1912 in der avantgardistischen Zeitschrift "Der Sturm", die Lasker-Schülers Ehemann Herwarth Walden herausgab. Gemeinsam mit den Gedichten 'Ruth' und 'Pharao und Joseph!' veröffentlichte die Autorin es 1913 erneut in der Zeitschrift Die Freistatt, wobei im vorletzten Vers statt „Ueber seine Korngärten“ die Variante „In seine Korngärten“ zu lesen war. Was auf der Oberfläche ein sentimentales Liebesgedicht (i.e. 'Boas') zu sein scheint, erweist sich bei einer näheren Betrachtung, die die biblische Rut-Novelle einbezieht und den biographischen Konnex sucht, als … mnemosynetisches Gedicht, die poetische Erinnerung an ein gescheitertes Projekt in der Literatur wie im Leben.
Zu dem umrätselten Gespräch, das Napoleon 1808 mit Goethe über den "Werther" geführt hat, kursieren zwei Auflösungen, die beide mit Goethes Äußerungen nicht zur Deckung zu bringen sind. Unbeachtet geblieben ist eine Erklärung aus dem Jahre 1902, die sich aus den Aufzeichnungen K. E. Schubarths ergibt. Sie stimmt nicht nur mit Goethes eigenen Andeutungen überein, sondern macht auch sein Schweigen über dieses Gespräch verständlich.
Der Beitrag konzentriert sich auf eine kleine, wenig beachtete Schrift von Gottfried Arnold, die aus Anlass seiner Demission von der Universität Gießen verfasst wurde. In ihr greift der Pietist die Universität entschieden an, ja er verketzert sie regelrecht. Das führt zu einem Bruch mit der (gerade von Pietisten gepflegten) Stilforderung nach Sanftmütigkeit. Gleichzeitig lässt dieses Vorgehen Rückschlüsse auf die Adressaten zu, was die bestehende Forschungsmeinung, Arnolds Schrift sei von den Zeitgenossen breit rezipiert worden, in Frage stellt.
Annes Interesse richtete sich, wie wir dem Tagebuch entnehmen können, besonders auf die zeitgenössische niederländische Literatur. Der Wille des Vaters, den Kindern die Dramen Goethes und Schillers näher zu bringen, ist zwar durch den zitierten Eintrag belegt, welche Bedeutung diese Lektüre für Anne selbst hatte, darüber lässt sich jedoch nur spekulieren. Wir wissen aber aus anderen Quellen, dass viele der von den Nationalsozialisten Verfolgten, Vertriebenen, Eingesperrten und Gequälten aus den Werken der „Klassiker“ und ihrer humanistischen Botschaft Hoffnung schöpften und darin Trost fanden. Gleichzeitig jedoch vereinnahmten die Machthaber dieses kulturelle Erbe propagandistisch für ihre nationalistischen und rassistischen Zwecke. Dass die Ausstellung „Anne Frank – Eine Geschichte für heute“ jetzt in der „Klassikerstadt“ Weimar gezeigt wird, in deren unmittelbarer Umgebung sich mit dem Konzentrationslager Buchenwald ein Ort befindet, dessen Name zu einem Synonym für den nationalsozialistischen Terror geworden ist, kann daher durchaus auch zum Anlass genommen werden, diesen beiden so gegensätzlichen Strängen der Rezeptionsgeschichte der „Weimarer Klassik“ und insbesondere der Werke Goethes und Schillers in den Jahren von 1933 bis 1945 einmal etwas genauer nachzugehen. Das vorliegende Arbeitsmaterial stellt dafür in kommentierter Form exemplarische Texte zur Verfügung.
In seinen Sammlungen bildet das Deutsche Literaturarchiv Marbach (DLA) das Netzwerk des literarischen Lebens in all seinen Facetten ab. Im Zentrum des quellenorientierten Sammelns und der Erschließung steht der Autor (bzw. die Autorin). Die Literatur wird dokumentiert vom Entstehungsprozess eines Werkes über die verschiedenen Ausgaben und dessen Rezeption in der Literaturkritik, seine dramaturgische Umsetzung in Hörfunk, Film, auf der Bühne und in der Musik. Seit 2008 bezieht das DLA auch Internetquellen wie literarische Zeitschriften, Netzliteratur und Weblogs in sein Spektrum mit ein und reagiert damit auf die zunehmende Bedeutung des Internets als Publikationsforum. Sammeln, Erschließen und Archivieren bilden eine notwendige Einheit; gerade die Flüchtigkeit der netzbasierten Ressourcen macht eine langfristige Sicherung der Verfügbarkeit erforderlich. Notwendig sind daher mehrere Säulen, auf denen diese neue Sammlung von „Literatur im Netz“ basiert.
Albrecht von Haller zählt bekanntlich zu den wichtigsten Vertretern aufklärerischer Lehrdichtung; in vielen seiner Gedichte, beispielsweise den Alpen, verficht er Ideale aufklärerischer Kunst- und Sprachauffassung wie Klarheit, Eindeutigkeit, Ordnung oder das Primat der didaktischen Wirkungsabsicht. Und doch zeigen einige seiner Texte auch den Gegendiskurs dazu: massive Zweifel am aufklärerischen Vernunft- und Sprachoptimismus, was schließlich zu „Hallers dichterische[m] Verstummen“ führt. Die Haller-Forschung erklärte die ‚lyrische Krise’ des Autors insbesondere mit dessen biographischer Situation: mit privaten Schicksalsschlägen, den Sprachproblemen des „Bärndütscher[s]“, der Spannung zwischen der rational-empirischen Wirklichkeitswahrnehmung des Wissenschaftlers sowie der emotional-religiösen des gläubigen Calvinisten oder mit Hallers Selbstverständnis als Dichter. Sein Interesse gilt weniger ästhetischen Problemstellungen als vielmehr naturwissenschaftlichen, philosophischen und theologischen, die er mit seiner Lyrik zu vermitteln hofft.
Die Geschichte von der schönen Tochter des Troerkönigs Priamos, die der Gott Apoll begehrte, fesselt seit der Antike die Leser, besonders jene, die der Stofftradition eine eigene Bearbeitung hinzufügten. Das Faszinosum Kassandra liegt sicherlich in deren Wohlgestalt und Weisheit einerseits und in ihrem Leid andererseits begründet: die Gabe, die Zukunft schauen zu können, erhält sie von Apoll. Kassandra löst jedoch die versprochene Gegenleistung – eine Liebesnacht mit dem Gott – nicht ein, woraufhin Apoll sie dadurch bestraft, dass niemand ihren Weissagungen Glauben schenken wird. Auch das Ende der Warnerin ist bekanntlich ein tragisches: obwohl sie die Eroberung Trojas vorhergesehen hat, kann sie diese nicht verhindern, wird von Agamemnon nach Mykene verschleppt und stirbt dort durch die Hand der eifersüchtigen Klytämnestra.
Als Friedrich Schiller 1790 seine Rezension über Bürgers Gedichte schrieb, kritisierte er nicht nur einen populären Lyriker, sondern lieferte zugleich einen Schlüsseltext für sein Verständnis „der lyrischen Dichtkunst“ (NA 22, 245), sofern ein solches Selbstbewußtsein als Lyriker bei ihm überhaupt existierte, wie Käte Hamburger zu bedenken gab. Hier äußerte er jedoch nicht nur seine Forderungen nach „Vereinigung“ der „getrennten Kräfte der Seele“ (NA 22, 245) und nach „Idealisierung, Veredlung“ der dichterischen Individualität (NA 22, 253), er setzte sich nicht nur indirekt mit seiner eigenen Jugendlyrik auseinander, in dieser Besprechung manifestiert sich vielmehr auch Schillers Verhältnis zu lyrischen Traditionen und dichtenden Zeitgenossen, wenn er über ‘die lyrische Dichtkunst’ schreibt
Schiller hatte um 1800 ein Problem, das vor kurzem wieder aktuell war. Wann beginnt das neue Jahrhundert: am 1. Januar 1800 oder am 1. Januar 1801? Schiller war sich entweder nicht wirklich sicher oder löste die Frage pragmatisch: er empfing das neue Jahrhundert einfach zweimal. So schrieb er, nachdem er den Silvesterabend bei Goethe verbracht hatte, am 1. Januar 1800 an diesen: „Ich begrüße Sie zum neuen Jahr und neuen Seculum“. Ein Jahr später, im Januar 1801, „begrüßte“ er mit denselben Worten gleich noch einmal „zum neuen Seculum“, diesmal Körner und Cotta. Um dasselbe Problem geht es in Kotzebues „Posse in Einem Akt“ Das neue Jahrhundert.
Heinrich von Kleists Modernität wurde mittlerweile zum Topos der literaturwissenschaftlichen Forschung; übernimmt das Werk dieses Autors doch häufig katalysierende Funktionen. Es konzentriert und extremisiert die ästhetischen wie kulturellen Krisenphänomene seiner Zeit und verweist dadurch mitunter auf narrative Techniken des 20. und 21. Jahrhunderts. Um so mehr verwundert es, daß einem Phänomen in den Texten Heinrich von Kleists bislang kaum Beachtung geschenkt wurde, dem in der ästhetischen Diskussion um 1800 eine Schlüsselposition zuzuweisen und das zu den Kennzeichen der Moderne zu rechnen ist: das Groteske.