940 Geschichte Europas
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Die folgenden Überlegungen gelten dem Zusammenwachsen von räumlichen und rechtlichen Vorstellungen im frühmittelalterlichen Sachsen. Es soll dabei weniger um die Übertragung fränkischer Konzeptionen gehen als darum, wie die Sachsen selbst als Folge ihrer Integration in das christliche Reich eine Vorstellung entwickelten, den ihnen eigenen Raum mit einem Recht zu verbinden, das selbst Ergebnis dieser Niederlage war. Um diesen Prozess zu verfolgen, ist es nötig, auf die wichtigsten Interpretationen der Unterwerfung Sachsens durch die Historiographie des 9. Jahrhunderts zu schauen. ...
"Ungerechtigkeit" und "Ungleichheit" waren zwei Schlüsselworte der nationalen wie internationalen Frauenbewegung im Hinblick auf die rechtliche Situation von Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein von Stephan Meder und Christoph-Eric Mecke 2013 herausgegebener, ausgesprochen lesenswerter und sehr übersichtlich konzipierter Sammelband rückt nun ein bis dato in der Forschung eher vernachlässigtes Thema und Tätigkeitsfeld der Frauenbewegungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in den Mittelpunkt: das Familienrecht. Mit diesem Interesse stehen die beiden Herausgeber keinesfalls alleine da. Zwei weitere im selben Jahr erschienene Sammelbände, die ebenfalls sehr lohnende Lektüre bieten, lenken ihre Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des Familienrechts für Frauen. Die in Married Women and the Law zusammengestellten Aufsätze gehen der normativen und praktischen Bedeutung des für verheiratete Frauen in England und Nordamerika zentralen Rechtskonzepts der coverture vom Mittelalter bis zur "Flut von Reformen im späten 19. Jahrhundert" (4) auf den Grund. Unter coverture verstanden common law-Juristen die Idee, dass Frauen mit der Heirat ihre eigene rechtliche Identität verlören und von der ihres Mannes "bedeckt" (covered) würden. Daraus folgten hauptsächlich personen- und eigentumsrechtliche Einschränkungen für Ehefrauen. Sie verloren u.a. das Recht, Eigentum zu besitzen oder zu verwalten, Verträge einzugehen oder ohne ihren Ehemann eine Klage anzustrengen. Die Artikel in Gender Difference in European Legal Cultures weisen demgegenüber eine breitere thematische Vielfalt auf, was in der Fragestellung des Bandes begründet liegt. Im Fokus stehen hier "die rechtlichen Normen, die sich explizit auf Männer und Frauen beziehen" (11). Es wird danach gefragt, "was die Funktion von Geschlecht in der Schaffung von Recht; und umgekehrt, was die Funktion von Recht in der Schaffung von Geschlecht" sei (11). Dabei geraten der europäische Subkontinent mit Ausnahme Russlands und der weitere Mittelmeerraum vom Mittelalter bis zur Neuzeit in den Blick. Die Fallbeispiele fallen zum Teil sehr unterschiedlich aus (u.a. jüdische Juristinnen, Abtreibung, Inter- und Transsexualität), ein Schwerpunkt zeigt sich aber im Bereich des Güterrechts. ...
Das Pallium des Metropoliten ist ein Band aus weißer Wolle, bestickt mit sechs schwarzen Kreuzen, durch das die Gewalt angezeigt wird, mit welcher der Metropolit, in Gemeinschaft mit der römischen Kirche, in der eigenen Provinz von Rechts wegen ausgestattet wird (vgl. 437 § 1 CIC/ 83). Als Papst Franziskus am 12. Januar 2015 die Verleihung der Pallien ändern ließ, schlugen ihm geteilte Meinungen entgegen. Anstelle des Papstes kommt nun dem zuständigen Apostolischen Nuntius die Aufgabe zu, dem neu ernannten Metropoliten das Pallium in dessen Heimatdiözese zu verleihen (vgl. Communicationes 47 (2015), 110 f.). Für den Aufruhr, den diese Änderung verursacht hat, lassen sich zwei Gründe erkennen: Einerseits sind das Pallium und die damit verbundenen Zeremonien keineswegs bedeutungslos geworden. Andererseits liegen die gewachsenen Traditionen, Veränderungen und Entwicklungen, denen das Pallium im Laufe seiner Geschichte unterlag, größtenteils im Dunkeln. ...
Die Erforschung der spätantik-frühmittelalterlichen Taufpraxis stützt sich in großem Maß auf schriftliche Quellen, vor allem wenn es um die im weitesten Sinne rechtshistorischen Aspekte des Themas geht. Aber die Heranziehung von Sachquellen, den "Überresten" im Sinne der geschichtswissenschaftlichen Methodik, ist ebenso wichtig für das Verständnis beispielsweise von Normen und Wirklichkeiten. Der am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte eingerichtete Forschungsschwerpunkt "Rechtsräume" versucht daher, diese beiden Quellengruppen zusammenzuführen. Insofern ist der hier vorzustellende archäologische Befund von besonderer Bedeutung, nicht nur wegen seiner unmittelbaren Nähe zum Tagungsort der in diesem Band dokumentierten Sektion des Mainzer Historikertages. Im Folgenden werden Holger Grewe, der in Ingelheim tätige Grabungsleiter, und Sebastian Ristow, der archäologische Experte für Baptisterien des ersten Jahrtausends, sowie Caspar Ehlers, der Leiter des Forschungsschwerpunktes am MPIeR, einen Aufsehen erregenden Fund aus Ingelheim, der eng mit dem Thema "Taufe" verbunden ist, vorstellen und kurz kommentieren. ...
Die Freiburger rechtswissenschaftliche Dissertation widmet sich der Forschungsgeschichte zum Hansischen Recht seit dem Alten Reich des 17. Jahrhunderts bis zum Jahre 2001, in dem Ernst Pitz seine Monographie zur Verfassung der Hanse vorlegte. Sie beschränkt sich dabei auf deutschsprachige Werke, wohl wissend, dass die "Hanse ein europäisches Phänomen" war (22). Diese zeitliche wie sprachliche Einschränkung ist legitim, wenn auch der Untertitel der "Forschungsgeschichte" demnach eine deutsche ist. Zudem ist das Buch eine juristische Qualifikationsschrift, was ebenfalls die vorgenommene Konzentration auf ein zweifellos großes Feld rechtfertigt. ...
In seinem neuen Buch bietet Karl Ubl einen weit gefassten Überblick seiner bisherigen Forschungen zur Lex Salica im Kontext seines Projektes an der Universität Köln zu den frühmittelalterlichen Rechtsüberlieferungen, beginnend mit den substantiellen Beobachtungen "Warum Barbaren Gesetze erlassen" (37–66) als Folge aus der Frage nach Einsatz und Nutzen der Rechtsbücher (Einleitung, 11–35). Er sieht die fränkische Lex in ihren Ursprüngen als identitätsstiftendes Instrument an ("Ein Monument der Alterität", 67–97, sowie als "Entwürfe von Gemeinschaft im 6. Jahrhundert", 99–135). ...
Im vorvergangenen Jahr sind zwei umfangreiche Monographien zur Funktion der Kirche im Frühmittelalter erschienen, die besonderes Augenmerk unter der Fragestellung nach dem Verhältnis von "Recht, Raum und Religion" zu verdienen scheinen. Zum einen ist dies die Jenaer Dissertation von Tina Bode, zum anderen die Studie von Florian Mazel, Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Rennes II, die Gegenstand seiner habilitation à diriger les recherches gewesen ist. Erstgenannte will sich auf das ostfränkische Reich der Ottonenzeit (919–1024) konzentrieren, während Mazel gar die mittelalterliche Kirche vom 5. bis zum 13. Jahrhundert in den Blick nehmen möchte. ...
Beinahe wie riesige Festungsanlagen wirken die imposanten Gradierwerke, die einen schon von weitem begrüßen, wenn man sich der Stadt Bad Nauheim nähert. Noch heute haben die bis zu 10 Meter hohen Wände aus aufgeschichtetem Schwarzdorn, mit ihren markanten und parallel verlaufenden Stützstreben eine Gesamtlänge von 650 Metern. Doch was heute dem Kurbetrieb dient und der Stadt ihren Namenszusatz Bad verlieh, hatte ursprünglich eine ganz andere Funktion: Schon im Mittelalter trat nahe des Usa-Ufers in Nauheim eine "schwachprozentige Sole (3%ig)" aus, die in Teichen und Becken gesammelt und zur Salzgewinnung in einfachem Verfahren verdunstet wurde. Erst ab 1579 sollen durch die Pächter der Saline zu Nauheim, die sich im Besitz der Grafen von Hanau befand, die ersten Gradierwerke errichtet worden sein. Zu dieser Zeit dienten sie lediglich der Salzgewinnung nach folgendem Prinzip: Die Sole wurde durch Luft, Wind und Sonne einer Verdunstung ausgesetzt, ihr Salzgehalt stieg und das anschließende Sieden wurde somit vereinfacht. ...
Ein Chronist mit dem Filzstift : Zeichnungen von Kurt Wölbing im Historischen Museum Frankfurt
(2018)
Unter dem Titel "Pannen, Katastrophen und Apokalypsen" präsentiert das Historische Museum Frankfurt bis zum 30. September Werke aus dem Nachlass des Frankfurters Kurt Wölbing (1910-1990). Erstmals werden die farbigen Filzstiftzeichnungen Wölbings einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Als künstlerischer Autodidakt hielt er in seinen Zeichnungen prägende Ereignisse aus Politik und Gesellschaft fest, aber auch persönliche Erlebnisse und Missstände in der Arbeitswelt. ...
Der Merkantilismus, ein Hauptgegenstand der älteren dogmenhistorischen Literatur, lässt sich inhaltlich nur schwer definieren. Der Begriff bezeichnet weder ein historisches Wirtschaftssystem, noch eine einheitliche zeitgenössische Wirtschaftstheorie. Es handelt sich vielmehr um ein retrospektives Konstrukt der ökonomischen Dogmengeschichtsschreibung, die ihren Ausgangspunkt in der Kritik Adam Smiths am "mercantile system" seiner Zeit fand. Merkantilismus ist zunächst eine Sammelbezeichnung für die ökonomischen Ideen und Vorstellungen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Allerdings zeichnet sich das ökonomische Denken dieser Zeit durch eine außerordentliche Vielfalt und Unterschiedlichkeit aus. Auch entstanden unterscheidbare nationale "Schulen", die, selbst wiederum uneinheitlich, starken Veränderungen unterlagen. Zu Recht wurden den spezifischen nationalen Ausprägungen sogar unterschiedliche Bezeichnungen verliehen. ...
Zu Risiken und Nebenwirkungen – Medizin im Mittelalter zwischen Astrologie und Aderlassmännchen
(2018)
Ohne die detaillierte Darstellung eines Aderlassmännchen wäre der gelehrte, mittelalterliche Mediziner vermutlich aufgeschmissen gewesen. Nur sie verriet ihm garantiert, ob die Sternenkonstellation günstig war, den Körper seines Patienten mittels Aderlass erfolgreich zu entgiften. Ein Blick auf die Anleitungen zur "heilsamen Blutspende" im Mittelalter. ...
In modernen Marktgesellschaften bedürfen die Menschen zur Sicherung ihrer Lebensgrundlage regelmäßiger Einkommen. Diese erzielen sie in der Regel durch Erwerbstätigkeiten verschiedenster Art, in ihrer Mehrzahl durch Lohnarbeit. Ihr Lebensstandard hängt von Art und Umfang der Güter und Dienste ab, die sie mit ihrem Einkommen erwerben können.
Toni Pierenkemper widmet sich der Geschichte des RWI seit Kriegsende. Hierzu gehört die Wiederbegründung und Neuorientierung des RWI (1945 bis 1952) ebenso wie die Rolle des Instituts im wirtschaftlichen Strukturwandel und in der neuen Wirtschafts- und Währungsordnung (1952 bis 1974), in den Krisen der folgenden Jahre (1974 bis 2000) und schließlich die Neuausrichtung im neuen Jahrtausend (2000 bis 2018). Die komplexen Beziehungen zwischen Wirtschaft, Politik und wirtschaftspolitischer Beratung werden dabei offenbar.
Im Jahr 1943 wurde die 1926 gegründete "Abteilung Westen" des Instituts für Konjunkturforschung, Berlin (heute: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW) als "Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.V." (RWI) verselbstständigt.
Rainer Fremdling untersucht im ersten Teil bis 1945 die Umorientierung von der Konjunkturforschung in der Weimarer Republik zur Raumforschung unter dem Nationalsozialismus und der Kriegswirtschaft, wobei die enge Verzahnung des RWI und des DIW mit dem NS-Herrschaftssystem deutlich wird.
Toni Pierenkemper widmet sich der Geschichte des RWI seit Kriegsende. Hierzu gehört die Wiederbegründung und Neuorientierung des RWI (1945 bis 1952) ebenso wie die Rolle des Instituts im wirtschaftlichen Strukturwandel und in der neuen Wirtschafts- und Währungsordnung (1952 bis 1974), in den Krisen der folgenden Jahre (1974 bis 2000) und schließlich die Neuausrichtung im neuen Jahrtausend (2000 bis 2018). Die komplexen Beziehungen zwischen Wirtschaft, Politik und wirtschaftspolitischer Beratung werden dabei offenbar.
Ziel des Projekts ist es, nicht nur die Geschichte des RWI zu dokumentieren, sondern diese in die jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungen einzubetten. Das so entstehende umfassende Bild geht weit über eine reine "Institutshistorie" hinaus und lässt die deutsche Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im Untersuchungszeitraum lebendig werden.
Wer im mittelalterlichen Frankfurt von "Hibbdebach" nach "Dribbdebach" wollte, also von Sachsenhausen in die Innenstadt, der war auf die Alte Brücke angewiesen – denn eine andere Möglichkeit den Main zu überqueren gab es bis 1868 nicht. Die Verbindung der Mainufer war bereits seit dem 11. Jahrhundert ein wichtiges Wegkreuz zwischen Nord und Süd und trug wohl dazu bei, dass sich Frankfurt nicht nur zum Krönungsort von Königen und Kaisern entwickelte, sondern auch zur Messestadt; es ist also keinesfalls übertrieben die Alte Brücke Ausgangspunkt der Frankfurter Stadtentwicklung zu nennen. ...
115 mittelalterliche Handschriften werden in diesem Katalog präsentiert. Sie stammen aus Luzerner Kloster- und Privatbibliotheken, die über Jahrhunderte gewachsen sind, und reichen von Fragmenten aus dem 8. Jahrhundert bis zu Diebold Schillings 1513 fertiggestellter Schweizer Chronik. Enthalten sind theologische, liturgische, kirchenrechtliche und -geschichtliche, historische, literarische, rhetorische, medizinische und juristische Texte aus dem Franziskanerkloster St. Maria in der Au Luzern und den kleinen Provenienzen in der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern sowie dem Staatsarchiv Luzern, dem Provinzarchiv der Schweizer Kapuziner Luzern und den Kapuzinerbibliotheken Luzern und Sursee. Der Katalog beschreibt im Detail Inhalt, materielle Beschaffenheit, Entstehung und Geschichte der Handschriften. Erschlossen sind die Inhalte durch Register der Verfasser, Namen, Orte und Sachen sowie durch zwei Initienregister. Eine ausführliche bibliotheksgeschichtliche Einleitung stellt die beschriebenen Handschriften in den Kontext der Luzerner Kultur- und Geistesgeschichte.
The conquista of the Americas confronted Spanish jurists educated in the legal concepts of the European medieval tradition with a different reality, pushing them to develop modern legal concepts on the basis of the European ius commune tradition. Traditionally, the School of Salamanca, theologians and jurists centred around the Dominican Francisco de Vitoria are credited with this intellectual renovation of moral and legal thought. However, the role earlier authors played in the process is still insufficiently researched. The Castilian crown jurist Juan López de Palacios Rubios is one of the most interesting authors of the early phase in the conquest of the Americas. His treatise about the Spanish dominion in the Americas is a central text that shows how at the beginning of the 16th century the knowledge and the experiences of the European past were applied to the American present and, in the process, were shaped into modern ideas.
Mit einem Hammer schlägt der barfüßige Mann in rot-weiß gestreiftem Rock auf sein Gegenüber ein. Aus der Kopfwunde des jugendlichen Opfers ergießt sich ein Blutschwall. Rechts daneben zwei Männer, von denen einer dem anderen Geld übergibt. Der Gewalttäter hat eine auffällige Erscheinung: Schellen und Glocken sind an seinem Gewand angebracht, die zerzausten Haare und ein Kurzer Bart an Kiefer und Oberlippe unterscheiden ihn von den übrigen Figuren. ...
Kann die Kunst dem Krieg etwas entgegensetzen? Lassen sich Kriege und Konflikte mit Kunst bekämpfen? Kann ein Kunstwerk das Denken seiner Betrachter beeinflussen und Frieden stiften? Hätte man die englische Künstlerin Evelyn De Morgan (1855-1919) gefragt, hätte sie diese Fragen sicherlich bejaht. Es sind gleich zwei Kriege, die sich in ihrem Schaffen niederschlugen: der zweite Burenkrieg (1899-1902) als letzter großer Krieg des British Empire und der Erste Weltkrieg (1914-1918), die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Auch wenn die Künstlerin weder Mutter noch Ehefrau eines Soldaten war, so war sie dennoch zu tiefst bewegt von den politischen Geschehnissen ihrer Zeit und verarbeitete diese in ihren Werken. ...
Die Frankfurter Dreikönigskirche steht auf dem Präsentierteller! Ohne umliegende Bebauung ist das evangelische Gotteshaus den Blicken der Vorbeikommenden schutzlos ausgeliefert. Nur eine kleine Baumgruppe verdeckt das Bauwerk ein wenig. Dieser weitestgehend freie Blick auf die Kirche hätte schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Wohnhäusern weichen sollen, wie ein erstmals 1915 und schließlich 1927 erneut ausgelobter Ideenwettbewerb beweist, dessen Siegerentwurf aber nie zur Ausführung gelangte und heute fast in Vergessenheit geraten ist. ...
In seiner Münchener Habilitationsschrift untersucht der Historiker Johannes Merz die Herrschaftskonflikte zwischen den Würzburger Fürstbischöfen und ihren Nachbarn, den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, den Fürstäbten von Fulda und den Kurfürsten von Mainz. Er untersucht die knapp fünfzig Jahre Regierungszeit der beiden Würzburger Bischöfe Rudolf von Scherenberg (1466–1495) und Lorenz von Bibra (1495–1519). Merz charakterisiert diesen Zeitraum als eine Zwischenepoche zwischen den militärischen Auseinandersetzungen vor 1470, in denen ein "offene[r] Kampf um die politische Vorherrschaft" geführt wird (46), und den Auswirkungen der Reformation auf das politische Gefüge Frankens. Nach jahrzehntelangem fruchtlosen Ringen in "Grundsatzopposition" (48) hätten die Konfliktparteien sich um friedliche und pragmatische Konfliktlösungen bemüht; lange und geduldige Verhandlungen über Einzelfragen seien für die untersuchte Epoche prägend gewesen. Solche Verhandlungen haben vor allem in Würzburg reichen archivalischen Niederschlag gefunden. In erster Linie stützt Merz seine Arbeit auf die sogenannten Gebrechenbücher der Würzburger Kanzlei, Kopialbücher, in denen seit dem 14. Jahrhundert Verhandlungsprotokolle, Briefe und Verträge der Würzburger Fürstbischöfe mit ihren Nachbarn in seltener Dichte zusammengestellt sind. Allein schon die Präsentation dieser äußerst umfangreichen und inhaltsreichen, bislang in der Forschung vernachlässigten Quellengruppe ist dankenswert ...
Denkt der Rechtshistoriker an etwas, das lange währte, fällt ihm neben anderem irgendwann das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ein. Auch die Gerichte dieses Reiches brachten es auf eine ansehnliche Lebensdauer, und die Prozesse, die vor dem Reichskammergericht ausgefochten wurden, zählten häufig ebenfalls zu dem, was lange währte. Langjährige seitenfüllende Erörterungen sind in abertausenden dickleibigen Akten überliefert. Wer sollte das damals alles lesen und bearbeiten? Was waren das für Männer, die sich im 18. Jahrhundert, dem "tintenklecksenden Säkulum" (Friedrich Schiller), in Wetzlar durch solch monumentale Schriftsätze fraßen und im Namen von Kaiser und Reich Recht sprachen? Das umfangreichste Werk, das seit dem Ende des Alten Reiches über das Reichskammergericht geschrieben wurde, gibt darauf Antwort. ...
Für den Rechtshistoriker sind Konzilien vor allem Versammlungen, auf denen Konzilskanones – und damit eine der wichtigsten Quellen des kirchlichen Rechts – produziert werden. Besonders für die Verfassungsgeschichte des Spätmittelalters ist freilich schon lange die weit über diese Funktion hinausgehende Bedeutung der Kirchenversammlungen als Orte der symbolischen Repräsentation und der Kommunikation unterstrichen worden. Der folgende Beitrag knüpft an diese Überlegungen zu den Funktionen der Kirchenversammlungen an, widmet sich dabei allerdings einem Verfahren, das vor dem Dritten Provinzialkonzil von Lima 1582/1583 durchgeführt wurde – also einer von der kirchlichen Rechtsgeschichte generell nur wenig bearbeiteten Epoche und einer aufgrund der Missionssituation zahlreiche Besonderheiten aufweisenden Region. Gerade wegen der Missionssituation und der besonders engen Verbundenheit von Recht und Religion in der Neuen Welt verweist das Verfahren, in dem sich eine große Zahl Mestizen um die Zulassung zur Priesterweihe bemühte, darüber hinaus auf typische Praktiken der Kommunikation über Recht in der spanischen Monarchie des 16. Jahrhunderts. Einiges spricht dafür, dass sich an ihm nicht nur ein bislang praktisch unbekannter Teil der Aktivität der Konzilsväter rekonstruieren lässt, sondern zugleich Grundzüge einer sich zur Verfassung verdichtenden, Kirchliches und Weltliches unauflösbar integrierenden politischen Ordnung in einer wichtigen Region der polyzentrischen spanischen Monarchie im ausgehenden 16. Jahrhundert beobachtet werden können. ...
In Völkerschaustellung in Deutschland und Frankreich von 1874 bis zum Ersten Weltkrieg werden ethnologische Ausstellungen fremder Kulturen und Völker als Phänomen der Kolonialzeit untersucht. Es wird deutlich, dass diese heute befremdlich wirkenden Völkerschauen keineswegs allein aus imperialen Politiken und Praktiken heraus erklärt werden können. Anhand deutscher und französischer Quellen – Zeitungen, Zeitschriften und ausgewählte Ego-Dokumente – werden die jeweiligen gesellschaftlichen Diskurse rund um die Völkerschauen vergleichend untersucht, dabei die Frage nach zeitgenössischen Imaginations- und Konstruktionsformen des Fremden oder nach Wahrnehmung und Attraktivität von Exotik gestellt. Jenseits kolonialer Propaganda – und trotz der nationalen Unterschiede in Darstellung und Inszenierung – können in beiden Ländern unternehmerische Interessen der Veranstalter und insbesondere Neugier und Unterhaltungsbedürfnis der Ausstellungsbesucher als wichtige Faktoren zur Erklärung des Phänomens der Völkerschauen und der sie begleitenden Diskurse herausgearbeitet werden.
Über die ökonomische und soziale Bedeutung der Reformation stritten bereits die Zeitgenossen, auch wenn ihnen die Idee, dass die Reformation den Weg in den modernen Kapitalismus eröffnen würde, naheliegenderweise verschlossen blieb. Der Streit der Zeitgenossen war, das wundert nicht, zugleich eine konfessionelle Auseinandersetzung, die die Reformation und ihre Folgen entsprechend beurteilte. Das ist noch Jahrhunderte später in Johannes Janssens mehrbändiger Geschichte des deutschen Volkes im 16. Jahrhundert zu spüren, der aus katholischer Sicht den mit der Reformation sich ausbreitenden Laxismus großer Bevölkerungsteile scharf kritisierte. ...
The author, a professor of English linguistics at Freiburg University, was a member of the German Council of Science and Humanities (Wissenschaftsrat) from 2006 to 2012 and, in this capacity, was involved in this advisory body’s rating and assessment activities. The present contribution focusses on issues arising in the rating of research output in the humanities and is informed by his dual perspective, as planner and organizer of the ratings undertaken by the Wissenschaftsrat and as a rated scholar in his own discipline, English and American Studies.
Der Protestantismus ist die Konfession des Wortes, Bilder bzw. bildliche Darstellungen als Visualisierungen von Glaubensinhalten haben deshalb per definitionem weder im Calvinismus noch im Luthertum Bedeutung. Mit dieser vereinfachten Charakterisierung, die sich im Fachpublikum ebenso wie unter interessierten Laien lange gehalten hat, setzt sich das Buch von Bridget Heal, Reformationshistorikerin an der Universität St. Andrews, in einer beeindruckenden Analyse der Entwicklungen für das Luthertum auseinander. ...
It is a rare and wonderful thing when a book of 383 pages leaves a reader wanting to read more, much more in fact. That is certainly the case with this intriguing collection of thirteen assorted essays on the Rhine economy from 1815 to the present, organized in six broad topical sections: origins, enterprises, sectors and clusters, infrastructures, transport, and environment. ...
"Nicht nur Geschichte, auch Geschichtsschreibung wird gemacht", stellte Carola Sachse 2014 in einem Literaturbericht fest, in dem sie die zeithistorische Menschenrechtsforschung der letzten Jahrzehnte kritisch durchleuchtete und eine große Leerstelle konstatierte. Über Frauenrechte, Menschenrechtsaktivistinnen oder Geschlechterverhältnisse fand sich wenig in diesen Studien. Angesprochen auf diese Lücke meinte ein prominenter Experte lapidar: "Man kann nicht alles machen" – eine Antwort, die Sachse mitnichten zufriedenstellte. Dass sie daraufhin mit Roman Birke den vorliegenden Sammelband zu Menschenrechten und Geschlecht konzipierte, ist vor diesem Hintergrund nur folgerichtig. Und die Ergebnisse geben ihr recht: Die Vielgestaltigkeit der Beiträge bestätigt zwar einerseits, dass man wahrlich nicht alles machen kann. Doch wird andererseits auch deutlich, dass die Kategorie Geschlecht bei der Erforschung der Menschenrechtsgeschichte nicht ausgeklammert werden darf. ...
Da wird gegen Ende ein schon recht großer Anspruch formuliert: "Aus genuin historischer Sicht bieten die Ergebnisse dieser Studie Anknüpfungspunkte für ein neues Narrativ, eine neue Interpretation der spätmittelalterlichen französischen Geschichte." Und mehr noch: "Aus systematisch-komparatistischer Sicht lässt sich die Frage nach der Spezifik bzw. der Übertragbarkeit des französischen Beispielfalles unter Rückgriff auf soziologische Theorieentwürfe schließlich auch auf weitere historische Formationen jenseits der spätmittelalterlichen Epoche ausweiten" (S. 427). Hoch die Erwartungen also in der Sache und nicht ganz so hoch an Sprache und Stil. Und französische Leserinnen und Leser, an die sich das Buch sicher nicht zuletzt auch wendet, werden entzückt sein über Juwele kristallklarer Verständlichkeit und federleichter Eleganz wie: "Aus diesen Überlegungen ergibt sich zugleich, dass systematisch-komparatistische Ansätze die jeweiligen Vergleichsgegenstände unter Zugrundelegung externer Analysekategorien zuallererst konstituieren und die im einzelnen zu betrachtenden Phänomene dadurch überhaupt erst vergleich- und operationalisierbar machen müssen" (S. 438). ...
Am 19. Januar 1919 nahmen erstmals auch Frauen an den Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung teil. Der am 10. November 1918, dem Tag nach der Abdankung des Kaisers und der Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann, gebildete Rat der Volksbeauftragten erließ als eine seiner ersten Amtshandlungen ein neues Wahlgesetz. Für alle Parlamente auf kommunaler, Länder- und Reichsebene wurde das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für Männer und Frauen ab 21 Jahren dekretiert. Damit durften alle erwachsenen Deutschen wählen, unabhängig vom Geschlecht, von Besitz und Steuerleistung. Die bis dahin überall geltende Beschränkung des Wahlrechts auf Männer war damit abgeschafft und auch das in Preußen geltende Dreiklassenwahlrecht, das bis dahin die Stimmengewichtung an die Steuerleistung gekoppelt hatte. ...
Im 19. Jahrhundert war Prostitution in weiten Teilen Europas reglementiert. Die Bordelle wurden staatlich konzessioniert, die Frauen polizeilich registriert, gynäkologisch überwacht und Zwangsbehandlungen unterworfen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde diese Reglementierung der Prostitution abgeschafft.
Wie kam es zu dieser Abschaffung? Welche Gründe sprachen für ein Ende dieser Art der Prostitutionskontrolle? Und inwiefern verlief die Diskussion in unterschiedlichen Ländern parallel oder eben gerade nicht? Diese Fragen stehen im Zentrum von Malte Königs Habilitationsschrift (Univ. des Saarlandes), in der es um die Gesetzesentwicklung in Deutschland, Frankreich und Italien geht. ...
Catharina Gowers, Waldemar Könighaus, Marcus Schütz, Cornelia Scherer, Thorsten Schlauwitz, Victoria Trenkle, Judith Werner und natürlich dem spiritus rector des Unternehmens und einem der besten Kenner der Papstgeschichte, Klaus Herbers, kann man nur den größten Dank aussprechen, dass sie sich der höchst mühsamen und komplizierten Aufgabe angenommen haben, den "Jaffé" in einer dritten Auflage zu überarbeiten. ...
Als Band zwei der neuen Reihe Religion and Law in Medieval and Muslim Societies (von der inzwischen schon mehrere Titel vorliegen) erschien dieser bemerkenswerte Band. Die Rolle der Juden im Recht des frühen Mittelalters ist natürlich schon mehrfach untersucht worden, doch ist man dankbar für einen Band, der die Forschung widerspiegelt und an vielen Punkten weiter voranbringt. Die einzelnen Beiträge sind in der Regel auch bibliographisch à jour, so dass dieser Sammelband durchaus auch die Eigenschaften eines Handbuchs aufweist. ...
Das griechische Recht ist, so stellt der Verfasser dieser Passauer juristischen Dissertation zu Recht fest, nicht hinreichend erforscht worden. Althistoriker behandeln es nebenher mit, typischerweise ohne juristische Expertise; Spezialisten für antike Rechtsgeschichte wenden sich zumeist anderen Rechtskulturen zu. Zeitler will in diese Lücke vorstoßen, mit einem Schwerpunkt auf dem Prozess des Sokrates – nun gerade einer der meistdiskutierten Fälle griechischen Rechts. Doch sind diesem gerade knapp 30 Seiten von etwas mehr als 200 gewidmet. ...
Dass das Papsttum und sein jurisdiktioneller Anspruch letztlich auf dem Apostel Petrus basieren, der, wie man bei Matthäus lesen kann, der Fels ist, auf dem Christus seine Kirche errichten wollte (Matth. 16,18), ist eine bekannte Tatsache, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Der in Rom zentrierte Rechtsraum der lateinischen Kirche stand schon bald, spätestens im 5. Jahrhundert, im Gegensatz zum sich seit dem 4. Jahrhundert konstituierenden Rechtsraum der griechischen Kirche(n) mit Antiocheia, Alexandreia, Jerusalem (ab 451) und schließlich Konstantinopel, der zweiten Hauptstadt des Römischen Reiches und ab 476 der einzigen Hauptstadt. Das kanonische Recht beider Bereiche entwickelte sich im Verlaufe der Jahrhunderte auseinander. Trotz gemeinsamer Grundlagen (der sieben bzw. acht ökumenischen Konzilien und deren Rechtssetzung) gab es Konflikte, die sich schließlich seit dem 11. Jahrhundert in einem bis heute andauernden Schisma niederschlugen. Ein steter Stein des Anstoßes (neben den anderen bekannten Differenzen – Azymen, Filioque usw.) war der römische Primatsanspruch, den man in Konstantinopel nie anerkannte und dem man etwa die sog. Pentarchietheorie entgegensetzte. Erst spät, wie hier gezeigt werden soll, um 800, setzte man in Konstantinopel Petrus seinen Bruder Andreas entgegen, den "Erstberufenen" (vgl. Joh. 1,35–42). Jedenfalls versuchte man dies, vermutlich nach römischem Vorbild. Wann genau und warum dies geschah, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. ...
Die von Franz Dölger entwickelte Vorstellung, dass sich die Staaten und Herrschaften im östlichen wie westlichen Mittelalter als eine "Familie der Könige" begriffen, die als ein gleichsam rechtliches Institut die politische Welt konstituierte, wird einer Kritik unterworfen. Danach hätten sich die Herrscher der Welt (nicht nur der christlichen, sondern z. B. auch die sassanidischen Perser) als eine "Familie" begriffen, mit dem (ost-)römischen Kaiser an der Spitze und abgestuft denn "Brüder", "Söhne", "Freunde" usw. Dies wird angezweifelt.
Dabei konzentriert sich die Darstellung, die sich als ein Versuch begreift, eine längst überfällige Diskussion zu initiieren, auf die spätantiken und frühmittelalterlichen Quellen, auf die sich Dölger berief. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist ein negatives: Das Konzept einer "Familie der Könige" lässt sich in den herangezogenen Quellen nicht finden. Diplomatische Formeln, die sich bis in den Alten Orient oder die hellenistischen Staaten zurückverfolgen lassen, kann man nicht als Belege für ein nach Dölger Ende des 3. Jahrhunderts entstandenes System betrachten.
In einem Schlussteil werden die Entstehungsumstände der Dölgerschen "Familie der Könige" – der relevante Aufsatz erschien im Jahre 1940 – sowie seine Haltung zum Nationalsozialismus thematisiert. Die Möglichkeit (Sicherheit ließe sich durch intensive weitergehende Forschungen erreichen), dass Dölger sein aufs Mittelalter bezogenes Konzept im Kontext seiner Involvierung in aktuelle Diskussionen über die "Ordnung" Südosteuropas (inkl. Griechenlands) in bestimmten NS-dominierten think tanks entwickelte, wird als reale Möglichkeit gesehen. Als Erkenntnisinstrument der Spätantike- und Mittelalterforschung jedenfalls fällt die "Familie der Könige" nach Ansicht des Verfassers aus.
Nicht die Entwicklung des Sakraments der Taufe während der tausendjährigen byzantinischen Geschichte gilt es hier zu erörtern; der liturgiewissenschaftliche Aspekt wird in diesen Zeilen bestenfalls einen Randaspekt darstellen. Stattdessen werde ich mich auf einige Aspekte konzentrieren (wenn auch in unterschiedlicher Intensität), die dem vorgegebenen Thema – (gesellschaftliche) Inklusion und Exklusion – entsprechen. Es soll also um ausgewählte Aspekte des Themenkomplexes "Taufe" gehen, die Relevanz für die Rechtsgeschichte, aber auch für die Gesellschaftsgeschichte in einem allgemeineren Sinne (inklusive gewisser Bezüge zur politischen Geschichte bzw. zur Missionsgeschichte) aufweisen. ...
Es gibt sogenannte "Fakten" oder "Tatsachen" der Geschichte, die sich nach intensiver Überprüfung als Fiktionen erweisen. Es gibt Vorstellungen, die jahrhundertelang als gesichertes Wissen galten und bis heute in Enzyklopädien und einschlägigen Handbüchern zu finden sind. Ihre Faktizität gilt als gesichert; man sieht sie als "wirklich bestehende Sachverhalte" an. Und doch entpuppen sich immer wieder vermeintlich gesicherte Tatsachen als fiktiv. Jedoch können solche "fiktiven Tatsachen" in verschiedenen Zusammenhängen – und sei es "nur" in der Wissenschaftsgeschichte – ein Eigenleben entwickeln. Der traditionelle Begriff der Fälschung greift hier nicht mehr. Neuerdings verbreitet sich der Begriff der "imaginären Tatsache". ...
Der byzantinische Bilderstreit des 8. und 9. Jahrhunderts ist ein unerschöpfliches Thema, das alljährlich mehrere Bücher und noch mehr Aufsätze generiert. Und gelegentlich schafft er es sogar – wenn auch nur en passant –, in den Feuilletons der großen Tageszeitungen Erwähnung zu finden. So etwa Anfang 2006, als (rechtslastige) Journalisten in Dänemark meinten, Muslime mit Muhammadkarikaturen provozieren zu müssen – was ihnen bekanntlich ja auch gelang. Allerdings diente der mittelalterliche Streit über die Berechtigung der Verehrung heiliger Bilder lediglich als pseudogelehrtes Ornament der geführten Debatte. Ob dies dazu führte, dass irgendjemand zu dem kurz zuvor erschienenen Band von Thümmel über die Synoden zur Bilderfrage im 7. und 8. Jh. griff, um sich weiter über diesen Themenkomplex zu informieren, vermag der Rezensent natürlich nicht zu sagen. Auszuschließen ist es nicht. Und sicher hätte man genügend Informationen gefunden, um sich ein Bild vom Bilderstreit zu machen. Man hätte erfahren können, dass dieser byzantinische Gelehrtenstreit – um einen solchen handelt es sich in erster Linie – nichts mit dem islamischen Bilderverbot zu tun hatte, wie man früher oft meinte. ...
Nicht nur in den bronzezeitlichen Staaten Ägyptens und Anatoliens gab es blutige Kriege – etwa die berühmte Schlacht von Kadesh 1259 v.Chr. Auch die bronzezeitlichen Gesellschaften Mitteleuropas mobilisierten erhebliche Ressourcen für militärische Auseinandersetzungen. Davon zeugen archäologische Funde von Waffen und aufwendig befestigte Burganlagen, die noch heute als beeindruckende Denkmäler in der Landschaft von ursprünglicher Größe und einem Machtanspruch zeugen.
Herr Professor Clark, wie gelingt es Ihnen, derart effizient "mit der Zeit zu tanzen", um einen Ausdruck aus Ihrem aktuellen Buch "Von Zeit und Macht" zu benutzen? Sie sind Hochschullehrer, Moderator von Geschichtssendungen im deutschen Fernsehen und Bestsellerautor. Verwenden Sie eine bestimmte Methode des Zeitmanagements? ...
Das hier zu besprechende Buch des an der Yale-University lehrenden Rechtshistorikers James Q. Whitman ist in Amerika mit großer Zustimmung besprochen worden, und zwar mit Recht, besonders wegen seiner Fragestellung und der Sorgfalt ihrer Bearbeitung. Der deutsche Leser gewinnt dabei den Eindruck, dass die inneramerikanische Zustimmung den Nebensinn hat, die amerikanische Gesellschaft solle nicht nur auf das rassistische Nazi-Deutschland zeigen, sondern auch die eigene Vergangenheit und Gegenwart kritisch reflektieren. ...
Die Studie der Frankfurter Historikerin ruht auf ihren früheren Arbeiten über frühneuzeitliche politische Predigten, vor allem in den Forschungsbibliotheken Gotha und Wolfenbüttel, sowie auf einem Projekt im Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen". Ein Forschungskonzept "Politische Kommunikation in der Frühen Neuzeit" lag bereits seit 2007 vor. Daraus ist nun ein Buch geworden, an dem man aus mehreren Gründen die innere Balance vermisst und das viel enger zugeschnitten ist, als der weite Titel verheißt. Die Autorin möchte in der vielstimmigen religiös-politischen Semantik des 16. und des frühen 17. Jahrhunderts jene Position besonders herausheben, die als "politica christiana", "Christliche Politik" oder "Christen-Staat" bezeichnet wurde. Sie unterstreicht, im Einklang mit der neueren Forschung, dass solche christlichen und naturrechtlichen Begründungen eines Widerstandsrechts und die Betonung der Frömmigkeit für Herrschende und Beherrschte keine Außenseiterpositionen und keine Spezialität des Luthertums waren, sondern in Europa konfessionsübergreifend diskutiert und weitgehend akzeptiert wurden. Das Thema eines möglichen Widerstands gegen eine religiös-konfessionell unterdrückerische Obrigkeit ist nur ein Aspekt jener weiter gefassten "christlichen Politik". Dass auch die Lutheraner über das Widerstandsrecht diskutierten, vor allem im 16. Jahrhundert, ist unbestreitbar. Sie taten dies ebenso wie Katholiken oder Calvinisten, wenn sie konfessionspolitisch in Bedrängnis waren. Das war naheliegend. Aber genügt es, um den vielfach bestätigten Gesamtbefund, das Luthertum habe aufgrund seiner an die weltliche Obrigkeit angelehnten Struktur auch stärker obrigkeitlich gedacht, zum Vorurteil zu erklären? ...
Die Städtebünde, um die es hier gehen soll, nämlich die erste lombardische Liga der Sechziger- bis Achtzigerjahre des 12. Jahrhunderts einerseits und der Rheinische Städtebund der Jahre nach 1254, haben früh und immer wieder die Aufmerksamkeit der nationalen und internationalen Geschichtsschreibung gefunden. Es kann deshalb nicht das Ziel der folgenden Überlegungen sein, diesen ausführlichen, in vielen Punkten allerdings oft streitigen Forschungen neue Erkenntnisse im einzelnen hinzuzufügen. Die hier beabsichtigte Gegenüberstellung und der Vergleich haben allerdings sehr viel weniger häufig und intensiv stattgefunden. In dieser Hinsicht ist vor allem – und fast allein – eine Tagung und ein Sammelband des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte zu nennen, der sich in die Reihe der Rückblicke auf den Konstanzer Frieden des Jahres 1183 zwischen Friedrich Barbarossa und den lombardischen Städten einreiht, aber thematisch dem Thema "Kommunale Bündnisse Oberitaliens und Oberdeutschlands im Vergleich" gewidmet ist. ...
Im Oktober 2013 erschien in der italienischen Tageszeitung La Repubblica das Transkript eines langen Gesprächs, das Papst Franziskus kurz zuvor mit dem italienischen Intellektuellen (und atheistischen Zeitungsgründer) Eugenio Scalfari geführt hatte. Zeitgleich, d. h. am Tag der Veröffentlichung, traf der erst sechs Monate zuvor gewählte Papst im Vatikan erstmals mit den acht Mitgliedern des von ihm neu eingesetzten Kardinalsrats zusammen. Dieser Kardinalsrat fungiert als Beratergremium; er soll Vorschläge für die Reform der Kirche und der Kurie ausarbeiten. Dass er gerade mit Blick auf die Kurie einen massiven Bedarf an Reformen sieht, brachte Franziskus auch in besagtem Interview zum Ausdruck. ...
Vor nicht so langer Zeit waren die oft sehr langfristigen Editionsprojekte der Akademien und wissenschaftlichen Institute wegen ihrer Dauer in die öffentliche Kritik gekommen. Die Wellen der Erregung haben sich inzwischen gelegt. Zu den ältesten Institutionen dieser Art gehören die Monumenta Germaniae Historica, kurz MGH. Für den im Mittelalter arbeitenden Rechtshistoriker ist unentbehrlich nicht nur die Reihe der Leges, sondern auch der Diplomata der deutschen Könige und Kaiser. Gerade in ihr ist in den letzten Jahrzehnten eine Herkulesarbeit an Materialbewältigung und Präzision mit der Edition der Diplome Friedrich I. Barbarossas in vier gewichtigen Bänden unter der Leitung von Heinrich Appelt bis 1990 geleistet worden. Begleitende Studien haben die Diplomatik bereichert und verfeinert, aber auch die Rolle des römischen Rechts genauer beleuchtet. Wichtige seither erschienene Monographien zu Barbarossa wären ohne diese Edition der Diplomata nicht denkbar gewesen. In der Reihe der Constitutiones liegt seit 1996 eine kritische Edition u. a. der Konstitutionen von Melfi Friedrichs II. vor, begleitet von einer zweibändigen Monographie des Herausgebers Wolfgang Stürner. ...
Der Mediävist Peter Wapnewski hatte seine Hörer, seine Leser des unvergleichlichen Glanzes der Dichtung zur Zeit der Staufer versichert, hatte nach der Schändung der deutschen Kultur durch die Nationalsozialisten wieder die Herkunft, das Werden, die Schönheit der ersten deutschen Sprache gegenwärtig gemacht. Wollten die Deutschen ihr Land wiederaufbauen, so sollten sie ihre Sprache in der Dichtung gereinigt als Anspruch an ihr eigenes Leben wiederfinden. Das Thomas Mann verbundene Wort vom "Adel des Geistes" bewahrte Wapnewski, hanseatisch geprägt auch er durch seine Jugend in Kiel, 1922 dort geboren. Der zwölf Jahre jüngere Karlheinz Barck, in Quedlinburg aufgewachsen, den Harz im Rücken, maß als Romanist den Sprachraum aus, den Baudelaire, den Lautréamont und Rimbaud vor und nach der Pariser Commune gewonnen hatten, um dieses Potential, das die Surrealisten zur Welt machten, als einen Handlungsraum in der geschlossenen DDR zu begreifen und einzusetzen: Rimbauds Aufforderung zur "Entgrenzung aller Sinne" folgend.
Was sie beide über die in ihren Texten und Büchern vermittelte Freude an ihren Entdeckungen hinaus auszeichnete, war ihr Einsatz für die anderen, die Vermittlung, das Interesse an der Auseinandersetzung. Sie verliehen zwei in Berlin neu gegründeten akademischen Instituten die spezifische Prägung durch ihr jeweils eigenes Vermögen, Geistes- wie Naturwissenschaftler und Künstler zusammenzuführen. Mit dem Wirken an diesen Instituten erfüllte sich ihre Lebensaufgabe.
Häufig wird angenommen, man sei dort "zu Hause", wo man geboren wurde. Man könnte etwa sagen: "Hier! Hier bin ich zur Welt gekommen", und mit diesen Worten wäre impliziert, dass man sich keinen vertrauteren, wertvolleren und intimeren Ort vorzustellen vermag. Dieser Ort wäre, anders ausgedrückt, der Ort, wo man hingehört. Der Ort, an dem man geboren wurde, ist jedoch willkürlich. Menschen wurden im Exil geboren oder auch neben Straßensperren. Tatsächlich hat kein Mensch Einfluss auf die Umstände der eigenen Geburt. Der eigene Geburtsort bedeutet also nur auf indirekte Weise Zugehörigkeit. In Wirklichkeit bezeichnet nichts mehr Zugehörigkeit als ein Grab. Ein Grab ist ein fester Ort, auf den man zeigen und dabei feststellen kann: "Hier liegen mein Vater und seine Vorfahren begraben, und hier werde auch ich eines Tages begraben sein." Es ist der Ort, den man häufig für sich selbst auswählen kann, wo das Menschliche schließlich eins mit der Erde wird. Diese grundlegende Einheit des Belebten und Unbelebten veranlasste etwa Giambattista Vico zu der Aussage, in früheren, primitiveren und prosaischeren Zeiten sei der Grabstein ein rechtliches Gebilde. "So zeigten schon durch die Gräber ihrer Bestatteten die Giganten die Herrschaft über ihrer Ländereien an; [...] Und zu Recht", bemerkte Vico, "gebrauchten sie jene heroischen Redensarten: 'wir sind Söhne dieser Erde', 'wir sind geboren aus diesen Eichen' [...]." Somit gehört man nicht an den Ort, an dem man geboren wurde, sondern dorthin, wo man zur letzten Ruhe gebettet wird.
Manche Menschen besitzen mehr als nur einen Grabstein. Gershom Scholem ist einer von ihnen - eine merkwürdige Tatsache. Dem Anschein nach gehört Scholem, wenn er überhaupt irgendwohin gehört, nach Jerusalem.
Michel Zink, hochdekorierter Kenner der französischen Literatur des Mittelalters und jüngst unter die "Unsterblichen" der Akademie berufen, legt ein Buch vor, das aus einem Aufschrei erwächst. Er möchte Position beziehen und seiner zutiefst empfundenen Verzweiflung angesichts der brutalen Taten und Bilder Ausdruck verleihen, mit denen die politischen und ideologischen Konflikte des 20. und 21. Jahrhunderts uns medial überrollen – man denke etwa an den IS, der per Video die Erniedrigung seiner Opfer inszeniert (S. 7–20). Kristallisationspunkt der emotionalen Reaktion des Autors und ihrer intellektuellen Verarbeitung ist das Motiv der Demütigung: Dieses bildet den Leitfaden der essayistisch angelegten Darstellung, welche die Exzesse der demütigenden Grausamkeiten in unserer Zeit auf eine Weise reflektieren soll, die dem Spezialisten der mittelalterlichen Literatur offensteht (S. 19–20). ...
Die Reflexion über das Verhältnis von Mittelalter und Moderne stellt zwar keine ganz neue Thematik dar, aber man darf man sich beim zu besprechenden Band zunächst getrost den begleitenden Worten von Terry Jones (Monty Python) anschließen: "It’s a feast of literature and medievalism. I hope you enjoy it." Wenn der Genuss in der Folge doch nicht ganz uneingeschränkt ist, so liegt dies keineswegs an der Qualität der versammelten Beiträge. Vielmehr wird man schlicht bedauern, dass just Terry Jones, der im Juni 2013 auf der Tagung an der Universität von St. Andrews vortrug, aus der dieser Seamus Heaney gewidmete Band hervorging, seinen Beitrag nicht zum Druck brachte. ...
Weit davon entfernt, ein Phänomen der Vergangenheit und durch den zunehmenden Wohlstand der Staaten ausgelöscht worden zu sein, wird der Kluft zwischen Arm und Reich in der Gegenwart wieder verstärkt nachgegangen. Den Versuch der historischen Fundierung dieser Debatten haben Petra Schulte und Peter Hesse in dem vorliegenden Sammelband zum Reichtum im späten Mittelalter unternommen, der auf den Beiträgen und Ergebnissen einer Tagung im Deutschen Studienzentrum Venedig im Jahr 2010 beruht. ...
Auch Bücher als solche sollen Schicksale haben, wie ein bis in die Antike zurückreichender Aphorismus lehrt. Auf die Monografie "Verfassung und Privatrecht im 19. Jahrhundert" trifft dies in besonderer Weise zu, denn es handelt sich hier um den raren, wenn auch insgesamt nicht völlig außergewöhnlichen Fall, dass eine nach ihrer Entstehung und akademischen Begutachtung unpubliziert gebliebene Qualifikationsschrift im Herbst der glanzvollen Karriere ihres Autors Dieter Grimm als Professor in Bielefeld und Berlin, als Richter des Bundesverfassungsgerichts und als Rektor des Wissenschaftskollegs Berlin (um nur die allerwesentlichsten Stationen zu nennen) doch noch der Fachöffentlichkeit vorgelegt wird. Schon insoweit regt die Lektüre des Bandes, der konzeptionell Torso geblieben ist – es sollte ein zweiter Band für die Jahre ab 1820 geschrieben werden – deutliches Interesse an, verheißt er doch angesichts der grundlegend gewählten Thematik die Bekanntschaft mit prägenden fachlichen Grundüberzeugungen Dieter Grimms in ihrer recht ursprünglichen Gestalt, nachdem man mit dem rechtsgelehrten Denken des Autors durch die öffentliche Wahrnehmung während der Jahre seines reifsten Wirkens nachhaltig vertraut wurde. So ist das Buch, das am örtlichen Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte entstanden ist und 1979 dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main als Habilitationsschrift vorgelegt wurde, von besonderem Reiz. ...
Nach Lektüre dieses Werks ist man zunächst geneigt, von einer Rezension im Wortsinn abzusehen, um die Autoren stattdessen einfach zu einer rundum Respekt und Bewunderung verdienenden Leistung zu beglückwünschen, haben sie doch auf nicht weniger als 1100 Seiten ihr Thema von der ausgehenden Karolingerzeit bis an die Schwelle des 16.Jahrhunderts mit hoher Kompetenz unter allen nur denkbaren Aspekten abgehandelt und diese durchgängig mit einer schier überbordenden Fülle von Belegen und Beispielen illustriert. Der durchmessene Raum reicht von Norwegen bis Byzanz und von Polen bis zur Iberischen Halbinsel; einen gewissen Schwerpunkt bilden dabei das römisch-deutsche Reich und Frankreich. Solch in einem französischen Handbuch nicht unbedingt zu erwartender Doppelakzent verdankt sich Jean-Marie Moeglin, der bereits 2010/2011 mit seiner "Deutsch-Französischen Geschichte im Spätmittelalter" ein ähnlich gelehrtes Monument vorgelegt hat. Wie sehr er in den Kulturen beider Länder heimisch ist – in München, dem für Mediävisten deutschen Bibliotheksmekka, hat er inzwischen ein zweites Zuhause –, zeigt sich bis in die Anmerkungen und in eine (mit Unternummern) weit über 3000 Titel umfassende Bibliografie, die für europäische und insbesondere eben deutsche und französische Benutzerinnen und Benutzer künftig eine unverzichtbare Referenz sein dürfte. Gerade in einem Organ vom Profil der Francia-Recensio sei darauf mit Nachdruck empfehlend hingewiesen. ...
Der Band ist das Ergebnis einer Tagung, die vom 22. bis 24. Juni 2006 in Trient abgehalten worden ist. Einleitend weisen Diego Quaglioni und Gerhard Dilcher auf den Nutzen des Austauschs zwischen italienischer und deutscher Geschichtswissenschaft auf dem Feld der kaiserlichen Gesetzgebung der Staufer hin, insbesondere in Bezug auf die roncalische Gesetzgebung. Dilcher verweist auf die komplizierte Überlieferung und den ambivalenten Charakter der einzelnen roncalischen Gesetze, in denen sich mittelalterliche und deutsche Rechtstraditionen mit römisch-justinianischen Traditionen unter einem neuen Ordnungs- und Gesetzgebungswillen des Herrschers vermischten. ...
Nations are signified by their constructed or mythicized cultural memory, since "identity is part of memory discourse". There are shared historical legacies in Southeast European countries, among which the most significant are Byzantium and the Ottoman Empire: "It has been chiefly the Ottoman elements or the ones perceived as such which have mostly given rise to the current stereotype of the Balkans, so that it would not be an exaggeration to say that the Balkans are, in fact, the Ottoman legacy." Contrary to it, the Habsburg legacy and the belonging to the Habsburg Monarchy have mainly not been seen in the same, negative way. Consequently, there are two different understandings of national identity and different strategies in defining self-representation in the (previous) provinces of the two empires, which is also explicated in Southeast European operas. The construction of Croatian national identity is considered through the stage representations of the historical Siege of Szigetvár (1566).
La fête peut être décrite comme un mode spécifique d’inclusion sociale qui se distingue par une occasion spécifique, sa mise en relief démonstrative par rapport au quotidien tout comme le caractère collectif et la dimension de représentation ostentatoire qui lui sont propres. Dans la fête se constituent des cadres d’actions tels que la cour princière, la ville, la commune ou la paroisse en tant que structures sociales et politiques. Les fêtes sont des événements de communication dont des actes symboliques définissent clairement la durée, pendant laquelle les activités habituelles du quotidien sont en sommeil. Par l’action commune des participants, des appartenances sont définies, des hiérarchies établies et des valeurs transmises. Mais les fêtes peuvent également servir à se libérer de contraintes, à surmonter des menaces ou à se régénérer après des défis particuliers. Leur caractère extraordinaire est souligné par une mise en scène originale qui doit agir en retour sur le comportement et la disposition mentale des acteurs concernés. Car chaque fête suppose une disposition d’esprit précise des participants, tout comme elle tente de créer une disposition d’esprit spécifique. À la différence des cérémonies, les fêtes sont en général connotées positivement – en particulier parce qu’elles sont associées à des actes de sustentation et d’échange de cadeaux. ...
Harriet Rudolph - notice
(2013)
Harriet Rudolph (né en 1966) étudie l’histoire et l’histoire de l’art à Tübingen et Londres. Après son doctorat obtenu en 1999, elle devient maître de conférences en histoire moderne à l’Université de Trèves. Après l’obtention de son habilitation en 2008, elle enseigne aux Universités de Francfort-sur-le-Main, Sarrebruck et Innsbruck. Depuis 2012, Harriet Rudolph occupe la chaire d’histoire moderne de Ratisbonne. Ses thèmes de recherche sont : les cultures politiques en Europe, l’histoire des médias et l’iconographie historique, les cultures festives urbaines et de cour, l’histoire de la diplomatie, l’histoire juridique, en particulier relative au droit pénal et à la pratique judiciaire. ...
Le fait de savoir si le Saint-Empire romain germanique constituait un État est, en soi, une question peu stimulante, la réponse dépendant qui plus est des représentations fondamentales que l’on se fait de l’État. La recherche allemande, obsédée par le modèle de l’État national souverain, s’est accordée à penser pendant près d’un siècle et demi et en dépit de toutes les ruptures institutionnelles que l’Empire ne formait pas un État. En référence à cette tradition, l’introduction du concept d’« Empire-État complémentaire » (« komplementärer Reichs-Staat ») a mis en émoi une partie de la communauté des historiens modernistes germanophones, tandis qu’une autre part accueillait avec sérénité ou bienveillance ce nouveau modèle interprétatif. On pourrait ce faisant et en s’appuyant sur l’historicité de la formation de « l’État » procéder à l’analyse de l’Empire à partir de divers modèles. Mais une telle approche n’est pas sans conséquences sur l’appréciation de l’histoire allemande dans son ensemble. Définir l’Empire comme État et nation bouscule sensiblement le « grand récit » traditionnel : l’écart par rapport à une voie réputée normale de l’histoire européenne a jusqu’à présent conféré au passé allemand une signification pourvue d’une finalité tantôt légitimante tantôt déstructurante, mais toujours facteur d’intégration politique. Le concept d’Empire-État complémentaire ébranle l’idée de la singularité de l’histoire allemande moderne* sur un point capital, car il facilite la comparaison avec d’autres pays et oblige à considérer l’Allemagne comme partie prenante de l’Europe des États modernes. La notion d’Empire-État complémentaire ne peut dès lors servir ni de point de départ d’une « voie allemande particulière », ni d’archétype ou de modèle supra-étatique et supranational, ou d’équivalent fonctionnel de l’Europe contemporaine. ...
Pierre Monnet - notice
(2013)
Pierre Monnet (geb. 1963), seit 2011 Direktor des Institut Français d’Histoire en Allemagne in Frankfurt am Main, ist "directeur d’études" an der Ecole des hautes études en sciences sociales (EHESS). Er studierte Geschichte an der Sorbonne, der Ecole normale supérieure sowie der EHESS. Nach seiner Promotion an der EHESS 1994 lehrte er mittelalterliche Geschichte an der Universität Dijon-Bourgogne. Von 1996 bis 2003 war er stellvertretender Direktor, anschließend Direktor der Mission historique française en Allemagne. Nachdem seiner Habilitation im Jahr 2002, war er bis 2005 Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines. Von 2007 bis 2011 war er stellvertretender Direktor, anschließend Direktor der Deutsch-Französischen Universität. Seine persönlichen Arbeitsschwerpunkte sind: Mehrsprachigkeit in der mittelalterlichen Stadt, politische Kultur des spätmittelalterlichen Reiches unter den Luxemburgern, Geschichte der Stadt Frankfurt im Spätmittelalter.
Der umfangreiche Aufsatzband fokussiert die historischen Zäsuren, die die Zerstörungen der beiden Weltkriege im Bereich von Architektur und Städtebau in Europa veranlasst haben. Die Verwüstungen von historischen, identitätsstiftenden urbanen Entitäten hatten unterschiedlichste Wiederaufbaudiskurse und -maßnahmen zur Folge, die prägend für das Erscheinungsbild und die funktionalen Strukturen zahlreicher europäischer Kommunen jeden Größenmaßstabs – vom nordfranzösischen Dorf Gerbéviller bis zur niederländischen Metropole Rotterdam – geworden sind. Das wesentliche Kriterium des Wiederaufbaus stellte nicht eine als außerhalb von Ort und Zeit gedachte architektonische und urbanistische Innovation dar, deren Hauptanliegen es war, Stadträume gewandelten Lebensbedingungen anzupassen. Im Gegensatz zu dieser landläufigen Auffassung betonen die Herausgeber zu Recht, dass beim Wiederaufbau immer und notwendigerweise Geschichte und Zukunft in je unterschiedlicher Weise vermittelt wurden. ...
Der Titel des Bandes macht zunächst einmal neugierig. Er scheint dem Leser ein weitgespanntes Spektrum von Beiträgen europäischer Dimension zu verheißen. Diese Erwartung wird nicht eingelöst. Die Ernüchterung des Rezensenten wäre sicherlich geringer gewesen, wenn man den Band "Beiträge zu einer Geschichte der Hofkultur in Frankreich und Burgund mit Ausblicken auf England" (o. ä.) genannt hätte. Das wäre zwar sperriger, aber zugleich ehrlicher gewesen, denn, wie Werner Paravicini treffend in seinem Geleitwort schreibt (S. 2), für diesen Band trugen "französische, belgische und deutsche Forscher, jüngere Leute, [...] Einzelstudien vor und nahmen ihren Stoff hier aus einem Roman, einer Chronik, einer besonderen Handschrift oder einer ganzen Büchersammlung, dort aus Skulptur, Malerei, Architektur und Musik". ...
Der Begriff "Kultbild" hatte in der jüngsten Kulturgeschichtsforschung Konjunktur. Dies belegt etwa eine VW-Forschungsgruppe gleichen Namens an der Universität Münster, die seit 1999 bestand. Undifferenzierte Übernahmen des Begriffs-Konzeptes führten aber dazu, dass man ihn als Epochenbegriff auf das gesamte Mittelalter anwandte, womit dieses in Tradition Giorgio Vasaris und Jacob Burckhardts kunstgeschichtlich abgewertet wurde: Erst das moderne "Kunstbild" habe sich von den liturgischen Zwängen emanzipieren und Subjektivität und Eigenständigkeit gewinnen können. Der auf eine vom Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Frankfurt organisierte Tagung des Jahres 2007 zurückgehende Band nimmt nun zu Recht eine Revision dieses Begriffes vor. ...
Il existe sans doute peu d’histoire des relations entre deux aires culturelles qui suscite autant d’attention à l’heure actuelle que celle des relations entre « l’Occident » et le « monde musulman ». Elle montre particulièrement bien combien la période que nous qualifions communément de « Moyen Âge » influence les débats actuels. Certains phénomènes de cette histoire sont aujourd’hui si fortement enracinés dans l’imaginaire collectif qu’ils continuent à façonner de manière significative la représentation même de ces relations. C’est le cas en particulier de l’expansion arabo-musulmane, des croisades et de ce que l’on appelle la « Reconquista » : ces phénomènes n’évoquent pas seulement des images de fanatiques religieux, mais ils sont – les croisades notamment – ancrés si profondément dans notre pensée conceptuelle qu’ils sont considérés comme l’expression d’un antagonisme quasi épique entre deux civilisations, au fondement desquelles se trouvent une variante de monothéisme (chrétienté / islam) et une langue sur laquelle repose la vie intellectuelle (latin / arabe). ...
Zu einem Aspekt der Beziehungen zwischen lateinisch-christlicher und arabisch-islamischer Welt
(2011)
Wohl kaum eine Beziehungsgeschichte zwischen Kulturräumen zieht derzeit soviel Aufmerksamkeit auf sich wie die zwischen "dem Westen" und "der islamischen Welt". Gerade hier zeigt sich, wie sehr die Periode, die wir gemeinhin als "das Mittelalter" bezeichnen, heutige Diskurse beeinflusst. Einzelphänomene dieser Beziehungsgeschichte sind ein so fester Bestandteil der heutigen Vorstellungswelt, dass sie auch das Bild dieser Beziehungen bis heute maßgeblich prägen. Dies gilt insbesondere für die arabisch-islamische Expansion, die Kreuzzüge und die so genannte "Reconquista". Sie beschwören nicht nur Bilder von religiösen Fanatikern herauf, sondern sind – gerade die Kreuzzüge – so stark im konzeptuellen Denken verankert, dass sie für einen geradezu in epische Dimensionen reichenden Antagonismus zweier Kulturen stehen, für die eine Variante des Monotheismus (Christentum/Islam) und eine das Geistesleben bestimmende Sprache (Latein/Arabisch) grundlegend sind. ...
Que doit nous apporter une histoire culturelle (Kulturgeschichte) du politique ? Elle ne doit pas se laisser réduire à une science sectorielle, découpée sur le modèle du camembert statistique, mais nous ouvrir, au contraire, une perspective vers le global. Ce « global », que l’on peut assimiler de façon assez vague au politique, elle ne doit pas seulement le présenter sous un autre éclairage, mais aussi l’expliquer de façon plus satisfaisante que les approches conventionnelles. Et elle devrait s’aventurer dans les domaines plus « durs » de l’histoire politique et de l’histoire constitutionnelle, c’est-à-dire des processus macro. C’est à un tel processus macro-historique, qui appartient de surcroît aux thèmes classiques de l’histoire politique et de l’histoire constitutionnelle, que je m’intéresserai : à la formation de l’État, plus exactement, à la formation de l’État au niveau provincial, et particulièrement à ce que l’on pourrait appeler l’intégration territoriale, soit l’annexion de territoires nouvellement acquis. Cette intégration territoriale est un processus fondamental dans une histoire marquée par la régression du nombre d’États en Europe à l’époque moderne : des plus de 500 entités politiques indépendantes que comptait l’Europe au début de l’époque moderne, il n’en restait plus que 25 en 19001. Les autres, soit tout de même quelques centaines d’États, ont été « avalés » par les vainqueurs dans cette course à la résorption étatique : tout d’abord prise de possession par mariage, héritage ou conquête, puis intégration dans les structures du système de domination existant. Mais le fonctionnement de cette intégration n’a guère été étudié pour le début de l’époque moderne. A fortiori, la littérature disponible sur ce thème ne propose aucun modèle permettant d’expliquer ces processus à leurs différents niveaux. La responsabilité en revient à un modèle micro-macro classique, que l’on ne peut résoudre, telle est ma thèse, que par une histoire culturelle du politique, plus exactement par l’élargissement de la recherche conventionnelle grâce au concept de culture politique. ...
Birgit Emich
(2008)
Birgit Emich ist Gastprofessorin am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien Erfurt. 1999 promovierte sie an der Universität Freiburg mit einer Arbeit über Nepotismus und Behördenalltag. Politik, Verwaltung und Patronage unter Papst Paul V. (1605–1621). Studien zur frühneuzeitlichen Mikropolitik in Rom. Mit der Arbeit Territoriale Integration in der Frühen Neuzeit. Ferrara und der Kirchenstaat, für die sie den Akademiepreis der Heidelberger Akademie der Wissenschaften sowie den Jahrespreis der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Freiburg i.B. erhielt, habilitierte sie 2002. ...
Das Thema Krieg und Gewalt hat in den vergangenen zwei Dekaden in den verschiedenen kulturwissenschaftlichen Disziplinen eine neue Aufmerksamkeit erlangt. Der Schwerpunkt lag dabei vor allem auf den Kriegen der Moderne und Gegenwart, während Gewalt in ihren verschiedenen Erscheinungsformen einen Untersuchungsschwerpunkt der Frühneuzeitforschung bildet. Der hier vorzustellende interdisziplinäre Sammelband, der aus einer Sektion des Konstanzer Historikertages von 2006 hervorgegangen ist und um drei Aufsätze erweitert wurde, positioniert sich an der Schnittstelle dieser beiden Forschungsfelder Krieg und Gewalt und bietet durch die Fokussierung auf visuelle Repräsentationen zugleich eine Öffnung der Geschichtswissenschaften hin zu bildwissenschaftlichen Fragestellungen. Damit leistet er einen wichtigen Beitrag zur frühneuzeitlichen Kriegsgeschichte und ihren bildlichen Darstellungen im Medium der Sprache und der Bilder, einem besonders in der deutschsprachigen Forschung nach wie vor zu wenig beachteten Thema. ...
Es war, zumindest für die Spezialforschung, ein veritabler Paukenschlag, als Claudia Märtl 2010 auf einer Münchner Tagung über das Ende der konziliaren Epoche mit einem unbekannten, genau zum Thema passenden Text aufwartete, den sie in einer Augsburger Handschrift entdeckt hatte: das Dreiergespräch "Agreste otium" des Martin Le Franc, der bis dahin fast ausschließlich durch seine moralisch-didaktischen Werke in französischer Sprache bekannt war, allen voran das allegorische Versepos "Le champion des dames" (1440–1442) sowie ein Streitgespräch zwischen Fortuna und Tugend, "L’Estrif de Fortune et de Vertu" (1447). ...
Auch nach mehr als 70 Jahren gehört die britische Appeasement-Politik zu den umstrittenen Themen der europäischen Geschichte im 20. Jahrhundert. Schon im Zweiten Weltkrieg als "Guilty Men" bezichtigt, und dann nach 1945 von Churchill wortgewaltig als Schwächlinge und einfältige Toren an den Pranger gestellt, gelten Neville Chamberlain und seine Mitstreiter seinen Kritikern als Politiker, die die wahren Ziele von Hitlers Außenpolitik nicht erkannten und so seinem Machtzuwachs nicht rechtzeitig Grenzen setzten. Demgegenüber verweisen seine Unterstützer auf die begrenzten Möglichkeiten der britischen Außenpolitik, die einen härteren Kurs der Eindämmung nicht zugelassen hätten. ...
Seit Oktober 2010 reflektiert im Italienisch-Deutschen Historischen Institut in Trient eine Gruppe von Historikern über ein zentrales Problem der Geschichtswissenschaften, demjenigen der Epochen und der "Transitionen" zwischen diesen. Vom 11.–14. September 2012 veranstaltete das Institut hierzu eine Tagung, auf der erste Ergebnisse und Gedanken vorgestellt wurden. Der Sammelband versammelt die meisten der damaligen Vorträge. ...
In einer diachronen Vergleichsstudie sollen die Probleme des frühneuzeitlichen Seehandels Dänemarks und der Hansestädte gegenüber den Barbaresken beschrieben und verschiedene Lösungsmodelle wie auch die Implementierung derselben herausgearbeitet werden. Die Gefährdung der Schifffahrt auf dem vogelperspektivisch konzipierten Raum Meer mit einem nach Süden hin steigenden Risiko führte zu einer kartographischen Einteilung von Risikozonen. Die institutionelle Antwort auf diese Entwicklung kann mit den Begriffen Sklavenkasse und Türkenpässe idealtypisch zusammengefasst werden.
Wer das zu besprechende Werk von Susan Richter zur Hand nimmt, wird beim Blick in das Inhaltsverzeichnis positiv überrascht. Die überarbeitete Heidelberger Habilitationsschrift erweist sich nämlich nicht nur, wie im Titel angekündigt, als eine Studie "[zur] Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft in der Aufklärung", sondern auch als ein Buch, das den Blick weit über den europäischen Horizont hinaus richtet: Versucht wird darin, die wichtige Rolle des chinesischen Kaisers und insbesondere des von ihm jährlich durchgeführten Pflugrituals für den physiokratischen und kameralistischen Diskurs herauszuarbeiten. Die Studie verschreibt sich somit einem transfergeschichtlichen Ansatz. Sie untersucht nebst den Schriften und Bildzeugnissen aus dem Umkreis von Kameralisten und Physiokraten auch deren Quellen – Berichte von Reisenden und Experten, vor allem aber die berühmten Jesuitenberichte aus China. ...
Cette thèse soutenue à l’université de Bayreuth sous la direction du professeur Franz Bosbach est consacrée à un personnage, Hermann V von Wied, dont la vie et l’action donnent lieu à des jugements d’une grande diversité. Andreea Badea a opéré de grands dépouillements d’archives dans les dépôts de Düsseldorf, de Cologne, de Bonn, de Marbourg, de Weimar et de Strasbourg, et également pour certains documents aux archives du Vatican et de Munich. ...
Der hier zu besprechende Band kann von Ansatz, Methode und Reichtum der inhaltlichen Ausführungen als ein gelungenes Beispiel des oftmals geschmähten Sammelbandformats gelten. Das Thema ist mit den Autostädten als besondere Form des Typus Industriestadt klar bestimmt. Die insgesamt zehn Beiträge sowie der einführende, den Band methodisch wie in die Forschungsperspektiven einordnende Aufsatz von Martina Heßler fügen sich zu einem detailreichen Mosaik mit zahlreichen erhellenden zum Teil auch überraschenden Ausführungen, die in der Tat neue Zugänge zum Themenfeld Industriestadt im 20. Jahrhundert öffnen. ...
"Dies sei die Geschichte eines Buches, es ist ein Buch über ein Buch". Mit diesen Worten eröffnet Cecilia Hurley ihre voluminöse und detailreiche Untersuchung zu Aubin-Louis Millins "Antiquités nationales ou Recueil des monumens pour servir à l’Histoire générale et particulière de l’Empire françois […]" (1790–1798). Der Verfasser verband mit dessen Veröffentlichung die Absicht, all die französischen Denkmäler und Bauwerke, denen nach ihrer Verstaatlichung durch die Nationalversammlung der voreilige Verkauf, Plünderungen und ikonoklastische Zerstörung drohte, zu retten, indem er sie abbildete und beschrieb. Am Ende lag eine präzise Dokumentation von historisch bedeutsamen französischen – also der Nation gehörenden – Denkmälern vor, die sowohl in Paris als auch in den Provinzen bzw. Departements zu sehen waren. Ebenso wurden aber einige aufgeführt, die bereits zerstört worden waren. Das fünfbändige Werk umfasste 23 Hefte, erschien bis auf wenige Ausnahmen im Monatsrhythmus und enthielt rund 325 Abbildungen. Millins Anliegen war es, allen "wahrhaftigen" Staatsbürgern die Geschichte Frankreichs vor Augen zu führen. Allerdings handelte es sich um keine exklusiv monarchische, kirchliche oder familiengenealogische Geschichte, sondern vielmehr um eine, die sich ebenso aus den bedeutsamsten wie auch aus zweitrangigen Geschehnissen zusammensetze. Die in den 61 Artikeln illustrierten Denkmäler – in primis die niedergerissene Bastille, gefolgt von Klöstern, Abteien, Schlössern sowie den in ihrem Innern befindlichen Denkmälern wie Grabmälern, Inschriften, Kirchenfenstern etc. – fungieren in Millins Werk als strukturierende Elemente, um die herum sich historische Erzählungen und Anekdoten ranken. Diese nämlich standen nicht im Mittelpunkt künstlerischer oder architektonischer Betrachtungen. Als Zeugnisse der Vergangenheit boten sie der Geschichte aber doch ihren Stoff: Es ging eben um monuments historiques. ...
Au milieu du beau livre d’Anna Karla, le lecteur tombe sur les réflexions du général François-Amédée Doppet qui, dans sa préface aux »Mémoires politiques et militaires«(1797), rapporte les conditions nécessaires pour écrire une histoire véritable de la Révolution française. À son avis, il faudra un écrivain impartial, éloigné du chaos des événements, qui, tout d’abord, rassemblera tous les souvenirs écrits par les protagonistes de la Révolution, jusque-là encore dominés par l’esprit de parti. Seul cet écrivain pourra, avec l’impartialité de l’historien, extraire de ces mémoires une histoire complète des bouleversements révolutionnaires. La vérité sur la Révolution, donc, ne pourra être formulée que longtemps après la fin de celle-ci. ...
"Heutzutage liegt es in der Verantwortung der Ingenieure, bessere Gesellschaften aufzubauen", schrieb Jean Coutrot im März 1939, "sie sind es, die über die notwendigen Methoden für diese Aufgabe verfügen, nicht etwa die Juristen oder Politiker". In Rationalisierung, Planung und Erziehung sahen Technokraten wie Coutrot die Lösung zu den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Problemen der Nation. Seit den zwanziger Jahren mehrten sich in Frankreich Schriften, in denen der Management-Gedanke als universales Heilmittel propagiert wurde: Jede Tätigkeit könne und müsse durch Organisation verbessert werden. Denkfabriken wie die Bewegung Redressement français, die Gruppe X-Crise oder der Comité national d’organisation français bildeten laut Jackie Clarke das Rückgrat eines scientific organisation movement , in dem eine Elite von Managern und Technokraten Visionen einer rationalen sozio-ökonomischen Neuordnung Frankreichs entwickelte. ...
Die soziale Rolle der Prostitution kann als Ausgangspunkt dienen, um Rückschlüsse auf den Stand der Geschlechterhierarchie in einer Gesellschaft zu ziehen. In vielen historischen Studien wurde Prostitution als Symbol patriarchalischer Unterdrückung interpretiert; die Stigmatisierung, Kontrolle bzw. Verfolgung von Prostituierten standen stellvertretend für die Ausgrenzung und Unterdrückung von Frauen allgemein. Nach Ansicht von Victoria Harris geriet das Individuum dabei aus dem Blick. Insbesondere in feministischen Studien sei die Geschichte der Prostituierten als eine Geschichte von Opfern aufgeschrieben worden. Diese Sichtweise werde der Komplexität der einzelnen Lebensgeschichten aber nicht gerecht. Nicht die Diskurse um Prostitution will Harris daher erfassen, nicht die Idee oder Bedeutung von Prostitution, sondern das Individuum im gesellschaftlichen Kontext: die Lebenserfahrung der Prostituierten. ...
Wer Eugenik als "bürgerliche Pseudowissenschaft" oder "präfaschistisches" Element abtut, wird der Komplexität dieses historischen Phänomens nicht gerecht. Spätestens seit Michael Schwartz die Affinitäten zwischen deutschem Sozialismus und eugenischer Sozialtechnologien für die Jahre vor 1933 nachwies, steht außer Frage, dass diese Wissenschaftsbewegung unabhängig von der nationalsozialistischen Rassenhygiene analysiert und interpretiert werden muss. Nicht zwangsläufig war eugenisches Gedankengut mit rechtslastigen, rassistischen Ideologien verknüpft, auch im linken Lager fanden die Ideen Anklang. Dass es sich um keine homogene Strömung handelte, hat die internationale Forschung bereits aufgedeckt, indem sie je nach Nation ganz unterschiedliche Stilrichtungen ausmachte. Aufgrund der unterschiedlichen Wege, welche die Eugenik auf internationaler Ebene einschlug, bietet ihre Geschichte aber auch ein herausragendes Beispiel für die "soziopolitische Bedingtheit von Wissenschaftsentwicklung" (Michael Schwartz). Fasst man Eugenik als sozialtechnologisches Programm auf, das die Fortpflanzung bestimmter Bevölkerungsgruppen nach erbgesundheitlichen Kriterien zu steuern versucht, so wird zudem begreiflich, warum sich Anfang des 20. Jahrhunderts ein weltübergreifender Trend ausbildete, der nicht notwendigerweise Euthanasie oder rassistische Züchtung anvisierte, sondern auch auf eine Präventivmedizin zum umfassenden Erhalt der Volksgesundheit abzielen mochte. Die Historisierung der Eugenik ermöglicht es, diese als Wissenschaft neu zu bewerten und ihrem Verhältnis zu Genetik, Demographie, Psychologie und anderen Disziplinen nachzugehen. ...
Prostitution war Anfang des 20. Jahrhunderts für Frauenrechtlerinnen kein selbstverständlicher Programmpunkt. Als 1902 auf dem Pariser congrès du travail féminin zwei Teilnehmerinnen versuchten, das Thema einzubringen, sorgte der Vorstoß für Heiterkeit und stieß unmissverständlich auf Ablehnung. Die Damen täten dem Feminismus Unrecht, wenn sie über Prostitution genauso debattieren wollten wie über Malthusianismus, lautete ein Zwischenruf. Ohne Zweifel fürchteten viele Frauen, ihrem Streben nach Gleichstellung zu schaden, wenn sie sich in der Öffentlichkeit für die Rechte "leichter Mädchen" einsetzten. Wer zu viel über den Alltag und die Probleme von Prostituierten wusste, machte sich verdächtig und riskierte, den eigenen Ruf zu beschädigen. Umso erstaunlicher ist es, dass es schon Mitte des 19. Jahrhunderts Frauen gab, die das Thema dennoch aufgriffen und die staatliche Reglementierung des Gewerbes in Frage stellten. ...
Kosmopolitismus ist kein Konzept, das für jedermann positiv besetzt ist, auch wenn dies die wohlklingende Bezeichnung "Weltbürger" zunächst vermuten lässt. Für George Cogniot, Chefredakteur der kommunistischen Tageszeitung "L’Humanité" repräsentierte der Kosmopolit vielmehr "die letzte Stufe kapitalistischer Unmenschlichkeit"; letztlich handele es sich um eine "weltweite zynische Ausbeutung entwurzelter Sklaven". Wer in den Koordinaten einer proletarischen Internationalen dachte, sah im Kosmopolitismus eher ein Konkurrenzprojekt des gehobenen Bürgertums. Schließlich war die Grundidee des Weltbürgertums eng mit der Aufklärung und dem Reisenden des 18. Jahrhunderts verbunden, mit den Vertretern der Oberschicht, die während einer Grand Tour die benachbarten Kulturen kennenlernten und dort weltgewandtes Auftreten erwarben. Der Großteil der historischen Studien, die sich mit der Geschichte des Kosmopolitismus beschäftigen, konzentriert sich auf diese Epoche. Dass dadurch ein wichtiger Umbruchpunkt in der Entwicklung des Kosmopolitismus ausgeklammert wird, verdeutlicht der vorliegende Sammelband von Ute Lemke, Massimo Lucarelli und Emmanuel Mattiato, in dem der Fokus auf die zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts gelegt wird. ...
Die umfangreiche und einem ausführlichen Quellenstudium entspringende Arbeit von Jakob Zollmann will sowohl der Entstehungs- als auch die Wirkungsgeschichte des völkerrechtlichen "Naulila"-Schiedsspruchs von 1928 nachgehen. Dieser Schiedsspruch, der eigentlich in drei Schritten getroffen wurde – 1928, 1930, 1933 –, ist ein "landmark case" des Völkerrechts und daher bis heute wirksam (S. 23). Wohl aus diesem Grund geht Zollmann ihm 100 Jahre später so detailliert nach, was mit der Aufnahme seiner Arbeit in die angesehene Reihe der "Studien zur Geschichte des Völkerrechts" honoriert worden ist. ...
Dieses Buch war lange überfällig. Wer sich mit Frauen im 20. Jahrhundert beschäftigt, vermisste einen Überblick über die aktuellen Forschungen zur "Frauengeschichte" der Weimarer Republik. Die Autorin liefert eine frische und gut lesbare Zusammenfassung der bisher geleisteten Forschungen und kann andeuten, welche weiteren Fragen gestellt werden müssen. Wie schon vor ihr Matthew Stibbe, mit seinem ebenfalls sehr gelungenen Überblick interpretiert Boak die Weimarer Republik als "Post-war society". Folgerichtig beginnt sie ihre Darstellung mit einem langen Kapitel über Frauen im Ersten Weltkrieg. Schlüssig argumentiert sie, dass der Krieg das Leben der meisten Frauen erheblich veränderte, aber nur sehr wenige Emanzipationsgewinne zu finden seien. An dieser Stelle weist sie die These Ute Daniels von einer "Emanzipation auf Leihbasis" als unangemessene Formulierung zurück. ...
Eine gute Biografie sollte ein Schlüssel sein zu einer Zeit, ihren Strukturen und Charakteristika. Die Doppelbiografie der Brüder von Eichthal aus der Feder von Hervé Le Bret erfüllt diese Forderung in besonderer Weise. Denn die mannigfachen Tätigkeits- und Interessengebiete der beiden ungleichen und doch innig verbundenen Brüder geben Einblick in weite Bereiche des europäischen Geistes- und Wirtschaftsleben des 19. Jahrhunderts. In der Verflechtung der beiden Biografien ergibt sich so ganz von selbst eine enge Verbindung von internationaler Banken- und Kulturgeschichte. ...
L’ouvrage dirigé par Werner Plumpe et André Steiner propose une étude ambitieuse des mutations de l’industrie allemande, tant à l’Ouest qu’à l’Est, entre les années 1960 et les années 1990. Contestant l’image d’une simple crise de l’industrie, les différentes contributions insistent sur les mutations du secteur industriel face aux changements structurels auxquels ont été soumises la RFA et la RDA depuis les années 1970. Présentant les résultats d’un projet de recherche soutenu par la Deutsche Forschungsgesellschaft, l’ouvrage réunit quatre études empiriques qui, à l’échelle des entreprises, réfutent l’idée d’une Allemagne post-industrielle. ...
Le cas Thyssen a déjà fait couler beaucoup d’encre et cette biographie n’est pas la première sur l’un des membres de cette famille ou sur l’entreprise. Il s’agit ici d’August Thyssen, le fondateur de l’immense Konzern qui, juste avant sa mort (1926), devient les Vereinigte Stahlwerke, le plus grand groupe sidérurgique allemand, représentant alors environ la moitié de la production d’acier. L’ouvrage présenté ici est issu d’une thèse de doctorat soutenue en 2006 à l’université de Bochum; il est basé sur un ensemble riche et large de sources d’entreprises, de sources publiques et de presse, parmi lesquels une importante correspondance privée jusque-là en grande partie inexploitée. Dans une longue introduction, l’auteur se positionne par rapport à plusieurs champs de recherche en cours, tels que les recherches sur les élites sociales et économiques, l’histoire industrielle et celle des entreprises, ainsi que l’histoire régionale. Cette biographie se présente aussi comme une histoire sociale, avec plusieurs perspectives: d’une part, Fritz Thyssen est présenté dans son groupe social d’appartenance, d’autre part sont évoquées les conditions matérielles et institutionnelles de la société allemande au cours du XIX e siècle, et comment l’interaction sociale y évolue. ...
"Das Private ist politisch", lautete ein Slogan, unter welchem die deutsche Frauenbewegung ab 1968 eine Auseinandersetzung mit der etablierten Geschlechterhierarchie einforderte. Und politisch ist das Private auch nach Dagmar Herzog, die mit dem vorliegenden Band einen gelungenen Überblick über die Geschichte der Sexualität in Europa liefert. Seien es Fragen der Empfängnisverhütung, Homosexualität, Pornographie, Vergewaltigung oder der Geschlechtskrankheiten, stets waren die nationalen Regierungen unweigerlich involviert, weil sie nicht umhin kamen, Regelungen zu fixieren und somit Verhaltensmuster vorzugeben oder diesen mit der juristischen Rahmenordnung zu folgen. Das Buch reicht aber weiter, indem es sich auch die Rekonstruktion sexueller Ethiken zum Ziel setzt: Welche Gedanken und Empfindungen waren mit Sexualität verbunden, was löste Ängste aus, was wurde bekämpft? Inwiefern änderte sich die Einstellung der Gesellschaften im Laufe des Jahrhunderts? Denn letztlich ging es immer wieder aufs Neue um die Deutungshoheit, was richtig und was falsch ist. ...
Diese monumentale Darstellung des Lebens und der Wirksamkeit Adelas von Blois will das gesamte historische Umfeld der Protagonistin mit deren Augen sehen und bewerten anstatt sie konventionell-allgemeinen Fragestellung wie etwa der nach der Rolle adliger Frauen in ihrer Zeit und Gesellschaft auszusetzen. Als Grundlage dient eine möglichst vollständige Rekonstruktion ihrer Lebensgeschichte und der politischen Aktivitäten, aus der sich dann die Biographie einer französischen Fürstin in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts ergeben soll. ...
Der durch sein Buch zur Regierung und Verwaltungsorganisation der frühen Capetinger als Kenner dieser Epoche ausgewiesene Autor legt eine umfassende Biographie Ludwigs VI. vor, die eine empfindliche Lücke jedenfalls zu großen Teilen schließt, denn eine zusammenfassende monographische Darstellung der Zeit und Wirksamkeit dieses Königs (1108–1137) fehlt seit langem. ...
Völlig zu Recht ist diese bei Jean-Bernard Marquette an der Universität Bordeaux 3 gearbeitete Dissertation mit dem "Prix de la fondation Charles-Higounet" der Académie nationale des sciences, belles-lettres et arts de Bordeaux ausgezeichnet worden, steht sie doch würdig in der guten regionalgeschichtlichen Tradition dieses großen Gelehrten, dessen Arbeiten und Methoden sich immer wieder mit der deutschen landesgeschichtlichen Forschung auseinandergesetzt haben. ...
Wie kein anderes Unternehmen steht der frühere Flick-Konzern für die enge Verbindung zwischen Wirtschaft und nationalsozialistischem Regime. Sein Wachstum wurde im Dritten Reich von kaum einem Unternehmen übertroffen. Der Konzern profitierte im großem Ausmaß von "Arisierungen", war ein bedeutender Rüstungsproduzent und beschäftigte zehntausende von Zwangsarbeitern. Das alliierte Militärtribunal in Nürnberg zog die leitenden Direktoren zur Verantwortung und verurteilte führende Männer des Konzerns. Das genaue Ausmaß der Verstrickung des Unternehmens in die Verbrechen des Dritten Reiches entzog sich aber lange einer umfassenden Aufarbeitung und wurde durch den Umstand erschwert, dass es heute den Konzern nicht mehr gibt. Dabei ist das Unternehmen wie kein zweites durch seinen Namen mit Affären und Skandalen verbunden. Der Bogen reicht von der so genannten "Gelsenberg"-Affäre in der Weimarer Republik über den Parteispenden-Skandal der Bonner Republik bis zur Eröffnung der Berliner Flick-Kollektion im Jahr 2004. Aus diesem Grunde ist es nicht nur begrüßenswert, sondern auch überfällig, dass das Münchener Institut für Zeitgeschichte sich in einer breit aufgestellten Studie der Geschichte des Konzerns widmet. ...
Wer sich auf die Suche nach "starken Frauen" des Mittelalters begibt, wird sogleich auf die berühmteste von allen treffen, auf Eleonore, die schöne und selbstbewusste Erbtochter Herzog Wilhelms X. von Aquitanien, Gemahlin erst Ludwigs VII. von Frankreich, danach Heinrichs II. von England. Er wird ihre Gestalt freilich nur undeutlich wahrnehmen, verhüllt von einem dichten Schleier aus Legenden und konventionellen Urteilen, die Eleonore bis in die Gegenwart populär gemacht und sich erstaunlicherweise seit dem Mittelalter kaum geändert haben, immer noch persönliche Motive unterstellend, wo nach politischen Intentionen gefragt werden muss. Obwohl die Herzogin von Aquitanien ihren beiden Ehemännern das Fundament für erweiterte Herrschaft gelegt hatte, wurde ihr Anspruch auf Teilhabe mit diffamierenden Gerüchten abgewehrt, die noch immer reichlich Stoff für moderne psychohistorische Spekulationen liefern. Ein solcher Sumpf lässt sich nur mit Spezialkenntnissen trockenlegen, und diese vermittelt der Autor in seinem sympathisch klar geschriebenen Buch, fundiert durch souveräne Kenntnis der Quellen (darunter das Material für die in Cambridge vorbereitete Edition der Urkunden Eleonores) und der Forschung. ...
Der vorliegende Sammelband des groupement de recherche (GDR) bildet nicht nur den Abschluss des seit 2003 betriebenen Verbundprojektes »Les Entreprises françaises sous l’Occupation« über die Geschichte der französischen Wirtschaft und Unternehmen in der Zeit der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs, sondern stellt bereits die zwölfte Publikation des Großvorhabens (plus zwei thematische Schwerpunkte in deutschen und französischen Fachzeitschriften) dar, in denen die unterschiedlichen Perspektiven (Unternehmen der unbesetzten Zone, Konsumgüterindustrie, Medien, oder Energieunternehmen, Transportsektor, Arbeitsbeziehungen, Wirtschaftsorganisation u. a.) in rund 300 Artikeln behandelt wurden. Der vorliegende Band, der auf die gleichnamige Konferenz an der Universität Metz 2009 zurückgeht, widmet sich dabei der Frage, welche Folgen die Besatzung für die Entwicklung der französischen Unternehmen nach deren Ende bis Anfang der 1960er Jahre besaß. ...
Solche Bücher gab es vor dem Ersten Weltkrieg in Deutschland auch: Prachtwerke zur nationalen Erbauung eines seiner selbst nicht mehr ganz sicheren Publikums, das ein unüberhörbares Mahlen des Zahns der Zeit doch tapfer ignorieren wollte. Wer den Band aufschlägt und in der vorangestellten "Liste d’honneur des souscripteurs" als erläuterndes Prädikat hinter einem Namen "catholique et royaliste" liest, hat rasch Gewissheit: Mit Wissenschaft hat das teure Produkt nichts zu tun, viel dagegen mit Fragen wie der, "que notre Louis IX est bien nommé saint Louis, et non Saint Louis selon une mode universitaire qui se répand depuis quelques années" […]. J’écris donc comme dans les livres de ma religion, […]. De même, pour le héros de ce livre, et suivant la mode des anciens, j’écris Roi avec majuscule quand je parle de lui, car c’est le Roi par excellence, […]« (S. 14). In diesem Stil sprechen vier umfangreiche Kapitel über den König, königliche Symbolik, seine Umgebung und die Heraldik der Kapetinger; opulent illustriert mit Reproduktionen aus Handschriften des 13.–16. Jahrhunderts (darunter aus dem um 1250 entstandenen Krönungsordo BnF lat. 1246), schönen Faksimiles der Bulle Papst Gregors IX. für Ludwig IX. von 1239, der Gründungsurkunde der Sainte-Chapelle (1246), einer zur Unlesbarkeit verkleinerten Frankreichkarte aus dem 19. Jahrhundert, Photos der Sainte-Chapelle, Beispielen der Chartreser Glasfenster, Siegeln (u. a. des Königs, seiner Mutter, Margarethes von Provence, Peters II. von Courtenay, Rudolfs II. von Vermandois, Odos III. von Burgund, des Reimser Domkapitels), Münzen, der sog. "Cassette de St-Louis" (um 1236), Fotos erhaltener Teile des Krönungsornats (Sporen, Schwert Karls des Großen), Reproduktionen verlorener Stücke nach der "Collection Gaignières" und anderer gelehrter Werke des 17. und 18. Jahrhunderts (u. a. Félibien), Historiengemälden des 17. und 18. Jahrhunderts, nicht zuletzt zahlreichen Malereien von Claude de Gallo in der Art von Kinderbuchillustrationen (Ludwig IX. im Krönungsornat und zu Pferd, Blanche von Kastilien und Margarethe von Provence, Robert I. von Artois, Karl von Anjou und viele mehr) und einer bonbonfarbenen "Reconstitution de la sainte couronne ou couronne de S. Louis" von Jörg Mauriange. ...
Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist die Frage nach der Anwendbarkeit des Begriffs "Nation" auf mittelalterliche Staaten und Reiche. Die Antwort kann sich weder aus dem Disput um treffende Definitionen ergeben noch aus der Begriffsgeschichte. Definitionen stehen am Ende, nicht am Anfang empirischer Untersuchungen, und die Begriffsgeschichte hat gezeigt, daß das Wort natio im Mittelalter andere, vom neuzeitlichen Sprachgebrauch jedenfalls verschiedene Bedeutungen hatte. ...