940 Geschichte Europas
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In Völkerschaustellung in Deutschland und Frankreich von 1874 bis zum Ersten Weltkrieg werden ethnologische Ausstellungen fremder Kulturen und Völker als Phänomen der Kolonialzeit untersucht. Es wird deutlich, dass diese heute befremdlich wirkenden Völkerschauen keineswegs allein aus imperialen Politiken und Praktiken heraus erklärt werden können. Anhand deutscher und französischer Quellen – Zeitungen, Zeitschriften und ausgewählte Ego-Dokumente – werden die jeweiligen gesellschaftlichen Diskurse rund um die Völkerschauen vergleichend untersucht, dabei die Frage nach zeitgenössischen Imaginations- und Konstruktionsformen des Fremden oder nach Wahrnehmung und Attraktivität von Exotik gestellt. Jenseits kolonialer Propaganda – und trotz der nationalen Unterschiede in Darstellung und Inszenierung – können in beiden Ländern unternehmerische Interessen der Veranstalter und insbesondere Neugier und Unterhaltungsbedürfnis der Ausstellungsbesucher als wichtige Faktoren zur Erklärung des Phänomens der Völkerschauen und der sie begleitenden Diskurse herausgearbeitet werden.
Krieg, das haben wir von den Massenmedien gelernt, ist nur dort, wo jemand zusieht, das spectaculum bedarf des Mediums. Mediale Aufmerksamkeit bestimmt darüber, ob Kriege und ihre Folgen überhaupt noch von jemand anderem wahrgenommen werden als von den unmittelbar Betroffenen. Manipulationen über die Nachrichten vom Krieg sind so alt wie das Kriegswesen, nur tritt heute neben die Manipulation das Ringen um die knappe Währung Aufmerksamkeit. Längst haben wir uns an bizarre Mitteilungen wie die gewöhnt, der Afghanistan- Krieg sei der erste des neuen Jahrtausends gewesen, während dauerhaft schwelende Kriegsherde der Welt unbeachtet bleiben. Und längst ringen die Siegessicheren darum, dass sie ihren Krieg vor allem medial gewinnen – das andere ist gar nicht so wichtig. Um all dies geht es Thomas Scharff in seiner Habilitationsschrift eigentlich gar nicht. Eigentlich. Dennoch ist er mit seiner Analyse von Texten über den Krieg der Karolinger ganz nah dran am 21. Jahrhundert. Nicht warum Krieg geplant, geführt und wie er gewonnen wird, sondern das Schreiben der "Intellektuellen" über Krieg, der Krieg als Thema – das ist Scharffs erklärtes Vorhaben. Nach Politik und Sozialgeschichte soll nun die Historiographiegeschichte den Blick auf neue Facetten eröffnen. ...
What happened to the tremendous legacy of juridical knowledge left behind in Italy in the 6th century? Into what labyrinth did it plunge only to re-emerge after the silent age of the early Middle Ages into the light of day, and effectively come to shape the renewal of the jurisprudence at the beginning of the 12th century? One-and-a-half centuries after the fanciful writings of Hermann Fitting, legal historians are still looking for the answers to these questions. Considering the new information we have (especially coming from the paleographical research), this paper re-examines the existence as well as the activities of the school of Rome both during the Justinian Age and in the two centuries thereafter. The aim of this essay is to verify whether Rome, during the very early Middle Ages, continued to represent a centre of juridical culture. According to the hypothesis developed in this contribution, Rome – at that time – not only played a very important role with regard to the material conservation of the Justinian’s libri legales, but also in the initial establishment of the new (i. e., Justinian) imperial law in the West and creation of its image as a significant juridical centre. The absence of such a centre as well as its wide-spread image would truly make the Bolognese renovatio appear "miraculous" and very difficult to explain.
After Justinian, the 7th and 8th centuries can truly be characterised as "silent" in the history of Roman law in the West. However, by studying the medieval manuscript tradition, in particular, that of the Institutiones and the Novellae, we can gather together a series of elements helping us to clarify the situation. Also quite useful is an examination of the manuscript tradition of the Collatio legum Mosaicarum et Romanarum. Through the spread and use of these Late Antique works, we can see how – in conjunction with the actions of the papacy – Rome, toward the end of the 8th century, returned to being a centre of world politics and – given that law follows politics – of the legal culture.
Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist die Frage nach der Anwendbarkeit des Begriffs "Nation" auf mittelalterliche Staaten und Reiche. Die Antwort kann sich weder aus dem Disput um treffende Definitionen ergeben noch aus der Begriffsgeschichte. Definitionen stehen am Ende, nicht am Anfang empirischer Untersuchungen, und die Begriffsgeschichte hat gezeigt, daß das Wort natio im Mittelalter andere, vom neuzeitlichen Sprachgebrauch jedenfalls verschiedene Bedeutungen hatte. ...
Am 1. Juni fanden im großen Konferenzsaal des DHI Warschau zum dritten Mal die mittlerweile fest im Veranstaltungs-Repertoire verankerten Lelewel-Gespräche statt. Sie sind als ein Diskussionsforum zu aktuellen Fragen der polnischen Forschung angelegt. Als Diskutanten waren auf das Podium die Mediävisten Bernhard Jussen (Frankfurt a.M.) und Jerzy Strzelczyk (Posen) sowie der Archäologe Przemysław Urbańczyk (Warschau) geladen. Gegenstand der kontroversen Debatte sollten Konzeptionen von Staatlichkeit und die Anwendbarkeit dieses Begriffes auf das frühmittelalterliche Herrschaftsgebilde der ersten Piasten sein. ...
Hans-Ulrich Wehlers Gesellschaftsgeschichte ist eine Art historiographisches Markenzeichen. Herrschaft, Wirtschaft und Kultur bilden als prinzipiell gleichberechtigte "Achsen" die Betrachtungsebenen bereits im ersten Band der Gesellschaftsgeschichte von 1987.1 Schon damals gestand er im methodischen Programm zu, dass es auch den Primat einer "Achse" geben könne – im vierten Band2 ist nun von der Balance der Achsen tatsächlich immer weniger zu spüren: Mehr und mehr räumt der Autor der Politik den Primat ein, die Bedeutung der Achse "Herrschaft" wächst kontinuierlich. Dies kann man Wehler als Abweichung von seinem methodischen Gesamtprogramm vorhalten oder anerkennen, dass er zu Recht für die analytische Erfassung insbesondere der Endphase Weimars und der Zeit des Nationalsozialismus nicht dogmatisch an seinem ursprünglichen Konzept festgehalten hat. ...
In Spätmittelalter und früher Neuzeit spielten Juristen bei der Pestbekämpfung eine wachsende Rolle: Während die Mediziner darüber stritten, ob die Körpersäfte schuld waren an der Ausbreitung der Seuche oder der Kontakt mit Erkrankten, organisierten juristisch gebildete Amtsträger für ihre Obrigkeiten eine beispiellose Politik staatlicher Intervention. Diese Strategie war zwar erfolgreich, zuweilen jedoch auch gnadenlos.
Das Paradigma, über das ich spreche, steht im Titel: Es geht um unsere fest institutionalisierte universalhistorische Langzeitbehauptung "Antike – Mittelalter – Neuzeit". Zeitlichkeit wird – unausweichlich – in Makromodellen gefasst. Das im Moment institutionalisierte, geradezu zementierte Makromodell ist ein Produkt der sogenannten Aufklärung. Die Denkfigur "Antike – Mittelalter – Neuzeit" ist der klassische Fall eines Paradigmas. Dieses geschichtswissenschaftliche Paradigma steuert bis heute die Anordnung des Materials in Makrodarstellungen, also die Entscheidung darüber, in welchem Großkapitel welches Thema landet. Zugleich steuert es, welche Inhalte überhaupt auftauchen. Viele heute besonders wichtige und durchaus gut erforschte Wissensfelder schaffen es nicht in die Handbücher, weil sie in den Makromodellen keinen Platz finden. ...
Die Frage nach Entstehung und Quellen des Schwabenspiegels ist ein gewissermaßen traditionelles Thema der germanistischen Rechtsgeschichte, es betrifft "das große Unbekannte" und sein Verhältnis zum Augsburger Stadtrecht von 1276, ein "klassisches Forschungsfeld", auf dem sich nun die zu besprechende Bayreuther Dissertation von Lucas Wüsthof bewegt. Wüsthof verweist auf Karl August Eckhardt, der 1927 als letzter Forscher die Abhängigkeit beider Rechtsquellen untersucht und festgestellt habe, dass die Verfasser des Augsburger Stadtrechts "eine Art Urtext" des Deutschen- und des Schwabenspiegels gekannt haben müssten (1–5). ...
Die juristische Europakarte bestand bis vor kurzem aus dem common law, dem romanistischen civil law und dem sozialistischen Recht. Angesichts dessen Niedergangs und des Zusammenwachsens Westeuropas vereint man die beiden ersteren unter dem altsowjetologischen Schild der western legal tradition, wodurch das Ostrecht aus der europäischen Rechtsgeschichte ausgegrenzt wird. Coings Weitsicht, Osteuropa einschließlich Russlands mindestens teilweise in die Disziplin einzubeziehen, findet praktisch keine Nachahmer. Immer noch versteht man, in Savignys Fußstapfen tretend, unter der "europäischen" mehr oder minder stillschweigend die westeuropäische Rechtsgeschichte. Die "Reformstaaten Mittel- und Osteuropas" tauchen in manchem Traktat der Rechtsvergleichung wie deus ex machina auf. Während man die Zäsur zwischen civil law und common law vernachlässigt, wird die europäische Natur Osteuropas, besonders Russlands und der Balkanländer, angezweifelt. ...
Many historians of Britain (and indeed, many Britons) celebrate that nation's "splendid isolation" from what they often deem "the continent," a.k.a. Europe. Scholars ranging from J. D. B. Clark to Linda Colley frame the formation of the United Kingdom as a "modern" state and a "modern" nation over the course of the eighteenth century as a process either unique to the British Isles or one that occurred as a (more often than not, positive) reaction to political and religious developments occurring across the English Channel. Few of these historians acknowledge that from 1715 until 1837, the British monarch also was the elector (after 1806, king) of Hanover, and that for most of this period the interests of that electorate/kingdom played a significant role in British politics and foreign policy, just as Ireland and Scotland had while they were in personal union with England. Those who note this union refer to these rulers as "The Hanoverians" (as a bevy of titles of works on eighteenth-century Britain attest to), but by and large, they minimize any influence that the actual or ancestral homeland of these rulers had in Great Britain besides the bequeathing of their dynastic name or, more negatively, the involvement of a reluctant "Blue Water" power in "European" wars of little significance to her. ...
Im Jahr 1943 wurde die 1926 gegründete "Abteilung Westen" des Instituts für Konjunkturforschung, Berlin (heute: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW) als "Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.V." (RWI) verselbstständigt.
Rainer Fremdling untersucht im ersten Teil bis 1945 die Umorientierung von der Konjunkturforschung in der Weimarer Republik zur Raumforschung unter dem Nationalsozialismus und der Kriegswirtschaft, wobei die enge Verzahnung des RWI und des DIW mit dem NS-Herrschaftssystem deutlich wird.
Toni Pierenkemper widmet sich der Geschichte des RWI seit Kriegsende. Hierzu gehört die Wiederbegründung und Neuorientierung des RWI (1945 bis 1952) ebenso wie die Rolle des Instituts im wirtschaftlichen Strukturwandel und in der neuen Wirtschafts- und Währungsordnung (1952 bis 1974), in den Krisen der folgenden Jahre (1974 bis 2000) und schließlich die Neuausrichtung im neuen Jahrtausend (2000 bis 2018). Die komplexen Beziehungen zwischen Wirtschaft, Politik und wirtschaftspolitischer Beratung werden dabei offenbar.
Ziel des Projekts ist es, nicht nur die Geschichte des RWI zu dokumentieren, sondern diese in die jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungen einzubetten. Das so entstehende umfassende Bild geht weit über eine reine "Institutshistorie" hinaus und lässt die deutsche Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im Untersuchungszeitraum lebendig werden.
Wirtschafts- und Rechnungsbücher bieten mehrdimensionale Zugänge und erfordern multidisziplinäre Annäherungen. Dass sie weit mehr sind als Einnahmen- und Ausgabeverzeichnisse zeigen die hier vorliegenden 17 Beiträge mit Beispielen von Lübeck bis Lyon. Sie vereinen die Ergebnisse eines Workshops, der diese Gattung serieller Quellen von Seiten der Geschichtswissenschaft und der Historischen Sprachforschung, der Editions- und Medienwissenschaft sowie der historischen Wirtschafts- und Betriebswirtschaftswissenschaft in den Blick genommen hat.
In 1905, the managing editor of the Jewish Encyclopedia, Isidore Singer (1859–1939), published an article in the journal Ost und West from a "bird’s eye perspective on the development of American Jewry in the last 250 years." In this historical overview, Singer eventually attested that Jewish scholarship in America had an "absolute dependency on the European motherland." This judgment was based on his disapproving view of the two American rabbinical seminaries that existed at that time. According to Singer, there were still no scholars at the Hebrew Union College (HUC) in Cincinnati of the "already American[-born] generation of Israel." In fact, Singer’s observation was appropriate because it applied to the Jewish Theological Seminary of America (JTSA) in New York as much as to the HUC.3 Despite the history of Jewish settlement in America, around 1900 there was still no native Jewish scholarship in America. The scene was dominated by scholars educated in Europe, who often came with broken English and a strict academic sense of mission. In 1903, Kaufmann Kohler (1843–1926), born in Bavaria and trained at German universities, was chosen as the president of HUC. And a year earlier, Solomon Schechter (1847–1915) had been called to the JTSA in New York as its new president. ...
In seinem Handbuch und in seinen zahlreichen Beiträgen zur Geschichte des öffentlichen Rechts hat Michael Stolleis einen besonderen methodischen Ansatz entwickelt, den er ausdrücklich als einen "wissenschaftsgeschichtlichen" vorgestellt hat. Damit ist ein Ansatz gemeint, der die gelehrte Diskussion berücksichtigt, um die Wege zu rekonstruieren, auf denen Recht und Politik seit der Frühen Neuzeit in ihrem wechselseitigen Verhältnis bestimmt wurden, an dem Ausbau des modernen Staats teilnahmen und dem historischen Prozess die Mittel zur Selbstverständigung anboten. Wie würde es nun aussehen, wenn wir diesen methodischen Ansatz systematisch in der Geschichte der moralphilosophischen Lehren und besonders in der Geschichte des politischen Denkens anwendeten? Was könnte man sehen, wenn man die Frühe Neuzeit in der Perspektive einer radikalisierten wissenschaftsgeschichtlichen Methode betrachtet? ...
This article covers the verbs kopulieren (copulate) and kaufen (buy) with the meaning of, religious and legal marriage’ followed by the verb verändern (change) with the meaning of ,marry’, ,getting married’. The case examples show that certain meanings of a verb which have been retained in Transylvanian documentary sources and the Transylvanian-Saxon vernacular are indeed mentioned in High German, however, they are marked ,archaic’ (see the given meanings of the verbs kopulieren, originating from Latin and the given meanings of the verb verändern originating from Middle High German). On the other hand, when a certain meaning of a verb is not documented in High German any longer, Transylvanian document sources and the Transylvanian-Saxon vernacular can serve as documentation (see the verb kaufen which has retained the Middle High German meaning). The case examples are taken from the Transylvanian-Saxon Dictionary and the North-Transylvanian-Saxon Dictionary.
Zu einem Aspekt der Beziehungen zwischen lateinisch-christlicher und arabisch-islamischer Welt
(2011)
Wohl kaum eine Beziehungsgeschichte zwischen Kulturräumen zieht derzeit soviel Aufmerksamkeit auf sich wie die zwischen "dem Westen" und "der islamischen Welt". Gerade hier zeigt sich, wie sehr die Periode, die wir gemeinhin als "das Mittelalter" bezeichnen, heutige Diskurse beeinflusst. Einzelphänomene dieser Beziehungsgeschichte sind ein so fester Bestandteil der heutigen Vorstellungswelt, dass sie auch das Bild dieser Beziehungen bis heute maßgeblich prägen. Dies gilt insbesondere für die arabisch-islamische Expansion, die Kreuzzüge und die so genannte "Reconquista". Sie beschwören nicht nur Bilder von religiösen Fanatikern herauf, sondern sind – gerade die Kreuzzüge – so stark im konzeptuellen Denken verankert, dass sie für einen geradezu in epische Dimensionen reichenden Antagonismus zweier Kulturen stehen, für die eine Variante des Monotheismus (Christentum/Islam) und eine das Geistesleben bestimmende Sprache (Latein/Arabisch) grundlegend sind. ...
Zu Risiken und Nebenwirkungen – Medizin im Mittelalter zwischen Astrologie und Aderlassmännchen
(2018)
Ohne die detaillierte Darstellung eines Aderlassmännchen wäre der gelehrte, mittelalterliche Mediziner vermutlich aufgeschmissen gewesen. Nur sie verriet ihm garantiert, ob die Sternenkonstellation günstig war, den Körper seines Patienten mittels Aderlass erfolgreich zu entgiften. Ein Blick auf die Anleitungen zur "heilsamen Blutspende" im Mittelalter. ...
Die Welt im Sandkorn zu entdecken gehört seit jeher zu den Sehnsüchten der Historiker. Mit Blick auf das Ganze, das Allgemeine, wird oft das Typische, das Exemplarische bemüht, das man in Einzel- oder Fallstudien einzufangen glaubt. Hinge die Relevanz lokaler Studien von der Prämisse ab, die große Welt im Kleinen finden zu müssen, hätten sie schlechterdings keinerlei Relevanz. So zumindest urteilt Clifford Geertz über entsprechende Studien in der Ethnologie nach dem Modell "Jonesville-ist-die-USA". Der Versuchung eines solchen Modells ist Francisca Loetz in ihrer Heidelberger Habilitationsschrift über frühneuzeitliche Blasphemie am Beispiel Zürcher Gotteslästerer erlegen. In einer Langzeitstudie vom späten 15. bis zum frühen 18. Jahrhundert untersucht Loetz rund 900 dokumentierte Fälle der Wortsünde des Fluchens, Schwörens und Schmähens bei "Gotz schedel", "Gotz bart" oder "Gotz nasa". Delikte, bezüglich derer man im 16. Jahrhundert empfahl, den Angeklagten ein Schloss für ihre Zungen zu schlagen. Die Ergebnisse dieser Studie erfüllen jedoch nicht den erhobenen Anspruch der Repräsentativität für das Westeuropa der frühen Neuzeit. Und sie müssen es auch nicht, denn die Arbeit hat auch ohne diesen Anspruch genug zu bieten. ...
Soviel Licht auch bereits durch die sorgfältigen Untersuchungen des selb. Wenck's über die Genealogie obiger Herren verbreitet ist, so bietet dieselbe demohngeachtet noch so manche Dunkelheit und Lücke dar, deren Erhellung und Ausfüllung um so wünschenswerter erscheinen müssen, da jenes Herrengeschlecht sowohl durch Güterbesitz als auch durch die Persönlichkeit seiner Glieder eine sehr hervorragende Stellung einnahm. ...
The article presents a chronicle of the town of Kaaden (Kadaň) dating from the 16th century, currently held in Prague's Monastery of Our Lady of the Snows. It explores several aspects of Humanistic urban history writing, including the presence of the author in the text of the chronicle, the methodology of the author's historiographic work, and his choice and use of language (German, Latin). The study also presents this chronicle as an interesting and important source of information on writing practices in north-west Bohemia from a text-analytical perspective.
Im Rahmen der neuen Augsburger Konziliengeschichte hat Erich Meuthen den Band „Das Basler Konzil (1431-1449)" übernommen, dessen Abfassung vor allem aufgrund des überreichen und nur teilweise erschlossenen Quellenmaterials erhebliche Vorarbeiten fordert. Im Zusammenhang mit diesen noch zu leistenden Vorstudien steht meine Untersuchung; prosopographisch orientiert, widmet sie sich einer Gruppe des Basiliense, der im Konzilsverlauf quantitativ wie qualitativ wesentliches, nach Meinung nicht weniger Forscher gar entscheidendes Gewicht zukam. Ich versuche in meiner als Habilitationsschrift geplanten Arbeit, zunächst die in Basel persönlich anwesenden Väter, die Prokuratoren von Kirchen, Klöstern, Universitäten, Städten etc. zu erfassen, des weiteren in Frankreich selbst die in der Umgebung Karls VII. und auf den grollen Klerusversammlungen des Reichs für die Kirchenpolitik entscheidenden Männer sowie den wegen Suppliken, Streitigkeiten, Kommissionen und Zitationen mit der Synode in Beziehung stehenden Personenkreis zu beschreiben und deren Lebens- und Wirkraum auszuleuchten. Alsdann ist das vielfältige und ungeachtet der durch den Hundertjährigen Krieg bedingten politischen Parteiungen oft überraschend enge Beziehungsgeflecht zwischen diesen Personen und Gruppen aufzuspüren und seinen Auswirkungen auf das konziliare Geschehen nachzugehen. Denn für das Verständnis mancher Vorgänge in Basel bietet die Kenntnis persönlicher Abhängigkeiten, Freundschaften und Feindschaften oft die einzige Lösung, die zumal bei den ausgeprägt kollegial-korporativen Verfassungsstrukturen dieser Synode nur zu naheliegen, wie E. Meuthen zu Recht betont.
Der Aufsatz "Zwischen Sachlichkeit, Idylle und Propaganda. Der Kulturfilm im Dritten Reich" von Peter Zimmermann beschäftigt sich mit der Nazi-Propaganda in den Filmen des Dritten Reiches. Dabei analysiert er typische Kulturfilme dieser Zeit und stellt die These auf, dass der Kulturfilm des Dritten Reichs vielfältiger, widersprüchlicher und in weiten Teilen weniger propagandistisch gewesen zu sein scheint, als es das kritische Stereotyp wahrhaben möchte.
In einer diachronen Vergleichsstudie sollen die Probleme des frühneuzeitlichen Seehandels Dänemarks und der Hansestädte gegenüber den Barbaresken beschrieben und verschiedene Lösungsmodelle wie auch die Implementierung derselben herausgearbeitet werden. Die Gefährdung der Schifffahrt auf dem vogelperspektivisch konzipierten Raum Meer mit einem nach Süden hin steigenden Risiko führte zu einer kartographischen Einteilung von Risikozonen. Die institutionelle Antwort auf diese Entwicklung kann mit den Begriffen Sklavenkasse und Türkenpässe idealtypisch zusammengefasst werden.
Seit vielen Jahren beschäftigt sich Sheilagh Ogilvie, kanadische Wirtschaftshistorikerin an der Universität Cambridge und Mitglied der British Academy, mit Gilden und Zünften und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung. Sie begann einst mit den württembergischen "Engelsaitwebern" (wohl von "English satin" – Hersteller wertvoller Tuche) in Calw und Wildberg im Nordschwarzwald im 17. Jahrhundert und hat seitdem den Fokus zeitlich wie räumlich immer weiter geöffnet. 2011 erschien ihr Buch über die Kaufmannsgilden ("Institutions and European Trade. Merchant Guilds 1000–1800"), und nun folgt unter der gleichen Leitfrage das Pendant auf der Ebene der Handwerkerzünfte: Haben Gilden und Zünfte zum Wirtschaftswachstum beigetragen? Ihre Antwort ist negativ. Von einem wirtschaftsliberalen Standpunkt aus charakterisiert Ogilvie die Zusammenschlüsse der Kaufleute und Handwerker als am Gemeinwohl kaum interessierte Vereinigungen, denen es vor allem um die Sicherung der Vorteile ihrer Mitglieder zum Nachteil der Konkurrenz, der Kunden und des technischen Fortschritts ging und die dazu hohe Eingangsbarrieren errichteten, nach besten Kräften mit den Regierungen der Länder und Städte kollaborierten und die Märkte manipulierten, indem sie die Lieferketten kontrollierten und die Preise hochhielten. ...
Il existe sans doute peu d’histoire des relations entre deux aires culturelles qui suscite autant d’attention à l’heure actuelle que celle des relations entre « l’Occident » et le « monde musulman ». Elle montre particulièrement bien combien la période que nous qualifions communément de « Moyen Âge » influence les débats actuels. Certains phénomènes de cette histoire sont aujourd’hui si fortement enracinés dans l’imaginaire collectif qu’ils continuent à façonner de manière significative la représentation même de ces relations. C’est le cas en particulier de l’expansion arabo-musulmane, des croisades et de ce que l’on appelle la « Reconquista » : ces phénomènes n’évoquent pas seulement des images de fanatiques religieux, mais ils sont – les croisades notamment – ancrés si profondément dans notre pensée conceptuelle qu’ils sont considérés comme l’expression d’un antagonisme quasi épique entre deux civilisations, au fondement desquelles se trouvent une variante de monothéisme (chrétienté / islam) et une langue sur laquelle repose la vie intellectuelle (latin / arabe). ...
Im Jahr 2017 sind zwei Sammelbände erschienen, die aus beinahe zeitgleichen Tagungen im November 2015 zur Entwicklung des öffentlichen Rechts in Frankreich 1914–1918 hervorgegangen sind: Der eine ist der von Elina Lemaire (Universität Bourgogne – Franche-Comté) herausgegebene Band zum öffentlichen Recht während des Krieges, der andere der vom Conseil d’État selbst herausgegebene Band zu seiner Funktion und (gestaltenden) Rolle während der Kriegsjahre. Insoweit die Entwicklung des öffentlichen Rechts in Frankreich ohne den Conseil d’État kaum sinnvoll untersucht werden kann und umgekehrt eine Geschichte dieses Conseil kaum unter Auslassung seines Einflusses auf die Rechtsentwicklung geschrieben werden kann, nähern sich beide Bände aus unterschiedlichen (aber auf das öffentliche Recht fokussierten) Perspektiven gewissermaßen einem gemeinsamen Gegenstand: der Rechtsstaatlichkeit im Krieg und namentlich der Rechtsstaatlichkeit in einer Republik im Krieg. ...
Häufig wird angenommen, man sei dort "zu Hause", wo man geboren wurde. Man könnte etwa sagen: "Hier! Hier bin ich zur Welt gekommen", und mit diesen Worten wäre impliziert, dass man sich keinen vertrauteren, wertvolleren und intimeren Ort vorzustellen vermag. Dieser Ort wäre, anders ausgedrückt, der Ort, wo man hingehört. Der Ort, an dem man geboren wurde, ist jedoch willkürlich. Menschen wurden im Exil geboren oder auch neben Straßensperren. Tatsächlich hat kein Mensch Einfluss auf die Umstände der eigenen Geburt. Der eigene Geburtsort bedeutet also nur auf indirekte Weise Zugehörigkeit. In Wirklichkeit bezeichnet nichts mehr Zugehörigkeit als ein Grab. Ein Grab ist ein fester Ort, auf den man zeigen und dabei feststellen kann: "Hier liegen mein Vater und seine Vorfahren begraben, und hier werde auch ich eines Tages begraben sein." Es ist der Ort, den man häufig für sich selbst auswählen kann, wo das Menschliche schließlich eins mit der Erde wird. Diese grundlegende Einheit des Belebten und Unbelebten veranlasste etwa Giambattista Vico zu der Aussage, in früheren, primitiveren und prosaischeren Zeiten sei der Grabstein ein rechtliches Gebilde. "So zeigten schon durch die Gräber ihrer Bestatteten die Giganten die Herrschaft über ihrer Ländereien an; [...] Und zu Recht", bemerkte Vico, "gebrauchten sie jene heroischen Redensarten: 'wir sind Söhne dieser Erde', 'wir sind geboren aus diesen Eichen' [...]." Somit gehört man nicht an den Ort, an dem man geboren wurde, sondern dorthin, wo man zur letzten Ruhe gebettet wird.
Manche Menschen besitzen mehr als nur einen Grabstein. Gershom Scholem ist einer von ihnen - eine merkwürdige Tatsache. Dem Anschein nach gehört Scholem, wenn er überhaupt irgendwohin gehört, nach Jerusalem.
Das Recht nimmt keine zentrale Stellung ein in diesem Band zu "Asian Perspectives on the Paris Peace Conference and the Interwar Order, 1919–33", dies sei gleich zu Beginn dieser Rezension in einer rechtshistorischen Fachzeitschrift angemerkt. Was dieser Band allerdings bietet, sind äußerst vielschichtige und differenzierende Perspektiven auf einen Gegenstand, der in der Rechtsgeschichte bislang nicht nur, aber vor allem auf seine Bedeutung im europäischen Kontext hin erforscht wurde. ...