ZfL Blog : Blog des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
Refine
Year of publication
- 2018 (32) (remove)
Document Type
- Part of Periodical (32)
Has Fulltext
- yes (32)
Is part of the Bibliography
- no (32)
Keywords
- Geschichte (9)
- Begriff (7)
- Theorie (5)
- Diversität (4)
- Vielfalt (4)
- Epos (3)
- Ganzheit (3)
- Literaturwissenschaft (3)
- Religion (3)
- Berlin (2)
17.12.2018
10.12.2018
Verbraucher
(2018)
Das Wort 'Verbraucher' hat einen vertrauten Klang und erfreut sich besonders in Form verschiedener Komposita wie 'Verbraucherschutz' oder 'Verbraucherpolitik' großer Wertschätzung. Abgeleitet ist es vom Verb 'verbrauchen'. Es scheint damit verwurzelt in einem anthropologischen Grundtatbestand, denn der Mensch ist nun einmal, als gesellschaftliches Naturwesen, auf den Verbrauch bestimmter Dinge angewiesen. Allerdings ist bereits das Verb 'verbrauchen' keineswegs so selbstverständlich, wie es zunächst scheint. Wer vom Verbrauchen redet, abstrahiert nämlich schon von den konkreten Formen und Zwecken der Aneignung der Dinge und stellt allein den Aspekt des Verlusts oder Endes ihrer Brauchbarkeit heraus. [...] Auch der Blick auf den Komplementärausdruck des Gebrauchens zeigt, dass es sich beim Verb 'verbrauchen' um eine Schwundform handelt. Eine weitere Reduktion wird vollzogen, wenn aus ihm das Substantiv 'Verbraucher' abgeleitet wird. Anhand der gängigen Unterscheidung von Gebrauchs- und Verbrauchsgütern lässt sich das verdeutlichen. Im Vergleich zu den Gebrauchsgütern ist der Anteil der Verbrauchsgüter, also der Dinge, die zum unmittelbaren Verzehr zur Erhaltung der Existenz bestimmt sind, sehr gering. Wenn nun der Mensch als Verbraucher angesprochen wird, dann wird gerade diese elementare Erhaltungsfunktion totalisiert und zur Wesensbestimmung aufgebläht. Was umgekehrt heißt: Im 'Verbraucher' ist der Mensch als kulturelles Wesen ausgelöscht. Wie ist es dazu gekommen?
26.11.2018
The conception of the whole as a system, that is, as a totality determined by one principle or idea, has dominated the philosophical tradition from Kant and Hegel to Marxism - and, as Louis Althusser's critique of Hegelianism shows, not without implicit social, political, and ideological consequences. The possibility of breaking with the idealist tradition in all of these respects rests on the articulation of an alternative conception of the whole. Althusser advances the notion of the social whole as a complex unity that is constituted through its own effects - what he calls "overdetermination." Such overdetermination of the whole displaces the conception of the whole as totality (Hegel) in favor of Spinoza's notion of modal unity - the whole as singularity.
19.11.2018
Der Einsicht, dass die Zeitschrift kein simpler "cargo truck" für intellektuelles Frachtgut ist, wird inzwischen auch in der Forschung Rechnung getragen. Damit wird nachgeholt, was für die 'history of books' schon längst selbstverständlich ist: Zeitschriften weisen Eigenlogiken auf, die kultur- und wissensgeschichtlich untersucht werden können und sollten. Nicht zuletzt sind sie immer auch Interventionen in eine spezifische historische Situation. [...] Periodika sind in der Geschichte der Ideen und Theorien, der Künste und der Wissenschaften der Neuzeit allgegenwärtig, und gerade deshalb sind sie theoriebedürftig. Der Arbeitskreis Kulturwissenschaftliche Zeitschriftenforschung hat sich 2017 als Initiative von und für Nachwuchsforscher*innen gegründet, die über Perspektiven auf diesen selbstverständlich-unselbstverständlichen Gegenstand nachdenken.
12.11.2018
Mit 'Synergie' werden kooperative Interaktionen bezeichnet, die zu einer neuen Qualität führen bzw. führen sollen. Spätestens im 19. Jahrhundert wurde auf den von 'synérgeia' ('Mitwirkung, Zusammenarbeit') abgeleiteten Gräzismus die Bedeutung des aristotelischen Satzes "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" übertragen. Nicht nur in den Natur- und Geisteswissenschaften, sondern auch in Ökonomie, Technik und Kunst haben Debatten über Synergien und ihre Effekte seit einiger Zeit Konjunktur. Dabei stellt sich die wissenstheoretische Frage, wie derartige Synergie-Modellierungen in die Generierung und Strukturierung von Wissen eingreifen und welches Innovationspotential sie für die Wissensgesellschaft mit Blick auf die Zukunft haben.
20.10.2018
Diverse museum diversities
(2018)
'Diversity' has become a lively key word in contemporary museum discourse and practice, with numerous policies and initiatives being conducted under its banner. Achieving 'diversity' is seen as something to be celebrated - a good thing in itself. But quite what 'diversity' refers to is itself heterogeneous, with this only rarely explicitly articulated or even recognised. As such, what exists is a shifting field of diverse diversities, which variously interlink and reinforce each other but which may also mask critical discrepancies, disconnects, incompatibilities and even contrary ambitions.
16.10.2018
Der Kiezkönig bleibt ein Paradox. Ob bei City oder in den verschiedenen Rap-Richtungen: Die Identifikation mit dem Problemkiez ist in der Popmusik einerseits ein wichtiges Zeichen für Unabhängigkeit und Widerstand. Andererseits ist sie eine Gratwanderung, denn der Querulant darf sich eben nicht wie ein absolutistischer Herrscher über alles und jeden erheben, sondern muss Milieutreue beweisen - und damit auch seinen Zuhörern die Möglichkeit geben, sich als gleichberechtigten Teil dieses Milieus zu imaginieren.
07.09.2018
Houllebecqs Science-Fiction : "Unterwerfung" und "Die zweite Invasion der Marsianer" der Strugatzkis
(2018)
Am 6. Juni 2018 wurde die deutsche Fernsehverfilmung von Michel Houellebecqs Roman "Unterwerfung" in der ARD gesendet. Auf die Erstausstrahlung folgte eine Gesprächsrunde zum Thema "Die Islamdebatte: Wo endet die Toleranz?" An der Programmzusammenstellung wird das Missverständnis deutlich, das sich in der öffentlichen Diskussion von "Unterwerfung" etabliert hat. Dieses Missverständnis besteht darin, die "Islamdebatte" als Thema des Romans zu begreifen und deshalb dessen Szenario zum Gegenstand einer politischen Debatte zu machen. [...] "Unterwerfung" (2015) ist kein Roman über die Auseinandersetzung mit dem Fremden, sondern über das Verhältnis zur eigenen Geschichte. Der exemplarische Fall materialisierter Geschichte ist in "Unterwerfung" die Literatur. Dass der Protagonist und Erzähler François ein Literaturwissenschaftler ist, der sich vorwiegend mit Texten von Joris-Karl Huysmans befasst, ist dem Roman dabei Mittel zum Zweck, die Literatur thematisch ins Zentrum zu rücken. [...] Der neuere literaturgeschichtliche Hintergrund für Houellebecqs Arbeit ist die Science-Fiction. Und tatsächlich lässt sich "Unterwerfung" als Hypertext eines Science-Fiction-Romans lesen. Dieser trägt im Deutschen den Titel "Die zweite Invasion der Marsianer", wurde von Arkadi und Boris Strugatzki erstmals im Jahr 1967 auf Russisch veröffentlicht und liegt in einer trashigen französischen Taschenbuchausgabe von 1983 als "La seconde invasion des Martiens" in der Reihe "Science-fiction soviétique" vor.
30.08.2018
Wer vom Populismus sprechen will, darf über den Liberalismus nicht schweigen. Es macht die Analyse komplexer, weil diejenigen, die sie betreiben, sich nicht mehr als unbeteiligte Beobachter ausgeben können. Allein schon der Begriff Populismus markiert ja eine Perspektive von außen, denn heutige Populisten nennen sich gewöhnlich nicht so. Wer den Begriff verwendet, ist unter den Vorzeichen eines sich immer weiter polarisierenden politischen Feldes also in der Regel dem Gegenlager der 'Liberalen' zuzurechnen. Dessen Vertreter sind an einer beide Seiten umgreifenden Dynamik beteiligt. Insofern ist auch die Art, wie sie über den Populismus sprechen, Teil des politischen Spieles. Deshalb reicht es nicht, das 'Narrativ des Populismus' mit seinen charakteristischen Merkmalen zu isolieren und, was ein leichtes Spiel ist, als trügerisch zu entlarven. Das Bild muss ergänzt werden um eine Analyse auch des 'liberalen Narrativs': der perspektivischen Verzerrungen, die es enthält, seiner Leerstellen und Ambivalenzen, vor allem aber der Gründe für seine geschwundene Integrationskraft sowohl im nationalen als auch im Weltmaßstab.
20.08.2018
Was bei Schrott aus seiner künstlerischen Bearbeitung der Wissens-'Tradition' geworden ist, ist nicht einfach zu sagen. Jedenfalls keine Naturreligion und keine Experimentaltheologie, sondern eine Dichtung, sehr groß dimensioniert, gewiss, aber doch stets nur "Stücke eines Epos: nicht in hehrem Anspruch, sondern als Poesie, die Welt enthält". Von Freuds Epostheorie her gesehen ist der befremdliche Titel "Erste Erde. Epos" gewissenhafte Leseanleitung: Achtung, Kunst! - Nicht beantwortet ist damit die Frage, warum Schrott die 'Tradition' von Wissenschaft und Wissenschaftsgeschichte literarisch bearbeitet hat.