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Alma Magdalene Knispel nimmt sich eines Klassikers und Wegbereiters des Denkens von und mit dem Berühren an: Jean-Luc Nancy. Sie geht der Rolle der Haut in Nancys "Corpus" nach und begibt sich damit auf die Spur eines Denkens, das sich von traditionellen Vorstellungen etwa des äußeren Begrenzens und Einschreibens lossagt, um den Körper von dessen Kontaktflächen her neu zu konzeptualisieren.
Hanna Sohns' Text befasst sich mit Luce Irigarays Philosophie und der These, dass Theorie von Geschlechtlichkeit nicht zu trennen ist. Sohns rekonstruiert, mit Irigaray, antike wie moderne Theorien des Geschlechts (Soranos, Freud) und deren Verstricktheit in Regime des Visuellen, um daran Irigarays am Paradigma des Berührens orientiertes Denken zu konturieren.
Was heißt Berühren Denken?
(2021)
Johannes Ungelenk reflektiert über den Titel des Bandes "Berühren Denken". Dem tastenden Spiel zwischen Berühren und Denken sind ausgewählte Stationen der philosophischen Beschäftigung mit dem Berühren zur Seite gestellt (Kant, Hegel, Husserl, Merleau-Ponty, Adorno, Irigaray), die dem vorgeschlagenen berührenden Denken eine Richtung weisen sollen.
Berühren Denken : Vorwort
(2021)
'Theorie' geht etymologisch auf 'Anschauen' zurück. Der Theoretiker gilt gemeinhin als distanzierter Zuschauer. Diese distanzierte Position wird hier hinterfragt. Die Beiträge stützen sich dabei auf eine theoretische Tradition, die sich am Tastsinn als Korrektiv des Sehsinns orientiert. Taktilen Erfahrungsdimensionen wie dem Berühren wird schon lange eine idealisierte 'unmittelbare Wahrnehmung' jenseits von begrifflicher Abstraktion zugeschrieben. Die Autorinnen und Autoren beleuchten dagegen die komplizierte Verwandtschaft von Berühren und Denken und die begrifflichen Verwicklungen und Potenziale des Berührens. Es werden nicht nur unterschiedliche Konzepte von Berührung in Philosophie und Kunst betrachtet, sondern auch theoretische Denk- und Schreibformen erkundet, die selbst 'Berührungen' mit sich bringen.
Das Harnblasenkarzinom ist einer der häufigsten Tumoren weltweit. Insbesondere die muskelinvasiven Tumoren haben eine schlechte Prognose und stellen sich morphologisch sehr unterschiedlich dar. Diese Heterogenität wird bislang bei Therapieentscheidungen nicht beachtet. Um Patienten zukünftig individuell auf den vorliegenden Subtyp des muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms (MIBC, muscle invasive bladder cancer) behandeln zu können und dadurch unnötige Belastungen durch Chemotherapien vermeiden zu können, ist eine einfache und kostengünstige Diagnostik erforderlich. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Einsatz bestimmter immunhistochemischer Färbungen als ein mögliches diagnostisches Routineverfahren zur Bestimmung der vorliegenden Subtypen auszutesten. Hierzu wurde die Expression von „luminalen“ und „basalen“ Proteinen mit histologischen Subtypen des MIBCs korreliert. In einem zweiten Schritt wurde der Einfluss auf das Überleben mit und ohne adjuvante Chemotherapie untersucht.
Es wurden insgesamt 181 Tissue-Microarray-Spots analysiert. Alle histologischen Patientenproben sowie klinischen Daten stammten aus dem Universitätsklinikum Frankfurt am Main. Aus den entsprechenden Gewebeblöcken wurden Stanzen zur Erstellung eines Tissue-Microarrays (TMAs) entnommen. Diese wurden konventionell angeschnitten und histologisch mit Hämatoxylin-Eosin (H/E) sowie immunhistochemisch mit Cytokeratin 5/6 (CK5/6), Cytokeratin 20 (CK20), Glutamyl Aminotransferase-Untereinheit A bindendem Protein 3 (GATA3), Tumorsuppressor- protein p53 und Synaptophysin (SYNAPT) gefärbt.
Anhand der H/E-Schnitte wurden die vorliegenden histologischen Subtypen lichtmikroskopisch bestimmt und es folgte eine statistische Auswertung der Färbeergebnisse. Die deskriptive statistische Analyse zeigte insbesondere für die beiden Färbungen CK5/6 und GATA3 signifikante Ergebnisse. Deshalb wurden in einem zweiten Schritt alle Fälle der Studienkohorte den bekannten vier Gruppen: CK5/6 positiv, GATA3 positiv, doppelt positiv und doppelt negativ zugeordnet und näher untersucht. Es folgte eine Überlebensanalyse nach Kaplan Meier Schätzer sowie uni- und multivariate Analysen.
Die Ergebnisse zeigten eine Assoziation der Expression von CK5/6 mit einer squamösen Differenzierung (96%) und eine Assoziation der Expression von GATA3 mit einer mikropapillären Differenzierung (100%). Die adjuvante Chemotherapie ging mit einem Überlebensvorteil (HR 0,15 95%KI 0,1-0,3; p<0,001) der Patienten mit MIBC einher. Immunhistochemisch doppelt negative Patienten mit MIBC wiesen ein verringertes Gesamtüberleben auf (HR 4,96; 95%KI 1,6-15,6; p=0,006); in der Gruppe der doppelt negativen MIBCs fanden sich fünf verschiedene histologische Subtypen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die immunhistochemische Klassifizierung des MIBCs mit histologischen Subtypen assoziiert ist und dabei helfen kann, Fälle in der pathologischen Routine in „luminal“ und „basal“ zu unterteilen. Jedoch ist ein auf zwei Markern basierendes Klassifizierungssystem nicht ausreichend, um die Heterogenität des MIBCs abzubilden und die Basis für Therapieentscheidungen zu bilden.
Anhand des wissenschaftsphilosophischen Sachbuches "Der Baum der Erkenntnis" ("El árbol del conocimiento"), das in den 1980er Jahren von den chilenischen Biologen und Neurowissenschaftlern Humberto Maturana und Francisco Varela in spanischer Sprache veröffentlich wurde und für den Soziologen Niklas Luhmann zu einem wichtigen Standbein seiner Theorie der Gesellschaft und der sozialen Systeme wurde, soll gezeigt werden, wie einerseits Selbstübersetzung von der Wissenschaft in die Öffentlichkeit und andererseits Fremdübersetzung von der einen Sprache in die andere - in diesem Fall aus dem Spanischen ins Deutsche und Englische - Interferenzen und Reibungen innerhalb des Wissenstransfers produzieren. Zunächst soll ein Überblick über die unterschiedlichen Formen des Popularisierens als interdiskursive Selbstübersetzung gegeben werden. Im zweiten Teil wird dann die interlinguale Übersetzungsleistung diskutiert, die das spanische Original durch jeweils andere Sprach- und Forschungskontexte leicht verändert und dem fremdsprachigen Begriffsrepertoire einverleibt. Zuletzt soll in einem dritten Teil mit Rückgriff auf Luhmann das Prinzip der Autopoiesis als ein Prozess ausgewiesen werden, der bereits in "El árbol del conocimiento" nicht einfach als ein Wissenstransfer zu verstehen ist, sondern als ein Transfer der Bedingungen, wie Wissen im Übersetzen vom Übersetzen entsteht.
Die maßgebliche Position des Übersetzungskonzepts ergibt nicht nur aus dem unweigerlich vielsprachigen, migrierenden und interdisziplinären Denken des Philosophen, Psychoanalytikers, Ökonomen und Aktivisten Cornelius Castoriadis. Vielmehr existiert ein konkreter Kern des Translatorischen in den zwei konstitutiven Gegenständen seiner Philosophie, im Imaginären einerseits und anderseits in der Politik, die auf die imaginäre Verfasstheit der Gesellschaft zurückgeht. Ob also Castoriadis seinen eigenen Text vom Französischen in die griechische Sprache überträgt oder ob er die Vorstellungswelt der kapitalistischen Gegenwart beschreibt - in beiden Fällen geht es um die Übersetzung als einen kreativen Prozess innerhalb der Sprache, des Denkens oder der Politik.
Im Werk des multiformen Wissenschaftlers Eugen Rosenstock-Huessy (1888−1973) liegt ein interessanter Fall einer Selbstübersetzung vor, die sich nicht nur auf die sprachliche Übersetzung, sondern auch auf die Transformation der Struktur des eigenen Werkes bezieht. Und selbst hier bleibt der Übersetzungsprozess nicht stehen. Rosenstocks Theorie und Praxis der Übersetzung ist geleitet von der Überzeugung des Primats der Sprache respektive des Sprechens für die menschliche Existenz. Übersetzen wird ihm so zu einem Existenzial, in dem der Mensch sein Menschsein bewährt: Selbstübersetzung ist immer und gerade eine Übersetzung des Selbst. Menschliches Dasein ist ein grundsätzlich sprachgebundener Prozess und an diesem Dasein beweist sich zuallererst das dem Einzelnen verfügbare und anderen lehrbare Wissen.
Goldsteins Karriere in den USA startete mit wichtigen Publikationen in der neuen Sprache und vollzog sich nahezu vollständig in der Fremdsprache, deutsche Aufsätze verzeichnet seine Bibliographie nach seiner Emigration nur ganz vereinzelt. [...] Auf der Ebene des bibliographischen Befundes handelte es sich also um einen nahezu vollständigen Übergang in die fremde Sprache unter bruchlos fortlaufender Publikationstätigkeit, an dessen Nahtstelle die Übersetzung seines wichtigsten Buches stand. [...] Aus der "Einführung in die Biologie unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen am kranken Menschen" war "A Holistic Approach to Biology Derived from Pathological Data in Man" geworden. Das amerikanische Buch war keine 'Einführung' mehr, keine 'Introduction', sondern bereits der Untertitel signalisierte eine besondere Perspektive auf die Biologie. [...] Dabei liegt Goldsteins Originalität darin - so der erste Teil der These, die in diesem Aufsatz aus dem Vergleich des deutschen Originals mit der englischen Übersetzung entwickelt werden soll -, dass er aus seinen akribischen empirischen Beobachtungen eine neue epistemologische Perspektive auf organismische Prozesse entwickelt hat, mit der er zugleich die alten ontologischen Diskussionen um eine den Lebensphänomenen und den lebenden Systemen eigene Wesenheit überwunden zu haben hoffte. Genau diese Stoßrichtung verschleiert aber der entscheidende Zusatz zur englischen Übersetzung, wenn sie diesen 'approach' als 'holistisch' charakterisiert. Denn Holismus und Ganzheitlichkeit stehen typischerweise für jene ontologische Richtung des Vitalismus, gegen die sich Goldstein wiederholt explizit gewandt und die im Buch vor allem als Kritik an Hans Drieschs Entelechie-Lehre ihre Spuren hinterlassen hatte. Goldsteins epistemologische Neuausrichtung der Biologie hatte auch hinter seiner Distanz zur Psychoanalyse gestanden - bzw. sie theoretisch legitimiert, weil er wie viele seiner neuropsychiatrischen Kollegen die Verabsolutierung sexueller Motive seitens der Psychoanalyse nicht mitvollziehen wollte. 'Triebe' oder 'Instinkte' konnten als empirische Beschreibungen biologischer Verhaltensweisen durchaus ihre Zwecke erfüllen, aber wenn daraus eigene Entitäten wurden, war damit der Schritt von der Epistemologie zur Ontologie vollzogen, den Goldstein zu vermeiden suchte, weil seine Theorie des Organismus gerade auf die Differenz zwischen beiden wissenschaftlichen Perspektiven abhob. Der zweite Teil der These lautet deshalb, dass die englische Übersetzung von Goldsteins Buch maßgeblich seine Rezeption als holistischer Biophilosoph und damit als ontologischer Vitalist gebahnt hat. Diese entscheidende Verschiebung, die eigentlich im Widerspruch zur Präzisierung von 'Einführung' durch 'approach' steht, wurde vom Haupttitel noch verstärkt, weil hier gerade umgekehrt die epistemologische Perspektive fallengelassen wurde, die dem - zugegebenermaßen unübersetzbaren - Wort 'Aufbau' eingeschrieben war, während das selbstständig gewordene Wort 'Organismus' nun in der Tat eine Erörterung seines Wesens anzukündigen schien. [...] Vor dem Hintergrund der Entwicklung von Goldsteins Anschauungen erscheint die englische Übersetzung des Organismus-Buchs als Wendepunkt von einer Vitalismus-skeptischen und epistemologischen Form der Biophilosophie zu einer affirmativ-vitalistischen, ontologischen Position.