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Der vorliegende Beitrag stellt einen Versuch dar, einige bio-zentrisch konzipierte Gedichte aus der Spätphase von Paul Celans Schaffen vom posthumanistischen Standpunkt her zu lesen. [...] Betrachtet man Celans Werk aus der Perspektive seines spezifischen 'nature writing', so lässt sich behaupten, dass verschiedene Elemente der außermenschlichen Natur zumindest ab dem Band "Sprachgitter" (1959) in seinen Texten eine sehr wichtige Rolle spielen. Während aber in diesem Band vor allem Bilder unbelebter Natur und geologische Schichten vom versteinerten Leben Celans poetische Landschaften mitgestalten, nehmen die bio-orientierten Referenzräume in seinem späteren Werk einen immer mehr vegetativen und animalischen Charakter an. Diese stilistische Gestik äußert sich nicht nur in der Hinwendung zu Pflanzen- und Tiernamen, die meist mit großer Kenntnis der Fachbegriffe einhergeht, sondern auch in Celans Vorliebe für Fachvokabular aus den Bereichen von Geologie, Botanik, Zoologie, Paläontologie etc. Textanalytisch ist dabei nicht bloß diese lexikalische Spezifik interessant, sondern ihre jeweilige Funktionalisierung in den einzelnen Gedichten, auf die im Folgenden eingegangen wird.
Der [...] Beitrag besteht aus drei Teilen, die nur locker miteinander verbunden sind. Der Eindruck des Unzusammenhängenden, der zunächst entstehen mag, wird dadurch gefördert, dass die Abschnitte nicht explizit Bezug aufeinander nehmen und sich in sehr unterschiedlichen Perspektiven der Fragestellung nähern. Sie gehen von der Nahsicht (auf einen Traum) zum Blick auf größere historische Zusammenhänge über. Die Fragestellung jedoch ist allen drei Teilen gemeinsam: Wie steht es um die Natur des Freudschen psychischen Apparates?
Rezension zu Horst Dieter Rauh: Heilige Wildnis. Naturästhetik von Hölderlin bis Beuys. München (Wilhelm Fink) 1998. 367 Seiten.
Das Vorwort des Verfassers vermerkt: "Dem Legitimationsschwund der Geschichtsphilosophien [...] entspricht das Vordringen eines im weitesten Sinne naturreligiösen Denkens". Und daraus folgt die Zuspitzung der These: "Im Fortgang der Säkularisierung der Kultur bietet sich Natur, verdichtet zur 'Wildnis', als letzte Zuflucht des Heiligen dar. Solche Sakralisierungsprozesse setzen mit Hölderlin ein, der das Schlüsselwort 'heilige Wildnis' prägte, und reichen über Nietzsches Dionysos-Komplex bis hin zur Remythisierung von Natur bei Joseph Beuys".
Auch wenn sich die Theorien über die Entstehung unseres Sonnensystems widerstreiten, auch wenn der Übergang von der anorganischen Materie zum organischen Leben nicht restlos geklärt ist, auch wenn es umstritten sein mag, welche unserer Vorfahren bereits zur Gattung Mensch gerechnet werden können, so gibt es doch keinen hinreichenden Grund, die Vorstellung einer durchgängigen Evolution der Natur in Zweifel zu ziehen. Dieses nachdarwinsche Weltbild ist uns so selbstverständlich geworden, daß es uns schwerfällt, einen Begriff von Natur uns zu vergegenwärtigen, in dem geschichtliches oder gar evolutives Denken keinen Platz hat. Die Vorstellung, daß die Natur eine Geschichte hat, lag aber dem Altertum fern. Auch wenn der jüdisch-christliche Mythos von einer Schöpfung der Natur und ihrer endlichen Zerstörung berichtet, so betraf dies zwar die Heilsgeschichte des Menschen, führte aber keineswegs zur Vorstellung einer in geschichtlichen Zeiträumen sich vollziehenden Schöpfung. Der Mensch war zwar in die Zeit hineingestellt, aber durch Sündenschuld und Erlösung dazu berufen, eines Ewigen Lebens teilhaftig zu werden. Das Buch der Natur, die Betrachtung der wandelbaren Dinge auf der Erde, wie die Betrachtung der unwandelbaren Gesetze am Himmel, konnten gleichermaßen nur gelesen werden als Spiegel dieser seiner Bestimmung. Von der endgültigen Auflösung dieses Weltbildes, von den damit verbundenen Erschütterungen und von der Herausbildung unseres heutigen genetisch-evolutiven Weltbildes handelt das Thema "Die Verzeitlichung der Natur". [...] Die Überlegungen sind in drei Teile untergliedert, die zugleich ein Nacheinander von Typen literarischer Naturerfahrung repräsentieren sollen. Der erste Teil hat den Titel "die Zeitlichkeit der Natur als Bedrohung und als Glückserfahrung"; das zweite Kapitel lautet: "Das Scheinen der an sich verlorenen Natur" und das dritte "Die Geschichtlichkeit der Natur als Erdleben".
Expansion in die Natur : zum Verhältnis von "ars" und "natura" bei Paracelsus und im Paracelsismus
(2005)
Wenn Paracelsus Naturwissenschaft oder magica als eine Handlung definiert, die "aus ihr", der Natur, ist, diese aber "mer, dan" ihr selbst "zu zu legen ist", steigert und "bessert", dann geschieht dies auf Basis aristotelischer Argumente, die im 13. Jahrhundert auf neuplatonische Weise so kombiniert werden, daß die aristotelischen Vorgaben mit der Vorstellung einer aktiven sympathetischen Teilhabe des Menschen am Kosmos harmonisieren. Diese Überformung wird in der Frühen Neuzeit noch einmal weiterentwickelt. Es sind die protestantische Mystik mit und gegen Luther und die Auslagerung ihrer häretischen Tendenzen in die Naturwissenschaft, die der Theorie von der Steigerung der Natur aus ihrer Mitte die Bedeutung einer wechselseitigen souverinen Teilhabe verleihen.
Der Beitrag 'Katastrophe als Metapher' von Chrsitoph Willmitzer beleuchtet das lyrische Werk Ewald Christian von Kleists unter dem Gesichtspunkt der metaphorischen Ausgestaltung von Affekten im Rahmen von literarischen Darstellungen von Naturkatastrophen und Kriegen. Willmitzer geht damit dezidiert auf den frühneuzeitlichen Kontext ein, der in Bezug auf das Katastrophale noch nicht von den Deutungs- und Diskursivierungsmustern geprägt ist, die nach dem Erdbeben von Lissabon 1755 dominant werden.
In diesem Aufsatz möchte ich den Zusammenhang zwischen pikturalen Kosmographien und kosmologisch argumentierenden Texten analysieren, die aus dem Bereich des Paracelsismus stammen, einem europaweit von Philosophen, Ärzten, Alchemikern und Literaten geführten Diskurs des 16. und 17. Jahrhunderts, dessen Gegenstand die Ars magica oder Magia naturalis ist, und der sich durch einen Rückgriff auf die Autorität Paracelsus legitimiert.
In diesem Beitrag möchte ich den Zusammenhang von Lebendigkeit und Unsterblichkeit in den Weltvorstellungen und Kunstwerken der frühen russischen Avantgarde in St. Petersburg genauer betrachten. Künstlerinnen und Künstler wie Pavel Filonov, Elena Guro, Nikolaj Kul'bin und Michail Matjušin teilten die Überzeugung, dass die Kunst ein Medium sein könne, die Strukturen des Kosmos in seinen sichtbaren materiellen wie seinen unsichtbaren nichtmateriellen und energetischen Aspekten zu enthüllen. Diese Künstler machten die Entwicklungsprozesse, Kräfte und Formen der Natur zum Modell ihres künstlerischen Schaffens; ihre organische Ästhetik wurde von ihren pantheistischen, neovitalistischen oder monistischen Anschauungen und vom Evolutionsgedanken beeinflusst. Sie verbanden unmittelbare Naturbeobachtung mit wissenschaftlichem Denken und mit einem starken Interesse an der Natur der menschlichen Seele sowie an psychophysiologischen Fragestellungen. Künstler wie Filonov, Guro, Kul'bin und Matjušin betrachteten den Menschen als integralen Bestandteil der Natur; sie waren überzeugt, dass das menschliche Dasein den Gesetzen der Natur unterworfen sei und sich ihre künstlerische Tätigkeit an den Gesetzen der Natur ausrichten müsse.
Ausgangspunkt folgender Überlegungen ist die These, dass neben der positiven Auffassung von der Natur als göttliche Schöpfung die Vorstellung einer bösen und feindlichen Natur das abendländische Denken durchzieht. Im Folgenden sollen Momente dieser Negativierung von Welt in einigen zentralen theologischen bzw. philosophischen Diskursen des Abendlandes kurz skizziert werden. Diese Gedanken bilden den kulturgeschichtlichen Hintergrund vor dem im zweiten Teil einzelne literarische Texte unter dem Aspekt der Ablehnung bzw. Dämonisierung der Natur untersucht werden.
"La cosmogonie est un genre littéraire d’une remarquable persistance et d’une étonnante variété, l’un des genres les plus antiques qui soient." Mit diesen Worten umreißt Paul Valéry in einem Essay über Edgar Allan Poes Prosagedicht "Eureka" die Bedeutung des literarischen Genres der Kosmogonie, der mythischen Erzählung der Weltentstehung, und hebt dabei deren anhaltende, bis in die Moderne reichende Wirkungsgeschichte hervor. Man wird Valérys Bemerkung ohne weiteres zustimmen können: Ist doch die Idee des Kosmos nicht nur eine alte, bis in die Antike zurückreichende Denkfigur, die ihrer Herkunft nach mythischen und religiösen Vorstellungen entstammt. Sie ist darüber hinaus eine Figur, die auch im neuzeitlichen Denken, etwa in verschiedenen philosophischen und literarischen Richtungen der Renaissance, eine erneute Konjunktur erfährt und deren Nachwirkungen sich bis in die Moderne verfolgen lassen. Dabei mag man nicht nur an die Rekurrenz des Kosmischen in moderner Esoterik, New Age oder Fantasy-Literatur denken, sondern mehr noch an neuere philosophische und epistemologische Ansätze, die in entscheidenden Hinsichten an Momente des alten Kosmos-Denkens anschließen und letzteres unter wenngleich veränderten Vorzeichen wieder aufnehmen. Doch wie kommt es zu dieser eigentümlichen Persistenz des Kosmos-Begriffs?