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Rezension zu Jochen Hörisch: Theorie-Apotheke. Eine Handreichung zu den humanwissenschaftlichen Theorien der letzten fünfzig Jahre, einschließlich ihrer Risiken und Nebenwirkungen. Frankfurt am Main (Eichborn) 2004. 323 S.
Angesichts der wirren Zeitläufte mit ihrer Neigung zur umgesetzten Dystopie diagnostiziert der Verf., Professor für Literatur- und Medienwissenschaften an der Universität Mannheim, ein "fragiles Comeback des Prestiges von humanwissenschaftlichen Theorien " (317), mithin ein auch bei den Humanwissenschaftlern grassierendes Bedürfnis nach Sicherheit, Sinn und kohärenter Ordnung. Ihnen und allen interessierten Laien bietet er nun eine 'Handreichung', so der gewiß nicht ironisch gemeinte Untertitel, ein Hilfsmittel, halb Lexikon, halb Vademecum für den wissenschaftlichen Alltag bzw. den Hausgebrauch. Darin will der Verf. "Grundzüge, Grundgesten und Grundbegriffe derjenigen Theorien vorstellen und prüfen, die in den letzten fünfzig Jahren das Sagen hatten und zum Widerspruch reizten." Gleichzeitig ersteht hinter dieser Theorie-Landschaft ein wissenschaftshistorisches und, mittelbar, ein geisteswissenschaftliches Panorama der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts samt allen Krisen und Irrungen.
Rezension zu Margrit Frölich, Reinhard Middel u. Karsten Visarius (Hg.): Außer Kontrolle. Wut im Film. Marburg (Schüren) 2005 (= Arnoldshainer Filmgespräche, Bd.22). 196 S.
Die Gefühle sind zurück. Zumindest in der Filmwissenschaft ist in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe von Arbeiten erschienen, die sich den Emotionen und Affekten des Kinos widmen; denen auf der Leinwand ebenso wie - unlösbar damit verbunden - denen im Zuschauerraum. Ein schmaler Band nimmt nun einen speziellen, aber zugleich extremen Affekt in den Blick, der in seiner Maßlosigkeit quer zur analytischen Vermessung zu stehen scheint. 'Wut im Film' ist der Untertitel des Bandes 'Außer Kontrolle', von dessen Umschlag den Leser die Comic-Wutikone Hulk, grün vor Wut und stark im Schweiße, anblickt. Dokumentiert sind die Beiträge der '22. Arnoldshainer Filmgespräche', zu denen die dortige Evangelische Akademie jährlich einlädt. Filmkritiker, und -Wissenschaftler, teils mit erkennbar kirchlichem Hintergrund, untersuchen den emotionalen Ausnahmezustand, der sich gerade aufgrund seines eruptiven Charakters und der damit verbundenen Dynamik besonders zur filmischen Auswertung eignet.
Rezension zu Melanie Möller: Talis oratio - qualis vita. Zur Theorie und Praxis mimetischer Verfahren in der griechisch-römischen Literaturkritik. Heidelberg (Winter) 2004 (= Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften. Neue Folge, 2. Reihe, Bd. 113). 396 S.
Wie der Mann, so das Buch. Oder, anders herum: Der Stil ist der Mensch. Diesen Gemeinspruch erhebt die vorliegende Monographie zur Problemformel der Hermeneutik. Vorweg sei festgestellt: Die Verfasserin legt einen Denkweg frei, der die historische und systematische Darstellung der griechisch-römischen Literaturkritik übersteigt, indem für den hermeneutischen Diskurs unserer Gegenwart kontrastierende Anschauungen bereitgestellt werden. Leitend ist die Fragestellung: Inwieweit zeigt sich in der Rede die Individualität des Redners, so dass aus dieser jene besser zu verstehen ist? Oder ist das, was als Individualität sich zeigt, als objektives Merkmal der Rede einzustufen, das mit der lebensgeschichtlichen Individualität des Redners nicht zusammenhängt?
Rezension zu Norbert Greiner: Übersetzung und Literaturwissenschaft. Tübingen (Gunter Narr) 2004 (= Grundlagen der Übersetzungsforschung, Bd. 1). 173 S.
Mit dieser Monographie präsentiert Norbert Greiner, Anglist in Hamburg, die theoretischen Koordinaten einer Praxis, die er selber mit seiner 1989 erschienenen Übersetzung von Shakespeares 'Much Ado About Nothing' vor Augen geführt hat.
Rezension zu Roland Galle u. Johannes Klingen-Protti (Hg.): Städte der Literatur. Heidelberg (Winter) 2005. 238 S.
Es ist ein kompliziertes Spiel, das die Stadt treibt in der Literatur, wenn sie ihren reinen Kulissen-Status verläßt. Daß die literaturwissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Sujet gerade in den letzten Jahren zunimmt, zeigen verschiedene, z.T. interdisziplinär orientierte Publikationen, darunter zuletzt 'Städte der Literatur', herausgegeben von Roland Galle und Johannes Klingen-Protti.
Rezension zu Sabine Coelsch-Foisner u. Michaela Schwarzbauer (Hg.): Metamorphosen. Akten der Tagung der Interdisziplinären Forschungsgruppe Metamorphosen an der Universität Salzburg in Kooperation mit der Universität Mozarteum und der Internationalen Gesellschaft für Polyästhetische Erziehung (Zell an der Pram, 2003). Heidelberg (Winter) 2005. 234 S.
Im Zeichen der Interdisziplinarität stehen auch die Erkundungsgänge auf dem durch den Begriff 'Metamorphosen' eröffneten Gelände, die in diesem Tagungsband der Salzburger Forschergruppe Metamorphosen dokumentiert sind.
Rezension zu Sabine Kyora u. Uwe Schwagmeier (Hg.): Pocahontas revisited. Kulturwissenschaftliche Ansichten eines Motivkomplexes. Bielefeld (Aisthesis) 2005 (= Bielefelder Schriften zu Linguistik und Literaturwissenschaft, Bd. 21). 268 S.
Der vorliegende Sammelband legt sein Augenmerk auf die Kontextualisierung von Arno Schmidts Erzählung 'Seelandschaft mit Pocahontas' innerhalb des Motivkomplexes Pocahontas, wie die beiden Herausgeber Sabine Kyora und Uwe Schwagmeier im Vorwort ankündigen. Die gelungene Strukturierung des Sammelbandes versucht dieser Aufgabe gerecht zu werden, indem sich die erste Hälfte der insgesamt elf Beiträge mit der Rezeptionsgeschichte der Pocahontas-Figurationen in der deutschen und US-amerikanischen Literatur befasst. Darauf folgen sechs Aufsätze, die die Erzählung Schmidts analysieren und dabei vorwiegend die Perspektive der (post-)colonial studies einnehmen.
Rezension zu Urs Heftrich: Gogol's Schuld und Sühne. Versuch einer Deutung des Romans "Die Toten Seelen". Hürtgenwald (Guido PressIer) 2004. 341 S.
Gogols 'Tote Seelen' (1842-55) gehören mit Novalis'' Heinrich von Ofterdingen' (1802) zu den komplexesten und aktuellsten Großfragmenten der europäischen Romantik. Beide sind Weltfahrt-Torsos von weltliterarischem Niveau, geladen mit der Spannung von Fragment und Totalität, werden aber als abbrechende Entwicklungsromane in der Spur von Goethes 'Wilhelm Meister' nur selten nebeneinander gelesen.
Rezension zu Waltraud Wiethölter, Frauke Berndt u. Stephan Kammer (Hg.): Vom Weltbuch bis zum World Wide Web - Enzyklopädische Literaturen. Heidelberg (Winter) 2005 (= Neues Forum für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Bd. 21). 303 S.
Borges' Erzählung 'TIön, Uqbar, Orbis Tertius' findet zwar in dem vorliegenden Sammelband über enzyklopädische Literaturen nirgends Erwähnung, die ihr zugrunde liegende Idee bildet aber die konzeptionelle Basis des Bandes, wie sie in der ausführlichen, historische und systematische Gesichtspunkte berücksichtigenden Einleitung der Herausgeber entfaltet wird. Was die historische Dimension anbetrifft, so verweisen sie auf die lange Geschichte der Verbindung zwischen Enzyklopädik und Literatur, die mit der Ekphrasis des achilleischen Schilds in der 'Ilias' ihren Anfang nimmt. Mehr Gewicht besitzt für die Herausgeber jedoch die systematische Begründung dieser Verbindung: Im Anschluß an Umberto Eco argumentieren sie, daß jeder Text, gleich welcher Machart, enzyklopädisch strukturiert ist, weil er auf das Wörterbuch natürlicher Sprachen rekurriert, das seinerseits - als nur vordergründig stillgestellter semiotischer Verweisungszusammenhang - eine verkleidete Enzyklopädie darstellt.
Sammelrezension zu Hugo Meltzl u. Samuel Brassai: Acta comparationis litterarum universarum. Jahrgang 1 - Naul 1 (1877). Neu herausgegeben von Horst Fassel. Cluj-Napoca/Klausenburg (Presa universtară Clujeană) 2002 (ISBN 973-610-105-3).
Horst Fassel (Hg.): Hugo Meltzl und die Anfänge der Komparatistik. Wiesbaden (Franz Steiner) 2005 (= Materialien des IdGL Tübingen, Bd. 16). Caíetele echínox. Volumul 6: Germanistică şi comparatistică. Cluj-Napoca (Dacia) 2004 (ISBN 973-35-1818-2).
Mit den erschienenen Bänden sind wichtige Vorarbeiten für eine umfassende Beschäftigung mit Hugo Meltzl und den 'Acta comparationis litterarum universarum' (ACLU) geleistet. Neben ihrer inhaltlichen Qualität ist es eine weitere Stärke der Tagungsbeiträge, daß sie die dem (westeuropäischen) Leser meist nicht verständlichen und daher verschlossenen ungarischen Artikel der Zeitschrift und der Arbeiten Meltzls zumindest mittelbar zugänglich machen. Es bleibt zu hoffen, daß die Edition der ACLU fortschreitet und damit wichtiges Material der komparatistischen Wissenschaftsgeschichte auch von größeren Interessentenkreisen zur Kenntnis genommen werden kann.