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Rezension zu Magdalena Marszałek: "Das Leben und das Papier". Das autobiographische Projekt Zofia Nałkowskas 'Dzienniki' 1899-1954, Heidelberg (Synchron) 2003. 187 Seiten.
Magdalena Marszałeks Monographie über die Tagebücher der polnischen Schriftstellerin Zofia Nałkowska (zugleich ihre Berliner Dissertation von 2002) geht dezidiert über eine biographisch-historische Lektüre hinaus, ohne deren Gewinn in Frage zu stellen. Dabei richtet die Verfasserin ihr Augenmerk wesentlich auf den Schreibakt selbst, zum einen auf die textuellen, diskursiven und interaktiven Bedingungen diaristischer Selbstkonstituierung und zum andern auf die performativen ich-konstitutiven Schreibeffekte. Damit erschließt die Studie nicht nur alternative Zugänge zu den Tagebüchern Nałkowskas, die bislang vornehmlich Gegenstand historiographischer Kommentare und ohne nennenswerte literaturkritische Resonanz geblieben sind. Vielmehr entwickelt Marszałek zur Analyse der Selbst-Konstruktionen Nałkowskas zunächst eine theoretische Grundlage, die auch über die Beschäftigung mit den Tagebüchern dieser Autorin hinaus einen produktiven Beitrag zur Entwicklung einer Theorie der Gattung darstellt.
Rezension zu Klaus-Peter Dencker (Hg.): Poetische Sprachspiele. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart (Reclam) 2002 (= Reclams Universal-Bibliothek; Bd. 18238). 428 Seiten.
Klaus Peter Dencker, der als Anthologist und Kommentator schon im Bereich der visuellen Dichtung und der Unsinnspoesie Pionierarbeit geleistet hat (Klaus-Peter Dencker (Hg.): Text-Bilder. Visuelle Poesie international. Von der Antike bis zur Gegenwart, Köln 1972; ders. (Hg.): Deutsche Unsinnspoesie, Stuttgart 1978), legt mit einer neuen Anthologie zu 'Poetische[n] Sprachspiele[n]' (Stuttgart 2002) eine Sammlung vor, welche nicht nur denjenigen anspricht, dem ludistische Poesien eine besondere Lust am Text bereiten. Auch dem literaturhistorisch und literarästhetisch interessierten Leser haben die 325 Seiten mit Sammelstücken sowie die begleitenden Informationen vieles zu bieten.
Rezension zu Joseph P. Strelka: Exil, Gegenexil und Pseudoexil in der Literatur, Tübingen, Basel (A. Francke) 2003 (= Edition Patmos; Bd. 8). 172 Seiten.
Joseph P. Strelka hat bereits zwei Monographien dem Schaffen von Künstlern im Exil gewidmet: 'Exilliteratur' (1983) und 'Des Odysseus Nachfahren: Österreichische Exilliteratur seit 1938' (1999). In seinem neuen Buch geht es ihm um die Definition des Begriffs "Exil" und die Abwendung seines Mißbrauchs.
Rezension zu Horst Jürgen Gerigk: Lesen und Interpretieren, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2002 (= UTB für Wissenschaft; Bd. 2323). 192 Seiten.
Wenn ein professioneller Leser bei seiner Lektüre eines literarischen Werks innehält, um sich zu fragen, was denn da eigentlich beim Lesen überhaupt geschehe, welche Sensibilisierungen es erzeuge, welche Einsichten es bewirke, so mag dies ein Anlaß sein, sich den grundsätzlichsten aller Fragen zuzuwenden, mit denen es der Literaturtheoretiker zu tun hat: Was charakterisiert literarische Texte als solche? Welche Einstellung und welche Kompetenz verlangen sie ihrem Leser ab? Gibt es spezifische Modi literarischer Darstellung? Gerigks Buch ist, wie einleitend betont wird, von einer solchen Lese-Pause stimuliert worden. In der Form von zwölf thematisch miteinander vernetzten, dabei relativ selbständigen Teilen - Grundlage des Buches waren Gerigks Heidelberger Vorlesungen zur Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft - werden im Ausgang von vielfaltigen Beispielen aus der europäischen und amerikanischen Literatur grundsätzliche Thesen und Modelle zum Wesen des Literarischen selbst entwickelt.
Rezension zu Erika Greber, Konrad Ehlich u. Jan-Dirk Müller: Materialität und Medialität von Schrift, Bielefeld (Aisthesis) 2002 (= Schrift und Bild in Bewegung; Bd. 1). 204 Seiten.
Der Band zeigt, dass sich anhand der Titelformel 'Schrift und Bild in Bewegung' ein sehr heterogenes Spektrum aktueller (literalitäts-)theoretischer Fragestellungen und Forschungen diskutieren lässt, und umfasst schrift- und kulturhistorische Rekonstruktionen der Schrift von den Zählsymbolen über die Hieroglyphenschrift bis zum Unicode, systematische Untersuchungen zur Medienkonkurrenz und zu den Auswirkungen der Materialität und Technizität des Mediums auf seine Form und schließlich exemplarische Analysen alter und neuer Formen mobiler Seh-Texte, die im Insistieren auf der Medialität und Materialität neue Intensitäten der Schrift entdecken.
Rezension zu Edgar Pankow: Brieflichkeit. Revolutionen eines Sprachbildes; Jacques-Louis David, Friedrich Hölderlin, Jean Paul, Edgar Allan Poe, München (Wilhelm Fink) 2002. 222 Seiten.
Pankows Untersuchungen gelten dem Brief als einem "Sprachbild" der Moderne, über welches sich - so die einleitenden Ausführungen - die sich wandelnde Artikulation "kultureller Selbstverhältnisse" vollzieht.
Rezension zu Dieter Borchmeyer: Richard Wagner. Ahasvers Wandlungen, Frankfurt/ Main, Leipzig (Insel) 2002. 647 Seiten.
Dieter Borchmeyer, Germanist und Theaterwissenschaftler in Heidelberg, legt hier die Summe seines Nachdenkens über Richard Wagner vor. Vorausgegangen war 1982 'Das Theater Richard Wagners' mit dem Untertitel 'Idee - Dichtung - Wirkung' (431 Seiten, Reclam, Stuttgart, inzwischen vergriffen). Was an der neuen Monographie sofort als maßgebend ins Auge springt, ist ihre Gliederung in zwei Teile, von denen der erste Wagners dramatische Werkstatt in ihrer Produktion chronologisch vorführt, und deren zweiter die "Beziehungsfelder" benennt und darstellt.
Rezension zu Claudia Natterer: Faust als Künstler. Michail Bulgakovs 'Master i Margarita' und Thomas Manns 'Doktor Faustus', Heidelberg (Winter) 2002 (= Beiträge zur slavischen Philologie; Bd. 9). 257 Seiten.
Claudia Natterer schließt mit dem Vergleich der beiden großen Künstlerromane des 20. Jahrhunderts 'Master i Margarita' und 'Doktor Faustus' eine Lücke in der umfangreichen germanistischen und komparatistischen Forschung zu den literarischen Bearbeitungen des Fauststoffes.
Rezension zu Carlo Brune: Roland Barthes. Literatursemiologie und literarisches Schreiben, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2003 (= Epistemata. Würzburger Wissenschaftliche Schriften / Reihe Literaturwissenschaft; Bd. 450). 304 Seiten.
Roland Barthes gehört zu den originellsten und folgenreichsten Literaturtheoretikern der jüngeren Vergangenheit und - mit Blick auf die anhaltend produktive Rezeption seiner Schriften - der Gegenwart. Gleichwohl sind - wie Carlo Brune zu Recht anmerkt - im deutschen Sprachraum Versuche einer panoramatischen Würdigung seines Gesamtwerks bisher nur gelegentlich unternommen worden (etwa durch Ottmar Ette, 1999), und Brunes vorliegende, von Detlef Kremer betreute Dissertationsschrift, leistet einen Beitrag zur Kompensation dieses Defizits.
Rezension zu Bernhard F. Scholz: Emblem und Emblempoetik. Historische und Systematische Studien, Berlin (Erich Schmidt) 2002 (= Wuppertaler Schriften; Bd. 3). 421 Seiten.
Der Titel der Arbeit verbirgt, was der Autor seinen Lesern sogleich offenherzig eingesteht: Bei der Studie des ausgewiesenen Emblematik-Kenners Bernhard F. Scholz handelt es sich um eine Zusammenstellung von "Arbeiten zur Poetik des Emblems", die "während der letzten drei Jahrzehnte geschrieben" wurden (11). Manches ist an dieser Stelle erstmals veröffentlicht, manches erstmals übersetzt, vieles überarbeitet oder wiederveröffentlicht, und dies alles in einer Form, die auf das Verhältnis zwischen der vorliegenden Textfassung und den teils älteren, teils unveröffentlichten Überlegungen nicht transparent ist; was von ihnen an welcher Stelle Eingang in den Band gefunden hat, bleibt jedenfalls einigermaßen im Dunkel, sieht man davon ab, dass die Bibliographie rund 35 Arbeiten aus der Feder des Autors verzeichnet (403-406), deren früheste auf das Jahr 1982 datiert. Dass die ambitionierte Arbeit auf diesem Weg die Hypothek mitführt, nicht nur punktuell auch die aktuellere Forschung berücksichtigen zu müssen, liegt auf der Hand.