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Die Autophagie ist ein in Eukaryonten evolutionär konservierter Prozess, bei dem es zu einem lysosomalen Abbau von cytosolischen Bestandteilen kommt. Die dabei entstehenden biochemischen Bausteine stehen anschließend erneut zum Aufbau benötigter Strukturen zur Verfügung. Verschiedene Stimuli, wie beispielsweise Nährstoffmangel, können die Aktivität der Autophagie erhöhen und ermöglicht Zellen dadurch die Aufrechterhaltung der Zellhomöostase, selbst unter Stressbedingungen. Im Verlauf der Autophagie bildet sich eine tassenförmige Doppelmembran-Struktur, das sogenannte Phagophor. Dieses wächst, um das abzubauende Material zu umschließen und wird dabei von sogenannten Atg-Proteinen (autophagy-related genes) prozessiert. Nach der Schließung spricht man vom Autophagosom, welches letztlich mit einem Lysosom verschmilzt und das Autophagolysosom bildet, welches wiederum die eingeschlossenen Bestandteile zerlegt und die recycelten Bausteine freigibt. Die einzelnen Schritte während der Autophagie sind hochgradig durch die Atg-Proteine reguliert. Eines dieser Atg-Proteine, das Atg8, ist an einigen entscheidenden Schritten wie dem Phagophor-Wachstum, der Autophagosom-Reifung sowie der Schließung beteiligt. Während es in Hefen nur ein einziges Atg8-Protein gibt, so zeigt sich in höheren Eukaryonten meist eine gewisse Diversität. So codiert beispielsweise das humane Genom mindestens sechs Atg8-Homologe. Neben den drei Proteinen der LC3-Familie (A, B, C) zählen auch GABARAP, GABARAPL1 und GABARAPL2 dazu. Die Gründe für diese Diversität sind noch nicht vollständig aufgeklärt, weshalb es wichtig ist, möglichst selektive Modulatoren zu entwickeln, um so die Aufgaben der einzelnen Homologen entschlüsseln zu können. Eine weitere wichtige Aufgabe übernimmt Atg8 beim Binden des abzubauenden Materials über sogenannte Autophagie-Rezeptoren, wie beispielsweise p62. Der Bindevorgang beruht dabei auf der Interaktion von p62 mit ubiquitinierten Zellbestandteilen auf der einen Seite und der Interaktion zwischen p62 und LC3 auf der anderen Seite. Letztgenannte beruht auf dem Binden des LIR-Motivs (LC3-interagierende Region) von p62 an die LDS (LIR-docking site) des LC3-Proteins. Das LIR-Motiv zeichnet sich durch Aminosäure-Sequenz D-D-D-W/F/Y-X1-X2-L/I/V aus. Währende die aromatische Seitenkette (W/F/Y) die hydrophobe Tasche 1 (HP1) der LDS besetzt, ragt die aliphatische Seitenkette (L/I/V) in die HP2 hinein. Damit sollte es möglich sein, die LIR-LC3-Interaktion, durch das Besetzen der LDS zu stören bzw. zu inhibieren. Solche Inhibitoren könnten zum einen der weiteren Aufklärung der Prozesse, an denen die Autophagie beteiligt ist, dienen, zum anderen jedoch auch die Untersuchung fehlerhafter Autophagie ermöglichen. Ausgangspunkt für diese Arbeit stellt die Verbindung Novobiocin dar, die im Rahmen eines Mitteldurchsatz-Screenings als potenzieller Inhibitor der LIR-LC3-Interaktion identifiziert und mittels ITC, TSA und 1H-15N-HSQC verifiziert werden konnte. Die Struktur des Novobiocins setzt sich aus dem 3-Amino-4-hydroxy-8-methylcoumarin-Kern, der über eine Amidbindung an 3-iso-Prenyl-4-Hydroxybenzoesäure gebunden ist, sowie einer O-glykosidischen Bindung in Position C7 des Coumarins mit L-Noviose zusammen. Da es sich bei Novobiocin (XL6) um ein verhältnismäßig komplexes Molekül handelt, wurde der Einfluss einzelner funktionellen Gruppen des Moleküls auf die Bindungsaffinität hin untersucht. Hierfür wurden Synthesestrategien sowohl für die Coumarin-Gerüste als auch verschiedene Benzoesäuren entwickelt. Die erhaltenen Verbindungen wurden mittels ITC und TSA untersucht. Dabei wurde die Verbindung MH507 als geeigneter Ausgangspunkt für die Untersuchung der Struktur-Aktivitätsbeziehungen (SAR) bezüglich der Benzamid-Seite identifiziert. Im Rahmen einer ersten SAR-Untersuchung wurden neben verschiedenen 3-Alkyl-benzoesäuren, auch verschiedene divalente Isostere (-O-, -S-, -NHSO2-) der benzylischen Methylengruppe synthetisiert. Diese, sowie kommerzielle Aminosäuren, wurden mit 3-Amino-4,7-dihydroxycoumarin zu den entsprechenden Endverbindungen gekuppelt. Ergänzend dazu wurden auch eine Verbindung mit umgekehrter Konstitution der Amidbindung dargestellt, um den Einfluss der Reihenfolge zu verifizieren. In einer weiteren SAR-Studie wurden Derivate synthetisiert, die zusätzlich eine Funktionalisierung am C7 des Coumarin-Gerüstes über Amidkupplung, Sulfonamid-Bildung bzw. Suzuki-Reaktion erlauben und somit eine Interaktion mit der HP1 ermöglichen könnten. Dafür wurde eine weitere Synthesestrategie zur Darstellung von 7-Nitro- bzw. 7-Brom-3-amino-4-hydroxycoumarinen ausgearbeitet und eine Reihe von Endverbindungen dargestellt. Neben den Coumarin-Derivaten wurden auch vier Peptidomimetika synthetisierten. Hierfür wurde, basierend auf den Interaktionen zwischen dem LIR-Motiv und der LC3 Proteinoberfläche, ein Pharmakophor-Modell erstellt. Neben einem Pentapeptid wurden auch drei Verbindungen dargestellt, die ein 5-Amino 2-methoxybenzohydrazid-Gerüst besitzen. Um die synthetisierten Verbindungen auf ihre inhibitorische Aktivität auf LC3A bzw. LC3B gegenüber dem LIR-Motiv von p62 hin untersuchen zu können, wurde ein HTRF-basierter Verdrängungsassay entwickelt. Dabei diente ein mit dem LIR-Motiv modifiziertes sGFP als FRET-Akzeptor, während das jeweilige Terbium-Kryptat-gelabelte SNAP-LC3-Fusionsprotein als FRET-Donor fungierte. Neben den Titrationsexperimenten zur Bestimmung der IC50-Werte wurden auch die jeweiligen Dissoziationskonstanten (Kd) von LC3A und LC3B gegenüber dem LIR-sGFP-Fusionsprotein bestimmt, um die IC50-Werte in inhibitorische Konstanten (Ki) zu überführen, da diese untereinander besser vergleichbar sind.
Die Verbindung MH209 zeigte die höchste Aktivität auf LC3A bzw. LC3B und besitzt aufgrund der Noviose-Einheit eine gute Wasserlöslichkeit, weshalb sie für die weiteren Untersuchungen ausgewählt wurde. Im Zuge von Kristallisationsexperimenten gelang die Isolierung und Vermessung eines Co-Kristalls von LC3A mit Verbindung MH209. Durch die Kristallstruktur wurden wichtige Einblicke in die intermolekularen Wechselwirkungen der 4-Hydroxycoumarine mit der LC3A- bzw. LC3B-Proteinoberfläche gewonnen und die Bindungsmode aufgeklärt. Diese Erkenntnisse passen gut zu den Ergebnissen aus den durchgeführten TSA-, ITC- und HTRF-Assays, wie beispielsweise der korrekten Konstitution der Amidbindung am C3 des Coumarin-Gerüstes. Mittels ITC wurde die Verbindung MH209 auf ihre Bindungsaffinität gegenüber den anderen humanen Homologen der Atg8-Proteinfamilie hin untersucht. Dabei zeigte sich, dass MH209 abgesehen von LC3A und LC3B keinerlei Aktivität auf den humanen Atg8-Homologen besitzt. Diese Selektivität ist nützlich, um die biologische Bedeutung der Diversität von Atg8-Homologen in höheren Eukaryonten zu untersuchen und Prozesse, in die diese involviert sind, aufzuklären.