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Somsanit® (Natrium-γ-Hydroxybutyrat) wird schon seit vielen Jahren zur Langzeitsedierung von Intensivpatienten eingesetzt. Durch das Vorliegen als Natriumsalz, kann bei Langzeitanwendung oft schon nach wenigen Tagen eine Hyperatriämie auftreten, die zum Absetzen des Präparates führen kann. Um diesen Nachteil von Somsanit® zu überwinden, wurde von Dr. F. Köhler Chemie das Natrium-freie GHB-Analogon Butamidol (γ-Hydroxybuttersäure-Ethanolamid) entwickelt. In klinischen Studien zeigte Butamidol eine adäquate Sedierung von Intensivpatienten, besaß aber selbst in hohen Dosierungen keine narkotische Wirkung. GHB, welches auch physiologisch in Gehirn vorkommt, führt konzentrationsabhängig von einer tiefen Sedation bis hin zur Narkose. Aus der Literatur ist bekannt, dass beide GHB-Effekte durch einen Agonismus an GABAB-Rezeptoren ausgelöst werden. Die GHB-Konzentrationen die dafür benötigt werden, können aber nur durch exogen zugeführtes GHB erreicht werden. In physiologischen Konzentrationen bindet GHB an den GHB-Rezeptor, dessen Funktion bisher noch nicht eindeutig aufgeklärt werden konnte. Das Ziel dieser Arbeit war, die Affinität von Butamidol und GHB an den beiden Systemen GABAB- und GHB-Rezeptor zu untersuchen und mögliche Unterschiede aufzuklären. Im Radiorezeptor-Assay zeigte Butamidol eine geringere Affinität zum GABAB-Rezeptor als GHB (Butamidol: Ki = 399.5 mM; GHB: Ki = 10.6 mM) und eine agonistische Wirkung am GABAB-Rezeptor wurde, über die Hemmung spannungsabhängiger Ca2+-Kanäle in Synaptosomen, nur für GHB nachgewiesen. In der nachfolgenden Untersuchung der GABAB-Rezeptor Signaltransduktionskaskade wurden, durch die akute GHB-Gabe, die Phospho-ERK-Level im Hippocampus von Mäusen vermindert. Der gleiche Effekt wurde für die akute Behandlung mit dem GABAB-Agonisten Baclofen erhalten, aber nicht für Butamidol. In Experimenten zur Modulation des GABAergen Systems, durch die subchronische Behandlung von Mäusen mit GHB oder Butamidol, wurde nur nach GHB-Behandlung eine Steigerung des synaptosomalen GABA-Uptakes detektiert. Somit konnte eine Beeinflussung des GABAergen Systems durch Butamidol an mehreren möglichen Angriffspunkten ausgeschlossen werden. Als zweites in Frage kommendes Target für Butamidol wurde das GHB-System untersucht. In Radiorezeptor-Bindungs-Versuchen wurden zur Verdrängung des antagonistischen Radioliganden [3H]NCS-382 höhere Butamidol Konzentrationen benötigt, als zur Verdrängung des Agonisten [3H]GHB (Ki: 1296 vs. 452 μM). Ein vergleichbarer „Shift“ zu höheren Konzentrationen zeigte auch der „kalte“ Agonist GHB und nicht der „kalte“ Antagonist NCS-382 (GHB: Ki 3.10 vs. 1.41 μM; NCS-382: Ki 0.431 vs. 0.447 μM). In einer weiteren subchronischen Behandlungsstudie von Ratten mit Butamidol und GHB wurde für GHB eine Erniedrigung der Gesamt-Rezeptor-Population und für Butamidol eine Erhöhung des Anteils der Agonist-Bindungsstellen an der Gesamt-Rezeptor-Population erhalten. Dieses Ergebnis kann für GHB als Hinweis auf ein agonistisches und für Butamidol als partiell agonistisches Bindungsverhalten am GHB-Rezeptor interpretiert werden. Da im GHB-Radio-Rezeptor-Assay relativ hohe Butamidol Konzentrationen zur Verdrängung der Radioliganden eingesetzt werden mussten, wurden daran anschließend Untersuchungen zur klinischen Relevanz, der für die GHB-Rezeptor Bindung notwendigen Butamidol Konzentrationen, durchgeführt. In Behandlungsstudien von Mäusen, mit anschließender Bestimmung der Butamidol Plasma- und Hirnspiegel, wurde die Hirn/Plasma Ratio ermittelt. Aus der erhaltenen Hirn/Plasma Ratio und den aus klinischen Studien bekannten beim Menschen wirksamen Plasma-Spiegeln, lassen sich für Butamidol Hirnkonzentrationen von 200-350 μM extrapolieren, die im Konzentrationsbereich für die Bindung von Butamidol am GHB-Rezeptor liegen.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Charakterisierung des Proteoglykans Biglycan und seiner Funktion als Signalmolekül in inflammatorischen und autoimmunen Prozessen. Die biologische Bedeutung der in vitro gewonnenen Ergebnisse in primären Makrophagen und dendritischen Zellen wurde durch in vivo Modelle der Pathogenvermittelten-und nicht-Pathogen-vermittelten Inflammation und der Autoimmun-Erkrankung Lupus Nephritis bestätigt. In primären Makrophagen und dendritischen Zellen induziert Biglycan die Produktion proinflammatorischer Zytokine und Chemokine durch Interaktion mit Toll-like Rezeptor (TLR) 2 und 4. Mit nucleotide-binding oligomerization like Rezeptorprotein3 (NLRP3)-,apoptosisassociated speck-like protein containing a CARD (ASC)- , Caspase-1- und TLR2/4- defizienten Mäusen und verschiedenen pharmakologischen Inhibitoren war es möglich in primären murinen peritonealen und Knochenmark-Makrophagen nachzuweisen, dass Biglycan die Caspase-1 NLRP3/ASC-abhängig aktivierte und damit die Prozessierung der Proform und Sekretion von reifem IL-1β induzierte. Durch Bindung an TLR2/TLR4 aktivierte Biglycan die NFκB, Erk und p38 mitogen-activated protein kinase (MAPK) Signalwege und stimulierte die Expression von Interleukin-1 beta (IL-1β). Biglycan aktivierte zudem den P2X7 Rezeptor (P2X7R) in Makrophagen und ist somit in der Lage auch ohne zusätzliche Ko-Stimulation, beispielsweise durch ATP, das NLRP3 Inflammasom zu stimulieren und die Prozessierung von aktivem IL-1β anzuregen. In einem Pathogenvermittelten (Lipopolysaccharid (LPS)-induzierte Sepsis) wie auch –nicht-athogenvermittelten (unilaterale Uretherobstruktion, UUO) Mausmodell der Inflammation wurde die biologische Relevanz dieser Prozesses gezeigt. Die Defizienz von Biglycan ging in diesen Modellen mit verminderter Aktivierung des NLRP3/Caspase-1 Inflammasomes, geringeren Spiegeln von reifem IL-1β und geringerer Organschädigung einher. Nachdem aufgezeigt werden konnte, dass die Biglycan-Konzentrationen in Nierenbiopsien und im Plasma von Patienten mit Lupus Nephritis stark erhöht waren, wurde seine Relevanz in Immunitätsreaktionen einschließlich autoinflammatorischen Prozessen genauer untersucht. Die Effekte von Biglycan in verschiedenen Stadien der Erkrankung wurden mit der MRL-Faslpr (kurz MRL/lpr) Maus, einem etablierten Modell der Lupus Nephritis (LN) und einem dafür generierten Modell der Defizienz (Bgn-/- MRL/lpr) und Überexpression von Biglycan (hBGN MRL/lpr) analysiert. In den verschiedenen Stadien der LN nahm die Konzentration von zirkulierendem und renalem Biglycan in MRL/lpr Mäusen zu und korrelierte gleichermaßen mit dem Fortschreiten der Erkrankung. Die Defizienz von Biglycan verminderte hingegen stark die renale Infiltration von Entzündungszellen, insbesondere B1-Zellen, außerdem die Zytokin-, Chemokin- und Immunglobulin-Konzentrationen und minderte die Progredienz der Niereninsuffizienz verglichen mit Lupus Mäusen gleichen Alters. In der Initialphase der Lupus Nephritis induzierte Biglycan in Mäusen, transient transgen für humanes Biglycan (hBGN MRL/lpr), vermehrte renale Zellinfiltration und Albuminurie als Zeichen nephrotischer Dysfunktion. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Produktion des stark proinflammatorischen Zytokines IL-1β in jungen Lupus Nephritis Mäusen NLRP3/Caspase-1-abhängig ist und durch Biglycan verstärkt wurde. Die Mechanismen, durch die endogenes Biglycan die Leukozyteninfiltration in Lupus Mäusen induzierte und somit inflammatorische und autoimmune Vorgänge potenzierte, wurden insbesondere an B-Zellen untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass Biglycan die renale Migration von einem besonderen B-Zell Subtyp, B1-Zellen, verantwortlich für die T-Zellenunabhängige Autoimmunglobulinproduktion beim LN, unterhielt. Dabei vermittelte Biglycan die Rekrutierung von B1-Zellen in die Niere durch Regulation der Expression und Synthese der B-Zell C-X-C Chemokin Ligand 13 (CXCL13) in der Niere und in residenten peritonealen Makrophagen. In vitro konnte zudem der Mechanismus aufgeklärt werden, über den Biglycan CXCL13 reguliert. In primären Makrophagen und dendritischen Zellen induziert Biglycan die Expression und Sekretion von CXCL13 über TLR2 und TLR4. Die Daten zeigen auf, dass Biglycan als endogenes Gefahrensignal starke proinflammatorische Reaktionen hervorruft. Über Rezeptoren des angeborenen Immunsystems, TLR2 und TLR4, aktiviert Biglycan des weiteren Zellen des adaptiven Immunsystems und inuziert die Rekrutierung weiterer Lymphozyten. Demnach kann postuliert werden, dass Biglycan als Brückenmolekül das anegborene und adaptive Immunsystem verbindet, und somit ein potenzielles neues „drug target“ in autoinflammatorischen, wie auch autoimmunen Vorgängen darstellt.
I-kappaB-Kinase epsilon - ein neues Zielprotein für die Pharmakotherapie bei Schmerz und Entzündung?
(2010)
Der Transkriptionsfaktor NF-kappaB spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation von Immunantworten, Apoptose und Entzündungen sowie bei der Entstehung und Verarbeitung von Schmerzen. Ein pharmakologischer Eingriff in die NF-kappaB-Aktivierungskaskade könnte daher eine Schmerzhemmung bewirken und so Ansätze für die Entwicklung neuer Therapien für pathophysiologische Schmerzen liefern. Die NF-kappaB-Signalübertragungskaskade bietet verschiedene Angriffspunkte für Pharmaka, wobei zurzeit IkappaB Kinasen (IKK) als hoffnungsvolle Zielmoleküle im Fokus der Untersuchungen stehen. Verschiedene IKKs regulieren die Aktivität von NF-kappaB über die Phosphorylierung des inhibitorischen Proteins IkappaB oder über die direkte Phosphorylierung von NF-kappaB. In der vorliegenden Arbeit wurde die Rolle der neu entdeckten IKK epsilon bei der Schmerzentstehung und -verarbeitung sowie deren Eignung als neues Zielmolekül für die Schmerztherapie näher untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass IKK epsilon konstitutiv in Geweben der Maus, welche an der Entstehung und Verarbeitung von Schmerzen beteiligt sind, exprimiert ist. Im Rückenmark konnte die Lokalisation von IKK epsilon in den schmerzrelevanten Laminae I und II des Dorsalhorns nachgewiesen werden und auch in den Hinterwurzelganglien (Dorsal Root Ganglia (DRG’s)) war IKK epsilon in kleinen, nozizeptiven Neuronen exprimiert. Nach peripherer entzündlich-nozizeptiver Stimulation mit Formalin oder Zymosan kam es im Lumbalmark und den DRG’s zu einem signifikanten Anstieg der IKK epsilon-Expression sowohl auf mRNA- als auch auf Proteinebene. Diese Beobachtungen machten eine Beteiligung von IKK epsilon an der Prozessierung von Schmerz sehr wahrscheinlich. Um die Rolle von IKK epsilon während der Schmerzentstehung und -verarbeitung besser beurteilen zu können wurde das Verhalten von IKK epsilon defizienten Mäusen in akuten und inflammatorischen Schmerzmodellen charakterisiert. Es konnte gezeigt werden, dass der Knockout von IKK epsilon zu einem signifikant verringerten nozizeptiven Verhalten im Formalintest und einer Hemmung der mechanischen Hyperalgesie nach Zymosaninjektion im Vergleich zu Wildtyp-Mäusen führte. Gleichzeitig konnte kein Unterschied im akut nozizeptiven Verhalten festgestellt werden. Der Knockout von IKK epsilon hatte demnach keine Auswirkung auf den akuten physiologischen Nozizeptorschmerz, zeigte jedoch eine Verbesserung bei pathophysiologischen Schmerzen. Das verringerte nozizeptive Verhalten der IKK epsilon defizienten Mäuse im Formalintest ging mit einer Hemmung der NF-kappaB-Aktivierung im Rückenmark einher. Auch konnte eine verringerte mRNA-Expression der NF-kappaB-abhängigen Gene Cyclooxygenase-2 (COX-2), Matrixmetalloprotease-9 (MMP-9) und induzierbare Stickstoffmonoxid-Synthase (iNOS), die an der Regulation von Entzündungsschmerzen beteiligt sind, im Rückenmark und den DRG’s nachgewiesen werden. Da IKK epsilon bisher hauptsächlich mit der Aktivierung des TypI Interferon-Signalweges in Zusammenhang gebracht wurde, wurde außerdem geprüft, ob es nach Injektion mit Formalin zu einer Aktivierung des Trankriptionsfaktors Interferon-regulierender Faktor (IRF)-3 in Wildtyp-Mäusen kommt, was nicht beobachtet werden konnte. Der Knockout von IKK epsilon scheint demnach seine antinozizeptive Wirkung direkt über eine fehlende Aktivierung von NF-kappaB zu entfalten, wonach IKK epsilon eine bedeutendere Rolle als bisher angenommen bei der Aktivierung von NF-kappaB spielt. Dies konnte durch in vitro Daten untermauert werden. Der Knockdown von IKK epsilon in Makrophagen-Zellkultur mit spezifischer siRNA verhinderte die Phosphorylierung von NF-kappaBp65 am Serinrest 536 nach Stimulation mit LPS. Anhand der vorliegenden Daten lässt sich also schlussfolgern, dass IKK epsilon an der Schmerzentstehung und verarbeitung bei Entzündungen beteiligt zu sein scheint. Eine Hemmung dieser Kinase könnte demnach ein neues, lohnendes Ziel für die Entwicklung neuer Medikamente für die Schmerztherapie sein.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde eine allgemein anwendbare Methode zur Identifizierung und Quantifizierung kleiner Moleküle mittels MALDI-TOF-MS entwickelt. Dabei wurden zahlreiche Analyten, wie unterschiedliche Arzneistoffe, Neurotransmitter und Lebensmittelinhaltsstoffe in verschiedenen Probenmatrizes analysiert. Bei den verwendeten Matrizes wurden mit a-Cyano-4-Hydroxy-Zimtsäure (CHCA) die besten Ergebnisse erzielt. Es zeigte sich jedoch, dass die Probenpräparation wichtiger war als die Wahl der Matrix, da auch mit anderen Matrizes bei optimierter Probenpräparation sensitive Messungen im niedrigen Massenbereich möglich waren. Insbesondere eine schnelle Trocknung des Probenspots, und damit verbunden die Bildung kleiner Kristalle, ist für die Analytik kleiner Moleküle hilfreich. Bei gleichzeitiger Verwendung geringer Matrixkonzentrationen und geringer Laserintensität konnte so der störende Matrixhintergrund minimiert werden. Eine noch stärkere Suppression der Matrixsignale bei gleichzeitiger Anreicherung der Analyten auf dem Probenspot konnte durch eine Dünnschichtpräparation (TLP) mit CHCA und Nitrozellulose erreicht werden. Allerdings war die TLP für eine automatische Quantifizierung kleiner Moleküle nur bedingt geeignet. Die für kleine Moleküle so wichtige Quantifizierung war durch Verwendung einer optimierten schnell trocknenden Dried Droplet Präparation (DDP) möglich. Die Kombination dieser optimierten DDP mit ausreichend aufsummierten Einzelschussspektren bei gleichzeitiger Verwendung eines internen Standards (IS) ermöglichte eine valide Quantifizierung mit guter Präzision, Linearität und Richtigkeit. Dabei erfüllten die quantifizierten Analyten die Vorgaben der FDA für Präzision und Richtigkeit. Diese Quantifizierungsmethode wurde an Mischungen unterschiedlicher Arzneistoffe, sowohl in Standardlösungen als auch in humanem Plasma, erfolgreich durchgeführt. Dabei genügte ein einziger interner Standard, um alle Arzneistoffe der Mischung schnell und sensitiv zu bestimmen (Bestimmungsgrenze 1-5 ng/ml). Weiterhin war es möglich, den Wirkstoff einer pharmazeutischen Tablette ohne aufwändige Probenvorbereitung schnell und genau zu bestimmen. Dass MALDI über eine hohe Salztoleranz verfügt, wurde bei der Bestimmung von Acetylcholin (ACh) und Cholin (Ch) in Mikrodialysaten bestätigt. Trotz des hohen Salzgehalts der Proben (~150 mM) war eine direkte Messung ohne vorherige Aufarbeitung möglich. Dabei lag die Nachweis- und Bestimmungsgrenze für ACh bei 0,3 bzw. 1 fmol/µl und für Ch bei 20 bzw. 100 fmol/µl. Nach den Standardlösungen wurden in-vivo Mikrodialysate aus dem rechten Striatum verschiedener CD1-Mäuse quantifiziert. Durch Verbindung der Dialysesonde mit einem MALDI-Spotter konnte außerdem die zeitliche Auflösung der Dialyse deutlich verbessert werden. Ein weiterer Anwendungsbereich stellte die Bestimmung von Melamin in Milch und Milchpulver dar. Nach einfacher Probenvorbereitung war es möglich, Melamin mit einer Bestimmungsgrenze von 0,25 ppm in Milchpulver bzw. 0,625 ppm in Milch direkt und schnell zu quantifizieren. Damit wurden die geforderten Grenzwerte von 1 ppm für Babynahrung bzw. 2,5 ppm für übrige Lebensmittel leicht erreicht. Als letzte Methode wurden verschiedene Inhaltstoffe in Energy Drinks bestimmt. Bei Verwendung von Theophyllin als IS konnte so neben Koffein auch Niacin und Pyridoxin erfolgreich und ohne Probenvorbereitung schnell quantifiziert werden. Zusammenfassend zeigt diese Arbeit, dass MALDI auch für die Analytik kleiner Moleküle gut geeignet ist. Neben der Identifizierung der Analyten war auch die Quantifizierung mit guter Linearität, Reproduzierbarkeit und Richtigkeit möglich. Dabei konnten mit der Standardmatrix CHCA verschiedenste niedermolekulare Analyten in unterschiedlichsten Probenmatrizes bestimmt werden. Im direkten Vergleich war die Sensitivität der vorgestellten MALDI-Methoden mindestens vergleichbar, wenn nicht gar besser als bestehende LC-MS-Methoden. Da auf den Einsatz einer LC verzichtet werden kann, ermöglich MALDI einen sehr viel höheren Probendurchsatz. Zudem war keine spezielle Matrix, besondere Geräte oder zeitaufwändige Probenvorbereitung und Präparation notwendig.
Reziproke chromosomale Translokationen sind häufig mit Leukämien assoziiert und gelten in den meisten Fällen als Erkrankungsursache. Das MLL-Gen auf der Chromosomenbande q23 des Chromosoms 11 ist an einer Vielzahl chromosomaler Translokationen beteiligt, und die dadurch erzeugten reziproken MLL-Fusionsgene sind ausschließlich mit Hochrisikoleukämien assoziiert. Die häufigste Aberration ist eine reziproke Translokation zwischen den beiden Genen MLL und AF4 (4q21), die t(4;11)-Translokation, die in ca. 80% aller Akuten Lymphatischen Leukämien bei Kleinkindern, aber auch bei älteren Patienten mit einer Sekundärleukämie, auftritt. Die leukämischen Blasten dieser Patienten sind meist gegen konventionelle Therapien resistent, so dass t(4;11) Leukämien mit einer ungewöhnlich schlechten Prognose verbunden sind. Welches der beiden Fusionsproteine, MLL-AF4 oder AF4-MLL, die bei der t(4;11)-Translokation entstehen für die Entstehung der Leukämie verantwortlich ist, wird noch kontrovers diskutiert. Bisherige Publikationen zeigen die Onkogenität beider Fusionsproteine, und ihr Potential, Leukämien im Mausmodell hervorzurufen. Frühere Studien dieser Arbeitsgruppe zeigen die onkogene Wirkung des AF4-MLL Fusionsproteins, dessen Expression zur Wachstumstransformation von murinen Zellen und einer Akuten Lymphatischen Leukämie in der Maus führt. Die onkogene Wirkung von AF4-MLL entsteht, sobald das Fusionsprotein nach seiner Prozessierung durch die Endopeptidase Taspase1 heterodimerisiert und dadurch vor SIAH-vermitteltem proteasomalen Abbau geschützt wird. So kann sich das heterodimerisierte Protein - anders als das AF4-Wildtyp Protein - in den Zellen anhäufen und zu unkontrolliertem Wachstum führen. Um die Heterodimerisierung des AF4-MLL Fusionsproteins kompetitiv zu inhibieren, wurden im Rahmen dieser Arbeit kleine Fragmente aus der C-terminalen Interaktionsdomäne FYRC von MLL exprimiert. Dazu wurde die Interaktion kleiner Peptide aus der FYRC-Domäne mit dem N-terminalen Fragment des AF4-MLL Proteins mithilfe eines Biosensorsystems und Co-Immunopräzipitationen getestet. Anschließend wurden die kleinsten Peptide, die noch an das N-terminale Fragment binden können (B1 und B3), ausgewählt, und zusammen mit AF4-MLL co-exprimiert. Mithilfe von Western Blot-Analysen von gereinigtem AF4-MLL·N konnte gezeigt werden, dass die Expression dieser Peptide dazu führt, dass das C-terminale Fragment nicht mehr an das N-terminale Fragment binden kann. Durch diese Inhibition der Heterodimerisierung kann der AF4-MLL Multiproteinkomplex nicht vollständig aufgebaut werden, da auch die C-terminalen Komplexpartner WDR5 und RBBP5 nur noch eingeschränkt binden können. Zusätzlich wurde die Stabilität der prozessierten Fragmente AF4-MLL·N und MLL·C im Falle einer Inhibition der Dimerisierung untersucht. Offensichtlich sind beide Fragmente nur stabil, wenn sie miteinander heterodimerisiert sind. Eine Blockierung der Interaktion durch kompetitive Peptide führt dazu, dass sowohl AF4-MLL·N als auch MLL·C proteasomal degradiert werden. Da auch das MLL-Wildtyp Protein über die Interaktionsdomänen FYRN und FYRC heterodimerisiert, wurde zusätzlich der Effekt der Expression der Peptide auf die Viabilität von MLL-exprimierenden Zellen untersucht. Dazu wurden die Peptide B1 und B3 in sechs unterschiedlichen Zelllinen, von denen zwei die t(4;11)-Translokation tragen, exprimiert. Anschließend wurde nach einer PI-Färbung der Anteil apoptotischer Zellen mithilfe eines Durchflusszytometers ermittelt. Die vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass keines der beiden Peptide einen starken Einfluss auf Zelllinien hat, die das Wildtyp-MLL Gen besitzen. Die Apoptose der vier untersuchten Zelllinien war kaum erhöht, wenn diese Peptide exprimiert wurden. Interessanterweise scheint das Peptid B1 dagegen einen Apoptosefördernden Effekt auf diejenigen Zellen zu haben, die das AF4-MLL Protein exprimieren. Basierend auf den vorliegenden Daten kann die Aussage getroffen werden, dass es prinzipiell möglich ist, das AF4-MLL Fusionsprotein spezifisch anzugreifen. Eine Blockierung der Heterodimerisierung blockiert die Ausbildung des onkogenen AF4-MLL Multiproteinkomplexes. Dies führt zudem dazu, dass die beiden Taspase1-prozessierten Fragmente AF4-MLL·N und MLL·C proteasomal degradiert werden. Die Inhibition der Heterodimerisierung von AF4-MLL ist mit einer leicht erhöhten Apoptoserate in t(4;11)-positiven Zellen verbunden. Diese Beobachtung könnte in Zukunft von Bedeutung sein, wenn über neue Therapieansätze bei t(4;11) Leukämien nachgedacht werden sollte.
Dynamische Proteininteraktionen sind die Grundlage biologischer Prozesse, ihr korrekter Ablauf ist essentiell für die intakte Physiologie aller Organismen. Die Aufklärung der Struktur und Funktion von Proteinen inklusive ihrer komplexen Interaktionen, ist entscheidend für das Verständnis biologischer Prozesse. Methoden zur Untersuchung von Protein-Interaktionen sind in der Regel auf die Modifikation von Proteinen angewiesen. Zum Einen ist die selektive Markierung von Proteinen mit spektroskopischen Sonden – insbesondere mit Fluorophoren – ein wichtiger Ansatz zur in vivo und in vitro Interaktionsanalyse. Zum Anderen gewinnen festphasenbasierte Analysemethoden zunehmend an Bedeutung. Multivalente Chelatoren (MCH) bieten vielseitige Möglichkeiten, rekombinante Proteine reversibel an spektroskopische Sonden oder Oberflächen anzubinden und haben dadurch ein enormes Potential für Anwendungen zur funktionalen Charakterisierung von Proteinen. Ziel dieser Arbeit war es, die Energetik und Dynamik der Interaktion von MCH mit Oligohistidinen zu charakterisieren, um diese insbesondere zur Organisation von Proteinen in Mikro- und Nanostrukturen einzusetzen. Die Interaktion der MCH mit Histidin-Tags unterschiedlicher Länge und Sequenz wurde in Lösung und an Oberflächen charakterisiert. Es zeigte sich, dass die zunehmende Länge und die Redundanz auf Seiten des Histidin-Tags in einer erhöhten Affinität resultierten. Das Einführen einzelner Spacer-Aminosäuren resultierte hingegen in einer drastischen Reduktion der Komplexstabilität. Ein Alanin-Scanning zeigte, dass vor allem die zentralen Histidine besonders wichtig für eine stabile Bindung sind. Dieser Effekt lässt sich dadurch erklären, dass es sich bei der MCH-Oligohistidin-Interaktion um einen äußerst dynamischen Prozess handelt, bei dem die Metallkoordinationsstellen mit ständig wechselnden Histidinen interagieren. Diese Permutation erhöht die Entropie des Komplexes, und ist somit Grund für die erhöhte Affinität mit steigender Redundanz des Histidin-Tags. Anhand von Chelator-Dichte-Arrays konnte gezeigt werden, dass die Stabilität der Bindung von Histidin-getagten Proteinen nicht nur mit der Multivalenz der Chelatoren, sondern auch mit der MCH-Dichte ansteigt. In Kompetitionsexperimenten mit Hexa- und Dekahistidinen auf den MCH-Dichte-Arrays wurden veränderte Stabilitäten beobachtet. Die Stabilität von H6 ver5. veringert sich in Anwesenheit von H10, wobei sich die scheinbare Affinität von H10 in Anwesenheit von H6 erhöht. Dies wird auf die gleichzeitige Interaktion mit verschiedenen MCH-Molekülen auf der Oberfläche, die Oberflächenmultivalenz, zurückgeführt. Um diesen Effekt anhand von MCHMolekülen mit definiertem Abstand zu untersuchen, wurde ein Tris-NTABiotin-Konjugat (BTTris-NTA) hergestellt und auf Streptavidin-Oberflächen bzw. fluoreszenzmarkiertem Streptavidin eingesetzt. Echtzeit TIRFS-RIf-Kompetitionsexperimente zeigten eine veränderte Bindungskinetik für H6 in Anwesenheit von H10, welche darauf zurückzuführen ist, dass H6 aktiv durch H10 verdrängt wird. Dieser Effekt ist offenbar auf die dynamische Interaktion des Oligohistidins mit multiplen Chelatoren auf der Oberfläche zurückzuführen, welche den aktiven Austausch von H6 gegen H10 ermöglicht. Sowohl auf Oberflächen als auch in Lösung wurden für die Interaktion von Streptavidin-gebundenem BTTris-NTA mit Oligohistidinen um Faktor 3-5 erhöhte Affinitäten, im Vergleich zu freiem Tris-NTA, festgestellt. Interaktionsanalysen in Lösung zeigten maximale Komplex-Stöchiometrien von 1:2 für die Interaktion von Streptavidin-BTTris-NTA mit Oligohistidinen. Diese Stöchiometrien sowie die erhöhte Affinität lassen sich durch die gleichzeitige Interaktion von zwei benachbarten an Streptavidin gebundenen BTTris-NTA-Molekülen mit einem Oligohistidin erklären. Die räumliche Nähe der Tris-NTA-Moleküle erhöht die Redundanz auf Seiten des Chelators, was sich wiederum positiv auf die Entropie auswirkt und damit zu einer erhöhten Affinität führt. Diese Ergebnisse bestätigen den postulierten Effekt der Oberflächenmultivalenz. Es wurde gezeigt, dass BTTris-NTA die reversible Biotinylierung Histidingetagter Proteine ermöglicht, und damit eine Brücke zwischen den zwei am meisten eingesetzten Werkzeugen der Biochemie, dem Histidin-Tag und dem Biotin-(Strept)Avidin-System, schlägt. BTTris-NTA findet in verschiedenen Bereichen Anwendung: zur Umwandlung kommerzieller (Strept)Avidin-Oberflächen in Tris-NTA-Oberflächen, in Phage-Display-Screenings und Western Blot Analysen sowie zur Markierung von Rezeptoren auf Zelloberflächen. Die Biotinylierung über BTTris-NTA ermöglicht es zudem, auch Proteine geringer Konzentrationen (<10 nM) effizient auf Streptavidinoberflächen zu immobilisieren. Diese Selbstassemblierung Histidin-getagter Proteine wurde zur Organisation von Proteinen auf Oberflächen in Mikro- bis Nanometer-Dimensionen genutzt.
Diese Dissertation befasst sich mit der massenspektrometrischen Analytik von Membranproteinen. Diese gestaltet sich aufgrund der hydrophoben Natur der Proteine und der damit verbundenen schlechten Löslichkeit in wässrigen Puffersystemen als deutlich schwieriger als die Untersuchung löslicher Proteine. Einige weitere Probleme entstehen durch die konsequente Verwendung der Referenzprotease Trypsin zur Hydrolyse der Proteine. Sie spaltet ausschließlich Peptidbindungen nach basischen Aminosäuren, die naturgemäß in den unpolaren Helixbereichen der Membranproteine nur vereinzelt anzutreffen sind. Im Rahmen dieser Arbeit wurden auf weniger spezifischen Proteasen basierende Protokolle zur Analyse von ganzen Membranproteomen entwickelt, welche einige der ursprünglichen Probleme umgehen oder zumindest vermindern. Die Proteolysereaktion fand in Anwesenheit von Methanol statt, welcher die Membranstruktur destabilisiert und so die Zugänglichkeit der in die Membran eingebetteten Proteinteile für das Enzym erhöht. Zusätzlich erhöhte sich dadurch die Löslichkeit gebildeter hydrophober Peptide im Puffer. Das neue Protokoll wurde an Bacteriorhodopsin, einem geläufigen Modellsystem für α helikale Membranproteine, erfolgreich etabliert. Bei Verwendung der Proteasen Elastase und Pepsin konnten nach nLC-Trennung und MALDI-MS/MS deutlich mehr Peptide des Membranproteins signifikant identifiziert werden, als es mit Trypsin möglich gewesen ist. Auch qualitativ ergaben sich Unterschiede zwischen beiden Enzymen. Mit den alternativen Enzymen ließen sich nicht nur die hydrophilen peripheren Proteinabschnitte nachweisen, sondern auch zahlreiche Peptide aus den hydrophoben Transmembranbereichen. Das am Modellprotein etablierte Elastase-Protokoll konnte problemlos auf die Analyse des komplexeren Membranproteoms von Corynebacterium glutamicum transferiert werden. So konnten ca. 150 verschiedene Proteine identifiziert werden, darunter auch zahlreiche Membranproteine. Die erzeugten Peptidmischungen wurden nicht nur mittels nLC-MALDI-TOF/TOF sondern auch mit einer nLC-ESI-Orbitrap-Plattform analysiert. Anhand einer detaillierten Analyse der physikochemischen Eigenschaften der entstandenen Peptide konnte gezeigt werden, dass der dabei beobachtete Vorteil des ESI-Instrumentes zu großen Teilen auf die bessere Detektion aliphatischer Neutralpeptide zurückzuführen war. Diese werden bei der MALDI vornehmlich aufgrund der schlechteren Ionisation bei Verwendung der Standardmatrix α-Cyano-4-Hydroxyzimtsäure diskriminiert. Ein weiterer Vorteil des verwendeten ESI-Gerätes ist seine bessere Massengenauigkeit durch den hochauflösenden Orbitrap-Massenanlysator. Wurden die MALDI-TOF/TOF-Fragmentierungsdaten durch, auf einem zweiten Instrument gemessene, genaue MALDI-Orbitrap-Vorläufermassen supplementiert, konnten über 30% mehr Peptide signifikant identifiziert werden. Die gesammelten Daten konnten zur Erhebung einiger Statistiken über Elastase und Pepsin herangezogen werden. Erstmals wurde eine umfassende Untersuchung der Spaltspezifität von Elastase vorgenommen. Das Enzym hydrolysiert in ca. 82% der Fälle nach den kleinen hydrophoben Aminosäuren Ala, Val, Ile, Leu, Ser und Thr. Diese Spezifität ist für proteolytische Schnitte innerhalb der hydrophoben Helixbereiche von Membranproteinen äußerst vorteilhaft. Sie reicht aus, um Peptide Mass Fingerprinting an Einzelproteinen durchzuführen, wie exemplarisch am Modellprotein Bacteriorhodopsin gezeigt wurde. Die für Pepsin erhaltene Spezifität ist hingegen zu undifferenziert für solche Experimente, weshalb hier MS/MS-basierte Strategien vorzuziehen sind. Weitergehende Verbesserungen für Datenbanksuchen mit weniger spezifischen Proteasen wurden vorgeschlagen. Hierzu wurde erstmals eine größere Fragmentierungsstatistik eines nichttryptischen Datensatzes auf einem MALDI-Instrument erstellt, deren Aussage zur Verifizierung von Suchergebnissen in die Algorithmen implementiert werden kann. Beim Einsatz weniger spezifischer Proteasen erhöht sich im Vergleich zu Trypsin die entstehende Peptidkomplexität. Zur Kompensation dessen wurde eine Fraktionierung mittels Off-gel IEF vor der nLC-MALDI-Analyse etabliert. Zwecks direkter Kompatibilität zur nLC wurde ein Off-gel IEF-Protokoll ohne die Probeninjektion störendes Glycerol entwickelt. So ließ sich die dreifache Menge an Peptiden nachweisen, als mit ausschließlich eindimensionaler nLC-Trennung. In Verbindung mit den durch Trypsin erzielbaren Resultaten lassen sich mit den weniger spezifischen Enzymen viele Membranproteine umfassender charakterisieren, da zusätzlich die hydrophoben Transmembranbereiche und somit mehr Informationen für die Analytik zugänglich sind. Der gezielte Einsatz von alternativen Enzymen verbessert die momentane Situation in der Membranproteom-Analytik deutlich und führt diese einen weiteren Schritt an die Analytik löslicher Proteine heran.
Im ersten Teil dieser Arbeit wurde der Einfluss des HIV-Protease-Inhibitors Saquinavir und seines Derivates Saquinavir-NO auf die ABC-Transporter vermittelte Chemoresistenz in Tumorzellen untersucht. Saquinavir-NO zeigte in drei verschiedenen Tumorentitäten stärkere zytotoxische Wirkung als Saquinavir. Weder die Expression der ABC-Transporter MDR1 oder BCRP1 noch der zelluläre p53-Status hatten einen Einfluss auf die Zellsensitivität. MDR1-exprimierende chemoresistente Tumorzellen wurden durch Saquinavir-NO stärker gegen ausgewählte Zytostatika resensitiviert als durch Saquinavir. An chemosensitiven MDR1-negativen Zellen wurden keine Effekte beobachtet. Des Weiteren wurde die Neuroblastomzelllinie UKF-NB-3 mit Hilfe lentiviraler Vektoren mit cDNA für MDR1 transduziert. In diesem MDR1-transduzierten Zellmodell wurde die Sensiti-vität gegen das MDR1-Substrat Vincristin durch Saquinavir-NO stärker erhöht als durch Saquinavir. Am Durchflusszytometer wurde der Einfluss von Saquinavir und Saquinavir-NO auf die intrazelluläre Akkumulation des fluoreszierenden MDR1-Substrates Rhodamin 123 untersucht. In MDR1-exprimierenden Zelllinien führte Saquinavir-NO zu einer deutlich stärkeren Akkumulation von Rhodamin 123 als Saquinavir. In MDR1-negativen Zellen wurden keine Effekte beobachtet. Mit Hilfe des MDR1-ATPase-Assays und Wash-Out-Kinetiken am Durchflusszytometer wurde die Frage geklärt, ob Saquinavir und Saquinavir-NO als Substrate oder als allosterische Inhibitoren für MDR1 fungieren. Die Ergebnisse beider Assays lassen den Schluss zu, dass sowohl Saquinavir als auch Saquinavir-NO jeweils ein Substrat für MDR1 darstellen. Um den Einfluss von Saquinavir und Saquinavir-NO auf den ABC-Transporter BCRP1 zu untersuchen, wurde die Neuroblastomzelllinie UKF-NB-3 mit Hilfe lentiviraler Vektoren mit cDNA für BCRP1 transduziert. Die BCRP1-transduzierten Zellen wurden durch Saquinavir und Saquinavir-NO in vergleichbarem Ausmaß zu dem BCRP1-Substrat Mitoxantron sensibilisiert. Saquinavir-NO ist somit im Vergleich zu Saquinavir der deutlich potentere MDR1-Inhibitor, während beide Substanzen gleichermaßen BCRP1 beeinflussten. Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde der Einfluss des MDM2-Inhibitors Nutlin-3 auf die ABC-Transporter-vermittelte Chemoresistenz in Tumorzellen untersucht. Nutlin-3 zeigte aufgrund seiner Funktion als MDM2-Inhibitor an Zellen mit Wildtyp-p53 stark zytotoxische Effekte. An Zellen mit einer p53-Mutation oder an Zellen, die p53-negativ sind, waren diese Effekte nicht zu beobachten. Die Behandlung mit Nutlin-3 führte in p53-Wildtypzellen zur Induktion diverser p53-Zielgene (p21, MDM2, GADD). In Zellen mit mutiertem p53 blieb diese Induktion nach Nutlin-3-Behandlung aus. Chemoresistente MDR1-exprimierende Tumorzellen wurden durch Nutlin-3 stark gegen ausgesuchte Zytostatika resensitiviert. Des Weiteren wurde die chemosensitive, p53-mutierte (Nutlin-3-insensitive) und MDR1-negative Rhabdomyosarkomzelllinie RH30 mit Hilfe lentiviraler Vektoren mit cDNA für MDR1 transduziert. In diesem MDR1-transduzierten Zellmodell wurde die Sensitivität gegen das MDR1-Substrat Vincristin durch Nutlin-3 stark erhöht. Am Durchflusszytomter zeigte sich in MDR1-exprimierenden Zellen durch Behandlung mit Nutlin-3 eine signifikant erhöhte intrazelluläre Akkumulation des fluoreszierenden MDR1-Substrates Rhodamin 123. In MDR1-negativen Zellen wurde dieser Effekt nicht beobachtet. Mit Hilfe des ATPase-Assays und Wash-Out-Kinetiken am Durchflusszytometer wurde die Frage geklärt, ob Nutlin-3 als Substrat oder als allosterischer Inhibitor für MDR1 fungiert. Die Ergebnisse beider Assays lassen den Schluss zu, dass Nutlin-3 ein Substrat für MDR1 darstellt. Nutlin-3 ist ein Racemat und wurde in allen Versuchen als solches verwendet. Das Enantiomer Nutlin-3a hemmt die MDM2-p53-Interaktion als aktives Enantiomer ca. 150-fach stärker als Nutlin-3b. Im letzten Schritt der vorliegenden Arbeit wurde Nutlin-3 in seine Enantiomere Nutlin-3a und Nutlin-3b aufgetrennt und beide Enantiomere wurden im Hinblick auf ihre Wirkung auf MDR1 untersucht. Dabei wurden keine Unterschiede zwischen den beiden Enantiomeren festgestellt. Nutlin-3a und Nutlin-3b interferieren demnach zu gleichen Teilen mit MDR1. Um den Einfluss von Nutlin-3 auf den ABC-Transporter MRP1 zu untersuchen, wurde mit zwei verschiedenen Zellmodellen gearbeitet. In beiden Zellmodellen zeigte sich, dass Nutlin-3 auch den MRP1-vermittelten Efflux der fluoreszierenden Substrate Rhodamin 123 und Calcein-AM inhibiert. Der Befund, dass Nutlin-3 mit der MDR1- und MRP1 vermittelten Chemoresistenz interferiert, ist neu und eine wichtige Information für die Bewertung der beginnenden klinischen Studien zur Untersuchung von Nutlin-3 als antitumorale Substanz.
Development and characterization of histamine H3 and H4 receptor ligands as pharmacological tools
(2010)
Histamin gilt seit seiner Entdeckung vor ungefähr 100 Jahren als ein wichtiger chemischer Botenstoff im Organismus. Der Transmitter vermittelt pleiotrope Effekte über vier bisher bekannte G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (H1R-H4R), die in die Regulation vielfältiger physiologischer Funktionen involviert und an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind. Antagonisten der ubiquitär im Organismus exprimierten H1R und H2R werden weitreichend zur Therapie von allergischen Erkrankungen bzw. Geschwüren im Gastrointestinaltrakt eingesetzt. H3R und H4R sind die jüngsten Vertreter der Histamin-Rezeptor-Klasse (HR). Auf molekularer Ebene zeigen diese beiden Subrezeptoren einen hohen Verwandtschaftsgrad. Sie ähneln sich u.a. bezüglich ihrer Aminosäuresequenz, ihrer Struktur und der Bindungseigenschaften von Liganden. Beide sind funktionell an inhibitorische/olfaktorische G-Proteine gekoppelt. Negative Rückkopplungsmechanismen werden durch ein hohes Maß an konstitutiver Aktivität ermöglicht. Dies unterstreicht die modulierende Funktion beider Rezeptoren, die wichtige physiologische Prozesse im Gleichgewicht hält. Als Auto- und als Heterorezeptor kommt der H3R hauptsächlich im zentralen Nervensystem vor. Er kontrolliert die Synthese und Freisetzung seines endogenen Liganden, moduliert aber auch die Konzentration anderer Neurotransmitter im synaptischen Spalt, die aus ko-lokalisierten Neuronen freigesetzt werden. Aus diesem Grund nimmt das neuronale histaminerge System eine entscheidende Rolle in der Erhaltung physiologischer Prozesse, wie z.B. Erregung, Aufmerksamkeit und Ernährungsverhalten, ein. Ein Ungleichgewicht der Neurotransmitterkonzentrationen kann die Entstehung neuronaler Erkrankungen verursachen, z.B. neurodegenerative Erkrankungen, Aufmerksamkeitsstörungen oder Übergewicht. Pitolisant ist der erste inverse H3R-Agonist, der sich in Phase III der klinischen Prüfung befindet. Sein erfolgreicher Einsatz bei verschiedenen pathophysiologischen Zuständen kann als Beweis für das H3R-antagonistische Therapieprinzip angesehen werden. Im Gegensatz zum H3R wird der H4R hauptsächlich in der Peripherie exprimiert, wo er an der Modulation des Immunsystems und an der Entstehung entzündlicher Prozesse beteiligt ist. Ergebnisse aus ersten präklinischen Studien sind teilweise widersprüchlich,weisen aber darauf hin, dass H4R-Liganden potenziell zur Therapie von allergischen und entzündlichen Erkrankungen entwickelt werden könnten. In beiden Forschungsgebieten müssen fundamentale Fragen noch geklärt werden, z.B. die Bedeutung von Rezeptor-Isoformen, die Rolle von Rezeptor-Heterodimeren oder die Aufklärung therapeutischer Prinzipien. Zudem müssen Liganden-Bindundgsmodi charakterisiert werden, um in der Zukunft weitere Bindungsareale in den jeweiligen Bindetaschen optimal zu nutzen. Hierdurch können Affinität, Aktivität und Selektivität von Liganden gesteuert werden. Diese Fragestellungen verdeutlichen den Bedarf an neuen Leitstrukturen und pharmakologischen Werkzeugen, die im Rahmen dieser Arbeit synthetisiert wurden. Im Vordergrund des H3R-Projektes standen Prinzipien des bioisosteren Austauschs, um dadurch die Entwicklung verschiedener Vorstufen für Liganden zum Einsatz in bildgebenden Verfahren zu ermöglichen. Ziel des H4R-Projektes war die Etablierung einer neuen Leitstruktur sowie deren Modifikation und Optimierung, um eine für die Aufstellung von Struktur-Wirkungsbeziehungen geeignete Substanzbibliothek zu erhalten. Mit Hilfe verschiedener In-vitro- und In-silico-Experimente wurde diese Bibliothek zur Charakterisierung der H4R-Bindetasche herangezogen und kann zukünftig auch in-vivo verwendet werden. Zu Beginn der Arbeit wurde von wenigen bekannten H4R-Liganden ein Pharmakophormodell abgeleitet. In seinen Grundbausteinen zeigte es große Ähnlichkeit zu einem schon etablierten H3R-Antagonist-Modell, was den hohen Verwandtschaftsgrad der Zielstrukturen widerspiegelte und auf überlappende Struktur-Wirkungsbeziehungen hinwies. Für die Synthese der Liganden bedeutete dies, dass präparative Methoden von einem auf das andere Gebiet übertragen werden konnten. Aufgrund des unterschiedlichen Forschungsstandes werden beide Projekte im Folgenden getrennt behandelt. Die Synthese der nötigen Vorstufen zur Darstellung von H3R-Antagonisten/inversen Agonisten wurde mittels im Arbeitskreis evaluierter Methoden durchgeführt. Standardmethoden wie reduktive Aminierungs- oder Amidierungsreaktionen wurden herangezogen, um das 1-(3-Phenoxypropyl)piperidin-H3R-Pharmakophor (1) zu erweitern. Zusätzlich wurden Triazole als alternative verknüpfende Elemente erprobt, um ein zweites basisches Zentrum, das potenziell Nebenwirkungen hervorruft, zu vermeiden. Die Triazole wurden in einem Klick-Chemie-Ansatz mittels 1,3-dipolarer Zykloaddition nach HUISGEN dargestellt. Sowohl die Zyklisierung als auch die Synthese entsprechender Azid-Vorstufen wurden erfolgreich etabliert und für die Synthese von Liganden aminerger Rezeptoren optimiert. Phenyl- und Benzylgruppen wurden mit dem H3R-Pharmakophor 1 verknüpft, um eine strukturelle Basis zu erhalten, die den Vergleich mit weiteren Liganden ermöglicht. Im Folgenden wurden der zentrale Phenylether sowie die Arylreste im rechten Teil des Pharmakophors durch derartige Gruppen ersetzt, die komplexierende Eigenschaften besitzen und damit zur Darstellung von entsprechenden SPECT (dt. Einzelphotonen- Emissions-Tomografie)-Liganden geeignet sind. Der elektronenziehende und sterisch anspruchsvolle Charakter der Trifluormethylgruppen in Verbindungen 8–10 spiegelt sich sowohl in der reduzierten chemischen Aktivität der jeweiligen Edukte als auch in der nur moderaten H3R-Affinität wider. Daher wurden diese Elemente nicht weiter verfolgt. Mit den Ferrocen-Derivaten 11–15 wurden zum ersten Mal metallhaltige H3R-Liganden entworfen. Die pharmakologische Charakterisierung dieser Verbindungen zeigte, dass die Sandwichkomplexe sich hervorragend zum bioisosteren Ersatz der Phenylreste eignen. Die Affinitäten der analogen Verbindungen sind vergleichbar und liegen im niedrigen nanomolaren Konzentrationsbereich. Der invers-agonistische Charakter des H3RPharmakophors wurde anhand der Verbindungen 11 und 15 bestätigt. Eine vorläufige invivo-Testung der hochaffinen Diamine 11 und 12 zeigte keine zufriedenstellenden Ergebnisse und muss durch weiterführende Untersuchungen ergänzt werden. Verbindung 15 wurde zur Weiterentwicklung zu einem potenziellen SPECT-Liganden ausgewählt. Die elektronenziehenden Eigenschaften des verknüpfenden Triazols erleichterten die Umkomplexierung des Ferrocens zu einem (Tricarbonyl)rhenium-Derivat, jedoch konnten Probleme bei der Aufreinigung einer nicht-radioaktiv markierten Analogverbindung mit den zur Verfügung stehenden chromatographischen Methoden nicht bewältigt werden. Gleichwohl wurden mit den Ferrocen-Verbindungen wertvolle bioisostere Analoga entsprechender SPECT-Liganden synthetisiert. Die Einführung von polaren Kojisäure-Derivaten stellte einen weiteren Ansatz zur Entwicklung von Liganden mit komplexierenden Eigenschaften dar. Außerdem sollten die Molekülgröße reduziert werden, um die Blut-Hirn-Gängigkeit zu erleichtern, und neue Leitstrukturen mit potenziell neuroprotektiven Eigenschaften entwickelt werden. In einem Nebenprojekt wurden Rac1-Inhibitoren dargestellt, die Kojisäure als zentrales Element aufwiesen. Die hier etablierten Synthesewege wurden zur Darstellung der H3RLiganden genutzt. Trotz erheblicher, für g-Pyranone typischer Nebenreaktionen konnte eine Reihe von H3R-Liganden synthetisiert werden (18–24). Die Affinitäten dieser Verbindungen zeigten eine auf den rechten Teil des H3R-Pharmakophors beschränkte bioisostere Potenz von Kojisäure-Derivaten. Besonders die Diamine aus dieser Serie sind als Leitstrukturen für die Entwicklung neuroprotektiver Liganden geeignet. Die neuen H3R-Liganden enthalten außergewöhnliche strukturelle Elemente, die in dieser Art zum ersten Mal am H3R getestet wurden. Die Ergebnisse aus den Bindungsstudien zeigten Grenzen und Möglichkeiten des bioisosteren Ersatzes im zentralen und im rechten Teil des Pharmakophors. Die Verbindungen sind wertvolle Modellsubstanzen, die zur Charakterisierung von lipophilen und hydrophilen Arealen in der H3R-Bindetasche verwendet werden können, und eignen sich als Leitstrukturen, um neue H3R-Liganden mit verschiedenen pharmakologischen Schwerpunkten zu entwickeln. Basierend auf einem von wenigen Referenzliganden abgeleiteten Pharmakophormodell wurde das H4R-Projekt mit verschiedenen Screening-Verfahren initiiert. In-silico wurde nach Fragmenten und neuen Pharmakophoren gesucht, um diese im Folgenden mit Hilfe von klassischen Verfahren der medizinischen Chemie zu modifizieren und zu optimieren. Innerhalb einer Strukturklasse wurden zunächst nur wenige Verbindungen synthetisiert. Zeigten diese ein unzureichendes Bindungsverhalten, wurde die Entwicklung eingestellt. In einem virtuellen Screening wurden zwei heterozyklische Strukturen mit Affinitäten im niedrigen mikromolekularen Konzentrationsbereich identifiziert, die zur Entwicklung einer Reihe von Aminopyrimidinen führten. Ähnliche Verbindungen wurden zeitgleich zu unserem Projekt von der pharmazeutischen Industrie untersucht und durch weitreichende Patente geschützt. Die neue Leitstruktur, N4-Benzyl-6-(4-methylpiperazin-1-yl)pyrimidin-2,4-diamin (46), wurde umfangreich derivatisiert. Prinzipien wie Heteroatom-Austausch, Rigidisierung und Modifikation des Substitutionsmusters am Benzylring nach TOPLISS wurden angewendet, um das Pharmakophor hinsichtlich Affinität, Funktionalität und Selektivität zu diversifizieren und zu optimieren. Die Synthese der Verbindungen 44–71 erfolgte hauptsächlich unter Mikrowelleneinstrahlung. Da konventionelle präparative Methoden keine Produktbildung ermöglichten, wurde eine sequentielle Mikrowellensynthese etabliert, mit Hilfe derer die gewünschte Umsetzung schnell und in hohen Ausbeuten erzielt wurde. Initialschritte zur Darstellung von Fluoreszenzliganden, die auf dem Aminopyrimidin-Pharmakophor basieren, wurden mit Verbindungen 72–75 erfolgreich realisiert. Bezüglich ihrer H4R-Affinität sollten diese Liganden in Zukunft weiter optimiert werden. Struktur-Wirkungsbeziehungen der Verbindung 46 und entsprechender Derivate zeigten, dass Affinitäten im niedrigen nanomolaren Konzentrationsbereich durch die Einführung kleiner, lipophiler benzylischer Substituenten in ortho-Position erreicht werden (z.B. durch 2-Cl- und 2-CH3-Reste in Verbindungen 58 und 59). In Verdrängungsstudien wurde das Bindungsverhalten ausgewählter Verbindungen an anderen HR-Subtypen untersucht. Die Liganden zeigten Selektivität in Bezug auf H1R und H2R und eine Präferenz für den H4R gegenüber H3R. Das 2,6-Dichlor-Derivat 62 stellte eine der potentesten und selektivsten Verbindungen dieser Serie dar. Das Substitutionsmuster des Benzylrestes beeinflusste die Effektivität der Liganden in großem Maße: Ortho- und para-substituierte Verbindungen zeigten in [35S]GTPgS-Bindungsstudien Partialagonismus. Mit steigendem Radius der para-Substituenten wurde eine Verschiebung zum neutralen Antagonismus und zum schwachen inversen Agonismus beobachtet, während meta-Substituenten ausgeprägten inversen Agonismus verursachten. Dieser wurde durch die Rigidisierung der Benzylamin-Gruppierung weiter verstärkt. Verbindung 69 zeigte sogar eine höhere invers agonistische Potenz als der Referenzligand Thioperamid. Um Hinweise auf die strukturellen Voraussetzungen für Agonismus und Antagonismus zu erhalten, wurde eine Moleküldynamiksimulation durchgeführt. Nach der virtuellen Ligandenbindung nahmen der Partialagonist 49 und der inverse Agonist 69 gegensätzliche Bindemodi in der H4R-Bindetasche ein. Die Bindung des inversen Agonisten wurde durch einen scheinbaren „ionic lock“, der hier zum ersten Mal postuliert wurde, stabilisiert. Da in-silico-Experimente von anderen Forschergruppen teilweise gegensätzliche Ergebnisse zeigten, sollten zusätzliche Untersuchungen durchgeführt werden, um zu klären, ob unterschiedliche Bindemodi durch gegensätzlicher Effektivitäten oder verschiedene Pharmakophore hervorgerufen werden. Die Aminopyrimidine stellen exzellente pharmakologische Werkzeuge dar. Die große Diversität bezüglich der Effektivität, die innerhalb einer Strukturklasse vom Partialagonismus bis zum inversen Agonismus reicht, bietet eine geeignete Grundlage, um potenzielle therapeutische Anwendungsbereiche von H4R-Liganden zu untersuchen und zu klären, welche Effekte aus der Aktivierung, Blockade oder Hemmung des H4R resultieren. Klassische Methoden der medizinischen Chemie wurden zur Entwicklung von Liganden zweier eng verwandter Zielstrukturen, H3R und H4R, verwendet. Im H4R-Projekt wurden zusätzlich Computer-gestützte Methoden herangezogen. Die Modifizierung und Optimierung verschiedener Leitstrukturen führte zu der Synthese von 75 Endverbindungen. Das H3R-Projekt, aus dem 22 dieser Verbindungen resultierten, fokussierte auf Prinzipien des Bioisosterismus. Triazole, Ferrocene und Kojisäure-Derivate wurden zum ersten Mal in ein H3R-Pharmakophor integriert. Die Eignung dieser Elemente als bioisosterer Ersatz des zentralen Phenylethers oder der Arylreste im rechten Molekülteil wurde untersucht. Mit dem hieraus gewonnenen Wissen wurden SPECT-Ligand-Vorstufen optimiert. Neue Leitstrukturen mit außergewöhnlichen Elementen stellen zudem Modellsubstanzen dar, die zur anhaltenden Charakterisierung der H3R-Bindetasche dienen. Auf dem H4R-Gebiet gehören die Aminopyrimidine zu einer der am weitesten entwickelten Substanzklassen. Die Derivatisierung der 31 synthetisierten Verbindungen verspricht neue Kenntnisse über diese Stoffklasse. Vor allem inverse Agonisten sollten auf ihre therapeutische Anwendbarkeit als Immunmodulatoren untersucht werden. Eine solche Effektivität könnte strukturell durch die Modifikation der meta-substituierten Aminopyrimidine oder durch die Verzweigung der benzylischen Methylengruppe erreicht werden. Eine ausführliche Charakterisierung der in Bezug auf Affinität und Effektivität vielversprechendsten Derivate, z.B. des 2,6-Dichlor-Derivates 62 oder der inversen Agonisten 68-70, sollte in naher Zukunft durchgeführt werden. Um in-vitro-Daten auf präklinische Tierstudien übertragen zu können, sollten die Liganden zusätzlich an H4Rs unterschiedlicher Arten getestet werden, da Spezies-Unterschiede eine solche Extrapolation derzeit nicht zulassen. Anschließend können die Aminopyrimidine als pharmakologische Werkzeuge in grundlegenden pharmakologischen Experimenten eingesetzt werden, um die Untersuchung der (patho)physiologischen Bedeutung des H4R fortzuführen.
Tauopathien sind eine Gruppe von neurodegenerativen Erkrankungen zu denen auch die Alzheimer Demenz zählt, die als gemeinsames pathologisches Merkmal die intrazelluläre Akkumulation von neurofibrillären Bündeln (NFTs) aufweisen. Diese bestehen aus hyperphosphoryliertem Tau-Protein, das hierdurch seine physiologische Funktion, die Assemblierung von Mikrotubuli zu fördern und diese zu stabilisieren, verliert. Der genaue Mechanismus, der bei diesen Erkrankungen zur Neurodegeneration führt und mit Demenz, Parkinsonismus und motorischen Störungen einhergehen kann, ist bisher weitgehend ungeklärt. Da mitochondriale Dysfunktion bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen eine entscheidende Rolle spielt, wurde in der vorliegenden Arbeit anhand eines Zellmodells zum Einen der Effekt durch die Überexpression von gesundem Wildtyp-Tau (hTau40) und zum Anderen die Auswirkungen der P301L-Mutation, wie sie auch bei der frontotemporalen Demenz mit Parkinsonismus (FTDP-17) auftritt, auf die mitochondriale Morphologie und Funktion untersucht. Die grundlegende Charakterisierung deckte eine weitreichende Einflussnahme von Tau auf den Energiestoffwechsel der Zellen auf. Die Überexpression von Tau führt zu einer verminderten Expression der Komplexe I, II und IV sowie einer veränderten Aktivität der mitochondrialen Atmungskettenkomplexe I-III. Zudem weist die verminderte Aktivität der Citrat-Synthase auf eine Beeinträchtigung des Citratzyklus hin. Der maßgebliche Unterschied zwischen den Tau überexprimierenden Zellen besteht in dem deutlich erniedrigtem Gehalt (NADH:HAR-Aktivität) und der drastisch erniedrigten Aktivität (NADH:DBQ-Aktivität) von Komplex I in den TauP301L-Zellen, wohingegen die hTau40-Zellen trotz eines vermindertem Gehalts im Vergleich zu den Kontroll-Zellen eine deutlich erhöhte Aktivität (DBQ/HAR-Aktivität) aufweisen. Diese gegensätzliche Aktivität von Komplex I führt zu weitreichenden Veränderungen der Zellphysiologie, was sich am deutlichsten in der daraus resultierenden metabolischen Aktivität (NADH-Spiegeln), den ATP-Spiegeln und dem mitochondrialen Membranpotential zeigt. Diese Parameter sind in den hTau40-Zellen aufgrund der hohen Komplex I-Aktivität erhöht und in den TauP301L-Zellen entsprechend erniedrigt. Ebenso spiegeln sich diese funktionellen Parameter in der veränderten Morphologie, Dynamik sowie der Ultrastruktur der Mitochondrien wieder. Die Cristae-Struktur sowie die Dichte der Matrix lassen eindeutige Rückschlüsse auf die aus den unterschiedlichen Komplex I-Aktivitäten resultierenden ATP-Spiegel zu. Weiterhin gibt es in der Literatur Hinweise, dass zum Einen die Transportrichtung der Mitochondrien von der Affinität der Motormoleküle von dem ATP-Gehalt der Mitochondrien abhängig zu sein scheint und zum Anderen, dass die Hemmung von Komplex I zu einem retrograden Transport und perinukleären Morphologie der Mitochondrien führt. Dies konnte ebenfall in den TauP301L-Zellen gezeigt werden. Zusätzlich sind hier die mitochondriale Bewegung sowie die Dynamik (Fusion und Fission) verringert. Interessanterweise spiegeln viele der funktionellen und strukturellen Veränderungen der TauP301L-Zellen den Alterungsprozess wieder, da es im Alter zu einer erhöhten Rate an oxidativen mtDNA-Schäden, einer verminderten Aktivität von Komplex I sowie zu einer verringerten Effektivität und Kapazität der oxidativen Phosphorylierung kommt, die in niedrigeren ATP-Spiegeln resultiert. Anhaltspunkte aus der Literatur bringen auch die morphologischen und dynamischen Veränderungen der Mitochondrien mit dem Alterungsprozess in Verbindung, wodurch das in dieser Arbeit verwendete Zellmodell anscheinend den Alterungsprozess widerspiegelt, der bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen den Hauptrisikofaktor für die Erkrankung darstellt. Die Mutation P301L führt weiterhin dazu, dass die Zellen eine erhöhte Vulnerabilität gegenüber sekundären Insulten aufweisen. Obwohl die Toxizität der einzelnen Stimuli – seien es nun Inhibitoren der einzelnen Atmungskettenkomplexe oder oxidativer sowie nitrosativer Stress – sich unterschiedlich auf die gemessenen physiologischen Parameter der Zellen auswirkte, so zeigt sich durchgängig bei den TauP301L-Zellen ein stärkerer Abfall der metabolischen Aktivität und der ATP-Spiegel. Zudem führte die Überexpression von hTau40 zu einer geringeren Vulnerabilität gegenüber den sekundären Insulten. Trotz der geringen Auswirkungen von oligomerem und fibrillärem Aß1-42 auf die mitochondriale Funktion der SH-SY5Y Zellen kann nicht ausgeschlossen werden, dass in vivo nicht doch ein Teufelskreislauf besteht, sodass sich die Toxizität von Aß und Tau potenziert. Insgesamt machen die Ergebnisse dieser Arbeit deutlich, dass mitochondriale Dysfunktion auch bei Tauopathien eine entscheidende Rolle in der Pathogenese spielt und sich hierdurch neue Aspekte zur therapeutischen Intervention ergeben.