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Einleitung: Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) zählt zu den zehn häufigsten Karzinomen weltweit. Auch in Deutschland wie in anderen Industriestaaten ist die Inzidenz ansteigend. Nur wenige Patienten kommen für ein kuratives Verfahren wie Resektion oder Lebertransplantation infrage, dementsprechend ist die Prognose insgesamt schlecht. Die Prognose eines HCC lässt sich z.B. mit dem „Cancer of the Italian Liver Program“ (CLIP)-Score abschätzen. Als palliatives Verfahren ist die transarterielle Chemoembolisation etabliert. Diese Arbeit untersucht zwei Prognosefaktoren, das alpha-fetoprotein (AFP) und die Restembolisatbelegung nach TACE in Hinblick auf eine Abschätzung des Erfolges einer TACE. Darüber hinaus werden zwei Scoring-Systeme (CLIP- und Tokyo-Score) auf ihre Aussagekraft überprüft, und die Auswirkung einer Zirrhose und einer Hepatitis auf das Gesamtüberleben dargestellt. Material und Methode: Insgesamt sind 89 Patienten mit HCC mittels TACE behandelt worden (22 vor oder nach Leberresektion, 9 vor Lebertransplantation, 58 TACE alleine). Die TACE wird standardisiert mit einer Mischung aus Mitomycin C und Lipiodol Ultra-Fluid durchgeführt. Postinterventionell erfolgen Kontroll-CTs am Folgetag und vier bis sechs Wochen nach TACE zur Kontrolle des Embolisats. In dieser retrospektiven Analyse werden der AFP-Verlauf periinterventionell und die Embolisatbelegung 4-6 Wochen nach TACE in Hinblick auf das Patientenüberleben (ÜLZ) bei Patienten mit alleiniger TACEBehandlung untersucht. Ergebnisse: Bei 43 Patienten der 58 hat zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine Leberzirrhose bestanden (Child A: 33, Child B: 7, Child C: 3). Der CLIP-Score verteilt sich folgendermaßen: CLIP „0“: 18, „1“: 22, „2“: 13, „3“: 4. Die Patienten haben im Median 2 Behandlungen (Range: 1-8) erhalten. Bei 13 Patienten hat der AFP-Wert vor TACE unter 15 ng/ml gelegen. Nach dem CLIP- und dem Tokyo-Score lässt sich die Überlebenszeit der Patienten nicht abschätzen (CLIP: p=0,317, Tokyo: p=0,355). Eine Zirrhose oder Hepatitis hat laut den Ergebnissen dieser Arbeit keinen Einfluss auf das Überleben (Zirrhose: p=0,136, Hepatitis: p=0,345). Wenn sich im CT vier bis sechs Wochen nach eine gute Restembolisatbelegung darstellt, liegt die Überlebenszeit bei 42 Monaten, bei den restlichen Patienten war diese 13,6 Monate (p=0,174) Eine Reduktion des AFP postinterventionell um 30, 50 oder 80 Prozent des Ausgangswertes zeigen keinen statistischen Vorteil in der medianen Überlebenszeit (30%: p=0,82, 50%: p=0,46, 80%: p=0,9). Ein AFP-Wert präinterventionell unter 15 ng/ml bedeutet statistisch keinen signifikanten Vorteil im Überleben (p=0,53). Patienten mit einem postinterventionellen AFP-Wert unter 15 ng/ml überleben 17,2 Monate länger als Patienten mit einem Wert über 15 ng/ml, insgesamt 31,4 Monate (p=0,027). Schlussfolgerung: Im Gegensatz zu vielen anderen Arbeiten zeigt sich kein Vorteil im Überleben, wenn man relative AFP-Veränderungen und AFP kleiner 15 ng/ml präinterventionell als Faktoren heranzieht. Auch eine gute Restembolisation bedeutet keinen signifikanten Vorteil hinsichtlich des Überlebens. Eine neue Erkenntnis ist die Tatsache, dass bei Patienten mit einem AFP-Wert postinterventionell kleiner als 15 ng/ml die Überlebenszeit signifikant verlängert wird. Dieser Erfolgsparameter ist bisher in keiner bisher veröffentlichten Arbeit dargestellt worden.
Das proinflammatorische Zytokin Interleukin (IL)-18 scheint an einer Vielzahl von Entstehungsprozessen pathologischer Erkrankungen, darunter rheumatoide Arthrits und Artherosklerose, sowie Tumorwachstum und Metastasierungsfähigkeit von Tumoren, beteiligt zu sein. Da die biologische Aktivität der Matrix-Metallo-Proteinase-9 (MMP-9) ebenfalls entscheidenden Einfluss auf die Pathologie dieser Erkrankungen hat, wurden die Auswirkungen von IL-18 auf die MMP-9-Produktion in peripheren Blutmonozyten (PBMC) untersucht. Darüber hinaus richtete sich unser Augenmerk auf die Möglichkeiten einer immunopharmakologischen Intervention mittels anti-Tumor-Nekrose-Faktorα (anti-TNFα) oder IL-10. In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, daß die MMP-9-Produktion in PBMC durch IL-18 gesteigert wird. Dabei ist die Potenz von IL-18 bei der Freisetzung von MMP-9 vergleichbar mit derjenigen von TNFα. Durch die Verwendung neutralisierender monoklonaler Antikörper konnte gezeigt werden, dass die Freisetzung von MMP-9 von einer endogenen TNFα-Produktion abhängig ist. Während IL-18 und TNFα die Protease induzieren, ergibt eine Inkubation mit IFNγ keine Effekte auf die Freisetzung von MMP-9 in den PBMC. Die hier beschriebene Induktion von MMP-9 durch IL-18 ließ sich ebenfalls in humanen Vollblutkulturen nachweisen. Das antientzündliche Zytokin IL-10 ist in der Lage, die Sekretion von MMP-9 sowohl aus unstimulierten als auch aus PBMC, die zuvor mit IL-18 inkubiert wurden, konsequent zu unterdrücken. Die Produktion des tissue inhibitor of metalloproteinase-1 (TIMP-1) bleibt von einer Stimulation mit IL-18 unberührt, wohingegen eine Zugabe von IL-10 die Sekretion von TIMP-1 aus PBMC steigert. Die vorliegende Arbeit erweitert somit die proentzündlichen Wirkungsweisen von IL-18 auf PBMC, betont die herausragende Rolle einer intermediären TNFα-Produktion und stellt einen Zusammenhang her zwischen den biologischen Funktionen von IL-18 und der pathologischen Potenz von MMP-9.
Stickstoffmonoxid (NO) ist ein evolutionär konservierter pleiotroper Botenstoff. Im Nervensystem fungiert NO als Transmitter, als Komponente des unspezifischen Immunsystems wirkt es bakterizid, und im kardiovaskulären System vermittelt es Vasodilatation und Inhibition der Thrombozytenaggregation. Die Regulation der Aktivität und Verfügbarkeit der drei NO-Synthase-Isoformen (NOS) ist außerordentlich komplex, erfolgt unter anderem durch zahlreiche Proteininteraktionen und ist durch eine bemerkenswerte Dynamik der subzellulären Verteilung der NOS gekennzeichnet. Die molekularen Mechanismen dieser Prozesse sind gegenwärtig nicht vollständig verstanden. NOSIP (NOS interagierendes Protein) wurde initial als ein Protein identifiziert, das die subzelluläre Verteilung von endothelialer NOS (eNOS) verändert. Überexpression von NOSIP bewirkt eine Umverteilung der eNOS von der Plasmamembran in intrazelluläre Kompartimente, die zu einer signifikanten Aktivitätsminderung führt. Im Hinblick auf die Bedeutung der subzellulären Lokalisation in der Regulation der eNOS-Aktivität und lokaler Verfügbarkeit von NO war es das Ziel der vorliegenden Arbeit, die subzelluläre Verteilung von NOSIP zu charakterisieren. Immunfluoreszenzmikroskopische Untersuchungen zeigten, dass sich endogenes NOSIP vorwiegend im Zellkern findet. In Datenbankanalysen wurde kein klassisches nukleäres Lokalisationssignal (NLS) identifiziert. Bei genauer Betrachtung der Primärsequenz fand sich jedoch eine diskontinuierliche Sequenz mit einer Häufung basischer Aminosäuren. Sukzessive Mutation dieses hypothetischen Motivs führte zu einer Umverteilung des Proteins aus dem Zellkern ins Zytoplasma. Mittels Pulldown-Experimenten konnte gezeigt werden, dass NOSIP an das zur Kernimportmaschinerie gehörende Adapterprotein Importin-α bindet, während NLS-defiziente Mutanten nicht mehr in der Lage waren diese Interaktion einzugehen. Wie Heterokaryon-Experimente belegten, wandert NOSIP zwischen Zellkern und Zytoplasma. Dies deutet auf einen dynamischen nukleären Import- und Exportmechanismus hin, der die Grundlage für eine Interaktion mit zytoplasmatisch lokalisierter eNOS darstellt. Der nukleäre Export von NOSIP wurde durch Leptomycin B nicht beeinflusst, welches den Export von Proteinen blockiert, die eine Leucin-reiche nukleäre Export-Sequenz (NES) besitzen. Zusammengefasst belegen die in dieser Arbeit erhobenen Daten, dass NOSIP ein vorwiegend nukleäres Protein ist. Obwohl diese Verteilung durch ein atypisches zweiteiliges NLS vermittelt wird, umfasst der nukleäre Import von NOSIP die Interaktion mit Importin-α, welches typischerweise den Import von Proteinen vermittelt, die über ein klassisches NLS verfügen. NOSIP ist nicht topographisch im Zellkern fixiert, sondern wandert konstant zwischen Zellkern und Zytoplasma. Da der nukleäre Export von NOSIP nicht durch Leptomycin B beeinflusst wird, erscheint es unwahrscheinlich, dass NOSIP an die typische CRM1-Bindungsstelle für Frachtproteine bindet. Dies lässt sich gut mit der Tatsache in Einklang bringen, dass NOSIP kein Leucin-reiches NES besitzt. Unabhängige Beobachtungen unserer Arbeitsgruppe weisen darauf hin, dass NOSIP in der G2-Phase des Zellzyklus aus dem Zellkern ins Zytoplasma transloziert, wodurch eNOS in dieser kritischen Phase der Zellteilung inhibiert werden kann.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der geochemischen und isotopischen Analyse detritischer Zirkonminerale aus rezenten Sedimenten des weit verzweigten Orange- und Vaal River Flusssystems in Südafrika. Zirkone kristallisieren überwiegend aus krustalen Schmelzen und sind äußerst resistent gegenüber jeglicher Zerstörung und damit ein idealer Kandidat zur Rekonstruktion früherer Krustenbildungsprozesse der geologischen Erdgeschichte. Der kombinierte Ansatz der U-Pb Altersdatierung, der Hf Isotopie und der Spurenelementgeochemie mittels Laserablation und des Einsatzes induktiv-gekoppelter Sektorfeld- und Multikollektormassenspektrometer ermöglicht es die krustale Wachstums- und Entwicklungsgeschichte des südafrikanischen Kratons zu erfassen. Die mehr als 1200 U-Pb Analysen der Zirkone weisen 4 tektonische Hauptphasen des südafrikanischen Kontinents nach: 1. die Panafrikanische Orogenese (0.5-0.7 Ga), 2. das Namaqua-Natal Faltengürtelorogen (1.0-1.3 Ga), 3. die Kheis Orogenese (1.8-2.0 Ga) und 4. die westliche Kaapvaal-Kratonisierung (2.9-3.2 Ga). Allerdings zeigt sich, dass die 13 Probenlokationen überwiegend lokale bzw. regionale U-Pb Altersdaten ihrer umgebenden Herkunftsgebiete liefern. Die Hf Isotopie der Zirkone der verschiedenen tektonischen Hauptphasen Südafrikas stellen ihre differenzierte Akkretions- und Aufschmelzungsgeschichte dar. Die panafrikanischen Zirkone zeigen eine ausgeprägte Durchmischung von juvenilem und recyceltem Material. Die mesoproterozoischen (Namaquan) Zirkone entstanden aus juvenilem Magma während eines Inselbogen-Kontinent-Kollisionsereignisses. Die paläoproterozoischen und archaischen Zirkone sind Produkte von aufgeschmolzener prä-existierender kontinentaler Kruste oder vom Mantel abstammende Schmelzen, die durch kontinentale Kruste kontaminiert wurden. Die berechneten Hf Modellalter, so genannte „Mantelextraktionsalter" ergeben zwei Maxima, die zwei Stadien juvenilem Krustenwachstums einschließen, einmal vor 1.4 und 3.2 Ga. Dieses krustale Wachstum zeigt eine Übereinstimmung mit den progressiv episodischen Modellen von Nagler & Kramers (1998) sowie Condie (2000) mit Höhepunkten zwischen 3.0 und 2.0 Ga sowie den Studien von Wang et al. (2008) mit krustalen Wachstumsperioden von 1.6 bis 2.2 und 2.9 bis 3.4 Ga auf dem Nordamerikanischen Kontinent und auf dem Gondwana-Kontinent (Australien) von Hawkesworth & Kemp 2006) und implizieren wohl ein globales kontinentales Krustenwachstum. Die Abgrenzung und Wiedererkennung der Zirkone anhand der chemischen Zusammensetzung zu möglichen Muttergesteinen zeigen noch keine viel versprechenden Ergebnisse. Generell weisen die Zirkone eine magmatische granitoide Zusammensetzung kontinentalen Ursprungs auf. Eine Auffälligkeit stellen die erhöhten Spuren- und leichten Seltenenerdelemente in Zirkonen jeglicher Altersklassen dar. Nachfolgende Arbeiten müssen zeigen, wie und ob diese Anreicherungen Einfluss auf die chemische Zusammensetzung, die U-Pb Datierung und vor allem die Hf-Isotopie der Zirkone haben.
Hintergrund: Leitlinien können potentiell die gesundheitliche Versorgung verbessern. Ihre evidenzbasierte Entwicklung ist aufwendig, insbesondere bei komplexen Krankheitsbildern, wie chronischer Herzinsuffizienz. Transkontextuelle Leitlinienadaptationen sind problematisch, da kontextuell beeinflusste Empfehlungen der Quellleitlinie die Zielleitlinie verzerren können. Forschungsgegenstand ist eine Verfahrensentwicklung zur systematischen Evaluation von Leitlinien (systematischer Leitlinienreview, SLR) und deren Erprobung am Gegenstand, der Entwicklung einer evidenzbasierten Leitlinie zur hausärztlichen Versorgung der chronischen Herzinsuffizienz. Methode: Der SLR umfasst folgende Verfahrensschritte: 1) Systematische Recherche nach evidenzbasierten Leitlinien, 2) Auswahl von Quellleitlinien nach prädefinierten Kriterien, 3) Bewertung der methodischen Qualität (AGREE-Instrument), 4) Systematische Framework-Entwicklung (klinische Fragen als strukturbildendes Raster der Zielleitlinie), 5) Datenextraktion aus den Quellleitlinien, 6) Systematisch-vergleichende Konsistenzanalyse der Empfehlungen, 7) Informationssynthese im Leitlinien-Erstentwurf, 8) Validierung der Evidenzbezüge und Prüfung der Konkordanz zu Empfehlungen, 9) Überarbeitung des Leitlinien-Erstentwurfs und Formulierung weiteren Forschungsbedarfs. Ergebnisse: N=16 Quellleitlinien erfüllten die Einschlusskriterien (zwei Reviewer, Übereinstimmung K=0,95), davon zeigten fünf eine hohe methodische Qualität. Zum Framework (27 Fragen) wurden N=35 komplexe Empfehlungen identifiziert, darunter waren n=25 konsistent, n=9 inkonsistent, n=1 nicht vergleichbar (einzelne Leitlinienempfehlung). 14/25 konsistenten Empfehlungen waren konsensbasiert (Diagnostik, nicht-pharmakologische Therapie, diastolische Herzinsuffizienz), 7/25 basierten auf belastbarer Evidenz, 4/25 hatten differierende Evidenzlevel. 3/9 Inkonsistenzen waren bedeutsam (BNP-Tests, AT1-Blocker). Für n=16 Empfehlungen wurden Evidenzbelege reevaluiert: die Mehrzahl war kongruent. Einzelne Inkongruenzen (fehlende Evidenzbelege, überoptimistische Trends, inadäquate Risikobewertung), Inkonsistenzen und konsensbasierte Empfehlungen indizierten Forschungsbedarf. Der Erstentwurf wurde nach sechs Monaten fertiggestellt. Diskussion: Die Hauptlimitation der vorgelegten Studie ist die fehlende Zweit-begutachtung, die nur in der Auswahl der Quellleitlinien erfolgte. Schlussfolgerung: Der systematische Leitlinienreview ist ein systematischer, valider, transparenter und effektiver Ansatz zur Entwicklung evidenzbasierter Leitlinien.
Ziel der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung von Nanopartikeln als Trägersysteme für nukleosidische Arzneistoffe. Ihr Einsatz verhindert z.B. die Degradierung der Nukleoside und verbessert ihre Aufnahme in Zellen. Die Partikel wurden aus humanem Serumalbumin (HSA) durch Desolvatation hergestellt und mittels Glutaraldehyd stabilisiert. Durch die Kopplung von Trastuzumab an die Partikeloberfläche können HER2-überexprimierende Brustkrebszellen spezifisch erreicht werden. Bindet der Antikörper an den HER2-Rezeptor, kommt es zu einer Internalisierung des Ligand-ezeptorkomplexes und an den Liganden gebundene Partikel werden zusammen mit dem Komplex in die Zellen aufgenommen. Die Kopplung von Trastuzumab an die Oberfläche der HSA-Nanopartikel über eine Thioetherbindung war sehr effizient und stabil.Die Stabilität von Partikelsystemen über lange Lagerzeiten kann durch Gefriertrocknung erhöht werden. Zur Gefriertrocknung trastuzumabmodifizierter Partikel wurden Trehalose, Sucrose und Mannitol in Konzentrationen bis 5% als Hilfsstoffe eingesetzt. Trehalose und Sucrose waren bereits in einer Konzentration von 3% in der Lage, die physikochemischen Eigenschaften der Partikel direkt nach der Gefriertrocknung zu erhalten, die Partikel waren aber nicht lagerfähig. Mit Mannitol war dies direkt nach der Gefriertrocknung auch bei einer Konzentration von 5% nicht in gleichem Umfang möglich, die Partikel konnten aber am besten gelagert werden. Als nukleosidische Wirkstoffe wurden In die Matrix von HSA-Nanopartikeln unter anderem Antisenseoligonukleotide (ASOs) eingebettet. Das inkorporierte ASO P12 gehört zur Gruppe der Phosphorothioate (PTOs) und bewirkt eine Reduktion der Polo-like Kinase 1 (Plk1) auf mRNA- und Proteinebene. Plk1 ist wesentlich an der Zellteilung beteiligt und wird in vielen Tumoren überexprimiert, eine Hemmung von Plk1 führt zur Apoptose der Zellen. Damit das PTO eine Wirkung zeigen kann, muss es intrazellulär aus den Partikeln freigesetzt werden. Deshalb wurden die Partikel enzymatisch abgebaut. Die Wiederfindung der PTOs aus der abgebauten Partikelmatrix betrug maximal 30% und war von der Menge des zur Partikelstabilisierung verwendeten Glutaraldehyds abhängig. Je mehr Glutaraldehyd verwendet worden war, desto schlechter war die Wiederfindung. Eventuell werden die PTOs durch Glutaraldehyd inaktiviert, indem es zu einer Quervernetzung untereinander oder mit Albuminmolekülen kommt. Dennoch konnte in Brustkrebszelllinien eine biologische Wirkung der PTO-beladenen Partikelsysteme gezeigt werden. P12-beladene, trastuzumabmodifizierte Partikel wurden zeitabhängig und rezeptorvermittelt HER2-überexprimierende Zellen aufgenommen. Die Partikel reduzierten die Menge der Plk1-mRNA signifikant. Dies ging mit einer ebenfalls signifikanten Reduktion der Plk1-Proteinmenge einher. Die Folge der Plk1-Reduktion war eine Aktivierung der Caspasen 3 und 7, die die Induktion der Apopotose zeigte. Plk1 kann nicht nur durch PTOs, sondern auch durch Plasmid-DNA, die small hairpin RNA (shRNA) gegen Plk1 exprimiert, gehemmt werden. Die Plasmide blieben bei der Einbettung in die Partikelmatrix intakt, allerdings trat eine Umformung von der supercoiled in die lineare und zirkuläre Form auf. Auch plasmidbeladene, trastuzumabmodifizierte Partikel wurden zeitabhängig und rezeptorvermittelt in HER2-überexprimierende Zelllinien aufgenommen und führten dort zu einer signifikanten Reduktion der Plk1-Proteinmenge. Als weiterer nukleosidischer Wirkstoff wurde noch eine siRNA gegen Plk1 in die HSA-Partikel inkorporiert. Mit siRNA-beladenen Nanopartikeln konnte ebenfalls eine signifikante Reduktion der Plk1-mRNA- und –Proteinmenge beobachtet werden. Partikel aus HSA können nicht nur durch den Einsatz von Glutaraldehyd stabilisiert werden, eine thermische Quervernetzung der Partikelmatrix ist ebenfalls möglich. Die besten physikochemischen Eigenschaften PTO-beladener Partikel wurden bei einer Quervernetzungstemperatur von 105°C über 10 min erzielt. Wurden diese Partikel enzymatisch abgebaut und das PTO aus der Partikelmatrix bestimmt, so konnten bis zu 80% des eingebetteten PTOs intakt detektiert werden. Allerdings waren die Partikel weniger stabil als chemisch quervernetzte Partikel. Bei einer Einlagerung über 6 Wochen stieg der Partikeldurchmesser an, 25% des eingebetteten P12s wurden aus der Matrix freigesetzt und bis zu 20% des Trastuzumabs wurden von der Oberfläche abgelöst. Dennoch war die Reduktion der Plk1-mRNA- und –Proteinmenge in der Zellkultur signifikant und mit der von chemisch stabilisierten Partikeln vergleichbar. Trastuzumabmodifizierte HSA-Nanopartikel stellen somit ein geeignetes Trägersystem für nukleosidische Arzneistoffe dar und führen zu einer spezifischen Wirkung in HER2-überexprimierenden Brustkrebszellen.
In dieser Arbeit wurden potentielle Mitglieder des Proteinnetzwerks um Ataxin-2 untersucht, um Rückschlüsse auf die bisher unbekannte Funktion von Ataxin-2 machen zu können. Ataxin-2 ist das Krankheitsprotein der Spinozerebellären Ataxie Typ 2, einer Polyglutaminerkrankung, bei der die Expansion eines Polyglutamintraktes zur Degeneration von Purkinje-Neuronen führt. Da die Funktion von Ataxin-2 bisher nicht ermittelt werden konnte, sollte die Charakterisierung seiner Protein-Interaktoren es ermöglichen, Einblicke in seine Funktion zu gewinnen. Dazu wurden die drei Kandidaten „Similar to golgin-like“, TRAP und alpha-Actinin-1 untersucht, die alle drei mit Hilfe von Hefe-2-Hybrid Screens identifiziert worden waren. Im Fall von „Similar to golgin-like“, einem aus Genom und cDNA-Fragmenten hervorgesagten Protein unbewiesener Existenz, konnte eine mutationsabhängige Modulation der Bindungsstärke an Ataxin-2 im Hefe-2-Hybrid-System gezeigt werden, die sich allerdings mit rekombinanten Proteinen in Koimmunpräzipitationen in Säuger-Zellen nicht reproduzieren ließ. Beide Proteine kolokalisierten am ER, unabhängig von der Länge des pathogenen Polyglutamintraktes-2 in Ataxin. Gegen ein SIM-Peptid hergestellte Antikörper zeigten eine exklusive Expression im menschlichen Gehirn und wurden erfolgreich zum Nachweis eines endogenen Komplexes aus Ataxin-2 und SIM-IR im krankheitsrelevanten Gewebe eingesetzt. Allerdings war es nicht möglich, mittels 5’-RACE und 2D-Gel Massenspektrometrie die potentiellen Isoformen von SIM näher zu charakterisieren. Zur funktionellen Analyse von SIM wurden intrazelluläre Transportvorgänge am Golgi-Apparat untersucht, aber ein Einfluss von SIM / Ataxin-2 ließ sich nicht belegen. Im Fall des Interaktions-Kandidaten TRAP wurden Antikörper hergestellt und mit einem bereits publizierten polyklonalen Antikörper, der TRAP in rattus norvegicus erkennt, verglichen. Die Expressionsmuster zeigten eine identische Expression im Hirn und der Testis. Eine Kolokalisations-Studie wies sowohl TRAP als auch Ataxin-2 am ER nach. Allerdings erwiesen sich alle verwendeten Antikörper als ungeeignet für Immunpräzipitationen, so dass die physiologische Existenz des endogenen TRAP-Ataxin-2 Komplexes nicht bewiesen werden kann. Im Fall des Interaktor-Kandidaten alpha-Actinin-1 ließ sich die Interaktion mit Ataxin-2 sowohl für die endogenen Proteine in der zytosolischen Fraktion von Mausgehirnen als auch für die rekombinanten Proteine in Säuger-Zellen belegen. Beide Proteine konnten im Zytosol und zu kleineren Anteilen an der Plasmamembran kolokalisiert werden. Als verantwortliche Subdomänen im Fall von Ataxin-2 wurde der N-terminale Bereich des Proteins in der Nähe der pathogenen Expansion, im Fall von alpha-Actinin-1 die Aktin-bindende Domäne durch GST-pulldown Analysen identifiziert. Darauf aufbauend wurde in Patienten-Fibroblasten das Aktinzytoskelett und die Dynamik von alpha-Actinin-1 in Anwesenheit der Ataxin-2-Polyglutamin-Expansion untersucht, wobei allerdings kein Unterschied zu erkennen war. Anschließend an die Analyse des Zytoskeletts wurde ein möglicher Einfluss von Ataxin-2 und seiner Polyglutamin-Expansion auf die EGF-Rezeptorinternalisierung studiert, da eine Rolle von Ataxin-2 auf die Endozytose in parallelen Analysen der Arbeitsgruppe wahrscheinlich wurde. Hierzu wurden Säuger-Zellen mit alpha-Actinin-1 transfiziert und die Internalisierung mikroskopisch und mittels Analyse der ERK1/2 Aktivierung verfolgt. Ergänzt wurden die Experimente durch Analysen zur ERK1/2 Aktivierung in Patienten- und Kontroll-Fibroblasten. Entgegen den Erwartungen hatte die Überexpression von alpha-Actinin-1 keinen Einfluss auf die Internalisierung, und bei keinem der Ansätze zeigte sich eine signifikante Veränderung der ERK1/2 Aktivierung. Auch Transkriptombefunde aus SCA2-KO Gewebe, nach denen einzelne Gene des Zytoskeletts oder der Rezeptor-Endozytose ihre Expression ändern, ließen sich nicht mit Konsistenz validieren. Abschließend wurden Experimente zur subzellulären Lokalisation von Ataxin-2 durchgeführt, die eine Lokalisation am ER und nicht wie bisher berichtet am Golgi-Apparat sicherten und Ergebnisse zur Assoziation mit Polyribosomen bekräftigten. Obwohl somit bei allen drei Proteininteraktor-Kandidaten glaubwürdige Befunde für eine Ataxin-2 Bindung sprechen, ist derzeit eine funktionelle Analyse der Assoziationen nicht möglich und eine klare Definition der physiologischen Rolle von Ataxin-2 lässt sich aus diesen Daten nicht ableiten, wenn auch die prominente Lokalisation von Ataxin-2 am rauen endoplasmatischen Retikulum mit einem Einfluss von Ataxin-2 auf die ribosomale Translation und die Sekretion in Cisternen kompatibel ist.
In der vorliegenden Arbeit wurde die zelluläre Verteilung der beiden Ekto-Nukleotidasen TNAP (gewebeunspezifische Form der alkalischen Phosphatase) und NTPDase2 (Nukleosidtriphosphatdiphosphohydrolase) in den embryonalen, postnatalen und adulten neurogenen Zonen des Mäusehirns untersucht.
• Mittels enzym- und immunhistochemischer Markierungen wurde die TNAP erstmals auf den Zellen der SVZ (subventrikuläre Zone) und des RMS (rostraler Migrationsstrom) nachgewiesen.
• Immunhistochemische Doppelfärbungen von Gewebeschnitten und von akut isolierten Zellen aus der SVZ adulter und postnataler (P15) Mäuse zeigten, dass die TNAP von allen drei Typen neuronaler Vorläuferzellen (Typ B-, C- und A-Zellen) der SVZ exprimiert wird.
• Enzymatische Markierungen verschiedener Embryonal- und Postnatalstadien (ab Embryonalstadium14, E14) ergaben, dass die TNAP schon im Stadium E 14 im Bereich der Seitenventrikel exprimiert wird:
o In den frühen Embryonalstadien lag die TNAP über die gesamte Gewebedicke, von der ventrikulären bis zur pialen Oberfläche vor.
o Im Laufe der weiteren Entwicklung war eine im Kortex beginnende und sich später bis in das Striatum ausweitende Reduktion der TNAP-Aktivität zu beobachten. Mit zunehmender Reifung des Gehirns wurde die Schicht der TNAP-positiven Zellen dünner und beschränkte sich schließlich auf die SVZ.
• Die NTPDase2 war erst im Zeitraum zwischen E18 und P2 nachweisbar. Sie war im Bereich der Seitenventrikel lokalisiert und auf die an die Ventrikel angrenzenden Zellen beschränkt. Im Laufe der weiteren Entwicklung wandern die NTPDase2-positiven Zellen offensichtlich in die SVZ ein und ab P14 waren sie zu hüllartigen Strukturen angeordnet, die eine Doppelmarkierung für TNAP und NTPDase2 aufwiesen und Gruppen DCX-positiver Zellen (Typ-A Zellen, Neuroblasten) umschlossen.
• Die Markierung mit dem Neuroblastenmarker DCX war bereits zum Stadium E14 möglich. In diesem Altersstadium wurden lediglich die Zellen im Bereich des Kortex gefärbt. Im Laufe der postnatalen Entwicklung verlagerten sich die DCX-positiven Zellen ihren Schwerpunkt in den Bereich der SVZ. Bereits ab P10 lagen in der SVZ Gruppen von DCX/TNAP-doppelpositiven Zellen vor, Anzeichen für eine Konzentrierung der Neurogenese auf die SVZ.
• Die Ausschaltung des TNAP-Gens (TNAP-Knockout-Mäuse) hatte keinen offensichtlichen Einfluss auf die Ausbildung der Seitenventrikel oder die Ausbildung und zelluläre Zusammensetzung der SVZ.
• In der zweiten wesentlichen neurogenen Zone des Säugerhirns, dem Gyrus dentatus des Hippokampus, konnte die TNAP nicht nachgewiesen werden, obwohl die dortigen Vorläuferzellen NTPDase2 exprimieren.
Die vorliegenden Daten belegen erstmals eine Assoziation der TNAP mit neuronalen Vorläuferzellen und erlauben zusammen mit den Markierungen für NTPDase2 und weitere zelluläre Marker neue Einsichten in die zelluläre Entwicklung der adulten SVZ. Darüber hinaus stützen sie die Vorstellung einer Beteilung purinerger Signalwege an der Steuerung der embryonalen, postnatalen und adulten Neurogenese.
Arabidopsis thaliana besitzt 21 Hitzestress-Transkriptionsfaktoren die von zentraler Bedeutung für die Aktivierung der Hitzestress-Antwort sind. Der HsfA2 ist dabei der am stärksten exprimierte Hsf und akkumuliert in der Pflanze wie andere Hitzestress- Proteine. Nach ca. einer Stunde HS ist die maximale Transkriptmenge zu verzeichnen, während das sehr stabile Protein noch mindestens 21 Stunden nach dem Stress vorhanden ist. Durch Analyse einer SALK T-DNA-Insertionslinie mit einem kompletten HsfA2-Knockout wurden Zielgene des HsfA2 identifiziert. Am stärksten ist die Ascorbat-Peroxidase 2 (APX2) betroffen, deren Transkript in Knockout-Pflanzen fast völlig fehlt. Außerdem sind sHsps, einzelne Mitglieder der Hsp70- und Hsp100-Familien, sowie Transkripte von Genen, deren Funktion noch nicht bekannt ist, reduziert. In transienten GUSReporter- Assays wurde das Aktivierungs-Potential des HsfA2 an den Promotoren der folgenden Gene bestätigt: Hsp18.1-CI, Hsp25.3-P, Hsp22.0-ER, Hsp26.5-MII, Hsp70b und Hsp101-3. Dabei zeigte sich, dass jeweils ca. 0,5kb der stromaufwärts des Startcodons liegenden regulatorischen Sequenzen zur Gen-Aktivierung ausreichen. Für den APX2-Promotor konnte durch Deletionsanalysen zudem das entscheidende HSE-Dimer identifiziert werden. In EMSAs mit rekombinanten GST-Fusions-Proteinen wurde die spezifische Bindung des HsfA2 hier bestätigt, während eine Mutante HsfA2(R98A) nicht mehr an die DNA bindet. Mit Proteinextrakten aus hitzegestresster Arabidopsis-Zellkultur konnte die Bedeutung dieses HSE-Dimers für die Bindung endogener Faktoren im Hitzestress ebenfalls nachgewiesen werden. Auch für die oben genannten Hsps sowie Hsp17.4-CI, Hsa32 und die zwei unbekannten Proteine At1g0370 und At4g21320 konnte die DNA-Bindung des GST-HsfA2 im EMSA gezeigt werden. In der vorliegenden Arbeit wurde HsfA2 erstmals als Voll-Längen-Protein untersucht. Durch Analyse von NLS-Mutanten wurde nachgewiesen, dass nur eine Hälfte der als bipartit vorhergesagten NLS funktionell ist und somit die NLS monopartit ist. Weitere Mutanten wie z.B. Deletionen von Sekundärstruktur-Elementen der DBD oder der Oligomerisierungsdomäne zeigen die Notwendigkeit dieser Bestandteile für die Funktionalität des HsfA2. Außerdem ist offenbar der N-terminale Bereich vor der DBD wichtig für die Proteinstabilität. Um die DNA-Bindungsdomänen aller 21 verschiedenen Arabidopsis-Hsfs auf ihre Bindungsfähigkeit zu untersuchen, wurden Konstrukte verwendet, die jeweils die DBD in Fusion mit dem C-Terminus des HsfA2 enthielten. Diese chimären Hsfs wurden in transienten GUS-Reporter-Assays und EMSAs untersucht. Dabei zeigte sich, dass ein Großteil der Proteine immer an die analysierten DNA-Fragmente bindet, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, während die A6a- und B3-DBDs dies gar nicht oder nur extrem schlecht vermochten. Durch Mutation einzelner Aminosäurereste ließ sich das zumindest für B3 verbessern. Der HsfA3 ist ein weiterer im Hitzestress induzierter Hsf. Allerdings ist sein Transkript erst nach ca. drei Stunden vorhanden und nimmt in der frühen Erholungsphase noch zu. Unter den 21 Hsfs ist er der einzige, der spezifisch durch DREB2A induziert wird. In transienten GUS-Reporter-Assays und EMSAs konnten im HsfA3-Promotor zwei DREs als Bindungsstellen des DREB2A identifiziert werden, die gleichermaßen notwendig sind. Desweiteren wurde das Aktivator-Potential des HsfA3 und fünf DREBs (1A, 1B, 1C, 2A und 2B) an potentiellen Zielgenen untersucht. Dabei konnten drei Gruppen definiert werden: A) Gene die nur durch HsfA3 induziert werden (Hsp18.1-CI, Hsp25.3-P, Hsp70b und Hsp101-3), B) Gene die hauptsächlich durch HsfA3 aber teilweise auch durch DREBs (besonders 2A und 2B) induziert werden (Hsp17.4-CI, Hsp17.6-CII, Hsp26.5-MII und GolS1) und C) Gene die nur durch DREBs induziert werden (RD29A, COR47 und KIN1). In dualen Reporter-Assays wurde die Transkriptionskaskade DREB2A -> HsfA3 -> Hsp bestätigt. Die direkte DNA-Bindung der DREBs bzw. des HsfA3 an den Promotoren wurde in EMSAs nachgewiesen und für Hsp26.5-MII und Hsp18.1-CI durch Kartierung auf kleine Bereiche eingegrenzt. Aus der Literatur ist bekannt, dass HsfA1a/A1b konstitutiv exprimiert werden und ebenfalls Einfluß auf viele Hitzestress-Gene besitzen. So lässt sich spekulieren, dass diese bereits in der frühen Hitzestress-Phase die Induktion der HS-Antwort regulieren könnten, während HsfA2 die Expression von HS-Genen verstärkt und HsfA3 später möglicherweise für die volle Ausprägung der Thermotoleranz wichtig ist.
Basierend auf dem kognitiv-motivationalen Prozessmodell von Vollmeyer und Rheinberg (1998) werden zwei Studien vorgestellt, die sich mit dem selbst regulierten Lernen mit Multimedia im Physikunterricht beschäftigen. Das kognitiv-motivationale Prozessmodell beschreibt, wie die Eingangsmotivation über Mediatorvariablen auf die Leistung, in diesem Fall den Wissenserwerb, wirkt. Wie in früheren Studien gezeigt werden konnte, besteht die Eingangsmotivation aus vier voneinander unabhängigen Faktoren: Herausforderung, Interesse, Erfolgswahrscheinlichkeit und Misserfolgsbefürchtung. Als Mediatorvariablen wurden in beiden Studien die von Schülern verwendeten Strategien, der motivationale Zustand während des Lernens und der funktionale Zustand während des Lernens angenommen. Bei den Strategien handelt es sich genauer gesagt um das beobachtbare Verhalten der Schülers während des Lernens. Mit Motivationalem Zustand sind die gleichen Faktoren wie bei der Eingangsmotivation gemeint, nur dass jetzt die Lerner schon Erfahrung mit der Aufgabe haben. Der funktionale Zustand gibt an, wie sehr ein Lerner auf die Aufgabe konzentriert ist. Ein Konstrukt, das diesen Zustand gut beschreibt, ist Csikszentmihalyis Flow. Ziel der Pilotstudie war es, das Lernen im Schulalltag mit einem Physikprogramm am Computer zu untersuchen. Dazu wurden folgende Hypothesen aufgestellt: 1) Die Eingangsmotivation wirkt auf die Mediatoren. 2) Die Mediatoren wirken auf die Leistung. 3) Die Eingangsmotivation wirkt auf die Mediatoren und diese wiederum auf die Leistung (Prüfung des Prozessmodells). 4) Es gibt Geschlechtsunterschiede bei den Variablen: Eingangsmotivation, hier insbesonders beim Interesse, den Mediatoren und der Leistung. Schüler sollten bei allen Variablen besser abschneiden. In der Pilotstudie hatten 32 SchülerInnen einer 11. Klasse 30 Minuten Zeit, sich ein Physiklernprogramm zum Thema Drehmomente (Wünscher & Ehmke, IPN Kiel, 2002) selbständig zu erarbeiten. Neben der Eingangsmotivation vor Beginn des Lernens (FAM, Rheinberg, Vollmeyer & Burns, 2001) wurde die Motivation und Flow während des Lernens gemessen (FKS; Rheinberg, Vollmeyer & Engeser, 2003; 8 Items aus dem FAM). Die Vorgehensweise am PC wurde mit Hilfe eines Videoüberwachungsprogramms (ScreenVirtuoso) und eines Monitoringprogramms (StatWin) aufgezeichnet. Indikatoren für das Lernen waren die im Anschluss an die Bearbeitung des Lernprogramms in einem Lernfragebogen zu der Lerneinheit erzielte Punktzahl. Als Kontrollvariable wurde zu Beginn das Vorwissen erfasst. Indikatoren für die Strategien waren a) die Schnelligkeit der Bearbeitung (Anzahl der bearbeiteten Abschnitte und Bearbeitungszeit der einzelnen Abschnitte), b) die Aktivität (Mausklicks) und c) die Verwendung der Animationen (Schnelligkeit des Auffindens, Anzahl, Länge und Art und Weise der Nutzung). Die Hypothesen konnten bestätigt werden. Das kognitiv-motivationale Prozessmodell konnte in den meisten Teilen bestätigt werden: Die Eingangsmotivation, vor allem das Interesse, wirkt über Mediatoren, hier besonders über die verwendeten Strategien, auf die Leistung. Die Geschlechtsunterschiede beim Lernen mit einem Physikprogramm am PC (in der Eingangsmotivation, den Vorgehensweisen, und der gezeigten Leistung) waren stärker als erwartet zu Gunsten der Schüler. Die Geschlechtsunterschiede waren bei allen Variablen signifikant. Damit Schülerinnen in dem untersuchten Bereich zukünftig bessere Ergebnisse erzielen, könnte es hilfreich sein, ihr situationales Interesse und die Erfolgszuversicht zu erhöhen. In der Hauptstudie wurde daher der Versuch gemacht, durch eine Veränderung der Instruktion die Motivation, besonders die der Schülerinnen, beim Arbeiten mit einem Physiklernprogramm zu steigern. Hier sollten besonders zwei Faktoren der Eingangsmotivation wichtig sein. Wenn es eine Rolle spielt, für wie fähig sich ein Schüler hält, dann müsste es möglich sein, durch entsprechende Instruktionen die Erfolgswahrscheinlichkeit zu stärken und damit das Lernergebnis zu verbessern. Dies erschien im Hinblick auf die schlechte Erfolgswahrscheinlichkeit der Schülerinnen in der Pilotstudie geboten. Weiterhin wurde der Einfluss, den das Interesse auf die Leistung hat, diskutiert und entsprechend in der Hauptstudie versucht, das Interesse der Schüler zu steigern. Die Hypothesen lauteten: 1) Bei den Experimentalgruppen wird durch die Instruktion die Eingangsmotivation verändert. 2) Da der Einfluss von Vorwissen nicht auszuschließen ist, wird es kontrolliert. Es wird erwartet, dass das Vorwissen mit der Leistung signifikant korreliert. Bei den Experimentalgruppen wird mehr Vorwissen aktiviert als bei der Kontrollgruppe. 3) Durch die Manipulation sollen sich auch die Mediatoren des Lernprozesses verändern. 4) Die Leistung soll sich in Abhängigkeit von der Instruktion in den Experimentalgruppen verbessern. Der Versuchsablauf blieb im Wesentlichen unverändert. In einem 3 x 2 Design wurden 60 Schüler (30 weiblich, 30 männlich) aus der Klassenstufe 11 getestet. Es gab eine Instruktion, worin die Schülerinnen über die Bedrohung durch Geschlechtsrollenstereotype informiert wurden und gebeten wurden, dagegen an zu arbeiten. In einer zweiten Experimentalgruppe sollte das Interesse aller Probanden erhöht werden. Die Ergebnisse waren weitgehend hypothesenkonform. Es konnte gezeigt werden, dass sich mittels der Instruktion die Eingangsmotivation verbesserte und sich dadurch auch Flow-Erleben und Motivation während des Lernens erhöhten, wodurch eine bessere Leistung zustande kommen konnte. Dies ist ein Ergebnis, das für den Schulalltag von Schülern und Lehrern berücksichtigt und umgesetzt werden sollte. Lehrer sollten Schülerinnen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern auf das Geschlechtsrollenstereotyp aufmerksam machen, da dies zu besseren Strategien und Leistungen bei deren Lernen führt. Sie sollten überdies das Interesse der Schülerinnen wecken, durch Betonung der persönlichen Relevanz des Themas ebenso wie durch noch zu untersuchende andere, Interesse besser weckende Instruktionen. Allerdings war in der Hauptstudie das Interesse in der Interessegruppe nicht wie erwartet gestiegen, dagegen veränderten sich andere Faktoren der Eingangsmotivation. Die Schüler hielten einen Erfolg für wahrscheinlicher, die Schülerinnen waren ängstlicher. Dennoch verhielten sich die Schülerinnen dieser Gruppe strategisch besser und erzielten auch bessere Leistungen. Die Schüler hatten ein höheres Flow-Erleben, erzielten aber keine besseren Leistungen. In der Stereotypgruppe gab es ebenfalls signifikante Verbesserungen bei allen Prozessvariablen bei den Schülerinnen. Sie hatten erwartungsgemäß eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit, zeigten bessere Lernstrategien und erzielten bessere Leistungen als die Schülerinnen der Kontrollgruppe. Während in der Kontrollgruppe fast alle Geschlechtsunterschiede der Pilotstudie repliziert wurden, gab es in den Experimentalgruppen keine Geschlechtsunterschiede mehr. Insbesondere die Schülerinnen hatten von der Manipulation profitiert. Die Gründe für die Veränderungen in den Experimentalgruppen wurden diskutiert und weitere Forschungsansätze aufgeführt. Erfreulich ist, dass im Schulalltag beim Lernen mit einem Computerprogramm Flow-Erleben erzeugt werden konnte. Ebenfalls erfreulich ist, dass der Benachteiligung von Schülerinnen beim Lernen mit Physikprogrammen wirksam begegnet werden konnte. Der Lernprozess konnte ein weiteres Stück im Schulalltag erforscht werden und mit Hilfe von Monitoringprogrammen konnten objektive Indikatoren für das Vorgehen bzw. die Strategien von Schülern beim Lernen am Computer bestimmt werden. Als günstiger Strategieindikator erwies sich vor allem die Länge und Güte der Nutzung von Animationen. Das kognitiv-motivationale Prozessmodell konnte erneut bestätigt werden und sollte in weiteren Forschungen als theoretischer Hintergrund herangezogen werden.