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Die Sekundärliteratur zu Johannes Urzidil, die in den Sechzigerjahren doch beträchtlich war, als der Autor noch lebte und durch seine häufigen Lesereisen nach Europa, seine liebenswürdige Art und seine überzeugende Kunst des Vortrags, seinen literarischen Ruhm steigerte, widmet sich meistens dem reifen Werk Urzidils, seinen im amerikanischen Exil entstandenen Erzählungen, Gedichten, Feuilletons, Essays, Memoiren, dem einzigen Roman, dem Goethe-Buch (dessen erste Fassung bereits in den 30er Jahren entstanden ist). Das Frühwerk der lOer und 20er Jahre wird in den meisten Arbeiten nur gestreift, als ob es zu unbekannt wäre oder vielleicht zu wenig interessant für die Rezensenten oder gar zu schlecht im Vergleich mit dem reifen Spätwerk?
Der Titel des Beitrages ist freilich mit Absicht provokativ gewählt, denn den Kennern der deutschböhmischen Literatur sind Autoren wie Rothacker und Watzlik, Strobl und Pleyer, Hohlbaum und Ott, Göth und Altrichter, Stauff und die Teichmann nur als anstößige Beispiele von Schriftstellern bekannt, die im ‚Kampf ums deutsche Volkstum in Böhmen‘ an prominenten Stellen standen, die negativsten Auswüchse des Sudetendeutschtums repräsentierten, häufig die besonders abscheuliche Gattung des Grenzlandromans pflegten und nach 1945 die revanchistischen Ansätze eines Teils der Vertriebenen kanalisierten. Warum in aller Welt soll Johannes Urzidil, der letzte große Erzähler der Prager Schule, der große Humanist, der Homo vere humanus, Prags Menscheitsdämmerer, der hinternationale Troubadour des alten Prag – (so nur einige Überschriften von Aufsätzen über Johannes Urzidil) – warum soll Johannes Urzidil mit revanchistischen Autoren in einer Reihe genannt oder gar verglichen werden?
Im Rahmen der seit 1916 veröffentlichten über 70 Erzählungen Urzidils markiert "Die Frau mit den Handschuhen" eine Endphase, in welcher der im New Yorker Exil lebende Autor wieder verstärkt seine böhmische Herkunft thematisiert. Seine liebevolle und zugleich äußerst präzise Hinwendung zum eigenen familiären Hintergrund, authentisch oder fiktional, dient nicht einer verklärend-nostalgischen Rückschau, sondern deckt gravierende Probleme und Defizite im individuellen wie im gesellschaftlichen Leben seiner Protagonisten in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Der viel spätere Verlust der Heimat wurzelt, so eine mögliche Deutung, bereits hier im Scheitern von Liebe und Kommunikation zwischen konkreten Personen ebenso wie zwischen sozialen und nationalen Gruppen.
Der Prager deutsche Schriftsteller Johannes Urzidil (1896-1970) wird seit der Wende 1989 in seiner Heimat wiederentdeckt, und auch im deutschsprachigen Raum findet er in den letzten Jahren ein größeres Interesse und wird wieder verstärkt rezipiert. Der Artikel skizziert Leben und Werk dieses bedeutenden böhmischen Autors, weist auf unlängst erschienene Publikationen hin und stellt die geplante Urzidil-Werkausgabe vor.