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Can reenactment both as reactivation of images and restaging of exhibitions be considered an alternative way of tackling the critical task to re-present art history (i.e., to present it anew) in the here and now, over and over and over again? The gesture of restoring visibility to something no longer present, reactivating or reembodying it as an object/image in and for the present, is here proposed as a (political) act of restitution and historical recontextualization. Examining the boundaries between past and present, original and copy (as well as originality and copyright), repetition and variation, authenticity and auraticity, presence and absence, canon and appropriation, durée and transience, the paper focuses on remediation, reinterpretation, and reconstruction as creative gestures and cultural promises in contemporary art practice, curatorship, and museology.
Bis Ende Oktober 2020 waren in Berlin zwei bemerkenswerte, aufeinander bezogene Ausstellungen zu sehen. Unter dem Titel "Aby Warburg: Bilderatlas Mnemosyne. Das Original" zeigte das Haus der Kulturen der Welt Warburgs Bilderatlas, wie ihn die Kuratoren Roberto Ohrt und Axel Heil anhand der letzten dokumentierten Version vom Herbst 1929 unter Nutzung von Warburgs originalem Bildmaterial wieder hergestellt haben. Eindrucksvoll wurden die 63 großen Tafeln mit insgesamt 971 Abbildungen in dem abgedunkelten Ausstellungsraum präsentiert, in der Aufstellung an die charakteristische Ellipsenform des Lesesaals der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg (KBW) erinnernd. Wer sich nach dem Besuch dieser Ausstellung auf einen spätsommerlichen Gang durch den Tiergarten machte, konnte anschließend in der Gemäldegalerie 50 der insgesamt etwa 80 Werke, die Warburg in den Bilderatlas aufgenommen hatte und die sich im Besitz der Staatlichen Museen zu Berlin befinden, im Original sehen.
Ein Vergleich der beiden Biographien Warburgs, der vollendeten von Gombrich und der unvollendeten von Bing, dürfte angesichts der offensichtlichen Differenzen ihrer beider Sichtweisen wenig ertragreich sein. Allerdings ist Bing, die eine enge Vertraute Warburgs war, etwas Wichtiges aufgefallen, das Gombrich entgangen ist und auch von weiten Teilen der darauffolgenden Literatur nicht zur Kenntnis genommen wurde: Warburg hatte Ludwig Traube, den Begründer der modernen Paläographie, als "Großmeister unseres Ordens" bezeichnet. Diese amüsante Ehrerbietung mit ihren freimaurerischen Untertönen hat weitreichende hermeneutische Implikationen, die von Bing mit großem Scharfsinn entwickelt wurden. Hierzu stellen meine folgenden Überlegungen eine Ergänzung dar.
Filippo Trentin's essay 'Warburg's Ghost: On Literary Atlases and the "Anatopic" Shift of a Cartographic Object' analyses the atlas as a method of assemblage in literary theory. It takes issue with the use of cartography advocated by proponents of a 'spatial turn' within literary studies, including Malcolm Bradbury's "Atlas of Literature", Franco Moretti's "Atlas of European Literature", and Sergio Luzzatto and Gabriele Pedullà's "Atlante della letteratura italiana". While these atlases claim to dismantle the normative canon of historicism and to offer a different way of gathering knowledge, Trentin argues that they often risk reproducing analogous positivistic, hierarchical, and colonizing assumptions. Showing a totalizing attitude embedded in modern atlases and in the 'cartographic reason' emerging from the sixteenth century onwards, the essay proposes a speculative and heuristic use of the term 'anatopy' that aims to capture the disorienting potentialities that are intrinsic to non-cartographic explorations of space. In particular, it interprets Aby Warburg's "Bilderatlas Mnemosyne" as an 'anatopic' object that keeps troubling any purely cartographic use of the atlas. In Trentin's reading, by theorizing an anti-foundational (and anti-identitarian) method of knowledge organization based on the morphological affect between disparate images and objects, Warburg's project leads to the profanation of the atlas as a topographical machine and, with its recurrences, intervals, and voids, destitutes its traditional apparatus of power. This disparate and anti-holistic aesthetic disposition challenges the solid foundations of the constructions of historicism and cartographic reason. It breaks up the technical explanation of cause and effect and substitutes it with a 'danced causality', which Trentin relates to Leo Bersani's idea of 'aesthetic subject' and the possibility of moving beyond an immobile and filial principle of identity formation towards a virtual and impersonal one that is located beyond the 'ego', as well as beyond the rigid borders of cartographic reason and the linearity of positivistic historicism.
Renewal
(2019)
Interruptions and discontinuity are the very essence of Aby Warburg's conception of the temporality that affects art objects. Beneath the seemingly immobilized expressive gesture, the Hamburg scholar recognizes the vitality of the "Pathosformeln" that convey the intricacy of human multi-layered temporality, made of interruptions, resumptions, inversions, regressions, stops, accelerations, and survivals (Nachleben). In this sense, Warburg's idea of 'renewal', which he developed from his well-known investigation of the Italian Renaissance, does not quite overlap with the notion of rebirth: an expressive gesture can re-emerge and be renewed in a different time without dying and being born a second time with a different form.
Wenn man heute nach dem ideellen Vermächtnis Aby Warburgs fragt, kommen konzeptuell aufgeladene Begriffe, oder besser gesagt Denkfiguren, wie 'Pathosformel', 'Denkraum' und 'Mnemosyne' in den Sinn. Es sind geniale Wortschöpfungen, die längst jenseits der spezifischen Warburg-Forschung Eingang in die geisteswissenschaftliche Terminologie gefunden haben. Warburg selbst nun, wäre er nach dem für seine lebenslange Forschung zentralen Axiom gefragt worden, hätte zweifellos das 'Nachleben' oder 'Fortleben' oder den 'Einfluss der Antike' genannt. Die Ergründung dieses Phänomens, von ihm immer wieder als "Problem" bezeichnet, das ihn lebenslang "kommandierte", stand nicht nur im Zentrum seiner Forschung, sie war auch das Leitmotiv der Anschaffungspolitik und Organisation seiner Bibliothek – regelrecht sein Programm.
Der Kunst- und Kulturhistoriker Aby Warburg zählt zu den Ahnherren der Bildwissenschaft, die in Frankreich, Deutschland und den USA ihre wichtigsten Vertreterinnen und Vertreter hat. Er ist sogar ihr erster Wortführer in Methode und Programm gewesen. Sein Interesse galt nicht nur Kunstwerken, sondern Bildern und ihren Wirkungen überhaupt. Er analysierte Gemälde Botticellis und Manets ebenso wie Briefmarken und Plakate. Überall fand Warburg Gesten und Gebärden, in denen tiefste Trauer oder höchster Triumph ausgedrückt waren und die Szenen mörderischer Verfolgung oder schützender Sorge zeigten. In seinem Dürer-Vortrag von 1905 fand er dafür den Begriff "Pathosformel", in der psychische Energie gebunden sei und die "archäologisch getreu" nachgewiesen werden könne. Pathosformeln wurden zum Instrument seiner kulturgeschichtlich weit ausholenden Studien. Warburg zufolge ist in Pathosformeln seit der Antike der Weg darstellbar, der "aus dem stereometrisch gestaffelt gedachten Aufstiegsraum der Seele" – wie ihn die Mystiker aller Religionen kennen – zum "unendlichen Raum" führe, den er selbst den "mathematischen und psychotechnischen Denkraum" nannte. Er hat ihn auf der dritten der programmatischen Tafeln des Bilderatlasses dargestellt. Dieser Weg war für ihn gleichbedeutend mit der Befreiung des Menschen aus Dämonenfurcht und Sternenglauben, aus Abhängigkeit und Angst. Endlich los kommen müssen wir (so Warburgs Appell) von der dämonischen Seite der heidnischen Götter, die die Rückenansicht ihrer olympischen Heiterkeit ist! In ihnen seien Logik und Magie vereint, die sich "wie Tropus und Metapher" verhielten, die "auf einem Stamme geimpfet blühten ". Warburg suchte nach dem unklassischen, weil ganz auf die Gegenwart bezogenen Nachleben der Antike in Wort und Bild.
Es geht im Folgenden darum, nach Berührungspunkten und Unterschieden zwischen Kosellecks Zugang und dem Warburgs zu fragen. Dies erfolgt in einer – selbstverständlich nur sehr ausschnitthaften, auf einige methodische Grundannahmen beschränkten – parallelen Lektüre, die Kosellecks und Warburgs Verständnis bildlicher und begrifflicher Semantiken und der Bedeutung von Epochenschwellen für deren Wandel zueinander in Beziehung setzt. Das durch die Tagung thematisierte Spannungsfeld "Bild – Begriff – Epoche" würde sich zu einer sehr viel umfassenderen und über diese beiden Autoren hinausgehenden Bestandsaufnahme eignen, um Parallelen, Bezugnahmen und Unterschiede zwischen Begriffsgeschichtsforschung und (politischer) Ikonologie, zwischen dem Projekt der Geschichtlichen Grundbegriffe und den Forschungsprogrammen an der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg (KBW) zu untersuchen.