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Eine verlassene, öde Industrielandschaft zeugt vom Fortschritt der Vergangenheit. Wir befinden uns in der Nähe von Marseille, doch der Film könnte auch woanders beginnen. Fabrikanlagen, Schornsteine, Silos, zwischen den Rangiergeleisen wächst junges Gras, Baustellen, das Meer wirft seine Schaumkronen an den Strand - unweit davon versammeln sich Flamingos auf den Salzfeldern; der Himmel ist orangerot, dramatisch von dunklen Wolken durchzogen: die Bestandsaufnahme einer ruhigen Kamera, die in den Details der Ruinen das leise Leben sieht und überraschende Schönheiten entdeckt, ein Blick, der exakt auswählt, verweilt, dicht an den Dingen, und dann wieder über die .Landschaft oder in die Ferne gleitet. Dazu die Stimme Robert Kramers, ganz nah und behutsam, die den Prolog mit dem Satz beschließt: "J’etais en Europe et l’Europe etait en moi" ("Ich war in Europa und Europa war in mir.")
Den eigentlichen - und ganz vorläufigen - Thesen zum Themenkomplex der Schwangerschaft im Horrorfilm will ich kurz einige Bemerkungen zu diesem Genre vorwegschicken. Der Horrorfilm ist vielseitig: Sowohl die Handlungsstrukturen, als auch die formalen Mittel, als auch die bemühten Motivkreise bieten im historischen Überblick eine enorme Bandbreite. Aus diesem Grund halte ich den Versuch einer Genredefinition des kanadischen Filmwissenschaftlers Robin Wood für überzeugend. Der nämlich gibt eine Basisformel für den Horrorfilm, die da lautet: "Normality is threatend by the monster" (Die Normalität wird von dem Monster bedroht; 1984, 175). Diese Basisformel argumentiert ganz offensichtlich auf einer abstrakten Ebene, auf der sie zwei oppositionelle Größen - die Normalität und das Monster - unterscheidet, um ihre Relation zueinander zu benennen: die Bedrohung. Wer hier die Normalität repräsentiert und durch welche Spezies das Monster aufgefüllt wird, bleibt auf dieser Beschreibungsebene also erst einmal ausgeklammert; wichtig ist zunächst die basale Konstellation zweier Fraktionen, von denen die eine die Existenz ihres Widerparts nicht duldet.
Harte Schnitte: Eine Rakete startet zur Reise ins All. Ein schwarzer Rolls Royce gleitet durch eine ländliche Umgebung. Der nackte James Fox drapiert seine Gespielin zwischen den Laken. Wenn die Rakete die Atmosphäre verläßt, betrachtet er sich beim Liebesspiel selbst im Spiegel. Der Rolls Royce kommt schließlich vor einem Pub zum Stehen. PERFORMANCE (1968) läßt von Anfang an keinen Zweifel an seiner Ambition, Barrieren durchbrechen, Realitätsebenen verlassen und Bewußtseinströme lenken zu wollen. "Das hat die Präzision und Gestalt eines Resnais-Films, und dennoch ist es knallig und wunderschön (...). Tatsächlich bezeichnet man diese Technik heute als ‘Nicolas Roeg'", sagte Donald Cammel, der Co-Regisseur und Autor des Films in seinem letzten Interview.
Ein Traum vom Sein : das kurze Leben eines kanadischen Genies: Jean-Claude Lauzon (1953 - 1997)
(1998)
"Jean-Claude Lauzon ist ein unerschöpfliches Nervenbündel. Er spricht schneller, als er denkt. Da er eine eher bewegte und ziemlich schwere Jugend hatte, bringt er eine reiche Erfahrung mit, die er in seinen Filmen verarbeitet. Darum gibt es auch für alles eine Erklärung; er nennt die Dinge beim Namen und schämt sich nicht, seine Hintergedanken zu verraten." (Sylvie Pagé, Filmemacherin und Kollegin Lauzons)
Die Inneren Organe der Föderation : "Star Trek: First Contact" als allegorisches Kulturbewusstsein
(1998)
Angesichts der nicht abbrechenden Schwemme der "Invasions-Shocker" im Kino seit Beginn der 90er Jahre macht es Sinn, einmal zu hinterfragen, welche Werte (und jedes Kunstwerk versucht ja solche Werte zu vermitteln) mit Filmen wie "Independence Day", "Mars Attacks!", ["]Starship Troopers" und anderen mal mehr oder weniger verdeckt, mal ganz ernst, mal sarkastisch, transportiert werden sollen. Eine umfassende Analyse, die dann ja auch die Entwicklung der Invasions-SF seit Georges Méliès’ "Reise zum Mond" mit einbeziehen müsste, würde den Rahmen einer Zeitschrift wie dieser mit Sicherheit sprengen und wäre in einer Promotion sicherlich besser aufgehoben als in einem Fanzine.
Unter Syntaktikern besteht generell die Tendenz, im Deutschen die Freiheit bezüglich der Positionierung der Adverbiale sogar für noch größer zu halten als die Freiheit der Positionierung der Argumente. Wie die Stellungsfreiheit der Argumente im Mittelfeld eines deutschen Satzes theoretisch zu erfassen sei, wird seit langer Zeit kontrovers diskutiert. Die Hauptfrage dreht sich darum, ob alle Serialisierungen der Argumente basisgeneriert sind oder ob es eine ausgezeichnete Serialisierung der Argumente, eine sogenannte Grundabfolge, gibt, aus der sämtliche anderen Aktantenserialisierungen durch eine Ableitungsoperation bzw. Bewegung zu gewinnen sind. Diese grundsätzlichen Fragen stellen sich auch bezüglich der Positionierungsmöglichkeiten der Adverbiale, auch wenn sie hierfür bei weitem nicht so häufig gestellt und diskutiert wurden.
Eine lettische Sage, Die Rose von Turaida, erzählt von dem Mädchen Maija, das sich einem Gärtner versprochen hat und tapfer allen anderen Werbern widersteht. Als sie aber, von einem zudringlichen Ritter mit Hinterlist in eine Waldgrotte gelockt, diesem wehrlos ausgesetzt ist, wahrt sie ihre Integrität durch eine heroische Opferbereitschaft: Im Moment der Überwältigung gibt sie ein rotes Tuch, das sie um den Hals trägt, als Zaubermittel aus, das die Fähigkeit habe, unverwundbar zu machen, und sie fordert den Ritter auf, sich davon zu überzeugen, indem er nur einmal versuchen solle, ihr den Kopf abzuschlagen. Von seiner Machtlüsternheit verführt, tut der Ritter, wie ihm geheißen – und erhält eine traurige Lektion über die Macht der Treue. ...
Schon Platon nutzte die intertextuellen Fähigkeiten des literarischen Schreibens zur Subversion der lähmenden Wirkung von Aufzeichnungen im Sinne der Gedächtnisstützen, der Hypomnemata, um den anders gearteten Erinnerungsprozeß der Anamnesis zur Geltung zu bringen. Ironischerweise basiert aber ausgerechnet eines der avanciertesten Hypomnemata unserer Tage auf einer dezentralen, nichtlinearen Struktur, wie sie für das Phänomen der Intertextualität kennzeichnend ist. Die — in der Tat von vielen Theoretikern des neuen Mediums angestrengte — Vermutung liegt also nahe, daß wir es hier mit einer virtuellen Steigerung der Potentiale literarischen Erinnerns im Sinne der Anamnesis Platons zu tun haben. Der Heftbeitrag vertritt die Auffassung, daß eher das Gegenteil zutrifft. Eine intertextuelle Dynamik kann nur aus der Rezeptionserfahrung des Kontrastes zu einer vorgegebenen statischen Textur hervorgehen. Mit jedem seiner Schritte durch das Gewebe eines Hypertextes dekomponiert der Leser diesen illuminierenden Kontrasteffekt. Diese Beobachtung führt zu der Feststellung, daß eine Poetik des Hypertextes, die als literarische Erinnerungstechnik ernst genommen werden könnte, erst noch zu entwickeln wäre.
Ich will zuerst [...] die These vorstellen, daß der Gegenstandsverlust der Germanistik eingebildet ist. Wer seinen Gegenstand verliert, ist selber schuld. Die Literaturwissenschaft, sagt W. Barner zurecht, ist eine Kunstwissenschaft. Dies ist ihr Kern. Diesen zu vernachlässigen, käme einer Selbstliquidation der Literaturwissenschaft gleich. Germanisten, die sich nicht zuerst als Kunstwissenschaftler verstehen, gehören nicht ins Fach oder höchstens zu seinen Rändern. Es gibt für die Legitimation der Germanistik nur zwei Fragen: (warum) muß es diejenige Kunst geben, die wir Literatur nennen? Die Frage gilt historisch und aktuell. Und: warum muß es neben dem primären Gebrauch von Literatur (das Lesen) eine Expertenschicht geben, die sich professionell mit der Erklärung der Literatur beschäftigt? Es gibt zwei Richtungen, in denen der praktische Nachweis für die fragliche Legitimität geführt werden kann. 1. Die bloß historische Faktizitat der Literatur wird mit theoretisch überzeugenden Gründen legitimiert. Will sagen: Die Literatur weist besondere Eigenarten und Leistungen auf, die von anderen wertbesetzten kulturellen Aktivitäten wie z.B. Musik komponieren, Mathematik machen, Stoffe veredeln, bewegte Bilder herstellen nicht oder nur schlechter ersetzt werden können. Das Spezifische der Literatur, das historisch jeweils anders ausdifferenziert ist, bildet den Kern der Legitimiation auch der Literaturwissenschaft. Diese aber gewinnt ihre eigentliche Rechtfertigung nicht deswegen, weil Literatur nicht substituierbar ist, sondern weil man jedenfalls seit der Neuzeit den kulturellen Wert der Literatur nur dann hinreichend entfaltet, wenn man sie professionell erklärt. Man muß also die Erklärungsbedürftigkeit der Literatur erklären, um sich als Wissenschaftler der Literatur zu begründen.