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Kaum hat der Bundestag das Gesetz über die Öffnung der Ehe beschlossen, wird es schon verfassungsrechtlich diskutiert. Dass das Bundesverfassungsgericht es für verfassungswidrig erklären wird, ist wenig wahrscheinlich. Und das lässt sich auch ohne Rückgriff auf den historischen Willen des Verfassungsgebers überzeugend begründen.
Fällt nach der Einführung der Ehe für alle der grundgesetzliche und der zivilrechtliche Ehebegriff auseinander? Das wäre nicht nur für die Ehe für alle als eine politische Errungenschaft, sondern auch für das Grundgesetz selbst ausgesprochen unglücklich. Wenn der Gesetzgeber in diesem Sinne die Ehe für alle öffnet, kann das dementsprechend den verfassungsrechtlichen Ehebegriff nicht unberührt lassen.
Einen schönen Einstieg in "Rechtspluralismus" bietet ein jüdischer Witz: Zum Rabbi kam ein Mann und lamentierte über seine Ehefrau. Sie erziehe die Kinder falsch und kümmere sich zu wenig um den Haushalt. Sie koche nicht gut und sonst allerlei gelinge ihr ebenfalls nicht. Daraufhin dachte der Rabbi kurz nach und sagte: "Ja, ja, sicher, Du hast Recht." Am Tag darauf kam die Frau zum Rabbi und beschwerte sich heftig über ihren Ehemann. Dieser kümmere sich zu Hause um gar nichts, liege nur faul herum und sonst sei auch nichts mit ihm anzufangen. Da dachte der Rabbi wieder kurz nach und antwortete: "Ja, ja, Du hast Recht." Beiden Gesprächen wohnte der Schüler des Rabbis bei. Dieser wunderte sich nun und fragte den Rabbi in vorwurfsvollem Ton: "Du kannst nicht geben Recht dem Einen und dann der Anderen. Das geht nicht, dass beide Recht haben." Da dachte der Rabbi wieder nach und sprach: "Ja, ja, Du hast auch Recht." ...
Synästhetische Normativität
(2017)
Im Herzen Frankreichs, südlich von Paris und Orléans, östlich von Blois, in einem ausgedehnten Waldgebiet liegt das Schloss von Chambord, das prächtige, das unvergleichliche Chambord, Prunk- und Jagdresidenz Franz’ I., architektonischer Höhe- und Wendepunkt der französischen Renaissance. Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und des allerchristlichsten Königs ewiger Rivale, soll das Schloss, als er es 1539 zu Gesicht bekam, gepriesen haben als den "Inbegriff dessen, was menschliche Kunst vermag.". ...
Multinormativität ist kein etablierter Begriff. Der Terminus bezeichnet zunächst einmal nur einen Forschungsschwerpunkt des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte. Die diesen Forschungsschwerpunkt konstituierende und die Einzelprojekte verbindende Leitfrage ist die nach dem Verhältnis von Recht zu anderen Regeln. Weiter ausgeführt ist dies in einem Aufsatz von Thomas Duve, der Überlegungen dazu enthält, wie Multinormativität erfasst werden kann. Erstens wird hingewiesen auf das analytische Potential der Theorieangebote der Rechtspluralismusforschung bzw. derjenigen Ansätze, die sich hieraus entwickelt haben (normative pluralism, jurisdictional pluralism, interlegality, pluralistic social-legal arenas), aber auch auf deren partielles Ungenügen bei der Erfassung der Fluidität der Interaktion verschiedener normativer Sphären. Zweitens wird auf den Stellenwert von Konventionen, verstanden als zu Routinen geronnene Anschauungen mit normativem Potential, aufmerksam gemacht. Und drittens wird unter dem Stichwort "Dynamik" darauf verwiesen, dass Normativität und das Verhältnis zwischen Normen nicht als statischer Zustand erfasst werden können, dass diese vielmehr in sozialen Praktiken hervorgebracht werden und sich mit ihnen wandeln. ...
Der viel diskutierte Begriff der "Multinormativität" steht heute in Konkurrenz zu dem des "Rechtspluralismus" und der "Diversität" des Rechts. Alle drei Begriffe verfügen nicht über eine inhaltliche und funktionale Eindeutigkeit und zeigen kein bestimmtes Verhältnis zu- und untereinander. Eine sehr vage Gemeinsamkeit solcher "Rechtspluralitäten" besteht allein in deren Unterscheidung oder Abweichung vom Gegenbegriff einer "Rechtseinheit" bzw. der ideal gedachten Einheit der Rechtsordnung, wie sie von den Kodifikatoren des Privatrechts im Zeitalter der Aufklärung versucht wurde zu verwirklichen. In einem solchen Spannungsverhältnis zwischen Einheitlichkeit oder Vielfalt gesellschaftlicher und staatlicher Rechtsgestaltung steht jedes organisierte Gemeinwesen. Das ist eine historische Erfahrung, die sich seit der römischen Antike in der rechtssystematischen Einteilung in ein "ius universale " und "ius speciale/particulare" zeigt. In der aktuellen Diskussion scheint "Multinormativität" als der umfassendere Begriff für die Rechtevielfalt gebraucht zu werden. In der rechtstheoretisch orientierten Literatur kann man je nach disziplinärer Einteilung bis zu sieben "Rechtspluralismen" unterscheiden, die die Definitionsnot und sprachliche Bedeutungsvielfalt nachdrücklich belegen. Dieser "Pluralismus" kann durch Rechte oder auch "Rechts-Ordnungen" in der Interaktion zwischen einer herrschenden und einer alternativen "Rechts-Ordnung" bestimmt sein. Die Konkretisierungsbedürftigkeit von "Rechtspluralismus" und "Multinormativität" haben diese beiden Begriffe auch gemeinsam mit dem geläufigen Nachbarbegriff der pluralen "Rechtsquellen", die als Sammelbezeichnung für die Grundlagen rechtlicher Entscheidungen fungieren. Multinormativität kann heute als eine extensive Variante von "Rechtsquellenvielfalt" oder "Rechtsvielfalt" gesehen werden, beschränkt sich jedoch nicht auf die Dimension der rechtlichen Entscheidungsgrundlagen, sondern erweitert diese auch auf die Vielzahl möglicher außerrechtlicher entscheidungsrelevanter "Normen". Das ist der Grund, weshalb heute der Begriff des "normative pluralism" dem des "legal pluralism" vorgezogen wird, um auch das "phenomenon of law beyond the state" in den Griff zu bekommen. In der deutschen Literatur ist heute das beliebte Bild und der vielgebrauchte Begriff der "Rechtsquellen" höchst umstritten, da in ihm mehr das "fließende" Element höchst mobiler rechtlicher Ordnungsinstrumente zum Ausdruck kommt als die Bestimmtheit und Sicherheit rechtlicher Normangebote. Luhmann bezeichnete die eine Rechtspluralität indizierende Rechtsquellenlehre als ein "mehrschichtiges Theoriegebäude mit schwankenden Fundamenten" und Esser sprach sogar von den "doktrinären Peinlichkeiten", vor die sich die Rechtsquellenlehre gestellt sah und gestellt sieht. Multinormativität löst heute weitgehend den "Rechtsquellen"-Begriff ab, indem er ihn vor dem Hintergrund internationaler politischer Praxis und Erfahrungen überlagert und ausweitet. ...
Es wäre eine bessere Welt, würde es diese Bilder nicht geben: Die Rede ist von Darstellungen, die sexuellen Missbrauch von und sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen zeigen. Die physischen und psychischen Verletzungen, die durch den Missbrauch, aber auch durch dessen Perpetuierung in Bildern verursacht werden, sind unermesslich. Daher greift die Gesellschaft zu einem ihrer schärfsten Schwerter – dem Strafrecht.
Das Recht – abstrakt und bilderfeindlich? Ein Fehlurteil. Denn schon immer hat das Recht zu sinnlichen Hilfsmitteln gegriffen, um sich den Menschen verständlich zu machen, teils auf realer, besonders gern aber auf sprachlicher Ebene. Die heutige Bilderflut ist jedoch auch für die Rechtswissenschaft ein neues Phänomen.
According to international and national constitutional law, indigenous peoples in most Latin American countries have the right to maintain and strengthen their distinct political, legal, economic, social and cultural institutions. As a consequence of this and of a long and ongoing process of political debate and recognition, ever more indigenous peoples are practicing their own laws, following their own cultural traditions and customs. In doing so, they often draw on history, recreating their identities and reconstructing their distinct legal pasts. At the same time, historical research has increasingly pointed out the intense interaction between indigenous peoples and European invaders during colonial period. It has become clear that it is difficult to draw a clear line between purely ‘indigenous’ and ‘colonial’ legal traditions due to the hybridisation of indigenous and colonial laws and legal practices. The aim of this paper is to introduce this historiography and its relevance to law and to present some methodological challenges in writing the history of indigenous rights in Latin America resulting from this shift in (legal) historiography.