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"Biographisierung" in der spätmittelalterlichen Lyrik : Dante - Hadloub - Oswald von Wolkenstein
(1998)
(...) [Volker Mertens] These ist, daß ‚Biographisierung’ in der Liedeslyrik mit dem Spannungsfeld von mündlicher und schriftlicher Existenz der Lieder zu tun hat, daß der Verlust an sinnlicher Präsenz und körperlicher Beglaubigung durch den Sänger, den die schriftliche Tradierung bedeutet, durch ‚Biographisierung’ kompensiert werden soll. (...) [Mertens sucht] diese These durch die Betrachtung dreier Fälle zu belegen: Dantes Jugenddichtung ‚Vita nova’, das lyrische Werk Johannes Hadloubs, wie es die Manessische Handschrift überliefert, und die Ehelieder Oswalds von Wolkenstein.
"Bin auff disse Welt gebohren worden" : Geburtsdatierungen in frühneuzeitlichen Selbstzeugnissen
(2012)
Bei der geschichtswissenschaftlichen Untersuchung von Zeitkonzeptionen und -praktiken des 16. und 17. Jahrhunderts galten bisher - zu häufig - die Publikationen Kosellecks als Standardtexte, deren Thesen meist unhinterfragt auf die zu erforschenden Quellenbestände übertragen wurden. Bei Berücksichtigung der gegen diese jüngst geäußerten, gravierenden Einwände ist es wichtig, frühneuzeitliche Zeitkonzeptionen und -praktiken auf methodisch reflektierte Weise neu zu untersuchen und sich dabei auch anderen methodologischen Herangehensweisen zuzuwenden. [...] Ziel dieses Aufsatzes ist es, die Komplexität der Vergangenheit aufzuzeigen, indem die Quellen und damit letztlich die historischen Akteure mit ihren Kosmologien, Bedeutungszuschreibungen, Handlungspielräumen und sinnstiftenden Interpretationsmöglichkeiten in den Vordergrund gestellt werden. Der Fokus meines Untersuchungsinteresses liegt hierbei auf den gesellschaftlich nicht exponierten Persönlichkeiten.
Klaus Werner beschreibt in seinem Beitrag die einzigartige Mehrschichtigkeit und Tiefendimension künstlerisch bearbeiteter 'schwarzer Bücher' in Li Silberbergs Installation "Bibliothek", die als unzugänglicher gläserner Raum entzogener Lektüre mit der Einrichtung von Regalfächern und Schreibplatte zugleich subtil die materielle Bedingtheit des 'Prinzips Bibliothek' ausstellt.
Birgit Griesecke wendet sich einem Aphorismus Georg Christoph Lichtenbergs und dessen späterem Stellenwert in der Sprachphilosophie Ludwig Wittgensteins zu. Wenn Lichtenberg die Philosophie als "Berichtigung des Sprachgebrauchs" verstanden wissen wolle, bette er diese Idee in eine Satzkonstruktion ein, die "aus einem rhetorischen Manöver ein Erkenntnisinstrument macht", indem sie performativ gerade unterschiedliche Sprachgebräuche in Szene setze. Komme der Aphorismus Lichtenbergs Sprachdenken entgegen, so kündige Wittgenstein diese Form über ein Zitationsverfahren, das nicht auf Pointierung, sondern auf Reihung ziele, unter der Hand wieder auf. In seinem "Experimentalsinn" stehe Wittgenstein Lichtenberg freilich nicht nach.
Der folgende Beitrag stellt kein GIP-Projekt vor, das Projekt hat aber doch Einfluss auf die GIP Bochum-Ulan Ude genommen, die sich seit langem mit Multimediaaspekten im DaF-Unterricht beschäftigt. So werden etwa einige der im Folgenden beschriebenen Erfahrungen genutzt, um für das landeskundlich orientierte Lehrwerk Burjatien im Deutschunterricht (2005) eine multimediale Ergänzung zu schaffen.
"Auflösung des Judentums" : zu einem literaturwissenschaftlichen Großprojekt Friedrich Gundolfs
(2015)
Von seiner jüdischen Herkunft trägt das wissenschaftliche Werk Gundolfs keine merklichen Spuren. Im Gegenteil hat er solche Spuren systematisch verwischt. Völlig unkenntlich sind sie damit allerdings nicht geworden. Zwischen den Zeilen prägt just sein 'abgelegtes' Judentum wesentliche Teile von Gundolfs Wissenschaftskonzeption, so auch deren sprachliche Verfasstheit und den Zuschnitt ihrer wichtigsten Gegenstände. Auf der Grundlage dieser Annahme will ich im Folgenden ein paar Schlaglichter auf einige wenige, sehr wohl aber repräsentative Gundolf'sche Texte werfen. In Augenschein zu nehmen sind dabei zwei Themenkomplexe: Erstens Gundolfs Vorstellungen von Literatur, Heldentum und Geschichtsphilosophie, die einen zutiefst apolitischen Geschichtsbegriff zu erkennen geben, der ein Phänomen wie die deutsch-jüdische Geschichte nicht mehr erzählbar macht, der v. a. aber die Huldigung eines Kunstideals impliziert, das als heidnisch-christliche Symbiose imaginiert wird. In diesem Kontext wird durchgehend auch die Frage nach den Implikationen einer Wissenschaftsprosa virulent, die sich als performative Umsetzung eines Heldenkultes und säkularen Gottesdienstes begreift und die das Judentum religiös, historisch und kulturell gleichermaßen zur Leerstelle macht. Zweitens Gundolfs Konzeption des 'deutschen Geistes', wie sie prominent bereits im Titel seiner bekannten Habilitationsschrift 'Shakespeare und der deutsche Geist' aus dem Jahr 1911 auftaucht. Es ist in erster Linie die dezidiert transnationale Anlage des 'Deutschtums', die es hier zu analysieren gilt.
Für die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde ein umfassender Wandel im Bereich des Stilverständnisses konstatiert, das ab 1750 von zwei gegensätzlichen Stilbegriffen geprägt ist: einem traditionell rhetorischen einerseits und einem sich neu etablierenden Individualstil andererseits. Der Beitrag versucht, mit einem Schlaglicht auf das Frühwerk Johann Georg Hamanns ("Sokratische Denkwürdigkeiten" und "Wolken") diesen für das Verständnis der stilgeschichtlichen Umbrüche zentralen Autor im skizzierten Diskursfeld zu verorten. Ein näherer Blick auf Hamanns sokratische Schreibart erlaubt es, die geläufige Rollenzuschreibung, die in Hamann vor allem einen Wegbereiter des Individualstils erkennt, zu problematisieren und ein Paradox herauszuarbeiten: Die Entwicklung zum Individualstil beginnt im Falle von Hamanns ironisch verstellter Maskenrede mit einer radikalen Depotenzierung der Autorinstanz.