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Theater der Spur
(2014)
Ausgangspunkt der Studie ist die These, dass sprachlich und kulturell heterogene Lerngruppen, an denen Studierende mit und ohne spanischsprachigen Familienhintergrund gemeinsam teilnehmen, als eine günstige Lernsituation betrachtet werden können. Voraussetzung dafür ist, dass die unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Gegebenheiten als Ressourcen für den Unterricht verstanden werden.
Mit dem Fokus auf Sprachveranstaltungen in Spanisch, die von Studierenden an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main besucht werden, und die im Rahmen ihres Lehramtsstudiums im Fach Spanisch stattfinden, wurden in dieser Studie folgende Forschungsfragen verfolgt:
1. Wie entstehen und entwickeln sich Sprachlernprozesse in sprachlich und kulturell vielfältigen Lernkontexten?
2. Wie zeichnet sich das Lernen in sprachlich und kulturell vielfältigen Lernkontexten aus?
3. Welche sprachlichen und kulturellen Ressourcen können für die sprachliche und kulturelle Förderung genutzt und bewusst eingesetzt werden?
Wichtigste Forschungsergebnisse:
Es wurde festgestellt, dass Sprachlernprozesse bei Studierenden mit und ohne spanischsprachigen Familienhintergrund sowohl im kognitiven als auch im emotionalen Bereich qualitativ unterschiedlich verlaufen und, dass in sprachlich und kulturell vielfältigen Lernkontexten individuelle und überindividuelle Sprachlern-prozesse stattfinden, die einander bedingen.
Was das gemeinsame Lernen angeht, konnte festgestellt werden, dass Studierende ohne spanischsprachigen Familienhintergrund widersprüchliche Erwartungen an die Studierenden mit spanischsprachigem Familienhintergrund haben: Einerseits schätzen sie die Präsenz ihrer Kommilitonen und sehen sie als Mittler zwischen dem Unterricht und der Realität außerhalb des Unterrichts, weil sie die „echte“ Sprache und Kultur in den Klassenraum bringen. Anderseits fühlen sie sich durch ihre Anwesenheit im Unterricht verunsichert, was ihre sprachliche Entwicklung zum Teil hemmt. Bei den Studierenden mit spanischsprachigem Familienhintergrund konnten unterschiedliche Phasen in ihrem Sprachlernprozess beobachtet werden, die ihre Lernattitüde und ihre Haltung zu den Kommilitoninnen und Kommilitonen konditionieren.
Entscheidend für die Konstruktion gemeinsamer Sprachlernprozessen ist, dass die Studierenden ihre Positionierung als peer ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen bewusst wahrnehmen, was nicht immer der Fall ist. Auch die Bewusstwerdung der eigenen Funktion als Mittler zwischen Sprachen und Kulturen insbesondere (aber nicht nur) bei Studierenden mit spanischsprachigem Familienhintergrund soll im Unterricht durch die Reflexion über die eigene sprachliche und kulturelle Identität gefördert werden.
Im Umgang mit solchen Lerngruppen haben Dozentinnen und Dozenten unterschiedliche Erwartungen. In der Regel werden aber Lerninhalte vermittelt, die die sprachliche und kulturelle Vielfalt im Unterricht nicht berücksichtigen. Für die Leistungsbewertung beider Studierendengruppen werden oft unterschiedliche Kriterien angewendet, woraus Konflikte zwischen den Veranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmern entstehen.
Die Rolle der Dozentinnen und Dozenten selbst ist in der Gestaltung gemeinsamer Lernkontexte, in denen die Interaktion der Studierenden gefördert werden, grundlegend. Damit dies gelingt, sollen sie einerseits für Mehrsprachigkeit als Phänomen der Gesellschaft, das den Sprachunterricht im besonderen Maße betrifft, sensibilisiert sein. Andererseits soll ihnen bewusst werden, dass das Sprachenlernen aus einer kognitiven und einer emotionalen Seite besteht, die in engem Zusammenhang mit mehrsprachigen und mehrkulturellen Identitätskonstruktionen stehen. Beide Seiten sollen im Unterricht gefördert werden.
Hinsichtlich der Politischen Romane erscheint das allgemein schwer zu bestimmende Verhältnis von Gattungstheorie und Gattungsgeschichte als geradezu widersprüchlich: In unmittelbarer zeitlicher Nähe zu einer Anweisungspoetik entsteht eine ganze Reihe von Texten, die sich ostentativ auf diese Poetik beziehen, aber nur selten deren Anweisungen folgen. Die vorliegende gattungsgeschichtliche Untersuchung „Die Politischen Romane, eine populäre Gattung des 17. Jahrhunderts“ von Andrea Wicke legt deshalb eine rekursive Bestimmung der Gattung zugrunde: Erstmals werden grundsätzlich alle Texte herangezogen, die durch ihre paratextuelle Präsentation einen Gattungszusammenhang evozieren. Ebenfalls zum ersten Mal werden die Paratexte in umfassender Weise für eine dichte Beschreibung des historischen Gattungsdiskurses ausgewertet. Folgende Forschungsergebnisse lassen sich resümieren:
Das Phänomen der Politischen Romane ist besser zu verstehen, wenn man den literarischen Gattungsbegriff konsequent historisiert und die Politischen Romane wie Moden und Bewegungen als Ausdruck eines kulturellen Wandels begreift. Der wie eine epidemische Kurve zunächst langsam, nach 1680 stark ansteigende, nach 1684 wieder abfallende Publikationsverlauf der Politischen Romane indiziert eine besonders geartete Kommunikationssituation, als deren Produkt die populäre literarische Gattung erscheint.
Die allgemeine Frage, wie unbekannte Bücher zu Bestsellern werden, lässt sich hinsichtlich der Politischen Romane wie folgt beantworten: Mit der Adaption der satirischen Romane Christian Weises durch Johannes Riemer erreicht dessen satirische Erzählung "Der Politische Maul-Affe" Anfang des Jahres 1680 eine außergewöhnlich große Öffentlichkeit. Dafür sind außerliterarische Umstände maßgeblich, insofern die im Schüler- und Studentenmilieu angesiedelte Erzählung einen Skandal verursacht. Riemer referiert als Erster im Rahmen gattungsgenerierender imitatio auf zwei Romane Weises. Sein Verfahren, Weises Werke gegen dessen Intentionen als legitimierte Praetexte für eine satirische Schlüsselerzählung mit politischen Implikationen zu nutzen, etabliert sich und Weises Versuch, mit dem "Bericht" das Schreiben lustiger Bücher unter rhetorischen Prämissen als propädeutische Gattung für zukünftige Politici zu normieren, befördert gegen dessen Intentionen die spezifische Dynamik der Politischen Romane: Von 1680 bis 1684 erlangen die Politischen Romane durch ihr dauerndes Changieren zwischen anspielungsreicher, angriffiger Satire, kurzweiligem Schwank und prudentistischem Ratgeber eine große Wirkung. Die erstmalige Synopse aller Politischen Romane lässt erkennen, wie extensiv populäres wie elitäres Material in die Erzählungen integriert wird: Viele Episoden und Geschichten der Politischen Romane leben vom Kontrast zwischen der Vermittlung politischen Wissens mit gesellschaftsethischem Anspruch und grobianischen Sequenzen, anstößigen Motiven und vulgärem Sprachgebrauch. Die satirische Perspektive gilt meist dem traditionalen Verhalten bildungsferner Schichten; die Erzählungen thematisieren insbesondere die spezifische Zukunftserwartung junger Akademiker. Mit größerer zeitlicher Distanz zum Weißenfelser Skandal werden die Texte tendenziell stärker folklorisiert. Es scheint eine Öffentlichkeit für milieuspezifische Unterhaltungsliteratur zu entstehen, in der Autoren und Leser zur gleichen –studentischen – Ingroup gehören. Die außerliterarischen Bezüge der Texte bilden indes auch einen destabilisierenden Faktor des Gattungszusammenhangs: Skandale sind kurzlebig und 1684 hat die Popularität der Gattung ihren Scheitelpunkt erreicht. Christian Weises Stellungnahme in der Vorrede zum "Neu=erleuterten Politischen Redner" wider die Politischen Romane verstärkt den Niedergang der Gattung maßgeblich und Johannes Riemer sieht sich gezwungen, Weise in seiner abweisenden Haltung zu folgen. Mit diesen beiden Widerrufen verlieren das schillernde Epitheton politisch, der satirische Impetus und die versteckten Anspielungen auf eine gelehrte Autorschaft quasi ihren Resonanzboden. Zwar entsteht nun auch der nötige Spielraum, um den gattungsspezifischen Rahmen der Politischen Romane zu verändern und – wie Kuhnau und Ettner es tun – positiv an Weises Vorgaben anzuknüpfen. Doch bleibt es bei einzelnen Versuchen, Alternativen zu der provozierenden Performanz zu entwickeln, die den Erfolg der Gattung zu Beginn der 80er Jahre des 17. Jahrhunderts geprägt hat.
Individuelle sprachliche Repertoires und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit in der Republik Moldova
(2016)
Die sprachlichen Verhältnisse in der Republik Moldau befinden sich seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion in Veränderung. Maßgeblich hierfür sind eine neue offizielle Sprache, die Förderung der Minderheitensprachen und die Arbeitsmigration. Die Autorin untersucht die Frage, wie Sprecher*innen mit unterschiedlichen sprachlichen Repertoires mit diesen Veränderungen umge-hen. Sie zeigt dies am Beispiel ausgewählter Sprach- und Berufsbiographien in zwei exemplarischen Fallstudien: einem russisch-ukrainisches Lyzeum und einem italienischsprachigen Call-Center.Mit den Begriffen Erreichbarkeit und Reichweite leistet das Buch einen theo-retischen Beitrag zur Diskussion um sprachliche Repertoires und sprachlichen Ausbau, indem sie den Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Verände-rungen und den individuellen Aneignungsprozessen von Sprecher*innen zu begreifen helfen.
Kurz nachdem Jean Paul im Jahr 1796 den letzten Teil des Romanmanuskripts Blumen-, Frucht- und Dornenstücke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. St. Siebenkäs an seinen Verleger abgeschickt hatte, brach er in die damalige Kulturhauptstadt Weimar auf. Dort traf er zum ersten Mal den von ihm mit Distanz bewunderten Goethe. Während dieser Besuch von Goethe selbst unkommentiert blieb, fand eine aus dem gleichen Jahr stammende Äußerung Jean Pauls eine um so größere Resonanz bei dem um sein Image besorgten Dichterfürsten. ...
Lange Zeit gab es in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteraturkritik keine Unterscheidung zwischen phantastischen Erzählungen und Fantasy. Diese Gattungsdifferenzierung beginnt sich erst ab der Jahrtausendwende durchzusetzen. Betrachtet man das deutsche Textkorpus, das bis dahin global als Phantastik bezeichnet wurde, so lässt sich feststellen, dass der mittlerweile herausgearbeitete Unterschied zwischen phantastischen Erzählungen und Fantasy schon in den 1950er und 1960er Jahren zu erkennen ist. Sowohl die gattungstheoretischen Unterscheidungen als auch die Gattungsbegriffe haben jedoch erst um die Jahrtausendwende eine gewisse Festigkeit gewonnen.
Ein zentrales Anliegen dieser Arbeit ist es, die nicht-realistischen kinder- und jugendliterarischen Werke der Nachkriegsjahrzehnte im Lichte der jüngeren gattungstheoretischen Differenzierungen neu zu bewerten und ggf. zuzuordnen. Gefragt wird, ob in der deutschen Kinder- und Jugendliteratur der 1950er bis 1980er Jahre bereits Werke existieren, welche nach aktuellem Begriffsgebrauch als Fantasy zu bezeichnen sind. Ein dabei zu berücksichtigender Aspekt betrifft die Gattungsgeschichte, welche nicht mit der der englischer bzw. amerikanischer Kinder- und Jugendliteratur vergleichbar ist. Laut einer Definition von Ewers (2013) versuchte die deutsche Kinder- und Jugendliteraturwissenschaft lange Zeit, dem Genre Fantasy „beizukommen“, indem sie diese als ein Sub-Genre der Phantastik ansah. Hierin sieht er einen Irrweg. Sicherlich gibt es Parallelen zwischen phantastischer Erzählung und Fantasy, doch seien diese rein äußerlicher Natur.
Anhand der Definition von Ewers untersucht diese Arbeit, ab wann von Texten gesprochen werden kann, die dem jüngeren Verständnis von Fantasy entsprechen und welche kinder- und jugendliterarischen Werke nach diesem Erkenntnisstand hinzuzuzählen sind. Dabei liegt das Augenmerk auf der Bedeutung und Vorgeschichte von Fantasy-Literatur für den westlichen deutschsprachigen Raum. Methodisch wurde wie folgt vorgegangen: Ein Korpus aus kinder- und jugendliterarischen Texten wurde gebildet. Anschließend wurde dieser im Hinblick auf die in Ewers‘ Definitionsansatz genannten Charakteristika untersucht. Hieraus entwickelte sich der Gedanke, eine für die weiterführende Forschung hilfreichen Klassifizierung der phantastischen Kinder- und Jugendliteratur der Nachkriegszeit zu entwickeln, um den Stellenwert zeitgenössischer Fantasy verdeutlichen zu können.
In dieser Arbeit wurde untersucht, ob die Sprachentwicklungsdiagnostik in den pädiatrischen Früherkennungsuntersuchungen U7a (mit 3 Jahren), U8 (4 J.) und U9 (5 J.) wissenschaftliche Qualitätsanforderungen an eine zuverlässige Identifikation von Kindern mit Spezifischen Sprachentwicklungsstörungen (SSES) erfüllt. Im Fokus der Untersuchung stehen mehrsprachige Kinder, da es insbesondere bei dieser Zielgruppe zu Fehleinschätzungen kommt.
In Studie I, einer Fragebogenerhebung mit 36 Kinderärzt/innen, wurde erstens der Frage nachgegangen, welche Informationen zur Sprachbiografie und Indikatoren einer SSES anamnestisch erhoben werden. Den Ergebnisse zufolge werden die relevanten sprachbiografischen Informationen (Alter und Sprachen des Kindes, Sprachgebrauch in der Familie, Alter bei Beginn des Deutscherwerbs, Kontaktdauer) und Risikoindikatoren (späte Produktion erster Wörter und Wortverbindungen, familiäre Sprachauffälligkeiten) von nahezu allen Kinderärzt/innen erfasst. Den Stand der Erstsprache als zentrales differentialdiagnostisches Kriterium erheben 75% der Pädiater/innen. Zweitens wurde untersucht, welche sprachdiagnostischen Methoden und Verfahren zur Untersuchung des Kindes zum Repertoire der Ärzt/innen gehören. Den Ergebnisse zufolge verfügen sie über verschiedenste Verfahren. Sie präferieren Elternfragebögen und nicht standardisierte Verfahren. Diese erfüllen die testtheoretischen Gütekriterien nicht und sind für mehrsprachige Kinder nicht geeignet.
In Studie II wurde mittels teilnehmender Beobachtungen in 21 Vorsorgeuntersuchungen bei 11 Ärzt/innen untersucht, unter welchen Rahmenbedingungen und wie Kinderärzt/innen die Sprachentwicklung mehrsprachiger Kinder überprüfen. Als Methode zur Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten bevorzugen die Ärzt/innen das informelle Gespräch mit dem Kind. Ein Schwerpunkt der Arbeit lag deshalb auf der Analyse ihrer diagnostischen Fragen für die Erfassung sprachlicher Fähigkeiten im Gespräch. Dafür wurden Fragetypen des Deutschen danach klassifiziert, welche sprachlichen Strukturen in den Antworten erwartet werden können und welchen Beitrag sie somit zur Diagnostik einer SSES leisten können. Eine linguistische Analyse aller Fragen und Impulse (n = 801), die die Ärzt/innen an die Kinder richteten, um sie zum Sprechen anzuregen, ergab, dass ihr Potenzial für die Sprachentwicklungsdiagnostik nur unzureichend genutzt wird. 18% der ärztlichen Fragen waren nicht auswertbar, weil sie im Gespräch keine Antwort des Kindes zuließen. Im Mittel waren je Untersuchung lediglich 8,5% aller auswertbaren Fragen (n = 578) dazu geeignet, verbhaltige und v.a. satzwertige Äußerungen zu elizitieren. Diese sind für die SSES-Diagnostik besonders relevant, da sie frühe Symptome einer SSES enthalten können. 43% der Fragen ließen als Antwort verblose Konstituenten erwarten, die jedoch für die Diagnostik von untergeordneter Bedeutung sind. Die übrigen Fragen waren für die Diagnostik nicht relevant.
Den Ergebnisse beider Studien zufolge ist eine flächendeckend zuverlässige Sprachentwicklungsdiagnostik unter Einhaltung wissenschaftlicher Qualitätsanforderungen in den Früherkennungsuntersuchungen nicht gewährleistet.
Mit der Arbeit wird ein Beitrag zur Erforschung der pädiatrischen Sprachentwicklungsdiagnostik geleistet. Mögliche Ursachen für Fehldiagnosen werden offengelegt. Die Ergebnisse zeigen die Bedingungen und Probleme auf, unter denen Sprachentwicklungsdiagnostik in institutionellen Kontexten stattfindet, und weisen damit über das Feld der pädiatrischen Diagnostik hinaus. Die linguistisch fundierte Analyse diagnostischer Fragen ist auch bspw. für die Sprachtherapie und die Sprachförderung in pädagogischen Kontexten bedeutsam. Die Ergebnisse lassen sich folglich nicht nur für die Weiterqualifizierung von Kinderärzt/innen, sondern auch für andere Berufsgruppen fruchtbar machen.
In der heutigen Zeit sieht sich das kulturelle Erbe der Völkergemeinschaft der Gefahr ausgesetzt, von der rasanten Entwicklung der Medientechnologien in den Hintergrund gedrängt und zerstört zu werden. Die Globalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft führt auch zu einer kulturellen Globalisierung und damit zur Dominanz des von der westlichen Welt gelebten Kulturimperialismus. Einzelne Kulturformen verlieren ihren Platz in der Kulturweltgemeinschaft und wichtige Kulturgüter wie Literatur, Sprache, Mythen, Darstellungen oder Riten werden nach und nach verdrängt. Aus diesen Gründen ist es notwendig, dass sich die Theater- und Medienwissenschaftler mit diesen Kulturformen auseinandersetzen, sie erforschen und im Bewusstsein der Menschen erhalten. Diese Arbeit stellt eine unabhängige Untersuchung dar, die in dieser Form innerhalb eines geschlossenen gesellschaftlichen Systems nicht möglich gewesen wäre. Die letzte deutschsprachige Dissertation über den Stand der For-schung zu diesem Thema wurde vor knapp vierzig Jahren verfasst. Seitdem ist auch keine Untersuchung der Rezeption dieser Kunstform in Theater, Film und Medien in Europa erfolgt. Meiner Kenntnis nach existiert auch im Iran keine ver-gleichbare wissenschaftliche Arbeit, die sich mit dem untersuchten Themengebiet beschäftigt. Die Ta¬ziyeh ist eine sakrale Theaterform aus dem Iran, die sich über lange Zeit großer Beliebtheit in der eigenen Bevölkerung und Anerkennung durch westliche Reisende erfreute. Obwohl der Vormarsch der Medientechnologien, insbesondere die Verbreitung des Fernsehens und des Kinos im letzten Jahrhun-dert auch dazu geführt hat, dass das Ta¬ziyehritual zurückgedrängt wurde, ist es bemerkenswert, dass modernes Theater, Film und Fernsehen im Iran ihrerseits durch die Ta¬ziyehkultur und –praxis bis heute beeinflusst werden. Ich untersuche in meiner Promotionsarbeit die Geschichte und Auffüh-rung der Ta¬ziyeh, sowie ihre Rezeption im Theater, Film und Fernsehen im Iran. Die Ta¬ziyeh ist ein auf religiösen Riten beruhendes Passionsspiel, welches durch die Ideale und den Glauben der Schiiten begründet wurde und seinen Ursprung im Mythos des  hat. Für das Verständnis der Ta¬ziyeh ist über die Begriffsklärung hinaus sowohl ein grundlegender Überblick über die schiitische Glaubensrichtung, als auch ein Abriss der altiranischen Geschichte und Kultur im ersten Teil dieser Ar-beit unerlässlich. Außerdem werde ich auf die konkrete Ausgestaltung des schiiti-schen Passionsspiels eingehen. Besonders wichtig erscheinen mir hierbei der Ort der Aufführung des Schauspiels, die Dekoration und Requisiten, sowie die Art der Aufführung, zu der eine genaue Beschreibung der Schauspieler, ihrer Rollen, ihrer Kostüme, der begleitenden Musik und der für die Vorstellung benötigten Tiere gehört. Im weiteren Verlauf der Arbeit soll dann detailliert auf die theatralische Entwicklung der Ta¬ziyeh in der Zeit des 15.– 20. Jahrhunderts anhand von Be-richten berühmter Iranreisender eingegangen und eine Rezeption des letzten Jahr-hunderts im Hinblick auf die Ta¬ziyeh besprochen werden. Im dritten Teil der Arbeit analysiere ich nach der Klärung der Ta¬ziyehhistorie und -ästhetik in den ersten beiden Teilen schließlich ausführlich die Rezeption und Praxis der Ta¬ziyeh im modernen Theater, Film und anderen Medien im Iran. Diese Untersuchung bildet aus Sicht der Theater- und Medien-wissenschaften den wesentlichen Kern der Arbeit, in dem die im Untersuchungs-gegenstand beschriebene Synthese herausgearbeitet wird. Dafür werden exempla-risch zwanzig Werke bedeutender Künstler des Irans herangezogen, die den Ein-fluss des sakralen Rituals in einem säkularen Medium eindeutig aufzeigen. Den Abschluss der Arbeit bildet eine Synopsis der Untersuchungen, so-wie ein Ausblick auf die gegenwärtige Entwicklung der Ta¬ziyeh.
Diese Untersuchung beschäftigt sich mit der Morphosyntax pronominaler Partitivanaphern im kontinentalwestgermanischen Dialektkontinuum im Allgemeinen und im deutschen (insbesondere hessischen) Sprachraum im Speziellen. Schwerpunkte sind dabei die sprachgeografische Verteilung, die morphosyntaktische Variation und die strukturelle Analyse pronominaler Ausdrucksmittel der unbestimmten Teilmenge. Es werden traditionell dialektologische Erkenntnisinteressen (Raumstruktur syntaktischer Variablen und Verlauf syntaktischer Isoglossen) mit Fragestellungen der (theoretisch orientierten) Syntaxforschung verbunden. Außerdem erfolgt erstmals eine wirklich sprachübergreifende Behandlung der verschiedenen Systeme pronominaler Partitivität, zum einen innerhalb der (West-)Germania, zum anderen durch den Einbezug (zentral-)romanischer Sprachen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten auf der Mikro- und Mesoebene herauszuarbeiten. Die gewählte Methode ist nicht nur kontrastiv, sondern auch geolinguistisch fundiert, insofern als morphologische Formen und syntaktische Variation im Raum abgebildet werden, wodurch nicht zuletzt auch interessante Korrelationen und Anti-Korrelationen in den Daten bestätigt bzw. entdeckt werden konnten.
Nach einer Gegenstandsbestimmung der morphosyntaktischen Variable und ihrer Varianten (Inventarisierung und Typisierung) sowie des Variationsrahmens (areal-horizontal, vertikal, morphosyntaktisch, historisch, idiolektal etc.) wird zunächst das DFG-Projekt „Syntax hessischer Dialekte“ (SyHD) vorgestellt, das die empirische Basis zur Untersuchung lieferte. Dabei werden generelle und spezifische Fragen der Datengewinnung (multivariate Methode mit indirekten und direkten Elementen) sowie der Datenanalyse und -interpretation (Instrument der Kartierung) diskutiert. Den Hauptteil der Arbeit bildet die diatopische, diachrone und distributionell-syntaktische Variation der Systeme pronominaler Partitivität. Als die vier Hauptstrategien zum Ausdruck partitiv-anaphorischer Referenz innerhalb des deutschsprachigen Gebiets finden sich das konservative System versteinerter Pronominalgenitive wie „(d)(e)r(e)“, „s(e)n“ und „es“ (vor allem in einem mitteldeutschen Streifen und randdialektal) - Relikte eines ehemals umfassenderen genitivbasierten Systems der Partitivität -, das sprachgeschichtlich junge und typologisch auffällige indefinit-partitive Pronomen „welch-“/„we(l)k-“ (im Nieder-/Norddeutschen und in der Standardsprache) sowie schließlich die innovativen Systeme der Null-Anapher (im Alemannischen bzw. Südwesten) und des generalisierten Indefinitpronomens „ein-“ (im Bairischen bzw. Südosten). Wenngleich sich diese areale Distribution im zentral gelegenen und daher unter dem Einfluss nahezu aller Strategien stehenden Hessen als Kleinraum bestätigt - mit Ausnahme der weitgehenden Abwesenheit des „ein“-Systems -, so zeigen sich doch einige überraschende Ergebnisse wie beispielsweise ein kategorialer Unterschied nach Numerus und zum Teil Genus bei der Vitalität der Genitivpartikeln. Sprachhistorisch können zwei Arten von Wandel beim Genitiv-System identifiziert werden: systeminterne Veränderungen (durch Merkmals- oder Formverlust) und systemexterne Verdrängungsprozesse (durch Ausbreitung der innovativen Ausdrucksformen, was in einem Dialekt bzw. intraindividuell zu konkurrierenden oder Mischsystemen führen kann). Darüber hinaus sind mit Blick auf die Art und Weise der Veränderungen für Sprachwandelprozesse allgemein typische zyklische Abfolgen von Abschwächung und Verstärkung erkennbar. In Bezug auf die syntaktische Distribution werden insbesondere die Genitivanaphern auf ihre Kompatibilität mit nominalen Modifikatoren wie Numeralien/(schwachen) Quantoren, „flektierten“ Zahlwörtern (Schwa), Adjektiven, verschiedenen Arten von Präpositionalphrasen sowie Relativ- vs. Komplementsätzen hin untersucht und - funktional wie formal - mit ihrem niederländischen partitiven/quantitativen Äquivalent „er“ sowie den romanischen, in ein partitives System integrierten Pronomina fr. „en“/it. „ne“ verglichen. Für die deutschen Partitivanaphern ergibt sich daraus Evidenz für zwei unterschiedliche Pronominalisierungsebenen. Abschließend wird das Phänomen in die allgemeine Diskussion um nominale Ellipsen eingebettet (Elision und Pronominalisierung). Aufgrund der Evaluation der in der Literatur diskutierten Lizenzierungsansätze anhand neuer dialektaler und typologischer Daten wird hier ein flexions-/kongruenzbasierter Ansatz favorisiert (Rolle von Adjektivmorphologie bzw. generell von unterschiedlichen Flexionssystemen, etwa im Deutschen vs. Englischen).