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Einleitung: Seit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms ist die Bedeutung genetischer Forschung im Bereich der Prävention und Therapie chronischer Erkrankungen, zum Beispiel des Typ-1-Diabetes, stark gestiegen. Großangelegte multizentrische Forschungsarbeiten wie die Projekte des International Type 1 Diabetes Genetics Consortium (T1DGC) arbeiten an der Aufdeckung noch unbekannter genetischer Prädispositionen zur Entwicklung eines Typ-1-Diabetes und benötigen dafür die Hilfe von Multiplex-Familien. Die Rekrutierung dieser Familien ist schwierig, da in nur 15% der Familien mit Typ-1-Diabetes mehrere Familienangehörige betroffen sind. Um die Motivation zur Studienteilnahme eines solch kleinen Kollektivs besser zu verstehen, wurde die Einstellung zu genetischer Forschung aus Teilnehmersicht untersucht. Hintergrund sind hier die bei vielen Forschern vorhandenen ethischen Bedenken hinsichtlich der psychischen Belastung bei genetischen Untersuchungen für die Teilnehmer. So besteht ein – bisher kaum untersuchter - allgemeiner Konsens, dass die Konsequenzen von Genanalysen für die Betroffenen nicht einzuschätzen sind. Somit stehen die Forscher vor dem Dilemma, welches in der Notwendigkeit, Genanalysen durchzuführen, und in der Furcht vor einer zu hohen psychischen Belastung der teilnehmenden Personen besteht. Dies hat derzeit zur Folge, dass den Teilnehmern die Ergebnismitteilung in der Regel verwehrt wird. Ergebnisse: Von 180 angeschriebenen füllten 140 Teilnehmer des T1DGC-Projektes einen Fragebogen hinsichtlich ihrer Meinung zu genetischer Forschung und ethischen Fragestellungen anonym aus: 88,6% der Teilnehmer äußerten, dass sie generell genetische Forschung als sehr wichtig ansehen. Es gaben 60% der Befragten an, dass sie nicht genügend Informationen über das Projekt erhalten hatten. 95% der Teilnehmer wünschten ein vollständiges Verständnis der wichtigsten Studiendetails. Als bevorzugte Informationswege gaben die Teilnehmer schriftliche Informationen per Post oder durch eine Internet-Website an. 83,2% der Befragten möchten über das Vorliegen einer erblichen Hochrisiko-Konstellation für das Auftreten von Komplikationen informiert werden. Im Falle des Nachweises eines Hochrisikogens für Typ-1-Diabetes möchten 87,6% darüber aufgeklärt werden. 96,4% der Teilnehmer sind generell an einer Ergebnismitteilung interessiert. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Antwortverhalten in Abhängigkeit von Betroffenenstatus, Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Familienstand sowie Schul- bzw. Berufsabschluss. Schlussfolgerung: Für die Teilnehmer genetischer Studien zum Thema Typ-1-Diabetes ist der Wunsch nach ausführlicher, individuell angepasster Information grundlegend. Es muss festgestellt werden, dass die Teilnehmer am International Type 1 Diabetes Genetics Consortium (T1DGC) sich gut betreut, doch letztlich nicht ausreichend informiert gefühlt haben. Daraus lässt sich ableiten, dass neben dem individuellen Beratungsgespräch auch schriftliche Informationen mit klar konzipierter Wissensaufbereitung in Form von Websites, Broschüren und Rundbriefen (in elektronischer und/oder gedruckter Form) empfehlenswert sind. Ein wichtiges Ergebnis ist ferner, dass die Befragten die Sorge vieler Wissenschaftler und Ärzte nicht teilen, die Mitteilung eines erhöhten Erkrankungs- bzw. Komplikationsrisikos für einen Typ-1-Diabetes würde als zusätzliche Belastung empfunden werden. Im speziellen Fall der Multiplexfamilien bestanden allerdings bereits Erfahrungen mit der untersuchten Erkrankung des Typ-1-Diabetes. Eine Mitteilung, ob nun negativ oder positiv, wird im Vergleich zum Wissen um das Risiko keineswegs als psychische Bürde, sondern vielmehr als Chance zur Einflussnahme wahrgenommen. Es muss allerdings festgehalten werden, dass die Ergebnisse dieser Untersuchung sich mit dem Typ-1-Diabetes auf eine chronische, jedoch gut therapierbare und nicht generell lebenszeitverkürzende Erkrankung beziehen. Für die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere genetisch-bedingte Erkrankungen ist weitere Forschung notwendig. Der bisher bestehende Konsens, im Rahmen genetischer Studien keine Ergebnismitteilung bezüglich chronischer, unheilbarer Krankheiten durchzuführen, muss überdacht werden. Den Studienteilnehmern ist das Recht auf Selbstbestimmung ein grundlegender Wert. Diese Selbstbestimmung beinhaltet, dass das Pro und Contra einer Ergebnismitteilung selbst eingeschätzt werden kann. Möchte ein Studienteilnehmer das Ergebnis der Auswertung seiner biologischen Proben erhalten, sollte ihm dies nicht verwehrt werden.
Thema der vorliegenden Studie ist die Evaluation der Betazellfunktion bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, für deren Bestimmung es bisher keine einfach anwendbare Methode gibt. Die Clamp-Methode erfordert eine kontinuierliche Überwachung und ist daher nicht geeignet für die Anwendung in der täglichen Klinikroutine. Nateglinide ist ein Derivat der Aminosäure D-Phenylalanin, das durch direkte Wirkung an den Betazellen der Langerhanns’schen Inseln des Pankreas die Insulinsekretion vor allem in der frühen Phase der Freisetzung stimuliert. Ziel der Arbeit war die Überprüfung eines Nateglinide-stimulierten oralen Glucosetole-ranztests als Instrument zur ambulanten Bestimmung der stimulierbaren Betazellkapa-zität sowie sekundär die Bestimmung von Grenzwerten für Blutzucker und Insulinsek-retion für die Entscheidung der Therapieeskalation einer oralen Therapie hin zu einer Insulin(unterstützten) Therapie. Im Rahmen dieser Studie führten wir an 30 gesunden Kontrollpersonen und 45 Patien-ten mit Diabetes mellitus Typ 2, die entweder diätetisch oder mit oralen Antidiabetika behandelt wurden, einen modifizierten oralen Glucosetoleranztest (50g) von dreistün-diger Dauer durch, der mit der Gabe von 120mg Nateglinide kombiniert wurde. Es erfolgte die Bestimmung der Basalwerte von Glucose, Insulin und C-Peptid sowie der Spiegel nach 30, 60, 120 und 180 Minuten. Aus den Ergebnissen wurden der HOMA-IR, HOMA-ß-cell-Index sowie die AUC von Insulin, C-Peptid und Glucose bestimmt. Die gesunden Kontrollpersonen wiesen zu allen Testzeitpunkten signifikant niedrigere Glucosewerte auf als die Patienten mit Typ-2-Diabetes (Maximum Glucose: 125,05±25,97 vs. 234,78±64,58mg/dl, p<0,001 und AUC Glucose: 15197,25±2798,9 vs. 34022,05±11142,17mg/dl, p=0,02), die zudem ihr Blutzuckermaximum zu einem späteren Testzeitpunkt erreichten (35,25±17,61 vs. 63,33±31,76 min, p<0,001). Zum Testzeitpunkt 120 Minuten konnte bei 18 Patienten mit Typ-2-Diabetes ein norm-wertiger Blutglucosespiegel <120mg/dl bestimmt werden, 7 hatten Werte vereinbar mit einer IGT und 20 wiesen diabetische Blutglucosespiegel >200mg/dl auf. Es fiel eine signifikante Korrelation vom Zeitpunkt der maximalen Insulinsekretion und dem Blutglucosemaximum auf. Je später der Zeitpunkt der maximalen Insulin- bzw. C-Peptid-Sekretion erreicht wird, desto höher ist die maximale Blutglucosekonzentration. Adipöse Patienten (BMI >30kg/m2) hatten während des gesamten Testverlaufs höhere Blutglucosewerte und eine geringere stimulierbare Insulinsekretionsleistung als die Patienten mit einem niedrigeren BMI. Die untersuchten Patienten mit Typ-2-Diabetes lassen sich in drei Gruppen unterteilen: eine mit vorherrschendem Insulinsekretionsdefizit (Maximum C-Peptid <4ng/ml, n=6), eine mit führender Insulinresistenz (HOMA-IR>2,5, n=16) und eine Gruppe mit einer Kombination aus beiden Störungen (n=3). Die Patienten mit kombinierter Störung hat-ten einen höheren HbA1c als die anderen Gruppen (10,2%±2,38 vs. 6,66%±0,46 und 6,91%±1,24, n.s.) und wiesen über den gesamten Testverlauf höhere Blutglucosewerte auf. Mit dem Ziel, eine Hilfestellung bei der Entscheidung einer Therapieintensivierung bzw. –umstellung auf eine Insulintherapie zu geben, wurde ein Score aufgestellt, der die Parameter Blutzuckerspiegel zum Testzeitpunkt 120 min, maximaler C-Peptidspiegel, HOMA-IR sowie den Steigerungsfaktor von basalem zu maximalem C-Peptidspiegel umfasst. Beurteilt anhand der dort erreichten Punktzahl zeigen einerseits 23 der unter-suchten Patienten ein suffizientes Ansprechen auf die orale antihyperglykämische The-rapie, was die Fortführung der oralen Diabetestherapie unterstützt. Andererseits er-reichten auch 6 Patienten einen Punktebereich, bei dem von einer unzureichenden Betazellsekretion auszugehen ist und somit ein hohes Risiko für ein Sekundärversagen der oralen Diabetestherapie besteht, so dass eine Therapieumstellung auf eine Insu-lin(unterstützte) Therapie empfohlen wird. Basierend auf der limitierten Anzahl an Daten, die wir erhoben haben, empfehlen wir die Umstellung auf eine Insulintherapie, wenn im Nateglinide-Test mindestens drei der folgenden vier Punkte zutreffen: • Blutglucose zum Zeitpunkt 120min >200mg/dl • HOMA-IR >4 • Maximales C-Peptid <4ng/ml • Stimulierte C-Peptid-Steigerung <2fach Die hiesige Studie zeigt, dass der Nateglinide-Test ein in der täglichen Klinikroutine praktikables Instrument zur Evaluation der residualen Betazellfunktion darstellt. Er er-möglicht die gleichzeitige Beurteilung der noch vorhandenen Insulinsekretionskapazität und der Insulinresistenz bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. In Kombination mit dem vorgestellten Score kann er helfen, eine Progression des Diabetes mellitus Typ 2 zu verhindern, indem der Zeitpunkt für den Beginn einer Insulintherapie genauer definiert wird.
Dieses Überblickswerk über die Geschichte der von Kampers ausdrücklich als Wisigoten bezeichneten Westgoten ist in einen historisch-erzählenden Teil (I–IV) sowie eine strukturelle Analyse des Reiches von Toledo (V) unterteilt, dem Kampers u. a. deswegen besondere Aufmerksamkeit widmet, weil es "im Standardwerk über die Goten von Herwig Wolfram nicht mehr behandelt wird" (S. 15). ...
Development of lentiviral vectors for the gene therapy of X-linked chronic granulomatous disease
(2010)
Es gibt eine Vielzahl von Erkrankungen, die auf einen einzelnen Gendefekt zurückzuführen sind (monogene Erkrankungen). Darunter befindet sich auch die Gruppe der primären Immundefizienzen (PIDs), von denen aktuell über 150 verschiedene Typen von der Weltgesundheitsorganisation registriert sind. In vielen fällen leiden betroffene Individuen unter einem stark erhöhten Infektionsrisiko durch bakterielle oder virale Pathogene, sowie den damit verbundenen schweren Symptomen - bis hin zum verfrühten Tod der Patienten. Meist können PIDs mit konventionellen Methoden präventiv behandelt werden. Dazu gehören zum Beispiel die regelmässige Gabe von Antibiotika, Antimykotika, Zytokinen oder Immunglobulinen. Der einzige zur Verfügung stehende kurative Behandlungsansatz beruht auf der Transplantation von hämatopoietischen Stammzellen (HSZT) eines gesunden und passenden Spenders. Häufig steht jedoch kein histokompatibler Spender zur Verfügung.
Für diese Patientengruppe hat sich die gentherapeutische Behandlung mit autologen hämatopoietischen Stammzellen als eine gute Option herausgestellt. Der Beweis hierfür wurde eindrucksvoll in klinischen Heilversuchen für zwei Formen des Schweren Kombinierten Immundefekts (X-SCID und ADA-SCID) geführt, einer Erkrankung die durch das vollständige Fehlen bzw. die nicht-Funktionalität der lymphoiden Immunzellen charakterisiert ist. Autologe hämatopoietische Stammzellen der Patienten wurden hier ex vivo mittels eines gamma-retroviralen Vektors mit einer funktionellen Kopie der defekten cDNA genetisch modifiziert und anschliessend zurück infundiert. In der Summe wurde bei über 30 Patienten eine deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes bis hin zur vollständigen Heilung erzielt. Bei einem vergleichbaren Ansatz wurden in Frankfurt, in einem Heilversuch für die septische Granulomatose (X-CGD), erstmals klinisch relevante Erfolge in der Gentherapie für einen Defekt in der myeloischen Linie von Immunzellen erzielt. Ursache der X-chromosomal gekoppelten Form der septischen Granulomatose sind Mutationen in dem Gen für gp91phox (CYBB), einer essentiellen Untereinheit des in Phagozyten benötigten NADPH-Oxidase Komplexes. In der Folge sind die Phagozyten dieser Patienten nicht mehr in der Lage, die für das Abtöten von Krankheitserregern nötigen reaktiven Sauerstoffspezies zu bilden. Ständig wiederkehrende schwere Infektionen mit sonst unproblematischen Erregern sind die Folge.
Neben klaren gesundheitlichen Verbesserungen in der Mehrzahl der Patienten hatte diese Gentherapeutische Behandlungsstrategie in einigen Fällen auch klare Nebenwirkungen. In fünf von 20 Patienten mit X-SCID, sowie in beiden behandelten X-CGD Patienten, kam es infolge der Therapie zu hämatologischen Veränderungen, die in der Ausbildung eines myelodysplastischen Syndroms (bei X-CGD) und Leukämie (bei X-SCID) mündeten. In allen Fällen war die Ursache eine Hochregulierung von Proto-Onkogenen in der Nähe von g-retroviralen Integrationsstellen. Diese Probleme demonstrieren deutlich die unbedingte Notwendigkeit zur Verbesserung der verwendeten therapeutischen Vektoren.
In der vorliegenden Arbeit wurden lentivirale Vektoren mit myeloid-spezifischen Promotoren entwickelt und auf ihre Eignung für die Gentherapie der X-chromosomal gekoppelten septischen Granulomatose getestet. Lentivirale Vektoren besitzen ein stark verringertes Risiko für Insertionsmutagenese, sowie die exklusive Fähigkeit ruhende Zellen zu transduzieren. Die Verwendung von myeloid-spezifischen Promotoren für die Transgenexpression verringert die Wahrscheinlichkeit der Proto-Onkogen Aktivierung in unreifen Stamm- und Vorläuferzellen – einer Zellpopulation die besonders sensitiv für die in der Leukämieentstehung obligaten Schritte der Immortalisierung und Transformation ist. Gleichzeitig bleibt der volle therapeutische Nutzen erhalten, da das Transgen gp91phox nur in reifen myeloischen Zellen benötigt wird.
Die entwickelten lentiviralen Vektoren exprimieren eine kodonoptimierte gp91phox cDNA unter der Kontrolle des microRNA223-Promoters (223), des MRP8-Promotors (M) oder eines chimären Fusionspromoters bestehend aus den regulatorischen Bereichen des Cathepsin G und des cFes-Promotors (Chim). Zusätzlich wurde ein sogenanntes „ubiquitär aktives Chromatin-öffnendes Element“ (UCOE) in beiden Orientierungen vor den MRP8-Promotor kloniert, um eine erhöhte und stabile Langzeitexpression des Transgens zu erreichen. Ziel der Arbeit war die Selektion eines geeigneten Kandidaten für präklinische Versuchsreihen.
Die für die Evaluierung der Vektoren relevanten Parameter waren die Transgenexpressionslevel, die Spezifität der Expression für myeloische Zellen sowie die vermittelte funktionelle Rekonstitution der NADPH-Oxidase Aktivität. Die Fragestellungen der Langzeitexpression, der Anfälligkeit für CpG-Methylierung sowie der Genotoxizität der Vektoren wurden ebenfalls bearbeitet. Die Vektoren wurden in vitro in verschiedenen Zelllinien sowie in in vitro differenzierten primären murinen und humanen Blutstammzellen getestet. Die beiden besten Kandidaten (223 und Chim) wurden in vivo in Maustransplantationsexperimenten (Maus-Maus und humane Stammzellen in NOD/SCID-Mäuse) analysiert.
Die beiden lentiviralen Vektoren 223 und Chim eignen sich beide für eine effiziente Expression in myeloische Zellen, die zur funktionellen Rekonstitution der NADPH-Oxidase Aktivität in vitro und in vivo führen. Sie sind den bisher in klinischen Anwendungen verwendeten Vektoren in allen Parametern klar überlegen. Daher ist in zukünftigen klinischen Anwendungen ein verbesserter therapeutischer Nutzen für die Patienten sowie eine Verminderung des Risikos von Nebenwirkungen zu erwarten.
Lichtgesteuerte Channelrhodopsine (ChR) haben im letzten Jahrzehnt neue Wege zur Untersuchung neurophysiologischer Zusammenhänge eröffnet. Die ersten grundlegenden Charakterisierungen von Channelrhodpsin-1 und Channelrhodopsin-2 (ChR-1 und ChR-2) zeigten bereits die hohe Selektivität dieser Ionenkanäle für Protonen gegenüber monovalenten und divalenten Kationen und veranschaulichten die Dominanz der einwärtsgerichteten gegenüber den auswärtsgerichteten Kationenströmen durch die Kanalpore (Einwärtsgleichrichtung) (Nagel et al., 2002; Nagel et al., 2003). Nach Expression von Channelrhodopsin können erregbare Zellen mit einem Ruhepotential von -60 mV durch Licht depolarisiert und Aktionspotentiale (AP’s) ausgelöst werden (Boyden et al., 2005; Li et al., 2005; Nagel et al., 2005b). Aufgrund der Einwärtsgleichrichtung von ChR nehmen die lichtaktivierten Ströme mit zunehmender Depolarisation ab, sodass die vollständige Ausbildung des AP’s nicht gestört wird. Dadurch wird ChR zu einem optimalen optogenetischen Werkzeug. Dennoch ist die Einwärtsgleichrichtung bisher wenig detailliert charakterisiert. Auch die zugrunde liegenden Mechanismen sind nicht genau bekannt. Im Rahmen dieser Arbeit konnte anhand von Patch-Clamp Messungen gezeigt werden, dass zwei Mechanismen die Rektifizierung des Kanalstroms durch ChR-2 hervorrufen: eine Spannungsabhängigkeit der Einzelkanalleitfähigkeit und eine Spannungsabhängigkeit der Offenwahrscheinlichkeit. Die Spannungsabhängigkeit der Einzelkanalleitfähigkeit ist von der Art der geleiteten Ionen abhängig und konnte experimentell über die Unterschiede der stationären IV-Kurve für H+ und Na+ bei symmetrischen Ionenkonzentrationen bewiesen werden. Des Weiteren wurden die Resultate für unterschiedliche Ionenbedingungen anhand eines Ionenbindungsmodells mit einem „3-Barrieren 2-Bindungsstellen“ Profil für die Kanalpore simuliert. Die Spannungsabhängigkeit der Offenwahrscheinlichkeit ist an eine Lichtadaption des ChR-2 Proteins gekoppelt. Diese Lichtadaption konnte mithilfe von repetitiven Messungen, d.h. Strommessungen mit mehrfachen kurzen Lichtblitzen (10 ns), gezeigt werden. Da die Lichtadaption wie auch die Kanalkinetik stark vom pH abhängig sind, ist anzunehmen, dass mechanistisch wichtige De- und Reprotonierungsreaktionen mit diesen Prozessen einhergehen. Ferner konnte über die Untersuchung der elektrophysiologischen Eigenschaften der ChR-2 Mutante E90A eine Region im Protein identifiziert werden, die höchstwahrscheinlich am Protonentransport durch die Kanalpore beteiligt ist. Die Mutante E90A wies eine verringerte Protonenleitfähigkeit und eine natriumabhängige Blockierung der lichtaktivierten Ströme bei niedrigem extrazellulären pH auf. Doppelbelichtungsexperimente mit gelbem oder kurzwelligem blauen Licht ergaben außerdem neue Hinweise auf die Identität einiger Intermediate des Photozyklus. Die vorgestellten Ergebnisse weisen darauf hin, dass die bisher beschriebene „lichtadaptierte“ Form, die als P480 Intermediat bezeichnet wird, eher einem P520 Intermediat entspricht. Außerdem konnte im Rahmen dieser Arbeit eine funktionelle Beteiligung des Intermediats P390, in dem die Schiff Base deprotoniert ist, am Photostrom von ChR-2 im Wildtyp-Protein gezeigt werden. Diese Beteiligung ist bisher nur für ChR-2 Mutanten bekannt (Bamann et al., 2010). Neben der Untersuchung der Kanaleigenschaften von ChR-2 wurde in dieser Arbeit auch der Frage nachgegangen, ob an den Photozyklus von ChR-2 eine vektorielle Protonenverschiebung über der Membran gekoppelt ist. Mithilfe der BLM-Technik und Patch-Clamp Messungen an elektrofusionierten HEK-293 Zellen (Zimmermann et al., 2006) konnte gezeigt werden, dass auch ohne elektrochemische Triebkraft lichtaktivierte Ströme (Pumpströme) zu beobachten sind, die einer vektoriellen Protonenverschiebung von 0,2 - 0,4 Ladungen pro Photozyklus entsprechen. Die Doppelbelichtungsexperimente und der vektorielle Protonentransport geben einen Einblick in den Zusammenhang zwischen Photozyklus und den funktionalen Zuständen des Kanals. Die Ergebnisse zeigen das komplexe Geflecht zwischen Spannungsabhängigkeit, der Kinetik und den offenen Zuständen und wurden in einem Modell zusammengefasst. Weiterhin wurde in dieser Arbeit eine stabile Zelllinie für die Expression von ChR-1 etabliert, die eine genauere Charakterisierung dieses Proteins möglich macht. Es konnte gezeigt werden, dass ChR-1 ebenso wie ChR-2 eine Kationenleitfähigkeit besitzt. Aus zeitaufgelösten Messungen wurde außerdem ermittelt, dass ChR-1 gegenüber ChR-2 eine verkürzte Zykluszeit besitzt. Die verkürzte Zykluszeit von ChR-1, die zu kleineren Gesamtstromamplituden im Vergleich zu ChR-2 führt und die vergleichsweise geringere Expression, v.a. in transienten Expressionssystemen, limitiert dessen neurophysiologische Anwendung. Zusammenfassend stellt die vorliegende Dissertation eine detaillierte biophysikalische Charakterisierung von Channelrhodopsinen dar, die neue Erkenntnisse über die mechanistische Kopplung der Kanalfunktion an den Photozyklus hervorbringt. Zudem kann sie eine Grundlage für die gezielte Suche nach Channelrhodopsin Mutanten bieten, deren Kinetik oder analeigenschaften für die neurophysiologische Anwendung optimiert sind.
Wer den Ehrgeiz hat, sein Fach zu revolutionieren, der sollte sich zu seiner Liebe bekennen und keine Arbeitsvorhaben formulieren, schon gar nicht sollte er wie ein Kassenwart erst einmal "Bilanz ziehen". Fernand Braudel wusste das. "Ich habe das Mittelmeer leidenschaftlich geliebt", schrieb er 1946 im berühmten Vorwort zur ersten Auflage von "La Méditerranée et le monde méditerranéen à l’époque de Philippe II", "der beste Leser dieses Buches wird vielleicht der sein, der mit eigenen Erinnerungen, eigenen Bildern des Mittelmeeres an meinen Text herangeht, ihm eigene Farbe verleiht und mir dabei hilft, worum ich mich mit aller Kraft bemüht habe: die gewaltige Präsenz dieses Meeres erfahrbar zu machen". Aus dem missionarischen Eifer, anderen die narkotisch-erotische Ausstrahlung des mare nostrum zu vermitteln, der er selbst erlegen war, schöpfte er die Kraft für ein gewaltiges Œuvre, das in der Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts seinesgleichen sucht. ...
Die vormoderne "gute Policey" theoretisch zu durchdringen, die Vielfalt ihrer Normen zu systematisieren und die Policeypraxis zu analysieren – damit hatte bereits die vormoderne Policeywissenschaft Schwierigkeiten. Die neuere "Policeyforschung" hat dann auch meist exemplarische Fallstudien bevorzugt und einzelne Städte, Territorien und Regelungsbereiche untersucht oder die Policeydiskurse unter spezifischen Fragestellungen analysiert. Andrea Iseli will dagegen einen kompakten Überblick – "handbuchartig" (Umschlagtext) – über die gute Policey im vormodernen Europa geben. ...
In der aktuellen verwaltungsrechtswissenschaftlichen Literatur konnte noch immer keine Einigung über den Regulierungsbegriff erzielt werden. Durchzusetzen scheint sich eine Definition, die unter Regulierung "jede gewollte staatliche Beeinflussung gesellschaftlicher Prozesse [versteht], die einen spezifischen, aber über den Einzelfall hinausgehenden Ordnungszweck verfolgt und dabei im Recht zentrales Medium und Grenze findet". Basierend auf einem derartigen Verständnis von Regulierung unterschied W. Hoffmann-Riem 1990 zwischen drei Regulierungsformen und prägte für sie die Begriffe staatlich imperative Regulierung, staatlich regulierte Selbstregulierung und private Selbstregulierung. Dabei soll sich die regulierte Selbstregulierung als Mittelkategorie dadurch auszeichnen, dass sich der Staat einerseits eine spezifisch gesellschaftliche Handlungslogik zunutze macht, andererseits aber den angestrebten Ordnungszweck (mit-)bestimmen kann. ..
Thomas Ott beschäftigt sich in seiner 2006 abgeschlossenen Dissertation mit dem albertinischen Sachsen und seinen politischen Wirkungskreisen im 16. Jahrhundert. Im Zentrum des Interesses steht die Frage, "was das albertinische Sachsen im Reich 'ausmachte', was es 'galt', wodurch seine Beziehungen zu anderen Ständen und zum Kaiser definiert waren" (6). Als zentrale Maßstäbe für die Einordnung Sachsens in das durch Kaiser und Reichsverband markierte Bezugsfeld werden in der Einleitung unter den Schlagworten "Präzedenz" und "Nachbarschaft" einerseits die Teilnahme an Reichsversammlungen und damit die Bedeutung von Session und Zeremoniell und andererseits das Erbeinungswesen herausgestellt. Bei Letzterem liegt der Fokus auf Erbeinungen zwischen Sachsen und Böhmen und der Frage, ob diese "langfristig für Einfluß bei Kaiser und Ständen sorgen konnten und wie sich dieser Einfluß bemaß" (27). ...
Von 9.–13. November 2009 kamen die 141 Vertragsstaaten der Anti-Korruptionskonvention der Vereinten Nationen in Doha (Katar) zusammen und nahmen die wichtigste Resolution seit Inkrafttreten der Konvention an. In Zukunft wird die Umsetzung der Konvention in jedem Vertragsstaat von jeweils zwei anderen Vertragsstaaten überprüft, die einen Bericht mit Empfehlungen abgeben. Dies soll nicht nur die Umsetzung des ersten globalen Abkommens gegen Korruption garantieren, sondern auch den internationalen Dialog und die Leistung technischer Hilfe fördern. Viele Delegierte wiesen darauf hin, dass Bestechung nur im Zusammenwirken von aktivem und passivem Part möglich sei und dass Korruption in ihren vielfältigen Formen nur in der geteilten Verantwortung von Industrie- und Entwicklungsländern effektiv bekämpft werden könne. Dies entspricht dem Geist der Konvention, die die internationale Zusammenarbeit erleichtert und durch umfassende Bestimmungen über die Strafbarkeit unter anderem von Bestechung gleiche Bedingungen unter den Staaten schafft. ...