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Das Modische : Zu Entstehungsbedingungen und Funktionen einer bestimmten Art von Konformismus
(2016)
Das als "modisch" im engeren Sinn Bezeichnete, die Kleidung, ist durch kurzfristige Wandlungsprozesse charakterisiert und steht dem allgemeinen Verständnis nach im Gegensatz zu den Prinzipien der Dauer und der Beständigkeit, durch welche man die traditionellen Trachten bestimmt sieht. Aber wie ist es dann beispielsweise um die Sinnhaftigkeit der Rede von "Trachtenmode" bestellt? Und wie sehr sind die mit der Kleidermode verbundenen Begleitvorstellungen des Modischen für andere Bereiche des Lebens charakteristisch?
Wer sich heute in die öffentlichen Räume begibt, ist sofort in eine unendliche Dichte der Oberflächen, der Design- und der medialen Räume versetzt, die er freilich nicht als solche in ihren Widersprüchen, Paradoxien und Rätseln erkennen, lesen und wahrnehmen muß. Denn diese Design- und Medienräume sind nicht einfach so und nicht anders, vielmehr wurden sie unter Bedingungen. Ihr Gewordensein verschwindet und wohnt in den realen oder virtuellen Räumen als ihr stillgestelltes Resultat, das noch zu entziffern bleibt. Was einmal mit der Prêt-á-porter-Mode begonnen hat, vorher in der Haute Couture des beginnenden Kapitalismus (das heißt dem Manufakturzeitalter) und als Kleiderordnung von Klassen und Schichten seinen Sitz in den kleinen Oberschichten, Chefetagen oder Werbeagenturen hatte, ist in der formlosen, deregulierten global-verdichteten Zeit auch ins Innere der Menschen eingewandert, ohne daß jene äußere Macht aufgehört hätte zu existieren. Eine Mode, die nun vom ganzen Kollektiv im Narzißmus der kleinen Differenz verinnerlicht worden ist, so daß ein äußerlich oktroyiertes Modediktat nicht mehr notwendig ist. Ist aber dieser äußerliche Modezwang auch ins Innere des universellen Modekollektivs übergegangen, so hat jene "Schaustellung der industriellen Macht" ihren bloß äußeren Zwangscharakter verloren. Sie wird zu einem universellen Sozialisationszwang, wie zu einer Kraft, die im Innern des Modekollektivs als Trieb und Neuerungssucht wirkt, aber darin als latenter Untergrund verleugnet wird. Etwas, das auf das Nachleben der Antike in diesem Design- und Medienraum als Zeichen eines Widerholungszwangs deutet, wie darin die Schrift des ganz Anderen markiert.
Zu den Funktionen der Mode
(2016)
In der Literatur über die Mode herrscht Einvernehmen darüber, dass die Moden früher die oberen Schichten oder Stände von den nächstfolgenden abgrenzten; ging eine Mode erst einmal auf andere Schichten über, so musste eine neue Mode entwickelt, ein neues Abzeichen gefunden werden. Diese Bewegung gibt es, auch wenn die treffliche Charakterisierung durch den Rechtshistoriker Jhering von der "Hetzjagd der Standeseitelkeit" inzwischen überholt ist, noch immer. Auch in unserer Gesellschaft bietet die Mode - und zwar nicht nur die Kleidermode, sondern jede Form des modischen Konsums - die Möglichkeit, die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kreis, einer bestimmten Gruppe anzudeuten. Dies gilt im Hinblick auf die sozialen Schichten, so wenig diese im einzelnen definierbar sein mögen; es gilt aber auch im Blick auf andere Gruppierungen wie die Jugend, die heute ein ganz wesentlicher Ausgangspunkt für Moden ist, die sich von hier aus über die ganze Gesellschaft verbreiten. Die Jugendlichen bleiben so lange bei einer Mode, bis die anfängliche Barriere von den anderen übersprungen wird [...].
Unser Beitrag beleuchtet diese Entwicklung sowjetischer Mode- und Geschmacksdiskurse im Kontext von inter- und intrakulturellen Transfervorgängen in der Tauwetter- Periode, die nach dem Tod Stalins 1953 begann und über die Regierungszeit Chruščevs bis zum Machtantritt Brežnevs im Jahr 1964 dauerte, und bezieht Beispiele aus dem künstlerischen Diskurs dieser Zeit ein. Die ideologisch geprägten Definitionen von Mode, Stil und Geschmack und letztendlich die Strategien bei deren Umsetzung in der sozialistischen Alltagskultur der Tauwetter-Periode stehen im Zentrum des Beitrags. Hierfür wird das Konsumgut Kleidung als Beispiel genommen und anhand einiger Mode- und Frauenzeitschriften sowie anhand von Ratgeberliteratur analysiert. Zudem nutzen wir die wechselseitige Beeinflussung von Kunst und Realität - zumal der künstlerische Text, sei es als literarischer Text oder als Film, aus Zeichen besteht, die auch in der außerkünstlerischen Realität ihre Wirkmächtigkeit entfalten.
Kleidung hat mehrere Aufgaben. Sie ist 'erstens' durch die biologisch gegebene Ausstattung des menschlichen Körpers bedingt. Der Mensch ist ein Lebewesen ohne Fell. Deshalb muss die biologisch bedingte Funktion der Kleidung darin bestehen, ihn vor Witterungseinflüssen zu schützen. Durch diese Funktion ist die notwendige Umhüllung des Körpers jedoch nicht zureichend bestimmt, vielmehr eröffnet sich damit ein breites Spektrum von Gestaltungsmöglichkeiten. Dazu zählt, dass Kleidung 'zweitens' der sozialen Distinktion dient. [...] Überlagert wird diese soziale Modekonkurrenz 'drittens' durch Verbergen bzw. Präsentieren von Körperpartien. Kleidung kann die sinnliche Präsenz eines Menschen steigern. "In der Kleidung" kann "sich ein erotisches Problem" erfüllen, nämlich "das des passiven aber dafür stetigen sinnlichen Werbens". Nur Menschen, die sich vom Eros verabschiedet haben, verzichten darauf; einen Extremfall stellen Nonnen und Mönche dar, die sich in weite Kutten hüllen.
Fast 47.000 Besucher hat die Ausstellung "Jil Sander. Präsens" allein in den ersten zwei Monaten ins Museum Angewandte Kunst Frankfurt gelockt und dem Haus einen neuen Besucherrekord eingebracht. Die Ausstellung setzt die erfolgreiche Publikumsentwicklung seit der Neueröffnung des Hauses unter Matthias Wagner K fort. Doch worin genau besteht das Erfolgskonzept der Ausstellung "Jil Sander. Präsens"? ...
Hundred Shades of Black : Inszenierungen des Herrenanzugs im Selbstbildnis des 20. Jahrhunderts
(2016)
Der Herrenanzug: Adrett, konservativ, angepasst? Gewagt, subversiv, gar revolutionär? Oder doch einfach nur todschick - und nichts weiter? Kaum ein Kleidungsstück kann einen so reichen Fundus an Attributen vorweisen wie der Anzug. Als treuer Begleiter des Mannes seit nunmehr fast zwei Jahrhunderten wurde und wird er mit den unterschiedlichsten Zuschreibungen bedacht, was angesichts seiner turbulenten Entstehungsgeschichte wenig überrascht. So spiegeln sich im Anzug wie in keinem anderen Kleidungsstück gesellschaftliche Entwicklungen, und das auf der Makroebene, denn die Formveränderungen des 'modernen Anzugs' fallen marginal aus.
Der vorliegende Aufsatz ist eine Bestandsaufnahme zum Eurovision Song Contest (= ESC), der im Mai 2015 in Wien stattfand. Ihm liegt ein Vortrag zugrunde, der eine Woche vor der 60. Austragung des Komponistenwettstreits auf der Tagung Mode - Geschmack - Distinktion an der Karl-Franzens-Universität Graz diskutiert wurde. Die Aktualität des Vortrags wird auch im vorliegenden Aufsatz deutlich und erhält stellenweise eine Erweiterung. Als zeitlich gebundene Reflexion spiegeln die folgenden Zeilen den Sachverhalt wider, dass die Generierung von Moden ein vielschichtiges Merkmal in den Diskursen über Popmusik darstellt.
Tagungsbericht zu 'Die Räume der Mode'. Internationale Tagung der Universität Potsdam, Kulturforum Berlin, 5. bis 7. Mai 2010
Die von Gertrud Lehnert (Potsdam) im Berliner Kulturforum ausgerichtete Tagung 'Die Räume der Mode' (5.-7. Mai 2010) betrachtete aus kulturwissenschaftlicher und praktischer Perspektive das Wechselverhältnis von Mode und Raum.
Tagungsbericht zu 'Fusion Culture: Fashion beyond Orientalism and Occidentalism', Universität Potsdam, 5. bis 7. November 2009
Die von Gabriele Mentges (Dortmund) und Gertrud Lehnert (Potsdam) veranstaltete und von der Volkswagen Stiftung geförderte Tagung befasste sich mit dem Thema 'Orientalismus und Mode' zum einen unter historischen Aspekten, zum anderen unter gegenwärtigen Bedingungen, in denen von 'Orientalismus' kaum noch die Rede sein kann. Denn längst haben wechselseitige Bezüge Mode zu einer globalen Angelegenheit gemacht. Vernetzung, Vermischung, Globalisierung, aber auch neue Regionalisierung bestimmt (nicht erst seit) heute die Mode.