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Die schöne Lau repräsentiert den biedermeierlichen Typus der Wasserfrau. In manchen Zügen erinnert sie an die Kleine Meerjungfrau Hans Christian Andersens, mit dessen Lebenszeit sich Mörikes Lebenszeit weitgehend deckt. Im ersten Schritt meines Beitrags gehe ich auf Mörikes Verhältnis zur Gattung des Märchens ein. Im zweiten Schritt rekonstruiere ich die vielfältigen Bezüge der schönen Lau zu ihren literarischen Vorbildern. Im dritten Schritt untersuche ich Komposition und Zeichenstruktur des Textes, um die Interpretation des Märchens vorzubereiten, die im vierten Schritt erfolgt. Im fünften Schritt skizziere ich die biedermeierlichen Geschlechterverhältnisse, die Mörike in seinem Märchen verhandelt.
Ekphrasis ist in der rhetorischen Theorie der Antike keine Gattung der
Bildbeschreibung, wohl aber eine "Übungsform" (Progymnasmata), die sich verpflichtet durch Sprache innere visuelle Bilder zu erzeugen. Mörike ist bekanntlich ein guter Kenner der Antike, u.a. ausgewiesen als Übersetzer aus dem Griechischen. Sein Gedicht 'L. Richters Kinder- Symphonie' spielt alle Formen der Ekphrasis, des Vor-Augenstellens durch Sprache aus: die Beschreibung, die Narration, die Vision, die evidentia, auch ganz spezifische Formen wie die "Schaurede", die in der
kaiserlichen Zeit der Antike Festbeiträge mit einer impliziten Beschreibung des Festes selbst verbunden hatte.
Im Folgenden soll die Interferenz von Kunst und Mode, von Poesie und Publizistik, von Dichtung und sozialer Gestik thematisiert werden. Zu Hilfe kommt dabei eine Eigenart ästhetischen Begriffsgebrauchs, die, recht genutzt, den Nachteil der wissenssoziologischen Trennung zwischen einer ästhetischen und soziologischen Begriffsreihe behebt. Der Gebrauch ästhetischer Begriffe geht sprachgeschichtlich zum Teil weit über den ästhetisch definiten, engen Bereich des schönen und der Kunst hinaus in außerästhetische Felder des Anthropologischen, Medizinischen, Psychologischen und Sozialen. So lebt z.B. das Poesieideal von Anmut und Grazie begrifflich fort in den sozialen Bereichen der Mode und des Benehmens; so dient die Unterscheidung von Lächerlichem und Häßlichem gleichermaßen der Artikulation von Grenz- und Tabuverletzungen in polemischer Poesie einerseits und in Psychologien und Psychopathologien andererseits. Die Konzentration auf die Vielstimmigkeit eines poetischen Werkes schließt die Untersuchung nur eines für das Sozialverhalten relevanten Bereichs, etwa der Anstandsbücher, der Modejournale, der Diätetiken, der Psychopathologien, der Mentalitäts- und Sprachgeschichte zugunsten eines Interferenzspiels aller dieser
Spezialdiskurse aus.
[Dem] Wechsel vom Erhabenen ins Komisch-Lächerliche ist eine Komik unzugänglich, die im Innersten des Erhabenen hervorbricht und dazu korrespondierend ein Erhabenes, das durch und durch komisch durchtränkt ist. Umso mehr mag erstaunen, dass eine spekulative Ästhetik der Hochromantik, nämlich Karl Wilhelm Ferdinand Solgers "Erwin" und ein oft aus der Sicht der Entwicklung zur Moderne eher randständiger Lyriker - Eduard Mörike - diese moderne Erfahrung des Erhabenen als Komisches und des Komischen als Erhabenes auf je eigentümliche und doch korrespondierende Weise theoretisch und lyrisch erfasst haben.