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"A really well-made Buttonhole is the only link between Art and Nature", war eine der dekadenten, subversiven und paradoxen Weisheiten, die der Schriftsteller und Dandy Oscar Wilde (1854–1900), der selbst das Haus nie ohne Knopflochblume verließ, 1894 der Jugend auf den Weg gab, als er seine 'Phrases and Philosophy for the Use of the Young' für die Zeitschrift 'Chameleon' verfasste. Die Belle Époque war die Hochzeit der Boutonnière. Heute lamentieren die Männermodezeitschriften, sie werde nur noch bei der eigenen Hochzeit getragen. Die kulturelle Bedeutung der zum Accessoire verkommenen Blume im Knopfloch des Herrenanzuges geht sehr weit über die Kostümgeschichte hinaus. Sie ist der einzige Link zwischen Kleidung und Philosophie.
Von der Poetik und Rhetorik des Fremden zur Kulturgeschichte und Kulturtheorie des Übersetzens
(2004)
Handschuhe sind Bindungswesen. Sie sind zunächst einmal genuin dual, denn sie kommen immer im Paar. Da ein einzelner Handschuh aber viel leichter verloren geht als etwa ein einzelner Schuh, ist die Welt trotzdem voll von einsamen Handschuhen, besonders im Winter. Sie liegen auf Bürgersteigen, Parkbänken oder in Treppenhäusern und geben ein trauriges Bild ab. Der eine ist nichts ohne den anderen. Vielmehr: Er ist zu nichts nutze.
Aus dem Leben der Knöpfe
(2015)
Der Knopf ist ein diskretes und zugleich unabdingbares Teilstück textiler Verschlüsse und steht als solches im Zentrum erbitterter Kämpfe und subtiler Gunstbezeigungen: In seiner 'Rede an einen Knopf' aus dem Jahr 1915 gesteht Robert Walser einem schon ziemlich abgewetzten Hemdknopf seine Liebe; er dankt ihm für die in der "unauffälligsten Unauffälligkeit" zugebrachten Dienstjahre und seine weitgehend unbeachtete Leistung. In Louis Pergauds Roman 'La Guerre des boutons' (1912) hingegen wird eine Fehde zwischen den Heranwachsenden zweier südfranzösischer Dörfer als ein Kampf um Knöpfe ausgetragen, bei dem sich die Protagonisten der befeindeten Lager zwar nicht die Kehlen, wohl aber die Knopflöcher aufschlitzen und die Metallhaken und Knöpfe von Hemd und Hose schneiden.
Souvenir und Andenken
(2006)
Souvenir und Andenken sind [...] Mediatoren einer Umwegerinnerung: und dies, weil sie "mit dem ursprünglichen Sinneseindruck" metonymisch, d.h. als Fragment zusammenhängen. Charakteristisch für Souvenir und Andenken ist, dass sie, als Reststücke einer Person, eines Ortes, einer Situation, eines Erlebnisses, ein Versprechen enthalten, nämlich eine bislang im Rest-Fragment nur angedeutete Geschichte ganz zu erzählen, wiederzubeleben, wiederzuinszenieren. Dass dieses Versprechen nur sehr schwer und selten eingelöst werden kann, ist der Zwischenzeit geschuldet.
Dem bemerkenswerten wissenschafts- und ästhetikgeschichtlichen Interesse an Friedrich Theodor Vischers Werk in der Gegenwart lässt sich ein weiterer Akzent hinzufügen, wenn man Vischers repräsentative Rolle sowohl im Vormärz wie im Nachmärz rekonstruiert und dabei vor allem auf seine Selbstkorrekturen und Revisionen die Aufmerksamkeit lenkt. In wissenschaftshistorischen Studien der jüngsten Zeit gewinnt die 'Historische Epistemologie' an Kontur.
Als das kontradiktorisch Andere des Lebens wird gewöhnlich der Tod oder auch das Unbelebte gesetzt. Eine Biologiegeschichte der Vergeschlechtlichungen von Lebenskonzepten kann aber noch ein weiteres, etwas schräg zu dieser Gegensatzachse angeordnetes Konzeptpaar herausstellen: die aus sich selbst zeugende Materie, die einer nicht selbst zeugungsfähigen, zu belebenden Materie gegenübersteht. Die erstgenannte Materieart kann mit dem gewohnten Terminus 'lebend' oder 'lebendig' bezeichnet werden, aber in Bezug auf den zweiten Modus von Materie passen Begriffe wie 'tot', 'unbelebt' oder 'lebendig' nicht. Dieser zweite Zustand wird vielmehr als ein zwischen Leben und Tod vermittelnder und changierender wissenschaftlich ausgestaltet, oder genauer: als ein Zustand zwischen Handlungsfreiheit und Naturverfallenheit. Dieses Konzeptpaar - nennen wir es hilfsweise zunächst das Lebendige und seine lebensfähige Ressource - steht außerdem weniger in einem polaren als eher in einem hierarchischen Verhältnis zueinander und durchläuft, so wird in einem kurzen Abriss zu zeigen sein, eine mit dem gesellschaftlichen Geschlechterverhältnis korrespondierende Kulturgeschichte.
Als Schlemmer seine traumhaft wie magisch anmutenden Figurinen entwarf, war das Tutu in der Welt des klassischen Balletts bereits zum romantischen Kostüm schlechthin geworden, zum historischen Rock. Seine Entwicklung folgte im Laufe der Jahrhunderte dem Bedürfnis, größtmögliche Bewegungsfreiheit für die Tänzerin zu erreichen und zugleich ihre virtuose Beinarbeit und makellose Silhouette auszustellen. Die Geschichte dieses Tanzkostüms ist mit der fortwährenden Verringerung des Abstands zum 'natürlichen' Körper verbunden. Das Tutu schob sich mit der Zeit immer mehr in die Höhe, bis es um 1900 in Choreographien wie Marius Petipas 'Schwanensee' die Hüften nur noch "wie ein Saturnring" umkreiste.
Vorwort
(2016)
Archive verändern sich heute. Überall entstehen neue Archive und die bestehenden wandeln vor allem durch die Möglichkeiten der Digitalisierung rasch ihre Form. Zugleich sehen sich die offiziellen Archive zunehmend einer Vielzahl von Sammlungen von Daten und Bildern gegenüber, von denen keineswegs ausgemacht ist, ob man sie noch als 'Archiv' bezeichnen kann. Durch die Virtualisierung scheinen die Dinge zu verschwinden oder an Kompaktheit zu verlieren; gleichzeitig entsteht immer mehr 'Archivgut' – alles wird archivierbar und unser Leben unterliegt zunehmend der Selbstarchivierung, die alle unsere Äußerungen und Erlebnisse in einem 'Profil' sammelt, das wir vielleicht niemals mehr löschen werden können. Insgesamt ist die fortschreitende Archivierung von allem und jedem vielleicht eines der auffälligsten Komplemente zur wachsenden Beschleunigung spätmoderner Gesellschaften – und es ist alles andere als klar, ob man sie als Zeichen einer Erosion 'des' Archivs oder eher als dessen Universalisierung verstehen kann.